Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 253/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1.Der Eingang der Rechnung des Sachverständigen für das von ihm erstellte Gutachten innerhalb der 3 Monats Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG muss im Vollbeweis nachgewiesen sein. Die Nichterweislichkeit geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Sachverständigen.
2. § 2 Abs. 2 JVEG sieht nur eine Wiedereinsetzung auf Antrag vor.
3. Die 2 Wochen Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gilt auch für die Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes.
4. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gebietet es, von einer Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Rahmen der Darlegungslast eines Antragstellers schon dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet.
5. Die verfassungsrechtlich gebotene weite Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast verlangt ein Korrektiv, um Missbrauch zu vermeiden. Das Gericht hat daher in einem zweiten Schritt die Frage zu prüfen, ob es möglicherweise erst nach weiterer Sachprüfung einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
2. § 2 Abs. 2 JVEG sieht nur eine Wiedereinsetzung auf Antrag vor.
3. Die 2 Wochen Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gilt auch für die Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes.
4. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gebietet es, von einer Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Rahmen der Darlegungslast eines Antragstellers schon dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet.
5. Die verfassungsrechtlich gebotene weite Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast verlangt ein Korrektiv, um Missbrauch zu vermeiden. Das Gericht hat daher in einem zweiten Schritt die Frage zu prüfen, ob es möglicherweise erst nach weiterer Sachprüfung einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Geltendmachung der Vergütung für das Gutachten vom 8. Februar 2012 gewährt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Vergütung für ein von ihr im Auftrag des Gerichts erstelltes Gutachten Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.
In dem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 15 SB 139/10 geführten schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren erstellte die Antragstellerin im Auftrag des Gerichts ein psychiatrisches Gutachten. Das Gutachten vom 08.02.2012 ging am 10.02.2012 ohne Begleitschreiben beim LSG ein. Der Eingang einer Rechnung der Antragstellerin ist in diesem Zusammenhang nicht vermerkt.
Mit Schreiben vom 01.10.2012 mahnte die Antragstellerin die Zahlung einer Rechnung vom 08.02.2012 für ihr Gutachten vom selben Tag an. Eine Kopie der Rechnung vom 08.02.2012 lag bei.
Mit Schreiben vom 11.10.2012 teilte der Kostenbeamte des Bayer. LSG der Antragstellerin mit, dass die Rechnung für das Gutachten erstmalig mit der Zahlungserinnerung vom 01.10.2012 eingegangen sei und daher wegen der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 JVEG der Anspruch erloschen sei.
Mit Schreiben vom 22.10.2012, bei Gericht eingegangen am 23.10.2012, hat sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der Vergütung gewandt. Mit dem Gutachten sei auch die Rechnung versandt worden. Aus ihrer Dokumentation sei eindeutig ersichtlich, dass Rechnung und Gutachten am selben Tag verschickt worden seien. Um nochmalige Überprüfung werde gebeten.
Auf eine gerichtliche Nachfrage zur Dokumentation hat die Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 15.03.2013 erläutert, dass es für die Erstellung von Gutachten in der Praxis der Antragstellerin eine Arbeitsanleitung gebe, die seit dem 28.05.2008 eingesetzt werde und die alle Schritte genau regle. Die Arbeitsanleitung, die - so die Antragstellerin - immer wieder kontrolliert worden sei, ist beigefügt worden. Wie darin vorgesehen, sei auch im Fall der streitgegenständlichen Begutachtung ein Laufzettel ausgefüllt worden, mit dem die Arbeitsschritte dokumentiert worden seien. Danach sei das Gutachten samt Rechnung am 09.02.2012 verschickt worden. Die Dokumentation sei durch eine langjährige, mit den Arbeitsanweisungen vertraute und seit Jahren zuverlässige Mitarbeiterin angefertigt worden.
II.
Das Schreiben der Antragstellerin vom 22.10.2012 stellt einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG dar, da sie damit eine rechtzeitige Einreichung der Rechnung vorträgt und sich gegen die Ablehnung der Vergütung wegen Verfristung wendet. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung hat nicht der Kostenbeamte, sondern gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG das Gericht zu entscheiden.
Wiedereinsetzung ist zu gewähren.
Im vorliegenden Fall ist der Entschädigungsantrag zu spät gestellt worden. Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vor.
1. Vergütungsantrag zu spät gestellt
Der Vergütungsanspruch war bereits erloschen, als die Honorarforderung für das Gutachten vom 08.02.2012 geltend gemacht wurde.
Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat.
Vorliegend ist das Gutachten vom 08.02.2012 am 10.02.2012 bei Gericht eingegangen. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des dafür entstandenen Vergütungsanspruchs ist am 10.05.2012 (Donnerstag) abgelaufen.
Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Vergütungsforderung bedarf es nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 16.09.2008, Az.: L 15 SF 144/08, vom 21.12.2011, Az.: L 15 SF 208/10 B E, vom 14.08.2012, Az.: L 15 SF 135/12 B, vom 03.01.2013, Az.: L 15 SF 255/10, vom 15.02.2013, Az.: L 15 SF 211/12 B, und vom 27.03.2013, Az.: L 15 SF 181/12 B).
Ein erstmaliger Eingang der Rechnung der Antragstellerin bei Gericht ist erst mit dem Eingang der Zahlungserinnerung der Antragstellerin vom 01.10.2012 am 02.10.2012 belegt. Mit diesem Schreiben hat die Antragstellerin eine Kopie ihrer auf den 08.02.2012 datierten Rechnung übersandt. Dieser Eingang der Rechnung ist erst weit nach Ablauf der dreimonatigen Frist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs erfolgt.
Ein früherer Rechnungseingang - und zwar noch innerhalb der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG - ist nicht in dem dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen.
Vollbeweis bedeutet, dass die für die Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen. Erst wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung für das Vorliegen der Tatsachen sprechen, kann das Gericht diese Tatsachen als gegeben annehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 27.03.1958, Az.: 8 RV 387/55). Das Gericht muss vom Vorliegen der Tatsachen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.1978, Az.: 8 RU 66/77). Bestehen noch Zweifel, die nicht ausgeräumt werden können, geht die Frage der Aufklärbarkeit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch geltend macht.
Nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist die Behauptung der Antragstellerin, dass die Rechnung dem Gutachten vom 08.02.2012 beigelegt gewesen und damit ein rechtzeitiger Zugang erfolgt sei.
Tatsächlich ist in den Gerichtsakten eine Rechnung nicht enthalten. Irgendwelche aktenkundige und jegliche Zweifel ausschließende Hinweise darauf, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten übersandt worden wäre, beispielsweise ein Zuleitungsschreiben mit den übersandten Anlagen und einer Abzeichnung durch die Eingangsstelle des Gerichts, gibt es nicht. Allein mit den Angaben der Antragstellerin, auch wenn diese durchaus plausibel erscheinen, lässt sich der Vollbeweis des Eingangs bei Gericht nicht führen (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 18.02.2004, Az.: I R 78/03, der regelmäßig nicht einmal für die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post eine eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten des die Wiedereinsetzung Begehrenden ausreichen lässt). Denn weder die Angaben der Antragstellerin noch die allgemeine Lebenserfahrung sind geeignet, jegliche Zweifel an einem nicht erfolgten Eingang der Rechnung zusammen mit dem Gutachten bei Gericht auszuräumen. So ist es nach der Lebenserfahrung nicht völlig auszuschließen, dass die Rechnung nicht beigelegt worden ist, auch wenn dies im Laufzettel so vermerkt worden ist.
Nicht ankommen kann es auf die Frage, ob der fehlende Nachweis des Rechnungseingangs vielleicht nicht auf ein Vergessen bei der Versendung oder einen Verlust auf dem Postweg, sondern auf ein Übersehen und versehentliches Vernichten bei Gericht zurückzuführen ist. Denn wenn der Nachweis des Eingangs bei Gericht nicht im Vollbeweis geführt werden kann, kann sich die Frage nicht stellen, ob eine Vernichtung nach Eingang bei Gericht in Betracht kommt. Solange der Eingang nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, ist die Frage eines potentiellen Verlustes zu einem späteren Zeitpunkt rein spekulativ und ohne rechtliche Bedeutung (vgl. Beschluss des Senats vom 21.12.2012, Az.: L 15 SF 208/10 B E - mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der früheren Rechtsprechung des Senats).
Ein fristgerechter Eingang der Rechnung für das Gutachten vom 08.02.2012 ist damit nicht (im Vollbeweis) nachgewiesen. Dies geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Antragstellerin.
2. Wiedereinsetzungsgrund gegeben
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, da die Antragstellerin ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.
2.1. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Allgemeinen
Einem Anspruchsteller nach dem JVEG ist bei Versäumung der Frist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG, d.h. innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die (rechtzeitige) Antragstellung, einen Wiedereinsetzungsantrag stellt,
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft macht (vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik und den sich daraus ergebenden vergleichsweise geringen Anforderungen an die Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang die ausführlichen Erwägungen im Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12),
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG den Vergütungsanspruch beziffert und
- sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom glaubhaften, d.h. überwiegend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes überzeugt hat (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht mehr beantragt werden.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (vgl. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, und vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Das Antragserfordernis verbietet es zudem, allein in der verspäteten Vorlage einer Entschädigungsforderung einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.01.2013, Az.: L 15 SF 255/10, und vom 15.02.2013, Az.: L 15 SF 211/12 B).
2.2. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im vorliegenden Fall
2.2.1. Fristgerechte Antragstellung
Die Antragstellerin hat fristgerecht einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Ab Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.10.2012 musste der Antragstellerin bewusst sein, dass die Rechung vom 08.02.2012 bei Gericht nicht vorlag. Für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG eine Frist von zwei Wochen eröffnet.
Mit Schreiben vom 22.10.2012 hat die Antragstellerin konkludent einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, weil sie vorgetragen hat, dass ihr eine Fristversäumung nicht vorgeworfen werden könne, und eine Vergütung ihres Gutachtens begehrt hat.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb der mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.10.2012 in Lauf gesetzten Frist, nämlich am 23.10.2012, bei Gericht eingegangen.
2.2.2. Fristgerechte Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes
Die Antragstellerin hat in ihrem Schreiben vom 22.10.2012 einen Wiedereinsetzungsgrund, nämlich dass sie alles fristgerecht erledigt habe und ihr der fehlende Nachweis des Zugangs der Rechnung bei Gericht nicht vorgeworfen werden könne, fristgerecht glaubhaft gemacht.
2.2.2.1. Wiedereinsetzungsgrund
Vom Vortrag einer unverschuldeten Fristversäumung und damit einem Wiedereinsetzungsantrag ist auch dann auszugehen, wenn ein Antragsteller angibt, die Frist überhaupt nicht versäumt zu haben, da er alles fristgemäß erledigt habe. Eine Fristversäumung kann nicht nur dadurch eintreten, dass eine erforderliche Handlung nicht rechtzeitig vorgenommen wird, sondern auch dadurch, dass der Betroffene selbst zwar alles rechtzeitig unternimmt, dann aber durch Umstände außerhalb seines Einflussbereichs oder infolge der Einschaltung Dritter die Einhaltung der Frist vereitelt wird (vgl. Beschluss des Senats vom 21.12.2011, Az.: L 15 SF 208/10 B E). Ein geradezu typischer Fall, in dem eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt, ist es, wenn ein Schreiben rechtzeitig zur Post gegeben wird, dann aber wegen Umständen im Verantwortungsbereich der Post die Einhaltung der Frist vereitelt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 29.12.1994, Az.: 2 BvR 106/93; BSG, Urteil vom 30.09.1996, Az.: 10 RAr 1/96) oder der Zugang beim Empfänger sich überhaupt nicht nachweisen lässt (vgl. BFH, Beschlüsse vom 19.06.1996, Az.: I R 13/96, und vom 23.12.2005, Az.: VI B 110/05; Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 03.02.2011, Az.: I ZB 74/09; BSG, Beschluss vom 11.11.2003, Az.: B 2 U 293/03 B).
Nicht anders stellt sich der Fall hier dar: Die Antragstellerin behauptet, alles getan zu haben, um den rechtzeitigen Eingang der Rechnung zu bewirken, ein rechtzeitiger Eingang lässt sich aber nicht nachweisen.
2.2.2.2. Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast - Allgemeines
Die Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gilt nicht nur für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Bezifferung des Anspruchs, sondern auch für die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen, wobei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht überspannt werden dürfen. Um die vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG vorgesehene Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht ins Leere laufen zu lassen, ist im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von einer Glaubhaftmachung daher schon dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12, in dem die (verfassungs-)
rechtliche Problematik umfassend dargestellt ist).
2.2.2.3. Erfüllung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast im hier zu entscheidenden Fall
Mit den Angaben im Schreiben vom 22.10.2012 wird die Antragstellerin diesen Anforderungen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gerecht. So hat sie vorgetragen, dass aufgrund ihrer Dokumentation eindeutig sei, dass die Rechung und das Gutachten gemeinsam erstellt und versandt worden seien. Weitergehende Anforderungen an die von der Antragstellerin vorgetragene Dokumentation können bei der Prüfung der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht gestellt werden. Ob die Dokumentation tatsächlich geeignet ist, die Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes zu begründen, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen, sodass für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht die strenge Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG zu beachten ist.
2.2.3. Fristgerechte Bezifferung des Vergütungsanspruchs
Mit ihrem Schreiben vom 01.10.2012 hat die Antragstellerin den Vergütungsanspruch fristgerecht beziffert.
Sie hat bereits vor Beginn der mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.10.2012 in Lauf gesetzten Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG und damit selbstverständlich vor Ablauf der genannten Frist ihren Vergütungsanspruch beziffert, da sie ihrem Schreiben vom 01.10.2012 eine Kopie der Rechung vom 08.02.2012 beigelegt hatte. Dieser Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wenn die Klägerin erst nach Erkennen der Fristversäumung die Rechnung vorgelegt hätte.
2.2.4. Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gegeben
Für den Senat liegt nach den weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft vor.
2.2.4.1. Anforderungen an das glaubhafte Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes - Allgemeines
Bei der verfassungsrechtlich gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast (vgl. oben Ziff. 2.2.2.) genügt dort schon allein der Vortrag eines schlüssigen und lebensnahen Sachverhalts durch den Antragsteller, ohne dass dafür weitere Beweise von ihm verlangt werden könnten. Würde dies aber allein für die Wiedereinsetzung ausreichen, wäre einer Manipulation Tür und Tor geöffnet. Denn ein Antragsteller könnte sich dadurch eine Wiedereinsetzung erschleichen, dass er wahrheitswidrig, aber schlüssig einen lebensnahen Sachverhalt beschreibt, der - wenn er denn tatsächlich gegeben wäre - eine Wiedereinsetzung begründen würde. Über den Vortrag eines schlüssigen und lebensnahen Sachverhalts durch den Antragsteller hinaus wird daher in einem zweiten Schritt vom Gericht die Frage zu prüfen sein, ob es - möglicherweise erst nach weiteren von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen - einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich glaubhaft, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, für gegeben hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.07.1969, Az.: 2 BvR 753/68; Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Dieser zweite Schritt unterfällt der Aufklärung durch das Gericht von Amts wegen und lässt keinen Rückschluss auf eine mangelhafte Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast zu (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.10.1997, Az.: 3St RR 54/97; Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
Weder das JVEG noch das sozialrechtliche Prozessrecht enthalten - anders als z.B. das Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - dort § 23 Abs. 1 Satz 2 ("Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.") - oder das Fremdrentengesetz - dort § 4 Abs. 1 Satz 2 ("Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.") - eine Legaldefinition zum Begriff der Glaubhaftmachung. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung ist der Begriff der Glaubhaftmachung aber auch für das JVEG im vorgenannten Sinn auszulegen. Näher - hier im Zusammenhang mit § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) - hat das BSG den Begriff der Glaubhaftmachung beispielsweise im Urteil vom 17.04.2013, Az.: B 9 V 3/12 R, erläutert und dort Folgendes ausgeführt:
"Bei dem "Glaubhafterscheinen" iS des § 15 S 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 3d mwN), dh der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-?3900 § 15 Nr 4 S 14 f mwN). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, dh es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 3d mwN), weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist allerdings im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung, § 128 Abs 1 S 1 SGG; vgl BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-?3900 § 15 Nr 4 S 15)."
Um den in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Justizgewährungsanspruch nicht ins Leere laufen zu lassen oder unzulässig einzuschränken, dürfen die Anforderungen an die Wiedereinsetzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Gerichts bei der Prüfung, ob eine für die Wiedereinsetzung erforderliche Tatsache glaubhaft gemacht ist, nicht überspannt werden (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschlüsse vom 02.07.1974, Az.: 2 BvR 32/74, vom 03.06.1975, Az.: 2 BvR 457/74, vom 15.04.1980, Az.: 2 BvR 461/79, vom 26.04.2004, Az.: 1 BvR 1819/00, vom 04.05.2004, Az.: 1 BvR 1892/03, vom 27.09.2012, Az.: 2 BvR 1766/12, und vom 18.10.2012, Az.: 2 BvR 2776/10).
Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinn des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG hat sich das Gericht die Überzeugung davon zu bilden, ob der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund überwiegend wahrscheinlich ist, also die gute Möglichkeit besteht, dass sich das Geschehen tatsächlich so zugetragen hat, wie dies der die Wiedereinsetzung Begehrende vorgetragen hat.
Da die gesetzliche Regelung des § 202 SGG i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung die zulässigen Mittel einer Glaubhaftmachung nicht näher einschränkt, kann nach den Maßstäben des einfachen Rechts im - wohl eher seltenen - Einzelfall auch eine bloße "schlichte Erklärung" des Antragstellers als hinreichende Glaubhaftmachung angesehen werden. Aus dieser Geeignetheit im Einzelfall kann aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die Glaubhaftmachung durch "schlichte Erklärung" regelmäßig und ganz allgemein bei naheliegenden Versäumnisgründen unter den verfassungsrechtlichen Schutz der Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG zu stellen wäre (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11.02.1976, Az.: 11.02.1976).
2.2.4.2. Erfüllung der Anforderungen an das glaubhafte Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes im hier zu entscheidenden Fall
Die Antragstellerin hat nicht nur eine "schlichte Erklärung" zum Wiedereinsetzungsgrund abgegeben, sondern weitere Nachweise dafür vorgelegt. Sie hat im Laufe des Verfahrens mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.03.2012 ihre Angaben zur Dokumentation im Wiedereinsetzungsantrag vom 22.10.2012 weiter erläutert. Diese Angaben sind nach der Überzeugung des Senats glaubhaft und begründen einen Wiedereinsetzungsgrund.
Die Antragstellerin hat in ihrer Praxis ein System zur Kontrolle der Abläufe bei einer Gutachtenserstellung eingeführt, das sie nach ihren eigenen Angaben wiederholt auf Geeignetheit und Praktikabilität überprüft hat. Teil dieses Kontrollsystems sind detaillierte und nach Sicht des Senats gut geeignete Handlungsanweisungen, die potentielle Fehlerquellen bei der Gutachtenserstellung und auch der Abrechnung ausschließen sollen. Die Einhaltung der Arbeitsanleitung ist immer wieder von der Antragstellerin kontrolliert worden. Zur Sicherstellung der Beachtung der Handlungsanweisungen hat die Antragstellerin zudem einen Laufzettel eingeführt, auf dem alle wesentlichen Schritte durch Abzeichnung durch den Ausführenden dokumentiert werden. Dies war auch im vorliegenden Fall so. Eine nach Angaben der Antragstellerin seit Jahren bewährte, mit den Handlungsanweisungen erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin hat die ihr obliegenden Handlungsschritte, insbesondere auch die Absendung des Gutachtens und der Rechnung, auf einem vollständig ausgefüllten Laufzettel dokumentiert und die Ausführung durch Unterschrift bestätigt. Irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angaben der Antragstellerin nicht glaubhaft wären, sieht der Senat nicht. Die Angaben sind in sich stimmig und durch die Vorlage der Handlungsanweisungen sowie den konkreten Laufzettel nachgewiesen. Allein die Tatsache, dass bei Eingang des Gerichts keine Rechnung verzeichnet und erfasst worden ist, begründet keine so weit gehenden Zweifel an der Beifügung der Rechnung, dass diese nicht mehr glaubhaft wäre. Denn es ist durchaus nicht auszuschließen, dass bei Eingang eines Pakets mit Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie dem Gutachten eine einzelne Seite wie eine Rechnung im Paket übersehen oder verlegt wird.
Es ist daher für den Senat glaubhaft, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten verschickt worden und erst nach Eingang bei Gericht aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen verloren gegangen ist.
Noch weiter gehende Nachweise für die Glaubhaftmachung der Rechnungsbeifügung können von der Antragstellerin nicht verlangt werden, um nicht die Anforderungen an die Wiedereinsetzung zu überspannen. Insbesondere sieht der Senat keinen Anlass, beispielsweise die Praxismitarbeiterin Sabina als Zeugin zu hören, die nachweislich des vorgelegten Laufzettels das Gutachten (samt Rechnung) versandt hat. Der Senat hält es für unrealistisch, dass sich die Mitarbeiterin an die Versendung des konkreten Gutachtens im Detail erinnern wird. Es spricht - ohne einer Beweiswürdigung vorgreifen zu wollen - vieles dafür, dass sich die Mitarbeiterin entweder nicht mehr erinnern kann oder - wenn sie eine für die Antragstellerin hilfreiche Aussage treffen würde - das Gericht an dieser Auskunft Zweifel haben könnte oder sogar müsste, weil seit der Versendung (09.02.2012) eine nicht unerhebliche Zeit verstrichen wäre und in der Praxis der Antragstellerin offensichtlich nicht nur ganz vereinzelt Gutachten angefertigt werden. Würde das Gericht die bisherigen Erkenntnisse nicht für ausreichend halten und daher für eine Glaubhaftmachung im vorliegenden Fall eine Auskunft der Mitarbeiterin für erforderlich halten, könnte dies aller Voraussicht nach keinen Beitrag zur Glaubhaftmachung liefern. Letztlich hätte daher das Bestehen auf einer Zeugenaussage, obwohl von vornherein naheliegend ist, dass diese keinen Beitrag zur Glaubhaftmachung liefern könnte, eine erhebliche Erschwerung des Wiedereinsetzungsanspruchs zur Folge, was als unzulässige Überspannung der Anforderungen an die Wiedereinsetzung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG gesehen werden müsste.
Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass gewisse (Rest-)Zweifel am Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes nicht abwegig sind, die z.B. in folgenden Fragen zum Ausdruck gebracht werden könnten: Warum sollte die Rechnung bei Gericht untergegangen sein, wo doch die Erfahrung zeigt, dass Derartiges so gut wie nie geschieht? Hat nicht vielleicht die Praxismitarbeiterin die Rechnung versehentlich nicht beigefügt und die Dokumentation fehlerhaft ausgefüllt, ohne dass ihr das Versehen bewusst gewesen wäre? Wäre es nicht möglich, dass der Laufzettel nachträglich erstellt, also manipuliert worden ist, um die doch nicht unerhebliche Vergütungsforderung nicht zu verlieren?
Ganz abgesehen davon, dass allein der hinter den Handlungsanweisungen stehende Aufwand so groß ist, dass er eine Erstellung nur wegen der Überwindung der Fristversäumung in einem Einzelfall als unwahrscheinlich erscheinen lässt, zudem der Hinweis der Antragstellerin auf die bei ihr vorhandene Dokumentation vergleichsweise spontan umgehend nach der Mitteilung der Verfristung der Rechnungsstellung erfolgt ist, darf nicht übersehen werden, dass der Beweismaßstab hier die Glaubhaftmachung als mildester Beweismaßstab des Sozialrechts ist, nicht etwa die hinreichende Wahrscheinlichkeit oder sogar der Vollbeweis (vgl. zu den drei Beweismaßstäben BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Verbleibende Zweifel, die im vorliegenden Fall den Vollbeweis des rechtzeitigen Rechnungszugangs vereitelt haben (vgl. oben Ziff. 1.) stehen einer Glaubhaftmachung nicht entgegen, sofern von der guten Möglichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes im Rahmen der freien Beweiswürdigung, wie dies hier der Fall ist, auszugehen ist.
2.2.4.3. Weitergehende Hinweise
Auch wenn - anders als glaubhaft gemacht - im vorliegenden Fall davon auszugehen wäre, dass die Rechnung nicht erst bei Gericht verlorenen gegangen wäre, sondern dass die Praxiskraft der Antragstellerin es vergessen hätte, die Rechnung bei der Übersendung des Gutachtens beizufügen, läge kein Verschulden vor, das der Antragstellerin vorzuwerfen wäre und einer Wiedereinsetzung entgegenstünde.
Ein Verschulden würde nur dann vorliegen, wenn die Antragstellerin hinsichtlich der Wahrung der Frist für die Abrechnung ihres Gutachtens diejenige Sorgfalt nicht beachtet hätte, die für einen gewissenhaften und seine Pflichten und Rechte sachgemäß wahrnehmenden Betroffenen im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten wäre, und deshalb die Möglichkeit der Fristversäumnis entweder gar nicht voraussehen (unbewusste Fahrlässigkeit) oder nicht vermeiden würde (bewusste Fahrlässigkeit) (vgl. BSG, Beschluss vom 09.10.2012,Az.: B 5 R 196/12 B ).
Ein solches Verschulden könnte der Antragstellerin nicht vorgeworfen werden. Die Delegierung der Abrechnung des Gutachtens an eine Praxismitarbeiterin würde kein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin begründen, da es nicht die ureigene und nicht übertragbare Aufgabe eines Sachverständigen ist, die Abrechnung für das Gutachten zu erstellen und für die Absendung zu sorgen. Auch ein mögliches Verschulden der Praxismitarbeiterin könnte der Antragstellerin nicht zugerechnet werden. Ein Verschulden einer Hilfsperson des Betroffenen ist nur dann, wenn dieses von ihm selbst zu vertreten ist, als sein eigenes Verschulden anzusehen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.10.2012, Az.: B 5 R 196/12 B - m.w.N.). Kein Verschulden liegt dagegen dann vor, wenn der Betroffene darlegen kann, dass ein Büroversehen vorliegt und er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl. zur vergleichbaren, eher höher aufzuhängenden Haftung eines Anwalts für seine Mitarbeiter: BSG, Beschluss vom 08.09.2010, Az.: B 14 AS 96/10 B - m.w.N.).
Eine solche Fahrlässigkeit läge nicht vor. Zwar dürfte in Anlehnung an die anwaltlichen Pflichten davon auszugehen sein, dass die Antragstellerin im Rahmen der zu beachtenden Sorgfaltspflicht auch die Pflicht trifft, für eine effektive Ausgangskontrolle zu sorgen. Nach Ansicht des Senats dürfte jedoch die Antragstellerin grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Mitarbeiterin, die sich über längere Zeit als zuverlässig erwiesen hat, eine Anweisung, wie sie sich aus der seit Jahren angewandten und immer wieder überprüften Handlungsanweisung ergibt, befolgt. Eine Verpflichtung der Antragstellerin, sich in jedem Einzelfall über die Ausführung der Handlungsanweisung zu vergewissern, würde daher die Anforderungen an die Kontroll- und Überwachungspflicht überspannen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2003, Az.: VI ZB 38/02). Denn bei einer zuverlässigen Bürokraft darf damit gerechnet werden, dass sie die Handlungsanweisung im Einzelfall befolgt. Ein von der Antragstellerin selbst zu vertretendes, also eigenes Verschulden wäre nur dann gegeben, wenn sie nicht alle Vorkehrungen getroffen hätte, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und nicht durch regelmäßige Belehrung und Überwachung ihrer Mitarbeiter für die Einhaltung der Anweisung Sorge getragen hätte (vgl. BSG, Beschluss vom 08.09.2010, Az.: B 14 AS 96/10 B). Ein solches Organisationsverschulden dürfte der Antragstellerin nicht vorzuwerfen sein.
Der Antragstellerin ist daher bezüglich der Abrechnung ihres Gutachtens vom 08.02.2012 Wiedereinsetzung zu gewähren.
Eine über die Wiedereinsetzung hinausgehende richterliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist durch den Senat derzeit nicht zu treffen. Weder die Staatskasse noch die Sachverständige haben einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt. Einen gerichtlichen Beschluss hält der Senat, ohne dass zuvor die verwaltungsmäßige Kostenfestsetzung erfolgt wäre, nicht für angemessen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG. Er kann für die Festsetzung der Vergütung keine so großen Schwierigkeiten erkennen kann, dass eine umgehende gerichtliche Kostenfestsetzung unter Verzicht auf eine Festsetzung der Vergütung durch die Verwaltung angezeigt wäre. Vielmehr handelt es sich bei der Abrechnung des Gutachtens um einen Fall wie viele andere auch (vgl. Beschluss des Senats vom 16.08.2012, Az.: L 15 SF 172/12).
Der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 8 JVEG).
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Vergütung für ein von ihr im Auftrag des Gerichts erstelltes Gutachten Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.
In dem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 15 SB 139/10 geführten schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren erstellte die Antragstellerin im Auftrag des Gerichts ein psychiatrisches Gutachten. Das Gutachten vom 08.02.2012 ging am 10.02.2012 ohne Begleitschreiben beim LSG ein. Der Eingang einer Rechnung der Antragstellerin ist in diesem Zusammenhang nicht vermerkt.
Mit Schreiben vom 01.10.2012 mahnte die Antragstellerin die Zahlung einer Rechnung vom 08.02.2012 für ihr Gutachten vom selben Tag an. Eine Kopie der Rechnung vom 08.02.2012 lag bei.
Mit Schreiben vom 11.10.2012 teilte der Kostenbeamte des Bayer. LSG der Antragstellerin mit, dass die Rechnung für das Gutachten erstmalig mit der Zahlungserinnerung vom 01.10.2012 eingegangen sei und daher wegen der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 JVEG der Anspruch erloschen sei.
Mit Schreiben vom 22.10.2012, bei Gericht eingegangen am 23.10.2012, hat sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der Vergütung gewandt. Mit dem Gutachten sei auch die Rechnung versandt worden. Aus ihrer Dokumentation sei eindeutig ersichtlich, dass Rechnung und Gutachten am selben Tag verschickt worden seien. Um nochmalige Überprüfung werde gebeten.
Auf eine gerichtliche Nachfrage zur Dokumentation hat die Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 15.03.2013 erläutert, dass es für die Erstellung von Gutachten in der Praxis der Antragstellerin eine Arbeitsanleitung gebe, die seit dem 28.05.2008 eingesetzt werde und die alle Schritte genau regle. Die Arbeitsanleitung, die - so die Antragstellerin - immer wieder kontrolliert worden sei, ist beigefügt worden. Wie darin vorgesehen, sei auch im Fall der streitgegenständlichen Begutachtung ein Laufzettel ausgefüllt worden, mit dem die Arbeitsschritte dokumentiert worden seien. Danach sei das Gutachten samt Rechnung am 09.02.2012 verschickt worden. Die Dokumentation sei durch eine langjährige, mit den Arbeitsanweisungen vertraute und seit Jahren zuverlässige Mitarbeiterin angefertigt worden.
II.
Das Schreiben der Antragstellerin vom 22.10.2012 stellt einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG dar, da sie damit eine rechtzeitige Einreichung der Rechnung vorträgt und sich gegen die Ablehnung der Vergütung wegen Verfristung wendet. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung hat nicht der Kostenbeamte, sondern gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG das Gericht zu entscheiden.
Wiedereinsetzung ist zu gewähren.
Im vorliegenden Fall ist der Entschädigungsantrag zu spät gestellt worden. Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vor.
1. Vergütungsantrag zu spät gestellt
Der Vergütungsanspruch war bereits erloschen, als die Honorarforderung für das Gutachten vom 08.02.2012 geltend gemacht wurde.
Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat.
Vorliegend ist das Gutachten vom 08.02.2012 am 10.02.2012 bei Gericht eingegangen. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des dafür entstandenen Vergütungsanspruchs ist am 10.05.2012 (Donnerstag) abgelaufen.
Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Vergütungsforderung bedarf es nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 16.09.2008, Az.: L 15 SF 144/08, vom 21.12.2011, Az.: L 15 SF 208/10 B E, vom 14.08.2012, Az.: L 15 SF 135/12 B, vom 03.01.2013, Az.: L 15 SF 255/10, vom 15.02.2013, Az.: L 15 SF 211/12 B, und vom 27.03.2013, Az.: L 15 SF 181/12 B).
Ein erstmaliger Eingang der Rechnung der Antragstellerin bei Gericht ist erst mit dem Eingang der Zahlungserinnerung der Antragstellerin vom 01.10.2012 am 02.10.2012 belegt. Mit diesem Schreiben hat die Antragstellerin eine Kopie ihrer auf den 08.02.2012 datierten Rechnung übersandt. Dieser Eingang der Rechnung ist erst weit nach Ablauf der dreimonatigen Frist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs erfolgt.
Ein früherer Rechnungseingang - und zwar noch innerhalb der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG - ist nicht in dem dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen.
Vollbeweis bedeutet, dass die für die Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen. Erst wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung für das Vorliegen der Tatsachen sprechen, kann das Gericht diese Tatsachen als gegeben annehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 27.03.1958, Az.: 8 RV 387/55). Das Gericht muss vom Vorliegen der Tatsachen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.1978, Az.: 8 RU 66/77). Bestehen noch Zweifel, die nicht ausgeräumt werden können, geht die Frage der Aufklärbarkeit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch geltend macht.
Nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist die Behauptung der Antragstellerin, dass die Rechnung dem Gutachten vom 08.02.2012 beigelegt gewesen und damit ein rechtzeitiger Zugang erfolgt sei.
Tatsächlich ist in den Gerichtsakten eine Rechnung nicht enthalten. Irgendwelche aktenkundige und jegliche Zweifel ausschließende Hinweise darauf, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten übersandt worden wäre, beispielsweise ein Zuleitungsschreiben mit den übersandten Anlagen und einer Abzeichnung durch die Eingangsstelle des Gerichts, gibt es nicht. Allein mit den Angaben der Antragstellerin, auch wenn diese durchaus plausibel erscheinen, lässt sich der Vollbeweis des Eingangs bei Gericht nicht führen (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 18.02.2004, Az.: I R 78/03, der regelmäßig nicht einmal für die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post eine eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten des die Wiedereinsetzung Begehrenden ausreichen lässt). Denn weder die Angaben der Antragstellerin noch die allgemeine Lebenserfahrung sind geeignet, jegliche Zweifel an einem nicht erfolgten Eingang der Rechnung zusammen mit dem Gutachten bei Gericht auszuräumen. So ist es nach der Lebenserfahrung nicht völlig auszuschließen, dass die Rechnung nicht beigelegt worden ist, auch wenn dies im Laufzettel so vermerkt worden ist.
Nicht ankommen kann es auf die Frage, ob der fehlende Nachweis des Rechnungseingangs vielleicht nicht auf ein Vergessen bei der Versendung oder einen Verlust auf dem Postweg, sondern auf ein Übersehen und versehentliches Vernichten bei Gericht zurückzuführen ist. Denn wenn der Nachweis des Eingangs bei Gericht nicht im Vollbeweis geführt werden kann, kann sich die Frage nicht stellen, ob eine Vernichtung nach Eingang bei Gericht in Betracht kommt. Solange der Eingang nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, ist die Frage eines potentiellen Verlustes zu einem späteren Zeitpunkt rein spekulativ und ohne rechtliche Bedeutung (vgl. Beschluss des Senats vom 21.12.2012, Az.: L 15 SF 208/10 B E - mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der früheren Rechtsprechung des Senats).
Ein fristgerechter Eingang der Rechnung für das Gutachten vom 08.02.2012 ist damit nicht (im Vollbeweis) nachgewiesen. Dies geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Antragstellerin.
2. Wiedereinsetzungsgrund gegeben
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, da die Antragstellerin ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.
2.1. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Allgemeinen
Einem Anspruchsteller nach dem JVEG ist bei Versäumung der Frist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG, d.h. innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die (rechtzeitige) Antragstellung, einen Wiedereinsetzungsantrag stellt,
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft macht (vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik und den sich daraus ergebenden vergleichsweise geringen Anforderungen an die Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang die ausführlichen Erwägungen im Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12),
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG den Vergütungsanspruch beziffert und
- sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom glaubhaften, d.h. überwiegend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes überzeugt hat (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht mehr beantragt werden.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (vgl. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, und vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Das Antragserfordernis verbietet es zudem, allein in der verspäteten Vorlage einer Entschädigungsforderung einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.01.2013, Az.: L 15 SF 255/10, und vom 15.02.2013, Az.: L 15 SF 211/12 B).
2.2. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im vorliegenden Fall
2.2.1. Fristgerechte Antragstellung
Die Antragstellerin hat fristgerecht einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Ab Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.10.2012 musste der Antragstellerin bewusst sein, dass die Rechung vom 08.02.2012 bei Gericht nicht vorlag. Für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG eine Frist von zwei Wochen eröffnet.
Mit Schreiben vom 22.10.2012 hat die Antragstellerin konkludent einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, weil sie vorgetragen hat, dass ihr eine Fristversäumung nicht vorgeworfen werden könne, und eine Vergütung ihres Gutachtens begehrt hat.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb der mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.10.2012 in Lauf gesetzten Frist, nämlich am 23.10.2012, bei Gericht eingegangen.
2.2.2. Fristgerechte Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes
Die Antragstellerin hat in ihrem Schreiben vom 22.10.2012 einen Wiedereinsetzungsgrund, nämlich dass sie alles fristgerecht erledigt habe und ihr der fehlende Nachweis des Zugangs der Rechnung bei Gericht nicht vorgeworfen werden könne, fristgerecht glaubhaft gemacht.
2.2.2.1. Wiedereinsetzungsgrund
Vom Vortrag einer unverschuldeten Fristversäumung und damit einem Wiedereinsetzungsantrag ist auch dann auszugehen, wenn ein Antragsteller angibt, die Frist überhaupt nicht versäumt zu haben, da er alles fristgemäß erledigt habe. Eine Fristversäumung kann nicht nur dadurch eintreten, dass eine erforderliche Handlung nicht rechtzeitig vorgenommen wird, sondern auch dadurch, dass der Betroffene selbst zwar alles rechtzeitig unternimmt, dann aber durch Umstände außerhalb seines Einflussbereichs oder infolge der Einschaltung Dritter die Einhaltung der Frist vereitelt wird (vgl. Beschluss des Senats vom 21.12.2011, Az.: L 15 SF 208/10 B E). Ein geradezu typischer Fall, in dem eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt, ist es, wenn ein Schreiben rechtzeitig zur Post gegeben wird, dann aber wegen Umständen im Verantwortungsbereich der Post die Einhaltung der Frist vereitelt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 29.12.1994, Az.: 2 BvR 106/93; BSG, Urteil vom 30.09.1996, Az.: 10 RAr 1/96) oder der Zugang beim Empfänger sich überhaupt nicht nachweisen lässt (vgl. BFH, Beschlüsse vom 19.06.1996, Az.: I R 13/96, und vom 23.12.2005, Az.: VI B 110/05; Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 03.02.2011, Az.: I ZB 74/09; BSG, Beschluss vom 11.11.2003, Az.: B 2 U 293/03 B).
Nicht anders stellt sich der Fall hier dar: Die Antragstellerin behauptet, alles getan zu haben, um den rechtzeitigen Eingang der Rechnung zu bewirken, ein rechtzeitiger Eingang lässt sich aber nicht nachweisen.
2.2.2.2. Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast - Allgemeines
Die Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gilt nicht nur für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Bezifferung des Anspruchs, sondern auch für die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen, wobei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht überspannt werden dürfen. Um die vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG vorgesehene Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht ins Leere laufen zu lassen, ist im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von einer Glaubhaftmachung daher schon dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12, in dem die (verfassungs-)
rechtliche Problematik umfassend dargestellt ist).
2.2.2.3. Erfüllung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast im hier zu entscheidenden Fall
Mit den Angaben im Schreiben vom 22.10.2012 wird die Antragstellerin diesen Anforderungen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gerecht. So hat sie vorgetragen, dass aufgrund ihrer Dokumentation eindeutig sei, dass die Rechung und das Gutachten gemeinsam erstellt und versandt worden seien. Weitergehende Anforderungen an die von der Antragstellerin vorgetragene Dokumentation können bei der Prüfung der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht gestellt werden. Ob die Dokumentation tatsächlich geeignet ist, die Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes zu begründen, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen, sodass für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht die strenge Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG zu beachten ist.
2.2.3. Fristgerechte Bezifferung des Vergütungsanspruchs
Mit ihrem Schreiben vom 01.10.2012 hat die Antragstellerin den Vergütungsanspruch fristgerecht beziffert.
Sie hat bereits vor Beginn der mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.10.2012 in Lauf gesetzten Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG und damit selbstverständlich vor Ablauf der genannten Frist ihren Vergütungsanspruch beziffert, da sie ihrem Schreiben vom 01.10.2012 eine Kopie der Rechung vom 08.02.2012 beigelegt hatte. Dieser Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wenn die Klägerin erst nach Erkennen der Fristversäumung die Rechnung vorgelegt hätte.
2.2.4. Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gegeben
Für den Senat liegt nach den weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft vor.
2.2.4.1. Anforderungen an das glaubhafte Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes - Allgemeines
Bei der verfassungsrechtlich gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast (vgl. oben Ziff. 2.2.2.) genügt dort schon allein der Vortrag eines schlüssigen und lebensnahen Sachverhalts durch den Antragsteller, ohne dass dafür weitere Beweise von ihm verlangt werden könnten. Würde dies aber allein für die Wiedereinsetzung ausreichen, wäre einer Manipulation Tür und Tor geöffnet. Denn ein Antragsteller könnte sich dadurch eine Wiedereinsetzung erschleichen, dass er wahrheitswidrig, aber schlüssig einen lebensnahen Sachverhalt beschreibt, der - wenn er denn tatsächlich gegeben wäre - eine Wiedereinsetzung begründen würde. Über den Vortrag eines schlüssigen und lebensnahen Sachverhalts durch den Antragsteller hinaus wird daher in einem zweiten Schritt vom Gericht die Frage zu prüfen sein, ob es - möglicherweise erst nach weiteren von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen - einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich glaubhaft, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, für gegeben hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.07.1969, Az.: 2 BvR 753/68; Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Dieser zweite Schritt unterfällt der Aufklärung durch das Gericht von Amts wegen und lässt keinen Rückschluss auf eine mangelhafte Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast zu (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.10.1997, Az.: 3St RR 54/97; Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
Weder das JVEG noch das sozialrechtliche Prozessrecht enthalten - anders als z.B. das Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - dort § 23 Abs. 1 Satz 2 ("Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.") - oder das Fremdrentengesetz - dort § 4 Abs. 1 Satz 2 ("Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.") - eine Legaldefinition zum Begriff der Glaubhaftmachung. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung ist der Begriff der Glaubhaftmachung aber auch für das JVEG im vorgenannten Sinn auszulegen. Näher - hier im Zusammenhang mit § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) - hat das BSG den Begriff der Glaubhaftmachung beispielsweise im Urteil vom 17.04.2013, Az.: B 9 V 3/12 R, erläutert und dort Folgendes ausgeführt:
"Bei dem "Glaubhafterscheinen" iS des § 15 S 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 3d mwN), dh der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-?3900 § 15 Nr 4 S 14 f mwN). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, dh es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 3d mwN), weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist allerdings im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung, § 128 Abs 1 S 1 SGG; vgl BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-?3900 § 15 Nr 4 S 15)."
Um den in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Justizgewährungsanspruch nicht ins Leere laufen zu lassen oder unzulässig einzuschränken, dürfen die Anforderungen an die Wiedereinsetzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Gerichts bei der Prüfung, ob eine für die Wiedereinsetzung erforderliche Tatsache glaubhaft gemacht ist, nicht überspannt werden (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschlüsse vom 02.07.1974, Az.: 2 BvR 32/74, vom 03.06.1975, Az.: 2 BvR 457/74, vom 15.04.1980, Az.: 2 BvR 461/79, vom 26.04.2004, Az.: 1 BvR 1819/00, vom 04.05.2004, Az.: 1 BvR 1892/03, vom 27.09.2012, Az.: 2 BvR 1766/12, und vom 18.10.2012, Az.: 2 BvR 2776/10).
Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinn des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG hat sich das Gericht die Überzeugung davon zu bilden, ob der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund überwiegend wahrscheinlich ist, also die gute Möglichkeit besteht, dass sich das Geschehen tatsächlich so zugetragen hat, wie dies der die Wiedereinsetzung Begehrende vorgetragen hat.
Da die gesetzliche Regelung des § 202 SGG i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung die zulässigen Mittel einer Glaubhaftmachung nicht näher einschränkt, kann nach den Maßstäben des einfachen Rechts im - wohl eher seltenen - Einzelfall auch eine bloße "schlichte Erklärung" des Antragstellers als hinreichende Glaubhaftmachung angesehen werden. Aus dieser Geeignetheit im Einzelfall kann aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die Glaubhaftmachung durch "schlichte Erklärung" regelmäßig und ganz allgemein bei naheliegenden Versäumnisgründen unter den verfassungsrechtlichen Schutz der Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG zu stellen wäre (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11.02.1976, Az.: 11.02.1976).
2.2.4.2. Erfüllung der Anforderungen an das glaubhafte Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes im hier zu entscheidenden Fall
Die Antragstellerin hat nicht nur eine "schlichte Erklärung" zum Wiedereinsetzungsgrund abgegeben, sondern weitere Nachweise dafür vorgelegt. Sie hat im Laufe des Verfahrens mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.03.2012 ihre Angaben zur Dokumentation im Wiedereinsetzungsantrag vom 22.10.2012 weiter erläutert. Diese Angaben sind nach der Überzeugung des Senats glaubhaft und begründen einen Wiedereinsetzungsgrund.
Die Antragstellerin hat in ihrer Praxis ein System zur Kontrolle der Abläufe bei einer Gutachtenserstellung eingeführt, das sie nach ihren eigenen Angaben wiederholt auf Geeignetheit und Praktikabilität überprüft hat. Teil dieses Kontrollsystems sind detaillierte und nach Sicht des Senats gut geeignete Handlungsanweisungen, die potentielle Fehlerquellen bei der Gutachtenserstellung und auch der Abrechnung ausschließen sollen. Die Einhaltung der Arbeitsanleitung ist immer wieder von der Antragstellerin kontrolliert worden. Zur Sicherstellung der Beachtung der Handlungsanweisungen hat die Antragstellerin zudem einen Laufzettel eingeführt, auf dem alle wesentlichen Schritte durch Abzeichnung durch den Ausführenden dokumentiert werden. Dies war auch im vorliegenden Fall so. Eine nach Angaben der Antragstellerin seit Jahren bewährte, mit den Handlungsanweisungen erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin hat die ihr obliegenden Handlungsschritte, insbesondere auch die Absendung des Gutachtens und der Rechnung, auf einem vollständig ausgefüllten Laufzettel dokumentiert und die Ausführung durch Unterschrift bestätigt. Irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angaben der Antragstellerin nicht glaubhaft wären, sieht der Senat nicht. Die Angaben sind in sich stimmig und durch die Vorlage der Handlungsanweisungen sowie den konkreten Laufzettel nachgewiesen. Allein die Tatsache, dass bei Eingang des Gerichts keine Rechnung verzeichnet und erfasst worden ist, begründet keine so weit gehenden Zweifel an der Beifügung der Rechnung, dass diese nicht mehr glaubhaft wäre. Denn es ist durchaus nicht auszuschließen, dass bei Eingang eines Pakets mit Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie dem Gutachten eine einzelne Seite wie eine Rechnung im Paket übersehen oder verlegt wird.
Es ist daher für den Senat glaubhaft, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten verschickt worden und erst nach Eingang bei Gericht aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen verloren gegangen ist.
Noch weiter gehende Nachweise für die Glaubhaftmachung der Rechnungsbeifügung können von der Antragstellerin nicht verlangt werden, um nicht die Anforderungen an die Wiedereinsetzung zu überspannen. Insbesondere sieht der Senat keinen Anlass, beispielsweise die Praxismitarbeiterin Sabina als Zeugin zu hören, die nachweislich des vorgelegten Laufzettels das Gutachten (samt Rechnung) versandt hat. Der Senat hält es für unrealistisch, dass sich die Mitarbeiterin an die Versendung des konkreten Gutachtens im Detail erinnern wird. Es spricht - ohne einer Beweiswürdigung vorgreifen zu wollen - vieles dafür, dass sich die Mitarbeiterin entweder nicht mehr erinnern kann oder - wenn sie eine für die Antragstellerin hilfreiche Aussage treffen würde - das Gericht an dieser Auskunft Zweifel haben könnte oder sogar müsste, weil seit der Versendung (09.02.2012) eine nicht unerhebliche Zeit verstrichen wäre und in der Praxis der Antragstellerin offensichtlich nicht nur ganz vereinzelt Gutachten angefertigt werden. Würde das Gericht die bisherigen Erkenntnisse nicht für ausreichend halten und daher für eine Glaubhaftmachung im vorliegenden Fall eine Auskunft der Mitarbeiterin für erforderlich halten, könnte dies aller Voraussicht nach keinen Beitrag zur Glaubhaftmachung liefern. Letztlich hätte daher das Bestehen auf einer Zeugenaussage, obwohl von vornherein naheliegend ist, dass diese keinen Beitrag zur Glaubhaftmachung liefern könnte, eine erhebliche Erschwerung des Wiedereinsetzungsanspruchs zur Folge, was als unzulässige Überspannung der Anforderungen an die Wiedereinsetzung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG gesehen werden müsste.
Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass gewisse (Rest-)Zweifel am Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes nicht abwegig sind, die z.B. in folgenden Fragen zum Ausdruck gebracht werden könnten: Warum sollte die Rechnung bei Gericht untergegangen sein, wo doch die Erfahrung zeigt, dass Derartiges so gut wie nie geschieht? Hat nicht vielleicht die Praxismitarbeiterin die Rechnung versehentlich nicht beigefügt und die Dokumentation fehlerhaft ausgefüllt, ohne dass ihr das Versehen bewusst gewesen wäre? Wäre es nicht möglich, dass der Laufzettel nachträglich erstellt, also manipuliert worden ist, um die doch nicht unerhebliche Vergütungsforderung nicht zu verlieren?
Ganz abgesehen davon, dass allein der hinter den Handlungsanweisungen stehende Aufwand so groß ist, dass er eine Erstellung nur wegen der Überwindung der Fristversäumung in einem Einzelfall als unwahrscheinlich erscheinen lässt, zudem der Hinweis der Antragstellerin auf die bei ihr vorhandene Dokumentation vergleichsweise spontan umgehend nach der Mitteilung der Verfristung der Rechnungsstellung erfolgt ist, darf nicht übersehen werden, dass der Beweismaßstab hier die Glaubhaftmachung als mildester Beweismaßstab des Sozialrechts ist, nicht etwa die hinreichende Wahrscheinlichkeit oder sogar der Vollbeweis (vgl. zu den drei Beweismaßstäben BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Verbleibende Zweifel, die im vorliegenden Fall den Vollbeweis des rechtzeitigen Rechnungszugangs vereitelt haben (vgl. oben Ziff. 1.) stehen einer Glaubhaftmachung nicht entgegen, sofern von der guten Möglichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes im Rahmen der freien Beweiswürdigung, wie dies hier der Fall ist, auszugehen ist.
2.2.4.3. Weitergehende Hinweise
Auch wenn - anders als glaubhaft gemacht - im vorliegenden Fall davon auszugehen wäre, dass die Rechnung nicht erst bei Gericht verlorenen gegangen wäre, sondern dass die Praxiskraft der Antragstellerin es vergessen hätte, die Rechnung bei der Übersendung des Gutachtens beizufügen, läge kein Verschulden vor, das der Antragstellerin vorzuwerfen wäre und einer Wiedereinsetzung entgegenstünde.
Ein Verschulden würde nur dann vorliegen, wenn die Antragstellerin hinsichtlich der Wahrung der Frist für die Abrechnung ihres Gutachtens diejenige Sorgfalt nicht beachtet hätte, die für einen gewissenhaften und seine Pflichten und Rechte sachgemäß wahrnehmenden Betroffenen im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten wäre, und deshalb die Möglichkeit der Fristversäumnis entweder gar nicht voraussehen (unbewusste Fahrlässigkeit) oder nicht vermeiden würde (bewusste Fahrlässigkeit) (vgl. BSG, Beschluss vom 09.10.2012,Az.: B 5 R 196/12 B ).
Ein solches Verschulden könnte der Antragstellerin nicht vorgeworfen werden. Die Delegierung der Abrechnung des Gutachtens an eine Praxismitarbeiterin würde kein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin begründen, da es nicht die ureigene und nicht übertragbare Aufgabe eines Sachverständigen ist, die Abrechnung für das Gutachten zu erstellen und für die Absendung zu sorgen. Auch ein mögliches Verschulden der Praxismitarbeiterin könnte der Antragstellerin nicht zugerechnet werden. Ein Verschulden einer Hilfsperson des Betroffenen ist nur dann, wenn dieses von ihm selbst zu vertreten ist, als sein eigenes Verschulden anzusehen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.10.2012, Az.: B 5 R 196/12 B - m.w.N.). Kein Verschulden liegt dagegen dann vor, wenn der Betroffene darlegen kann, dass ein Büroversehen vorliegt und er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl. zur vergleichbaren, eher höher aufzuhängenden Haftung eines Anwalts für seine Mitarbeiter: BSG, Beschluss vom 08.09.2010, Az.: B 14 AS 96/10 B - m.w.N.).
Eine solche Fahrlässigkeit läge nicht vor. Zwar dürfte in Anlehnung an die anwaltlichen Pflichten davon auszugehen sein, dass die Antragstellerin im Rahmen der zu beachtenden Sorgfaltspflicht auch die Pflicht trifft, für eine effektive Ausgangskontrolle zu sorgen. Nach Ansicht des Senats dürfte jedoch die Antragstellerin grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Mitarbeiterin, die sich über längere Zeit als zuverlässig erwiesen hat, eine Anweisung, wie sie sich aus der seit Jahren angewandten und immer wieder überprüften Handlungsanweisung ergibt, befolgt. Eine Verpflichtung der Antragstellerin, sich in jedem Einzelfall über die Ausführung der Handlungsanweisung zu vergewissern, würde daher die Anforderungen an die Kontroll- und Überwachungspflicht überspannen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2003, Az.: VI ZB 38/02). Denn bei einer zuverlässigen Bürokraft darf damit gerechnet werden, dass sie die Handlungsanweisung im Einzelfall befolgt. Ein von der Antragstellerin selbst zu vertretendes, also eigenes Verschulden wäre nur dann gegeben, wenn sie nicht alle Vorkehrungen getroffen hätte, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und nicht durch regelmäßige Belehrung und Überwachung ihrer Mitarbeiter für die Einhaltung der Anweisung Sorge getragen hätte (vgl. BSG, Beschluss vom 08.09.2010, Az.: B 14 AS 96/10 B). Ein solches Organisationsverschulden dürfte der Antragstellerin nicht vorzuwerfen sein.
Der Antragstellerin ist daher bezüglich der Abrechnung ihres Gutachtens vom 08.02.2012 Wiedereinsetzung zu gewähren.
Eine über die Wiedereinsetzung hinausgehende richterliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist durch den Senat derzeit nicht zu treffen. Weder die Staatskasse noch die Sachverständige haben einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt. Einen gerichtlichen Beschluss hält der Senat, ohne dass zuvor die verwaltungsmäßige Kostenfestsetzung erfolgt wäre, nicht für angemessen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG. Er kann für die Festsetzung der Vergütung keine so großen Schwierigkeiten erkennen kann, dass eine umgehende gerichtliche Kostenfestsetzung unter Verzicht auf eine Festsetzung der Vergütung durch die Verwaltung angezeigt wäre. Vielmehr handelt es sich bei der Abrechnung des Gutachtens um einen Fall wie viele andere auch (vgl. Beschluss des Senats vom 16.08.2012, Az.: L 15 SF 172/12).
Der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 8 JVEG).
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