Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 EG 64/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 EG 6/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen erfüllt, so kann die Leistung nicht mit dem Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch verweigert werden.
I. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Berechnung des Elterngeldes für den 2009 geborenen J. auch das Einkommen der Klägerin im Bezugszeitraum aus einer Nebentätigkeit zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin beantragte für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes Elterngeld. Sie ist beim W. beschäftigt, im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2008 mit 25 Wochenstunden, im Zeitraum vom Januar 2009 bis Februar 2009 mit 20,05 Wochenstunden. Für diese Tätigkeit erhielt sie ausweislich der Verdienstbescheinigung vom 24.04.2009 im Jahr 2008 1558,56 EUR beziehungsweise 1566,79 EUR, im Januar 2009 1296,70 EUR und im Februar 2009 1057 EUR. Außerdem liegt eine Verdienstbescheinigung über die Nebentätigkeit der Klägerin bei der C. Büro GmbH für den Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2008 (Monatsbrutto 1600 EUR) und für den Zeitraum Januar/Februar 2009 (Monatseinkommen 2100 EUR) vor.
Mit Bescheid vom 25.05.2009 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von monatlich 656,19 EUR (unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes) für die Lebensmonate 1 bis 12. Bei der Berechnung berücksichtigte er lediglich das Einkommen aus der Tätigkeit beim W. in Höhe von 1158,56 beziehungsweise 1566,79 EUR sowie für den Januar 2009 1296,70 und für den Februar 2000 1057 EUR. Die Erwerbseinkünfte aus dem Arbeitsverhältnis bei der C. Büro GmbH blieben außer Ansatz, da der Lebensgefährte und Kindsvater einer der beiden Geschäftsführer dieser Firma sei. Aufgrund eines so genannten "Fremdvergleichs" sei davon auszugehen, dass die Anstellung nur deshalb erfolgt sei, um das durchschnittliche Nettoentgelt zu erhöhen und somit ein höheres Elterngeld zu erzielen.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Die Klägerin sei bereits seit Oktober 2007 als geringfügig Beschäftigte bei der C. Bürotechnik GmbH als Buchhaltungskraft angestellt worden. Die Erhöhung der Arbeitsstunden ab September 2008 resultiere aus einer Umsatzerhöhung um circa 50 %, so dass auch eine Erhöhung der Arbeitszeit betrieblich erforderlich war. Im übrigen sei der "Fremdvergleich" nicht möglich, da eine Arbeitnehmerin nicht auf ihre Schwangerschaft hinweisen müsse, wenn sie einen Arbeitsvertrag abschließe. Von einer rechtsmissbräuchlichen Anstellung der Beklagten könne keine Rede sein, zumal unbestritten Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien und die Klägerin das vereinbarte Stundenkontingent gearbeitet habe. In der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin dar, dass es im August 2008 in der Firma Buchhaltungsprobleme gegeben habe, die im Hinblick auf Verjährungsfristen ein rasches Reagieren erforderlich machten und insgesamt zumindest bis ins Jahr 2000 zurückreichten. Mit Urteil vom 21.01.2011 gab das SG der Klage statt und verurteilte den Beklagten, der Klägerin ein höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres Verdienstes bei der Firma C. Büro GmbH zu gewähren. Das Gericht sehe die von der Klägerin abgegebene Darstellung des Geschehensablaufs, wonach eine frühere Mitarbeiterin kompliziertere Buchungsvorgänge unbearbeitet abgelegt habe und dies erst im August 2008 bemerkt worden sei, als glaubhaft an. Es habe nicht den Eindruck, dass die Einstellung der Klägerin lediglich dem Ziel gedient habe, einen höheren Nettolohn und damit später ein höheres Elterngeld zu erreichen. Zwar habe das Gericht hinsichtlich der Lohnhöhe gewisse Bedenken, ob es sich tatsächlich noch um eine angemessene Entlohnung gehandelt habe. In Anbetracht der Zwangslage sei dies jedoch im Rahmen des "Fremdvergleichs" anzuerkennen.
Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein. Das bescheinigte Erwerbseinkommen könne nicht elterngelderhöhend berücksichtigt werden, wenn es nur zur Geltendmachung eines höheren Elterngeldanspruchs vereinbart werde und damit rechtsmissbräuchlich sei. Von einem Rechtsmissbrauch sei auszugehen, weil die Rechtsgestaltung im Bemessungszeitraum vorgenommen worden sei und sie der rechtsethischen Funktion des Rechts widerspreche. Es fehle an einem zu billigenden Eigeninteresse. Die vorgetragenen Argumente für die Vertragsgestaltung seien nicht belegt. Die Vertragsgestaltung sei offensichtlich nur möglich gewesen, da der Vater des Kindes als Geschäftsführer zugleich der Arbeitgeber gewesen sei.
Der Beklagte unterbreitete jedoch im Hinblick darauf, dass schon seit längerer Zeit eine geringfügige Nebenbeschäftigung ausgeübt worden sei, ein Vergleichsangebot mit dem Inhalt, ein zusätzliches Nettoeinkommen ab März 2008 in Höhe von monatlich 280 EUR und ab August 2008 in Höhe von 300 EUR zu berücksichtigen.
Dieses Angebot nahm die Klägerin nicht an.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.01.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass bei der Berechnung des Elterngeldes auch das im Bemessungszeitraum erzielte Einkommen aus der Tätigkeit bei der C. Bürotechnik GmbH zu berücksichtigen ist.
Unstreitig hat die Klägerin neben ihrer Tätigkeit beim W. im Bemessungszeitraum auch eine genehmigte Nebentätigkeit bei der C. Bürotechnik GmbH ausgeübt, wobei dieses Einkommen sozialversicherungspflichtig und lohnsteuerpflichtig war und sowohl Sozialversicherungsbeiträge als auch Lohnsteuer abgeführt wurden. Dies ist nachgewiesen durch die Verdienstbescheinigung des Steuerberaters B. und Kollegen vom 7.4.2009. Dieses Einkommen war nach § 2 Abs. 7 Satz 1 und 4 BEEG in der Fassung bis 31.12.2010 bei der Berechnung zu Grunde zu legen, wie das SG zutreffend entschied.
Ein (teilweiser) Leistungsausschluss contra legem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ist rechtswidrig. Er ist insbesondere mit § 31 SGB I, dem Vorbehalts des Gesetzes im Bereich des Sozialleistungsrechts, nicht vereinbar. Deshalb hat das Bundessozialgericht auch die Anwendung der Rechtsfigur des missglückten Arbeitsversuchs seit Inkrafttreten des SGB V abgelehnt: "Er ist im SGB 5 nicht vorgesehen und daher mit dem in § 31 SGB I geregelten Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar." (Urteil vom 4. Dezember 1997, 12 RK 3/97 Rn. 30). Diese Entscheidung ist auch auf Fälle eines vermeintlichen Missbrauchs zu übertragen, zumal die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Rechtsmissbrauch zeitlich vor der zitierten Entscheidung vom 04.12.1997 ergangen ist und den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nicht hinreichend berücksichtigt.
In der Entscheidung zum Lohnsteuerklassenwechsel (Urteil vom 25.06.2009, B 10 EG 3/08 R, Rn. 28) hat der 10. Senat des BSG ebenfalls darauf hingewiesen, dass bei gesetzlich begründeten Ansprüchen auf Sozialleistungen (siehe § 31 SGB I) es nicht den rechtsethischen Anschauungen des Rechtsanwenders überlassen ist, festzulegen, wann ein Missbrauch vorliegt. Dabei könne sich der Schutzbereich der Norm sowie ihr Sinn und Zweck auch aus dem Fehlen einer bestimmten Regelung erschließen, sofern der Gesetzgeber diese bewusst unterlassen habe. Ein Missbrauchseinwand komme daher in erster Linie dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten übersehen habe, die sich erst bei der späteren Anwendung des Gesetzes zeigten, und er diese nach seiner sonstigen Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hätte. Hingegen könnten Gestaltungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber den Bürgern "sehenden Auges" überlassen habe, nicht im Nachhinein vom Rechtsanwender aus Gründen einer angenommenen "rechtsethischen Funktion des Rechts" begrenzt werden.
Neben dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes spricht der Gesichtspunkt der Rechtsunsicherheit, die dadurch entsteht, dass ein an sich rechtmäßiges Verhalten eines Sozialleistungsempfängers aufgrund einer "ethischen Bewertung" zum Leistungsausschluss führen kann, gegen einen Leistungsausschluss wegen eines vermeintlichen Rechtsmissbrauch. Auch auf diesen auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Gesichtspunkt hat das Bundessozialgericht bereits in seiner Entscheidung zum missglückten Arbeitsversuch deutlich hingewiesen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs einem gesetzlich bestimmten Sozialleistungsanspruch entgegensteht, kann nicht aufrechterhalten werden (vgl. Senatsurteil vom 10.4.2013, L 12 EG 8/11). Damit ist die Berufung unbegründet.
Folgt man entgegen der Auffassung des Senats der den Vorbehalt des Gesetzes in Ausnahmefällen einschränkenden Entscheidung des 10. Senats des BSG vom 25.06.2009 (Lohnsteuerklassenwechsel), kann man kaum davon ausgehen, dass der Gesetzgeber die Berücksichtigung sozialversicherungspflichtigen Entgelts im Bemessungszeitraum aus einer Nebentätigkeit bei der Firma des Kindsvaters "mit Sicherheit unterbunden hätte", zumal die Klägerin ihre Tätigkeit beim W. wegen der genehmigten Nebentätigkeit unverzüglich um 5 Wochenstunden reduzierte. Auch dieses Urteil trägt die Rechtsauffassung des Beklagten nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Frage des Leistungsausschlusses wegen Rechtsmissbrauchs im entscheidungsrelevanten Umfang höchstrichterlich geklärt ist.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Berechnung des Elterngeldes für den 2009 geborenen J. auch das Einkommen der Klägerin im Bezugszeitraum aus einer Nebentätigkeit zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin beantragte für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes Elterngeld. Sie ist beim W. beschäftigt, im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2008 mit 25 Wochenstunden, im Zeitraum vom Januar 2009 bis Februar 2009 mit 20,05 Wochenstunden. Für diese Tätigkeit erhielt sie ausweislich der Verdienstbescheinigung vom 24.04.2009 im Jahr 2008 1558,56 EUR beziehungsweise 1566,79 EUR, im Januar 2009 1296,70 EUR und im Februar 2009 1057 EUR. Außerdem liegt eine Verdienstbescheinigung über die Nebentätigkeit der Klägerin bei der C. Büro GmbH für den Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2008 (Monatsbrutto 1600 EUR) und für den Zeitraum Januar/Februar 2009 (Monatseinkommen 2100 EUR) vor.
Mit Bescheid vom 25.05.2009 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von monatlich 656,19 EUR (unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes) für die Lebensmonate 1 bis 12. Bei der Berechnung berücksichtigte er lediglich das Einkommen aus der Tätigkeit beim W. in Höhe von 1158,56 beziehungsweise 1566,79 EUR sowie für den Januar 2009 1296,70 und für den Februar 2000 1057 EUR. Die Erwerbseinkünfte aus dem Arbeitsverhältnis bei der C. Büro GmbH blieben außer Ansatz, da der Lebensgefährte und Kindsvater einer der beiden Geschäftsführer dieser Firma sei. Aufgrund eines so genannten "Fremdvergleichs" sei davon auszugehen, dass die Anstellung nur deshalb erfolgt sei, um das durchschnittliche Nettoentgelt zu erhöhen und somit ein höheres Elterngeld zu erzielen.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Die Klägerin sei bereits seit Oktober 2007 als geringfügig Beschäftigte bei der C. Bürotechnik GmbH als Buchhaltungskraft angestellt worden. Die Erhöhung der Arbeitsstunden ab September 2008 resultiere aus einer Umsatzerhöhung um circa 50 %, so dass auch eine Erhöhung der Arbeitszeit betrieblich erforderlich war. Im übrigen sei der "Fremdvergleich" nicht möglich, da eine Arbeitnehmerin nicht auf ihre Schwangerschaft hinweisen müsse, wenn sie einen Arbeitsvertrag abschließe. Von einer rechtsmissbräuchlichen Anstellung der Beklagten könne keine Rede sein, zumal unbestritten Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien und die Klägerin das vereinbarte Stundenkontingent gearbeitet habe. In der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin dar, dass es im August 2008 in der Firma Buchhaltungsprobleme gegeben habe, die im Hinblick auf Verjährungsfristen ein rasches Reagieren erforderlich machten und insgesamt zumindest bis ins Jahr 2000 zurückreichten. Mit Urteil vom 21.01.2011 gab das SG der Klage statt und verurteilte den Beklagten, der Klägerin ein höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres Verdienstes bei der Firma C. Büro GmbH zu gewähren. Das Gericht sehe die von der Klägerin abgegebene Darstellung des Geschehensablaufs, wonach eine frühere Mitarbeiterin kompliziertere Buchungsvorgänge unbearbeitet abgelegt habe und dies erst im August 2008 bemerkt worden sei, als glaubhaft an. Es habe nicht den Eindruck, dass die Einstellung der Klägerin lediglich dem Ziel gedient habe, einen höheren Nettolohn und damit später ein höheres Elterngeld zu erreichen. Zwar habe das Gericht hinsichtlich der Lohnhöhe gewisse Bedenken, ob es sich tatsächlich noch um eine angemessene Entlohnung gehandelt habe. In Anbetracht der Zwangslage sei dies jedoch im Rahmen des "Fremdvergleichs" anzuerkennen.
Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein. Das bescheinigte Erwerbseinkommen könne nicht elterngelderhöhend berücksichtigt werden, wenn es nur zur Geltendmachung eines höheren Elterngeldanspruchs vereinbart werde und damit rechtsmissbräuchlich sei. Von einem Rechtsmissbrauch sei auszugehen, weil die Rechtsgestaltung im Bemessungszeitraum vorgenommen worden sei und sie der rechtsethischen Funktion des Rechts widerspreche. Es fehle an einem zu billigenden Eigeninteresse. Die vorgetragenen Argumente für die Vertragsgestaltung seien nicht belegt. Die Vertragsgestaltung sei offensichtlich nur möglich gewesen, da der Vater des Kindes als Geschäftsführer zugleich der Arbeitgeber gewesen sei.
Der Beklagte unterbreitete jedoch im Hinblick darauf, dass schon seit längerer Zeit eine geringfügige Nebenbeschäftigung ausgeübt worden sei, ein Vergleichsangebot mit dem Inhalt, ein zusätzliches Nettoeinkommen ab März 2008 in Höhe von monatlich 280 EUR und ab August 2008 in Höhe von 300 EUR zu berücksichtigen.
Dieses Angebot nahm die Klägerin nicht an.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.01.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass bei der Berechnung des Elterngeldes auch das im Bemessungszeitraum erzielte Einkommen aus der Tätigkeit bei der C. Bürotechnik GmbH zu berücksichtigen ist.
Unstreitig hat die Klägerin neben ihrer Tätigkeit beim W. im Bemessungszeitraum auch eine genehmigte Nebentätigkeit bei der C. Bürotechnik GmbH ausgeübt, wobei dieses Einkommen sozialversicherungspflichtig und lohnsteuerpflichtig war und sowohl Sozialversicherungsbeiträge als auch Lohnsteuer abgeführt wurden. Dies ist nachgewiesen durch die Verdienstbescheinigung des Steuerberaters B. und Kollegen vom 7.4.2009. Dieses Einkommen war nach § 2 Abs. 7 Satz 1 und 4 BEEG in der Fassung bis 31.12.2010 bei der Berechnung zu Grunde zu legen, wie das SG zutreffend entschied.
Ein (teilweiser) Leistungsausschluss contra legem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ist rechtswidrig. Er ist insbesondere mit § 31 SGB I, dem Vorbehalts des Gesetzes im Bereich des Sozialleistungsrechts, nicht vereinbar. Deshalb hat das Bundessozialgericht auch die Anwendung der Rechtsfigur des missglückten Arbeitsversuchs seit Inkrafttreten des SGB V abgelehnt: "Er ist im SGB 5 nicht vorgesehen und daher mit dem in § 31 SGB I geregelten Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar." (Urteil vom 4. Dezember 1997, 12 RK 3/97 Rn. 30). Diese Entscheidung ist auch auf Fälle eines vermeintlichen Missbrauchs zu übertragen, zumal die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Rechtsmissbrauch zeitlich vor der zitierten Entscheidung vom 04.12.1997 ergangen ist und den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nicht hinreichend berücksichtigt.
In der Entscheidung zum Lohnsteuerklassenwechsel (Urteil vom 25.06.2009, B 10 EG 3/08 R, Rn. 28) hat der 10. Senat des BSG ebenfalls darauf hingewiesen, dass bei gesetzlich begründeten Ansprüchen auf Sozialleistungen (siehe § 31 SGB I) es nicht den rechtsethischen Anschauungen des Rechtsanwenders überlassen ist, festzulegen, wann ein Missbrauch vorliegt. Dabei könne sich der Schutzbereich der Norm sowie ihr Sinn und Zweck auch aus dem Fehlen einer bestimmten Regelung erschließen, sofern der Gesetzgeber diese bewusst unterlassen habe. Ein Missbrauchseinwand komme daher in erster Linie dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten übersehen habe, die sich erst bei der späteren Anwendung des Gesetzes zeigten, und er diese nach seiner sonstigen Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hätte. Hingegen könnten Gestaltungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber den Bürgern "sehenden Auges" überlassen habe, nicht im Nachhinein vom Rechtsanwender aus Gründen einer angenommenen "rechtsethischen Funktion des Rechts" begrenzt werden.
Neben dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes spricht der Gesichtspunkt der Rechtsunsicherheit, die dadurch entsteht, dass ein an sich rechtmäßiges Verhalten eines Sozialleistungsempfängers aufgrund einer "ethischen Bewertung" zum Leistungsausschluss führen kann, gegen einen Leistungsausschluss wegen eines vermeintlichen Rechtsmissbrauch. Auch auf diesen auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Gesichtspunkt hat das Bundessozialgericht bereits in seiner Entscheidung zum missglückten Arbeitsversuch deutlich hingewiesen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs einem gesetzlich bestimmten Sozialleistungsanspruch entgegensteht, kann nicht aufrechterhalten werden (vgl. Senatsurteil vom 10.4.2013, L 12 EG 8/11). Damit ist die Berufung unbegründet.
Folgt man entgegen der Auffassung des Senats der den Vorbehalt des Gesetzes in Ausnahmefällen einschränkenden Entscheidung des 10. Senats des BSG vom 25.06.2009 (Lohnsteuerklassenwechsel), kann man kaum davon ausgehen, dass der Gesetzgeber die Berücksichtigung sozialversicherungspflichtigen Entgelts im Bemessungszeitraum aus einer Nebentätigkeit bei der Firma des Kindsvaters "mit Sicherheit unterbunden hätte", zumal die Klägerin ihre Tätigkeit beim W. wegen der genehmigten Nebentätigkeit unverzüglich um 5 Wochenstunden reduzierte. Auch dieses Urteil trägt die Rechtsauffassung des Beklagten nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Frage des Leistungsausschlusses wegen Rechtsmissbrauchs im entscheidungsrelevanten Umfang höchstrichterlich geklärt ist.
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