L 11 AS 648/13 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 452/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 648/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bei Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.08.2013 (Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe) aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt A., A-Stadt, beigeordnet.

Gründe:

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines sog. Eingliederungs-Verwaltungsaktes (EG-VA).

Der Beklagte erließ am 14.02.2013 einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt betreffend die Zeit vom 14.02.2013 bis 30.07.2013, wonach der Kläger u.a. an einer Trainingsmaßnahme "Easy-Staplerfahrer & Lager-Grundlagen" vom 04.03.2013 bis 26.04.2013 teilnehmen sowie sich aktiv um einen Arbeitsplatz bemühen sollte. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2013 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren begehrt. Der EG-VA sei in wesentlichen Teilen zu unbestimmt und benachteilige ihn. Am 09.08.2013 hat der Kläger die Hauptsache wegen Zeitablaufes für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 19.08.2013 hat das SG festgestellt, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien; die Teilnahme an der Maßnahme sei dem Kläger zumutbar gewesen. Mit weiterem Beschluss vom 19.08.2013 hat es die Bewilligung von PKH aus denselben Gründen abgelehnt. Die Beschwerde sei gemäß § 172 Abs 3 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zulässig.

Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Die Beschwerde sei zulässig. Er habe an der Maßnahme teilgenommen, was auch nicht in Streit gestanden hätte. Vielmehr seien die übrigen Bestimmungen des EG-VA zu unbestimmt gewesen und würden ihn benachteiligen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb eine Unanfechtbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 172 Abs 3 Nr 2 SGG vorliegen solle. Auf den Wert des Beschwerdegegenstandes ist nicht abzustellen.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, auch des Beschwerdegerichts. Ausnahmsweise ist auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist. Dann ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife abzustellen (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a Rdnr 7d). Vorliegend hat sich durch Eintritt der Erledigung eine Änderung zum Nachteil des Klägers ergeben. Im Zeitpunkt der frühestmöglichen Entscheidung durch das SG (Eingang der Beklagtenakte am 02.05.2013) war eine solche Erledigung noch nicht eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt bestanden jedoch noch hinreichende Erfolgsaussichten.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 73a Rn.7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Vorliegend sind solche hinreichenden Erfolgsaussichten gegeben, wobei es dem Kläger - wie er bereits in der Klagebegründung zum Ausdruck gebracht hat - nicht um die Teilnahme an der Maßnahme, sondern um die übrigen Regelungen des EG-VA ging. Hierauf ist das SG in der Begründung seiner Entscheidung jedoch nicht eingegangen. Ob die übrigen Bestimmungen des EG-VA allerdings rechtmäßig sind, kann offen gelassen werden. Jedenfalls bestanden hinreichende Erfolgsaussichten, um PKH zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung lagen und liegen vor.

Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben und PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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