Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 43/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 410/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Wirksamkeit eines Teil Anerkenntnisses.
2. Zur Höhe der MdE bei einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV aufgrund orthopädischer und neurologischer Beschwerden.
2. Zur Höhe der MdE bei einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV aufgrund orthopädischer und neurologischer Beschwerden.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 25. August 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 aufgehoben und dem Kläger aufgrund der anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. ab 10. November 2003 gewährt.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zuletzt noch, ob dem Berufungskläger und Kläger aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. zusteht. Allerdings hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. August 2013 "die mit Schreiben vom 10. August 2009 angekündigte Bereitschaft, eine Berufskrankheit nach § 9 SGB VII Nr. 2108 nach der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, zurückgenommen."
Der 1955 geborene Kläger arbeitete von September 1970 bis Juli 2002 - unterbrochen durch die Ableistung des Wehrdienstes von September 1975 bis Mai 1978 - als Zimmerer, zuletzt als Zimmerermeister. Am 24. Juli 2002 ging eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit der Allgemeinärzte Dres. D. bei der Beklagten ein. Seit etwa 1990 bestünden Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Beschwerden mit Prolaps im Bereich L 5.
Vom 8. Januar bis 5. Februar 2003 fand eine stationäre Reha-Maßnahme in der B-Klinik B. T. statt, aus der der Kläger arbeitsunfähig entlassen wurde. Es bestünden eine subakute Wurzelläsion L 5 rechts bei sequestriertem Bandscheibenvorfall L 4/L 5 rechts, eine Wurzelirritation S 1 links wegen Schonhaltung sowie ein Zustand nach Tossy III-Läsion im Jahre 1989. Es bestünden weiterhin eine latente Fußheber- und Zehenschwäche rechts mit Sensibilitätsdefizit im Dermatom L 5 sowie chronische Rückenbeschwerden.
Die Abteilung Prävention der Beklagten kam in einer technischen Stellungnahme vom 26. Mai 2004 zu dem Ergebnis, dass - für den Gesamtzeitraum der Beschäftigung von 1970 bis 2002 - die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt waren. Die Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) betrage 26,1 MNh. In einer Stellungnahme vom 20. April 2005 führte der Präventionsdienst aus, dass für den Zeitraum von 1974 bis 1994 (Zeitpunkt des ersten Bandscheibenschadens) mit einer Gesamtdosis von 21,5 MNh die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 nicht gegeben seien.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Prof. Dr. G. (orthopädische Universitätsklinik C-Stadt) vom 30. August 2004 ein. Es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, die auf langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten zurückzuführen sei. Als Folge der Berufskrankheit sei ein Bandscheibenprolaps L 4/5 rechts anzuerkennen. Die MdE betrage 20 v.H.
Demgegenüber vertrat der Beratungsarzt Dr. E. am 18. Oktober 2004 die Ansicht, dass ein belastungskonformes Schadensbild nicht gegeben sei. Nach Ansicht des Beratungsarztes Dr. K. (Stellungnahme vom 23. Mai 2005) ist das Gutachten des Prof. Dr. G. nicht schlüssig. Bei Degeneration an den unteren beiden Bandscheiben der LWS könne eine berufsbedingte Schädigung nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2005 lehnte die Beklagte "die Gewährung von Leistungen nach § 9 SGB VII in Verbindung mit der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)" ab. Eine beruflich verursachte Wirbelsäulenerkrankung im Sinne der BK-Nr. 2108 lasse sich nicht wahrscheinlich machen. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer
BK-Nr. 2108 seien nicht erfüllt. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 zurück, da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit fehlten. Auch die medizinischen Befunde sprächen gegen den ursächlichen Zusammenhang zwischen der LWS-Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg mit dem Antrag erhoben, das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS aufgrund der beruflichen Tätigkeit anzuerkennen und mit einer MdE von 20 v.H. zu entschädigen. Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Gutachten des Prof. Dr. H. (Klinikum B-Stadt) vom 28. Februar 2007 eingeholt. Danach lägen Bandscheibenvorfälle LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 vor, zusätzlich aber degenerative Veränderungen im Segment LWK 3/4 sowie HWK 5/6. Die Voraussetzungen einer Berufskrankheit seien nicht gegeben.
Gemäß klägerischem Antrag auf Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Orthopäde Dr. S. in seinem Gutachten vom 21. August 2007 ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seit dem Jahr 2002 vorlägen. Das Schadensbild sei belastungskonform. Die Höhe der MdE sei mit 10 v.H. einzuschätzen.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Beratungsarztes MR Doz. Dr. K. vom 22. Oktober 2007 dargelegt, dass von einem belastungskonformen Schadensbild beim Kläger nicht ausgegangen werden könne.
Der Rechtsstreit ist in der Sitzung vom 28. Februar 2008 zur Einholung eines weiteren Gutachtens durch Dr. D. vertagt worden, der in dem orthopädischen Gutachten vom 10. April 2008 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliege, diese allerdings nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als berufsbedingt anerkannt werden könne. Vielmehr sei eine individuelle Disposition für das Auftreten einer bandscheibenbedingten Erkrankung anzunehmen - zumal auch nicht bzw. weniger belastete Wirbelsäulenabschnitte (HWS, BWS) entsprechende bandscheibenbedingte Schäden aufwiesen. Da eine Berufskrankheit nicht vorliege, erübrige sich die Einschätzung der MdE.
Nach Anhörung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2008 abgewiesen. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. H. und Dr. D. sowie unter Verwertung der Stellungnahme des Dr. K. hat das Sozialgericht die Auffassung vertreten, dass beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien; bezüglich des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei auf die zweite Stellungnahme des Präventionsdienstes zu verweisen. Dem Gutachten des Dr. S. sei nicht zu folgen, da dieser nicht berücksichtige, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Beschwerden und der Verifizierung von Bandscheibenschäden die Voraussetzungen im Sinne einer ausreichenden Exposition nicht gegeben gewesen seien. Entsprechendes gelte für das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit erfüllt seien. Die Beklagte hat eine erneute Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 16. März 2009 vorgelegt, nach der die Gesamtdosis für den Zeitraum vom 1. September 1970 bis 30. Juli 2002 34 MNh betragen habe. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum maßgeblichen Orientierungswert von 12,5 MNh (halber Wert der Gesamtbelastungsdosis) seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch für den Zeitraum bis 1994 mit 21,5 MNh erfüllt gewesen.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 19. Juni 2009 eingeholt, der auch die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit für gegeben erachtet. Der Kläger leide unter Schmerzen in der LWS, die wechselnd zum rechten oder linken Oberschenkel ausstrahlten. Eine Gangstörung werde auch für die differenzierten Gangarten nicht gezeigt. Die Gelenke seien klinisch unauffällig, auch an den unteren Extremitäten sei kein Funktionsverlust feststellbar. Die MdE betrage hierbei 10 v.H., da der Funktionsverlust der LWS geringgradig sei und neurologische Ausfallerscheinungen nicht nachgewiesen werden könnten. Auch nach dem neurologischen Befundbericht von 1994 seien diese nur leichtgradig ausgeprägt gewesen.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 10. August 2009 bereit erklärt, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV dem Grunde nach gemäß § 9 Abs. 4
SGB VII anzuerkennen. Der Kläger hat das Anerkenntnis mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2009 angenommen, den Rechtsstreit allerdings nicht insgesamt für erledigt erklärt. Der Antrag auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. werde aufrecht erhalten. Auf Anforderung der Beklagten hat er am 3. Februar 2010 erklärt, die belastende Tätigkeit am 10. Mai 2002 aufgegeben zu haben.
Der Neurologe und Psychiater Dr. C. hat sensible Störungen der Beine rechtsbetont radikulär im Sinne einer Nervenwurzelirritation, eine motorische Unsicherheit beim Gehen sowie einen positiven chronischen Press- und Niesschmerz attestiert. Die MdE betrage 20 v.H ... Auch der behandelnde Allgemeinarzt Dr. D. hat die MdE in einem Attest vom 28. Oktober 2009 auf 20 v.H. eingeschätzt. Es bestehe ein Ruheschmerz, der sich in den letzten Jahren verstärkt habe. Demgegenüber hat der Beratungsarzt Dr. K. die MdE in einer Stellungnahme vom 29. Juli 2009 auf 10 v.H. eingeschätzt.
Der gemäß § 109 SGG gehörte Dr. I. hat die MdE in dem Gutachten vom 27. April 2010 auf neurologischem Fachgebiet auf 10 v.H. geschätzt. Dabei seien konservativ behandlungsbedürftige Schmerzen und allenfalls minimale motorische Funktionsdefizite zu würdigen. Atrophien der Muskulatur, die den Nervenwurzeln L 3 bis S 1 zuordenbar sind, seien nicht festzustellen. Belangvolle motorische oder ausgeprägte sensible Funktionsdefizite seien nicht nachweisbar. Die Beschwerdeschilderung stimme darüber hinaus nicht mit der kernspintomographisch feststellten Kompression der L5-Wurzel rechts überein. Auch in elektrophyisologischen Zusatzuntersuchungen hätten sich Nervenleitungsbehinderungen im LWS-Bereich nicht eruieren lassen.
Der Beratungsarzt Dr. K. hat die Ansicht vertreten, dass eine eigenständige messbare neurologisch bedingte MdE anhand der Befunde nicht erwiesen sei. Die MdE betrage
10 v.H. und betreffe das chirurgisch-orthopädische Fachgebiet.
Dr. C. hat in einem weiteren Attest vom 5. Juli 2010 nochmals eine MdE von 20 v.H. bescheinigt. Als Diagnose hat er am 27. September 2010 nach EMG ein Wurzelsyndrom L5/S1 angegeben. Der Beratungsarzt Prof. Dr. G. hat am 13. Januar 2011, 29. April 2011 und 12. September 2011 ausgeführt, dass sich eine verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit eines nicht näher genannten Beinnerven rechts nicht auf die vorliegenden neurologischen Beurteilungen auswirkten. Es spreche eher für eine distal symmetrische Polyneuropathie. Dem trat Dr. C. in Attesten vom 9. März 2011 und
1. Juli 2011 entgegen.
Der Senat hat Befundberichte des Dr. C., Dr. D., des Orthopäden Dr. E. und des Allgemeinarztes Dr. F. sowie einen Bericht des Dr. C. vom 6. November 2012 zu den aktuellen Messwerten für beide Beine hinsichtlich der Nervenleitgeschwindigkeit eingeholt. Prof. Dr. G. hat in einer Stellungnahme vom 12. Dezember 2012 ausgeführt, dass eine beidseits verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis nicht für eine einseitige Nervenwurzelschädigung L5 oder S1, sondern dagegen spreche.
Der Senat hat schließlich noch den Neurologen und Nervenarzt Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach dem nervenärztlichen Gutachten vom
1. Juli 2013 habe im Vordergrund der aktuellen Untersuchung ein leichtgradiges motorisches Wurzelkompressionssyndrom von L 5 rechts gestanden. Es zeige sich eine leichte bis mittelgradige Parese der Großzehenhebung rechts, der Abduktion des Oberschenkels im Hüftgelenk rechts und auch der Fußsupination rechts. Eine ältere abgeschlossene Wurzelläsion L 5 rechts habe nachgewiesen werden können. Bandscheibenvorfälle LWK 4/5 seien im Jahre 2002 und 2003 nachgewiesen. Der Bandscheibenvorfall habe sich gemäß Verlauf der Bildgebung wieder teilweise zurückgebildet, nicht jedoch die dadurch bedingte neurologische Symptomatik. Darüber hinaus bestehe ein neuropathisches Schmerzsyndrom durch den Bandscheibenvorfall. Die MdE betrage ab Einstellung der beruflichen Tätigkeit auf neurologischem Fachgebiet und insgesamt 20 v.H ...
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger am 5. September 2013 mitgeteilt, dass er seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 10. Mai 2002 seine Tätigkeit als Zimmerermeister eingestellt habe. Die Schädigungen seien im Mai 2002 in der Universitätsklinik C-Stadt festgestellt worden. Verletztengeld sei bis 9. November 2003 gewährt worden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. August 2013 ihre mit Schreiben vom 10. August 2009 getätigte Bereitschaft, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen, zurückgenommen. Es seien weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankung der LWS als Berufskrankheit gegeben. Sie hat sich zum einen auf die Stellungnahmen des Präventionsdienstes, zuletzt vom 10. Juli 2008, zum anderen auf die Konsensempfehlungen berufen. Diese seien im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Entscheidung vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 und vom 4. Juli 2013 - Terminbericht Nr. 33/13 Nr. 3) neu zu bewerten. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie das "Tragen schwerer Lasten" seien beim Vorkommen in verschiedenen Rechtsvorschriften einheitlich auszulegen. Übertrage man deshalb die neue Rechtsprechung zur BK 2109 und die darin geforderte Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Tragen schwerer Lasten" auf die BK 2108, seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen, die u.a. für das Vorliegen der Konstellation B 2 der Konsensempfehlung erforderlich seien, nicht erfüllt. Beim Kläger sei im Ergebnis keines der unter B 2 genannten Zusatzkriterien erfüllt.
Der Kläger hält das abgegebene und angenommene Teilanerkenntnis für wirksam; hieran sei die Beklagte gebunden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 25. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses vom 10. August 2009 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. wegen anerkannte Berufskrankheit nach Nummer 2108 ab 10. November 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Kläger ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet.
Aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses ist das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites. Es ist insoweit ein Leistungsfall nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegeben.
Die Beklagte gab mit Schriftsatz vom 10. August 2009 (Bl. 83 der LSG-Akte) ein Teil-Anerkenntnis ab, wenn sie formulierte: " ... sind wir bereit eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 BeKV dem Grunde nach § 9 Abs. 4 SGB VII anzuerkennen." Der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit als Zimmerer und der bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS wurde darin ausdrücklich bejaht. Die Anerkennung setzt - über § 9 Abs. 4 SGB VII hinaus - dann auch das Unterlassen aller Tätigkeiten voraus, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Kläger nahm mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2009 das "Anerkenntnis der Beklagten" im Sinne eines Teil-Anerkenntnisses ausdrücklich an. Da auch seit Mai 2002 die Tätigkeiten als Zimmerermeister seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 10. Mai 2002 eingestellt und nicht wieder aufgenommen wurden, ist bei gebotener Auslegung aus Sicht eines objektiven Betrachters vom Vorliegen eines angenommenen Teilanerkenntnisses auszugehen. Es liegt hierin somit keine bloße angekündigte Bereitschaft vor, eine Berufskrankheit anzuerkennen, wie die Beklagte es nun formuliert. Dies ergibt sich auch bei Betrachtung des weiteren Verfahrensganges, da die Beklagte dem Kläger die Erklärung über das Unterlassen der Tätigkeit als Zimmerermeister übersandte und er diese im Februar 2010 abgab. Im Folgenden hatte die Beklagte auch zu keiner Zeit beanstandet, dass ihre "Bereitschaft" als Anerkenntnis ausgelegt wurde. Dies wäre jedoch dann ggf. erforderlich gewesen, so dass ein Berufen auf eine "missverstandene Auslegung" Jahre später gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (analog § 242 BGB) verstoßen würde.
Ein angenommenes Anerkenntnis erledigt nach § 101 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit. Da vorliegend der prozessuale Anspruch teilbar ist in den Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit und der Gewährung von Leistungen, ist auch ein Teilanerkenntnis möglich gewesen (s.a. BSG SozR Nr. 3 zu § 101; BSGE 65, 160, 164; 103, 153, 154; 104, 192, 194). Das Anerkenntnis stellt eine Prozesshandlung dar, die jedoch eine Doppelnatur entfaltet. Kommt das Anerkenntnis zustande, ist es zunächst wirksam. Möglich ist eine Aufhebung nach §§ 45, 48 SGB X oder eine Anfechtung wegen Irrtums nach §§ 119 ff BGB. Geht es um den Wegfall des Anerkenntnisses, muss ein neues Verfahren betrieben werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 101 Rdnrn. 24, 17 b). Nur wenn der Streit um die Wirksamkeit des Anerkenntnisses im Sinne seiner ursprünglichen Gültigkeit geführt wird, ist der Rechtsstreit insoweit fortzuführen (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., Rdnrn. 24, 17) und ggf. durch Urteil zu entscheiden.
Anfechtungsgründe im Sinne der §§ 119 ff BGB wegen Irrtums sind von der Beklagten nicht geltend gemacht bzw. nicht ersichtlich. Vielmehr stellt sie vor allem auf neue Erkenntnisse aus aktueller Rechtsprechung des BSG (wie vom 4. Juli 2013) ab, so dass allenfalls eine Aufhebung nach §§ 45 ff SGB X in Betracht kommt; dies müsste von der Beklagten in einem gesonderten Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden.
Zu entscheiden ist somit nur noch über die Frage, ob sich bei anerkannter Berufskrankheit ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ergibt.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30. Mai 1988, a.a.O., Nr. 28). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung (vgl. Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56
Rdnr. 10.1).
Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG v. 5. September 2006, Az.: B 2 U 25/05 R; BSG v. 2. Mai 2001, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 26).
Die Höhe der MdE wird in den Arztberichten und Gutachten unterschiedlich bewertet. Dabei gehen die Gutachter und beratenden Ärzte der Beklagte, soweit bei Vorliegen einer Berufskrankheit eine Äußerung zur Höhe der MdE getätigt wird, vom Vorliegen einer MdE von 10 v.H. auf orthopädischem Fachgebiet aus. Eine MdE von 20 v.H. hatte der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren beauftragte Orthopäde Dr. G. angenommen, allerdings ohne nähere Begründung. Der nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige Dr. S. hat die von ihm auf orthopädischem Fachgebiet angenommene MdE von
10 v.H. nicht näher begründet.
Streitig ist, ob sich darüber hinaus eine Erhöhung aufgrund Beeinträchtigungen auf neurologischem bzw. nervenärztlichem Fachgebiet ergibt. Dies wird vom Senat im Ergebnis unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. R. bejaht.
Der behandelnde Neurologe Dr. C. schätzte die MdE aufgrund sensibler Störungen der Beine rechtsbetont radikulär im Sinne einer Nervenwurzelirritation, einer motorischen Gangunsicherheit sowie einem positiven chronischen Press- und Niesschmerz auf 20 v.H ... Dabei stützte er sich vor allem auch auf eine Verlängerung der Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis. Die Beeinträchtigungen auf nervenärztlichen Fachgebiet werden auch von dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. D. am 28. Oktober 2009 bestätigt, der einen Ruheschmerz beschrieb, der sich in den letzten Jahren verstärkt habe. Nervenärztliche oder neurologische Gutachten wurden im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren nicht eingeholt.
Dr. I. nahm eine MdE von 10 v.H. auf neurologischem Fachgebiet an. Er bezog hierbei konservativ behandlungsbedürftige Schmerzen und allenfalls minimale motorische Funktionsdefizite ein. Atrophien der Muskulatur, die den Nebenwurzeln L 3 bis S 1 zuzuordnen seien, konnten von ihm darüber hinaus nicht festgestellt werden. Belangvolle motorische oder ausgeprägte sensible Funktionsdefizite sind nicht nachweisbar. Nervenleitungsbehinderungen im LWS-Bereich konnte der Sachverständige nicht feststellen.
Der gerichtliche Sachverständige Dr. J. hat, allerdings wiederum als Orthopäde, die MdE ebenfalls nur auf 10 v.H. eingeschätzt, da der Funktionsverlust der LWS von ihm als geringgradig angesehen wurde und neurologische Ausfallerscheinungen nicht nachgewiesen werden konnten. Schwerpunkt der Begutachtung war jedoch noch, ob überhaupt eine Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt; weitergehende Ausführungen zur Bewertung der Höhe der MdE finden sich in dem Gutachten nicht.
Demgegenüber hat der zuletzt vom Senat beauftragte Gutachter Dr. R. ein imkomplettes sensomotorisches Wurzelkompressionssyndrom L 5 rechts nach zwei Bandscheibenvorfällen LWK 4/5 (2002 und 2003) sowie ein neuropathisches Schmerzsyndrom durch den Bandscheibenvorfall festgestellt. Im Neurostatus zeigten sich eine leichte bis mittelgradige Parese der Großzehenhebung rechts, der Abduktion des Oberschenkels im Hüftgelenk rechts und auch der Fußsupination rechts. Dr. I. habe nur eine minimale Fußheberschwäche rechts dokumentiert, nicht jedoch die weiteren Bewegungsfunktionen der Wurzel L 5, nämlich die Supination des Fußes, die Großzehenhebung und die Abduktion des Beines im Hüftgelenk. In der von Dr. R. durchgeführten EMG-Diagnostik konnte eine leichte ältere abgeschlossene bzw. chronische Schädigung der Nervenwurzel von L 5 rechts nachgewiesen werden, die von Dr. I. nicht berücksichtigt wurde.
Bereits im Jahr 2002 mit Beginn der L5-Symptomatik rechts und bildgebend nachgewiesenem Bandscheibenvorfall wurde nach Feststellung der Gutachters Dr. R. die aktuell emgraphisch messbare Läsion der Nervenwurzel L 5 verursacht. Der Bandscheibenvorfall war im Anschluss in Rückbildung und war im August 2007 im CT der LWS durch
Dr. S. nicht mehr in dem Umfang fassbar.
Außerdem stellte der Sachverständige ein leichtgradiges Polyneuropathiesyndrom mit einem abgeschwächten Achillessehnenreflex beidseits und einem verminderten Vibrationsempfinden (Pallhypästhesie) am Großzehengrundgelenk beidseits fest. Dem Disput zwischen Dr. C. und Prof. Dr. G. über die Bedeutung erniedrigter Nervenleitgeschindigkeiten des Nervus tibialis ist nach Ansicht des Sachverständigen die Grundlage entzogen, da sich in der aktuellen neurographischen Diagnostik unauffällige distal motorische Latenzen, motorische Nervenleitgeschwindigkeiten und auch regelrechte "Amplituden der MAP des Nervus tibialis beidseits" fanden.
Schließlich führt der Sachverständige auch eine radikulär bedingte Schmerzsymptomatik, die sich weitestgehend dem Dermatom L 5 rechts zuordnen lässt, auf die Berufskrankheit zurück.
Zutreffend weist der Sachverständige darauf hin, dass beispielsweise bereits im Reha-Entlassungsbericht vom Februar 2003 eine latente Fußheber- und Zehenschwäche rechts mit Sensibilitätsdefizit im Dermatom L 5 beschrieben wurde. Aufgrund der neurologischen Residuen wurde die Leistungsfähigkeit im ausgeübten Zimmererberuf auf unter drei Stunden eingeschätzt. Ferner finden sich entsprechende Befunde aus dem Jahre 2002 wie von Dr. E. vom 14. Juni 2002 ("motorische Großzehenheberparese"), dem Universitätsklinikum C-Stadt ("Großzehenheber- und Zehenheberparese rechts mit Kraftgrad 4 minus") oder dem Krankenhaus R. ("Großzehenheberparese im Kraftgrad 3/5 sowie eine Fußheberparese im Kraftgrad 4/5 rechts bei ansonsten regelrechter sensomotorischer Situation der unteren Extremität").
Bei der Bemessung der Höhe der MdE ist die proximal gelegene Wurzelschädigung insgesamt nach der Darlegung des Sachverständigen vergleichbar einer Teilläsion des Nervus peroneus profundus, obgleich hierdurch beim Kläger die leichte Abduktionsschwäche im Hüftgelenk und die leichte Lähmung der Supination des rechten Fußes nicht erfasst sind. Der komplette Ausfall dieses Nerven wird nach der Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 230) mit einer MdE von 20 v.H. angesetzt. Da zusätzlich ein proximal gelegenes sensibles Defizit vorliegt, schätzte der Sachverständige die MdE allein für das sensomotorische Ausfallmuster auf mindestens 10 v.H. Zusätzlich bestehen neuropathische Schmerzen, die zwar nicht im Sinne einer Kausalgie (MdE 50 v.H.) auftreten, jedoch sicherlich mit über 10 v.H. zu bewerten seien, so dass unter Berücksichtigung der orthopädischen Befunde eine Gesamt-MdE von 20 v.H. besteht.
Das Gutachten des Dr. R. ist schlüssig und überzeugend, die Anamnese und Befunderhebung auf neurologischem Fachgebiet erscheint gründlich und umfassend, zumal auch keine medizinisch fundierten Einwendungen gegen das Gutachten von der Beklagten erhoben wurden. Der Sachverständige befasst sich hierbei auch mit der Einschätzung der Vorgutachter und begründet ebenfalls überzeugend seine teilweise hiervon abweichende Einschätzung. Dabei berücksichtigt er auch die einschlägige Fachliteratur. Abweichend als durch Dr. I. beschrieben ist der Senat somit zu der Überzeugung gelangt, dass motorische Funktionsdefizite wie von Dr. R. beschrieben bestanden und bestehen. Dabei legte der Sachverständige auch für den Senat überzeugend dar, dass zwar die Jahre über Schwankungen in den Auswirkungen der LWS-Schäden aufgetreten sind - dies begründet nach Ansicht des Sachverständigen Dr. R. eine geringere Bewertung der MdE durch Dr. S. im Jahre 2007. Allerdings ist der Beginn der L 5-Symptomatik rechts mit bildgebend nachgewiesenem Bandscheibenvorfall und aktuell emgraphisch messbarer Läsion der Nervenwurzel L 5 bereits im Jahre 2002 dokumentiert. Nach Einschätzung des Sachverständigen hat sich jedoch nur der Bandscheibenvorfall LWK 4/5 rechts teilweise zurückgebildet, nicht jedoch die dadurch bedingte neurologische Symptomatik. Darüber hinaus besteht das neuropathische Schmerzsyndrom. Der Senat folgt daher auch der unter Berücksichtigung der Fachliteratur und der vorliegenden Befunde gebildeten Einschätzung des Dr. R., dass eine Gesamt-MdE von 20 v.H. bereits seit Einstellung der Tätigkeit als Zimmerer im Jahre 2002 bestand.
Verletztengeldzahlung erfolgte durch die Beklagte bis einschließlich 9. November 2003. Eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. war daher ab 10. November 2003 zu gewähren (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zuletzt noch, ob dem Berufungskläger und Kläger aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. zusteht. Allerdings hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. August 2013 "die mit Schreiben vom 10. August 2009 angekündigte Bereitschaft, eine Berufskrankheit nach § 9 SGB VII Nr. 2108 nach der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, zurückgenommen."
Der 1955 geborene Kläger arbeitete von September 1970 bis Juli 2002 - unterbrochen durch die Ableistung des Wehrdienstes von September 1975 bis Mai 1978 - als Zimmerer, zuletzt als Zimmerermeister. Am 24. Juli 2002 ging eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit der Allgemeinärzte Dres. D. bei der Beklagten ein. Seit etwa 1990 bestünden Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Beschwerden mit Prolaps im Bereich L 5.
Vom 8. Januar bis 5. Februar 2003 fand eine stationäre Reha-Maßnahme in der B-Klinik B. T. statt, aus der der Kläger arbeitsunfähig entlassen wurde. Es bestünden eine subakute Wurzelläsion L 5 rechts bei sequestriertem Bandscheibenvorfall L 4/L 5 rechts, eine Wurzelirritation S 1 links wegen Schonhaltung sowie ein Zustand nach Tossy III-Läsion im Jahre 1989. Es bestünden weiterhin eine latente Fußheber- und Zehenschwäche rechts mit Sensibilitätsdefizit im Dermatom L 5 sowie chronische Rückenbeschwerden.
Die Abteilung Prävention der Beklagten kam in einer technischen Stellungnahme vom 26. Mai 2004 zu dem Ergebnis, dass - für den Gesamtzeitraum der Beschäftigung von 1970 bis 2002 - die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt waren. Die Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) betrage 26,1 MNh. In einer Stellungnahme vom 20. April 2005 führte der Präventionsdienst aus, dass für den Zeitraum von 1974 bis 1994 (Zeitpunkt des ersten Bandscheibenschadens) mit einer Gesamtdosis von 21,5 MNh die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 nicht gegeben seien.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Prof. Dr. G. (orthopädische Universitätsklinik C-Stadt) vom 30. August 2004 ein. Es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, die auf langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten zurückzuführen sei. Als Folge der Berufskrankheit sei ein Bandscheibenprolaps L 4/5 rechts anzuerkennen. Die MdE betrage 20 v.H.
Demgegenüber vertrat der Beratungsarzt Dr. E. am 18. Oktober 2004 die Ansicht, dass ein belastungskonformes Schadensbild nicht gegeben sei. Nach Ansicht des Beratungsarztes Dr. K. (Stellungnahme vom 23. Mai 2005) ist das Gutachten des Prof. Dr. G. nicht schlüssig. Bei Degeneration an den unteren beiden Bandscheiben der LWS könne eine berufsbedingte Schädigung nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2005 lehnte die Beklagte "die Gewährung von Leistungen nach § 9 SGB VII in Verbindung mit der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)" ab. Eine beruflich verursachte Wirbelsäulenerkrankung im Sinne der BK-Nr. 2108 lasse sich nicht wahrscheinlich machen. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer
BK-Nr. 2108 seien nicht erfüllt. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 zurück, da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit fehlten. Auch die medizinischen Befunde sprächen gegen den ursächlichen Zusammenhang zwischen der LWS-Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Regensburg mit dem Antrag erhoben, das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS aufgrund der beruflichen Tätigkeit anzuerkennen und mit einer MdE von 20 v.H. zu entschädigen. Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Gutachten des Prof. Dr. H. (Klinikum B-Stadt) vom 28. Februar 2007 eingeholt. Danach lägen Bandscheibenvorfälle LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 vor, zusätzlich aber degenerative Veränderungen im Segment LWK 3/4 sowie HWK 5/6. Die Voraussetzungen einer Berufskrankheit seien nicht gegeben.
Gemäß klägerischem Antrag auf Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Orthopäde Dr. S. in seinem Gutachten vom 21. August 2007 ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seit dem Jahr 2002 vorlägen. Das Schadensbild sei belastungskonform. Die Höhe der MdE sei mit 10 v.H. einzuschätzen.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Beratungsarztes MR Doz. Dr. K. vom 22. Oktober 2007 dargelegt, dass von einem belastungskonformen Schadensbild beim Kläger nicht ausgegangen werden könne.
Der Rechtsstreit ist in der Sitzung vom 28. Februar 2008 zur Einholung eines weiteren Gutachtens durch Dr. D. vertagt worden, der in dem orthopädischen Gutachten vom 10. April 2008 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliege, diese allerdings nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als berufsbedingt anerkannt werden könne. Vielmehr sei eine individuelle Disposition für das Auftreten einer bandscheibenbedingten Erkrankung anzunehmen - zumal auch nicht bzw. weniger belastete Wirbelsäulenabschnitte (HWS, BWS) entsprechende bandscheibenbedingte Schäden aufwiesen. Da eine Berufskrankheit nicht vorliege, erübrige sich die Einschätzung der MdE.
Nach Anhörung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2008 abgewiesen. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. H. und Dr. D. sowie unter Verwertung der Stellungnahme des Dr. K. hat das Sozialgericht die Auffassung vertreten, dass beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien; bezüglich des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei auf die zweite Stellungnahme des Präventionsdienstes zu verweisen. Dem Gutachten des Dr. S. sei nicht zu folgen, da dieser nicht berücksichtige, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Beschwerden und der Verifizierung von Bandscheibenschäden die Voraussetzungen im Sinne einer ausreichenden Exposition nicht gegeben gewesen seien. Entsprechendes gelte für das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit erfüllt seien. Die Beklagte hat eine erneute Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 16. März 2009 vorgelegt, nach der die Gesamtdosis für den Zeitraum vom 1. September 1970 bis 30. Juli 2002 34 MNh betragen habe. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum maßgeblichen Orientierungswert von 12,5 MNh (halber Wert der Gesamtbelastungsdosis) seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch für den Zeitraum bis 1994 mit 21,5 MNh erfüllt gewesen.
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 19. Juni 2009 eingeholt, der auch die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit für gegeben erachtet. Der Kläger leide unter Schmerzen in der LWS, die wechselnd zum rechten oder linken Oberschenkel ausstrahlten. Eine Gangstörung werde auch für die differenzierten Gangarten nicht gezeigt. Die Gelenke seien klinisch unauffällig, auch an den unteren Extremitäten sei kein Funktionsverlust feststellbar. Die MdE betrage hierbei 10 v.H., da der Funktionsverlust der LWS geringgradig sei und neurologische Ausfallerscheinungen nicht nachgewiesen werden könnten. Auch nach dem neurologischen Befundbericht von 1994 seien diese nur leichtgradig ausgeprägt gewesen.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 10. August 2009 bereit erklärt, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV dem Grunde nach gemäß § 9 Abs. 4
SGB VII anzuerkennen. Der Kläger hat das Anerkenntnis mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2009 angenommen, den Rechtsstreit allerdings nicht insgesamt für erledigt erklärt. Der Antrag auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. werde aufrecht erhalten. Auf Anforderung der Beklagten hat er am 3. Februar 2010 erklärt, die belastende Tätigkeit am 10. Mai 2002 aufgegeben zu haben.
Der Neurologe und Psychiater Dr. C. hat sensible Störungen der Beine rechtsbetont radikulär im Sinne einer Nervenwurzelirritation, eine motorische Unsicherheit beim Gehen sowie einen positiven chronischen Press- und Niesschmerz attestiert. Die MdE betrage 20 v.H ... Auch der behandelnde Allgemeinarzt Dr. D. hat die MdE in einem Attest vom 28. Oktober 2009 auf 20 v.H. eingeschätzt. Es bestehe ein Ruheschmerz, der sich in den letzten Jahren verstärkt habe. Demgegenüber hat der Beratungsarzt Dr. K. die MdE in einer Stellungnahme vom 29. Juli 2009 auf 10 v.H. eingeschätzt.
Der gemäß § 109 SGG gehörte Dr. I. hat die MdE in dem Gutachten vom 27. April 2010 auf neurologischem Fachgebiet auf 10 v.H. geschätzt. Dabei seien konservativ behandlungsbedürftige Schmerzen und allenfalls minimale motorische Funktionsdefizite zu würdigen. Atrophien der Muskulatur, die den Nervenwurzeln L 3 bis S 1 zuordenbar sind, seien nicht festzustellen. Belangvolle motorische oder ausgeprägte sensible Funktionsdefizite seien nicht nachweisbar. Die Beschwerdeschilderung stimme darüber hinaus nicht mit der kernspintomographisch feststellten Kompression der L5-Wurzel rechts überein. Auch in elektrophyisologischen Zusatzuntersuchungen hätten sich Nervenleitungsbehinderungen im LWS-Bereich nicht eruieren lassen.
Der Beratungsarzt Dr. K. hat die Ansicht vertreten, dass eine eigenständige messbare neurologisch bedingte MdE anhand der Befunde nicht erwiesen sei. Die MdE betrage
10 v.H. und betreffe das chirurgisch-orthopädische Fachgebiet.
Dr. C. hat in einem weiteren Attest vom 5. Juli 2010 nochmals eine MdE von 20 v.H. bescheinigt. Als Diagnose hat er am 27. September 2010 nach EMG ein Wurzelsyndrom L5/S1 angegeben. Der Beratungsarzt Prof. Dr. G. hat am 13. Januar 2011, 29. April 2011 und 12. September 2011 ausgeführt, dass sich eine verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit eines nicht näher genannten Beinnerven rechts nicht auf die vorliegenden neurologischen Beurteilungen auswirkten. Es spreche eher für eine distal symmetrische Polyneuropathie. Dem trat Dr. C. in Attesten vom 9. März 2011 und
1. Juli 2011 entgegen.
Der Senat hat Befundberichte des Dr. C., Dr. D., des Orthopäden Dr. E. und des Allgemeinarztes Dr. F. sowie einen Bericht des Dr. C. vom 6. November 2012 zu den aktuellen Messwerten für beide Beine hinsichtlich der Nervenleitgeschwindigkeit eingeholt. Prof. Dr. G. hat in einer Stellungnahme vom 12. Dezember 2012 ausgeführt, dass eine beidseits verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis nicht für eine einseitige Nervenwurzelschädigung L5 oder S1, sondern dagegen spreche.
Der Senat hat schließlich noch den Neurologen und Nervenarzt Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach dem nervenärztlichen Gutachten vom
1. Juli 2013 habe im Vordergrund der aktuellen Untersuchung ein leichtgradiges motorisches Wurzelkompressionssyndrom von L 5 rechts gestanden. Es zeige sich eine leichte bis mittelgradige Parese der Großzehenhebung rechts, der Abduktion des Oberschenkels im Hüftgelenk rechts und auch der Fußsupination rechts. Eine ältere abgeschlossene Wurzelläsion L 5 rechts habe nachgewiesen werden können. Bandscheibenvorfälle LWK 4/5 seien im Jahre 2002 und 2003 nachgewiesen. Der Bandscheibenvorfall habe sich gemäß Verlauf der Bildgebung wieder teilweise zurückgebildet, nicht jedoch die dadurch bedingte neurologische Symptomatik. Darüber hinaus bestehe ein neuropathisches Schmerzsyndrom durch den Bandscheibenvorfall. Die MdE betrage ab Einstellung der beruflichen Tätigkeit auf neurologischem Fachgebiet und insgesamt 20 v.H ...
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger am 5. September 2013 mitgeteilt, dass er seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 10. Mai 2002 seine Tätigkeit als Zimmerermeister eingestellt habe. Die Schädigungen seien im Mai 2002 in der Universitätsklinik C-Stadt festgestellt worden. Verletztengeld sei bis 9. November 2003 gewährt worden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. August 2013 ihre mit Schreiben vom 10. August 2009 getätigte Bereitschaft, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen, zurückgenommen. Es seien weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankung der LWS als Berufskrankheit gegeben. Sie hat sich zum einen auf die Stellungnahmen des Präventionsdienstes, zuletzt vom 10. Juli 2008, zum anderen auf die Konsensempfehlungen berufen. Diese seien im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Entscheidung vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 und vom 4. Juli 2013 - Terminbericht Nr. 33/13 Nr. 3) neu zu bewerten. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie das "Tragen schwerer Lasten" seien beim Vorkommen in verschiedenen Rechtsvorschriften einheitlich auszulegen. Übertrage man deshalb die neue Rechtsprechung zur BK 2109 und die darin geforderte Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Tragen schwerer Lasten" auf die BK 2108, seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen, die u.a. für das Vorliegen der Konstellation B 2 der Konsensempfehlung erforderlich seien, nicht erfüllt. Beim Kläger sei im Ergebnis keines der unter B 2 genannten Zusatzkriterien erfüllt.
Der Kläger hält das abgegebene und angenommene Teilanerkenntnis für wirksam; hieran sei die Beklagte gebunden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 25. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses vom 10. August 2009 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. wegen anerkannte Berufskrankheit nach Nummer 2108 ab 10. November 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Kläger ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet.
Aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses ist das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites. Es ist insoweit ein Leistungsfall nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegeben.
Die Beklagte gab mit Schriftsatz vom 10. August 2009 (Bl. 83 der LSG-Akte) ein Teil-Anerkenntnis ab, wenn sie formulierte: " ... sind wir bereit eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 BeKV dem Grunde nach § 9 Abs. 4 SGB VII anzuerkennen." Der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit als Zimmerer und der bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS wurde darin ausdrücklich bejaht. Die Anerkennung setzt - über § 9 Abs. 4 SGB VII hinaus - dann auch das Unterlassen aller Tätigkeiten voraus, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Kläger nahm mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2009 das "Anerkenntnis der Beklagten" im Sinne eines Teil-Anerkenntnisses ausdrücklich an. Da auch seit Mai 2002 die Tätigkeiten als Zimmerermeister seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 10. Mai 2002 eingestellt und nicht wieder aufgenommen wurden, ist bei gebotener Auslegung aus Sicht eines objektiven Betrachters vom Vorliegen eines angenommenen Teilanerkenntnisses auszugehen. Es liegt hierin somit keine bloße angekündigte Bereitschaft vor, eine Berufskrankheit anzuerkennen, wie die Beklagte es nun formuliert. Dies ergibt sich auch bei Betrachtung des weiteren Verfahrensganges, da die Beklagte dem Kläger die Erklärung über das Unterlassen der Tätigkeit als Zimmerermeister übersandte und er diese im Februar 2010 abgab. Im Folgenden hatte die Beklagte auch zu keiner Zeit beanstandet, dass ihre "Bereitschaft" als Anerkenntnis ausgelegt wurde. Dies wäre jedoch dann ggf. erforderlich gewesen, so dass ein Berufen auf eine "missverstandene Auslegung" Jahre später gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (analog § 242 BGB) verstoßen würde.
Ein angenommenes Anerkenntnis erledigt nach § 101 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit. Da vorliegend der prozessuale Anspruch teilbar ist in den Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit und der Gewährung von Leistungen, ist auch ein Teilanerkenntnis möglich gewesen (s.a. BSG SozR Nr. 3 zu § 101; BSGE 65, 160, 164; 103, 153, 154; 104, 192, 194). Das Anerkenntnis stellt eine Prozesshandlung dar, die jedoch eine Doppelnatur entfaltet. Kommt das Anerkenntnis zustande, ist es zunächst wirksam. Möglich ist eine Aufhebung nach §§ 45, 48 SGB X oder eine Anfechtung wegen Irrtums nach §§ 119 ff BGB. Geht es um den Wegfall des Anerkenntnisses, muss ein neues Verfahren betrieben werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 101 Rdnrn. 24, 17 b). Nur wenn der Streit um die Wirksamkeit des Anerkenntnisses im Sinne seiner ursprünglichen Gültigkeit geführt wird, ist der Rechtsstreit insoweit fortzuführen (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., Rdnrn. 24, 17) und ggf. durch Urteil zu entscheiden.
Anfechtungsgründe im Sinne der §§ 119 ff BGB wegen Irrtums sind von der Beklagten nicht geltend gemacht bzw. nicht ersichtlich. Vielmehr stellt sie vor allem auf neue Erkenntnisse aus aktueller Rechtsprechung des BSG (wie vom 4. Juli 2013) ab, so dass allenfalls eine Aufhebung nach §§ 45 ff SGB X in Betracht kommt; dies müsste von der Beklagten in einem gesonderten Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden.
Zu entscheiden ist somit nur noch über die Frage, ob sich bei anerkannter Berufskrankheit ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ergibt.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30. Mai 1988, a.a.O., Nr. 28). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung (vgl. Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56
Rdnr. 10.1).
Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG v. 5. September 2006, Az.: B 2 U 25/05 R; BSG v. 2. Mai 2001, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 26).
Die Höhe der MdE wird in den Arztberichten und Gutachten unterschiedlich bewertet. Dabei gehen die Gutachter und beratenden Ärzte der Beklagte, soweit bei Vorliegen einer Berufskrankheit eine Äußerung zur Höhe der MdE getätigt wird, vom Vorliegen einer MdE von 10 v.H. auf orthopädischem Fachgebiet aus. Eine MdE von 20 v.H. hatte der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren beauftragte Orthopäde Dr. G. angenommen, allerdings ohne nähere Begründung. Der nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige Dr. S. hat die von ihm auf orthopädischem Fachgebiet angenommene MdE von
10 v.H. nicht näher begründet.
Streitig ist, ob sich darüber hinaus eine Erhöhung aufgrund Beeinträchtigungen auf neurologischem bzw. nervenärztlichem Fachgebiet ergibt. Dies wird vom Senat im Ergebnis unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. R. bejaht.
Der behandelnde Neurologe Dr. C. schätzte die MdE aufgrund sensibler Störungen der Beine rechtsbetont radikulär im Sinne einer Nervenwurzelirritation, einer motorischen Gangunsicherheit sowie einem positiven chronischen Press- und Niesschmerz auf 20 v.H ... Dabei stützte er sich vor allem auch auf eine Verlängerung der Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis. Die Beeinträchtigungen auf nervenärztlichen Fachgebiet werden auch von dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. D. am 28. Oktober 2009 bestätigt, der einen Ruheschmerz beschrieb, der sich in den letzten Jahren verstärkt habe. Nervenärztliche oder neurologische Gutachten wurden im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren nicht eingeholt.
Dr. I. nahm eine MdE von 10 v.H. auf neurologischem Fachgebiet an. Er bezog hierbei konservativ behandlungsbedürftige Schmerzen und allenfalls minimale motorische Funktionsdefizite ein. Atrophien der Muskulatur, die den Nebenwurzeln L 3 bis S 1 zuzuordnen seien, konnten von ihm darüber hinaus nicht festgestellt werden. Belangvolle motorische oder ausgeprägte sensible Funktionsdefizite sind nicht nachweisbar. Nervenleitungsbehinderungen im LWS-Bereich konnte der Sachverständige nicht feststellen.
Der gerichtliche Sachverständige Dr. J. hat, allerdings wiederum als Orthopäde, die MdE ebenfalls nur auf 10 v.H. eingeschätzt, da der Funktionsverlust der LWS von ihm als geringgradig angesehen wurde und neurologische Ausfallerscheinungen nicht nachgewiesen werden konnten. Schwerpunkt der Begutachtung war jedoch noch, ob überhaupt eine Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegt; weitergehende Ausführungen zur Bewertung der Höhe der MdE finden sich in dem Gutachten nicht.
Demgegenüber hat der zuletzt vom Senat beauftragte Gutachter Dr. R. ein imkomplettes sensomotorisches Wurzelkompressionssyndrom L 5 rechts nach zwei Bandscheibenvorfällen LWK 4/5 (2002 und 2003) sowie ein neuropathisches Schmerzsyndrom durch den Bandscheibenvorfall festgestellt. Im Neurostatus zeigten sich eine leichte bis mittelgradige Parese der Großzehenhebung rechts, der Abduktion des Oberschenkels im Hüftgelenk rechts und auch der Fußsupination rechts. Dr. I. habe nur eine minimale Fußheberschwäche rechts dokumentiert, nicht jedoch die weiteren Bewegungsfunktionen der Wurzel L 5, nämlich die Supination des Fußes, die Großzehenhebung und die Abduktion des Beines im Hüftgelenk. In der von Dr. R. durchgeführten EMG-Diagnostik konnte eine leichte ältere abgeschlossene bzw. chronische Schädigung der Nervenwurzel von L 5 rechts nachgewiesen werden, die von Dr. I. nicht berücksichtigt wurde.
Bereits im Jahr 2002 mit Beginn der L5-Symptomatik rechts und bildgebend nachgewiesenem Bandscheibenvorfall wurde nach Feststellung der Gutachters Dr. R. die aktuell emgraphisch messbare Läsion der Nervenwurzel L 5 verursacht. Der Bandscheibenvorfall war im Anschluss in Rückbildung und war im August 2007 im CT der LWS durch
Dr. S. nicht mehr in dem Umfang fassbar.
Außerdem stellte der Sachverständige ein leichtgradiges Polyneuropathiesyndrom mit einem abgeschwächten Achillessehnenreflex beidseits und einem verminderten Vibrationsempfinden (Pallhypästhesie) am Großzehengrundgelenk beidseits fest. Dem Disput zwischen Dr. C. und Prof. Dr. G. über die Bedeutung erniedrigter Nervenleitgeschindigkeiten des Nervus tibialis ist nach Ansicht des Sachverständigen die Grundlage entzogen, da sich in der aktuellen neurographischen Diagnostik unauffällige distal motorische Latenzen, motorische Nervenleitgeschwindigkeiten und auch regelrechte "Amplituden der MAP des Nervus tibialis beidseits" fanden.
Schließlich führt der Sachverständige auch eine radikulär bedingte Schmerzsymptomatik, die sich weitestgehend dem Dermatom L 5 rechts zuordnen lässt, auf die Berufskrankheit zurück.
Zutreffend weist der Sachverständige darauf hin, dass beispielsweise bereits im Reha-Entlassungsbericht vom Februar 2003 eine latente Fußheber- und Zehenschwäche rechts mit Sensibilitätsdefizit im Dermatom L 5 beschrieben wurde. Aufgrund der neurologischen Residuen wurde die Leistungsfähigkeit im ausgeübten Zimmererberuf auf unter drei Stunden eingeschätzt. Ferner finden sich entsprechende Befunde aus dem Jahre 2002 wie von Dr. E. vom 14. Juni 2002 ("motorische Großzehenheberparese"), dem Universitätsklinikum C-Stadt ("Großzehenheber- und Zehenheberparese rechts mit Kraftgrad 4 minus") oder dem Krankenhaus R. ("Großzehenheberparese im Kraftgrad 3/5 sowie eine Fußheberparese im Kraftgrad 4/5 rechts bei ansonsten regelrechter sensomotorischer Situation der unteren Extremität").
Bei der Bemessung der Höhe der MdE ist die proximal gelegene Wurzelschädigung insgesamt nach der Darlegung des Sachverständigen vergleichbar einer Teilläsion des Nervus peroneus profundus, obgleich hierdurch beim Kläger die leichte Abduktionsschwäche im Hüftgelenk und die leichte Lähmung der Supination des rechten Fußes nicht erfasst sind. Der komplette Ausfall dieses Nerven wird nach der Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 230) mit einer MdE von 20 v.H. angesetzt. Da zusätzlich ein proximal gelegenes sensibles Defizit vorliegt, schätzte der Sachverständige die MdE allein für das sensomotorische Ausfallmuster auf mindestens 10 v.H. Zusätzlich bestehen neuropathische Schmerzen, die zwar nicht im Sinne einer Kausalgie (MdE 50 v.H.) auftreten, jedoch sicherlich mit über 10 v.H. zu bewerten seien, so dass unter Berücksichtigung der orthopädischen Befunde eine Gesamt-MdE von 20 v.H. besteht.
Das Gutachten des Dr. R. ist schlüssig und überzeugend, die Anamnese und Befunderhebung auf neurologischem Fachgebiet erscheint gründlich und umfassend, zumal auch keine medizinisch fundierten Einwendungen gegen das Gutachten von der Beklagten erhoben wurden. Der Sachverständige befasst sich hierbei auch mit der Einschätzung der Vorgutachter und begründet ebenfalls überzeugend seine teilweise hiervon abweichende Einschätzung. Dabei berücksichtigt er auch die einschlägige Fachliteratur. Abweichend als durch Dr. I. beschrieben ist der Senat somit zu der Überzeugung gelangt, dass motorische Funktionsdefizite wie von Dr. R. beschrieben bestanden und bestehen. Dabei legte der Sachverständige auch für den Senat überzeugend dar, dass zwar die Jahre über Schwankungen in den Auswirkungen der LWS-Schäden aufgetreten sind - dies begründet nach Ansicht des Sachverständigen Dr. R. eine geringere Bewertung der MdE durch Dr. S. im Jahre 2007. Allerdings ist der Beginn der L 5-Symptomatik rechts mit bildgebend nachgewiesenem Bandscheibenvorfall und aktuell emgraphisch messbarer Läsion der Nervenwurzel L 5 bereits im Jahre 2002 dokumentiert. Nach Einschätzung des Sachverständigen hat sich jedoch nur der Bandscheibenvorfall LWK 4/5 rechts teilweise zurückgebildet, nicht jedoch die dadurch bedingte neurologische Symptomatik. Darüber hinaus besteht das neuropathische Schmerzsyndrom. Der Senat folgt daher auch der unter Berücksichtigung der Fachliteratur und der vorliegenden Befunde gebildeten Einschätzung des Dr. R., dass eine Gesamt-MdE von 20 v.H. bereits seit Einstellung der Tätigkeit als Zimmerer im Jahre 2002 bestand.
Verletztengeldzahlung erfolgte durch die Beklagte bis einschließlich 9. November 2003. Eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. war daher ab 10. November 2003 zu gewähren (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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