L 19 R 404/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4226/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 404/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 11/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Vertrauensschutzregelung des § 231 Abs 1 S 1 SGB VI, wenn zum Stichtag 31.12.1998 eine selbstständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union ausgeübt wurde.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.01.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger während der Zeit seiner Tätigkeit als Golflehrer in B-Stadt der Versicherungspflicht unterlag.

Der 1960 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er hatte bei der Beklagten am 25.07.2001 einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt und angegeben, er sei derzeitig als Golflehrer tätig. Terminplanung und Organisation der Trainerstunden würden selbstständig und eigenverantwortlich erfolgen; es gebe auch Jugendtraining, Durchführung von Regelvorträgen und Unterricht von Schnuppergolfern. Mit Bescheid vom 19.10.2001 stellte die Beklagte als bundesweite Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Golflehrer für den Vertragspartner, Golfplatz B-Stadt, Verwaltungs-GmbH, selbstständig ausgeübt werde und eine abhängige Beschäftigung nicht vorliege. Gegen diesen Bescheid wurden keine Rechtsmittel ergriffen.

Mit Schreiben vom 19.11.2001 schrieb die Beklagte den Kläger an und übersandte ihm einen Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung aufgrund seiner Tätigkeit als Dozent. Der Kläger hatte bereits zuvor - am 30.08.2001 - bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung beantragt und zwar, weil er vor dem 10.12.1998 eine anderweitige Altersvorsorge - Abschluss eines Lebens- und Rentenversicherungsvertrags - getroffen habe. Nach seinen Angaben im Antrag habe er vor dem 01.01.1999 keine Kenntnis von der Versicherungspflicht aufgrund selbstständiger Tätigkeit gehabt und beschäftige keinen Arbeitnehmer oder Auszubildenden.

Die Beklagte lehnte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zunächst mit Bescheid vom 05.12.2001 ab, da der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten erst am 29.11.2001 eingegangen sei und damit nicht fristgerecht bis zum 30.09.2001 gestellt worden sei. Im Rahmen eines sich anschließenden Widerspruchsverfahrens gewährte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 25.07.2002 dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger im Folgenden einen Einkommen-steuerbescheid für das Jahr 1998 vor, wobei dieser vom Finanzamt Gänserndorf/Österreich ausgestellt worden war. Weiter legte er eine Bestätigung der U. Versicherungs-AG W. vor, wonach er zum 01.05.1997 eine Kapitallebensversicherung (Monatsbeitrag 124,71 Euro) abgeschlossen habe, die bei Erleben des 57.Lebensjahres oder im Todesfall fällig werde, und eine weitere Bescheinigung der Alten Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft über eine am 01.04.1994 abgeschlossene Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Monatsbeitrag 316,92 Euro), die bei Erleben des 60.Lebensjahres, bei Berufsunfähigkeit oder im Todesfall fällig werde.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger, dass er im gesamten Jahr 1998 Einkünfte nur in Österreich gehabt habe; er habe in diesem Jahr keinen Wohnsitz in Deutschland gehabt. Die Beklagte kam im Folgenden zum vorläufigen Ergebnis, dass aufgrund einer ausschließlich in Österreich ausgeübten Tätigkeit im Jahr 1998 keine Versicherungspflicht in Deutschland bestanden habe und somit eine der Voraussetzungen für die Befreiung nach § 231 Abs 6 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gegeben sei. Allerdings sei zwischenstaatliches Recht noch zu prüfen.

Auf weitere Nachfrage teilte der Kläger mit, dass er auch im Jahr 1997 seine Einkünfte als Golflehrer in Österreich erworben habe und seinen gewöhnlichen Wohnsitz in der Nähe von W. gehabt habe. Anfang 2000 sei er nach Deutschland verzogen und seit dem Jahr 2000 sei er ausschließlich in Deutschland als Golflehrer tätig.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18.07.2003 lehnte die Beklagte die beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht für Selbstständige nach § 231 Abs 6 SGB VI ab, da der Kläger eine selbstständige Tätigkeit in Deutschland noch nicht am 31.12.1998 ausgeübt habe, sondern eine solche erst Anfang des Jahres 2000 aufgenommen habe. Die Tätigkeit als Golflehrer in Österreich habe ausschließlich den österreichischen Rechtsvorschriften unterlegen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 12.08.2003 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass die Vorschriften des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI sowie 229a Abs 1 SGB VI nicht zur Ablehnung der Befreiung geeignet seien, weil insoweit ein Verstoß gegen grundlegende Vorschriften des EU-Rechts vorliege. In Art. 49 EG-Vertrag (EGV) sei die Aufhebung aller Beschränkungen festgeschrieben und Beschränkungen im vorgenannten Sinn seien insbesondere innerstaatliche Vorschriften oder Praktiken, die zwar unterschiedslos auf alle Dienstleistungserbringer anwendbar seien, aber sich für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringer erschwerend auswirken würden. Im vorliegenden Fall würde ein Selbstständiger, der vor dem 01.01.1999 in einem anderen Mitgliedsland Dienstleistungen erbracht habe, schlechter gestellt sein, als ein Dienstleistungserbringer, der dieselbe Dienstleistung ausschließlich im Inland erbracht habe. Wer vor dem 01.01.1999 nur in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland Dienstleistungen erbracht habe, könne den Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 229a SGB VI nicht mehr wirksam stellen. Der Kläger habe in Unkenntnis seiner Versicherungspflicht zudem bereits eine ausreichende private Altersvorsorge abgeschlossen. Die mittelbare Beeinträchtigung bzw. Diskriminierung der Dienstleistungsfreiheit sei nicht hinzunehmen und dem Kläger könne nicht abverlangt werden, trotz der von ihm geschaffenen privaten Altersvorsorge zusätzlich noch Beiträge zur Pflichtversicherung abzuführen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass er in Österreich aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit der Versicherungspflicht unterlegen und die Versicherungsnummer dort 6728070260/22 gelautet habe.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2004 den Widerspruch zurück. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs 6 SGB VI scheide im Fall des Klägers bereits deswegen aus, weil er am 31.12.1998 keine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes, also im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, ausgeübt habe. Auch unter Anwendung der EWG-Verordnungen Nr 1408/71 und 574/72 ergebe sich keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage: Der Kläger habe ausschließlich den für Österreich gültigen Rechtsvorschriften unterlegen. Und schließlich ergebe sich auch aus der Rechtsprechung nichts anderes. Art. 13 der EWG-VO 1408/71 stelle Spezialrecht dar, das von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 33/74 nicht erfasst werde.

Am 14.05.2004 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben. Er hat geltend gemacht, dass die zur Rechtfertigung der Ablehnung von der Beklagten herangezogene Vorschrift des § 231 Abs 6 SGB VI gegen Art. 49 EGV verstoße. Es liege eine verbotene Diskriminierung vor, weil ein Unterschied gemacht werde, ob der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt seine Tätigkeit als Golflehrer in Österreich oder in Deutschland erbracht habe. Der Kläger habe in Unkenntnis von seiner Versicherungspflicht eine ausreichende eigene private Altersvorsorge abgeschlossen, welche der Beklagten bereits nachgewiesen sei. Der Kläger müsse, wenn die Ansicht der Beklagten zutreffend sein solle, zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Pflichtversicherung erbringen, was seiner grundlegenden Lebensplanung widerspreche, da er nicht eingeplante finanzielle Mittel aufbringen müsse. Art. 13 Abs 2b der EWG-VO 1408/71 sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil der Kläger seine selbstständige Tätigkeit jeweils an dem Ort erbracht, an dem er auch gewohnt habe.

Das SG hat mit Urteil vom 30.01.2008 die Klage abgewiesen. Nach dem klaren Wortlaut des § 231 Abs 6 SGB VI würden die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht im Fall des Klägers nicht vorliegen, da er am 31.12.1998 nicht der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung unterlegen habe. Es habe auch nicht aufgrund europarechtlicher Vorschriften eine andere Rechtsanwendung zu erfolgen. Der Kläger habe keinen der von der Dienstleistungsfreiheit erfassten Fälle des grenzüberschreitenden Tätigwerdens erfüllt. Er sei sukzessive jeweils nur in einem Land der Europäischen U. einer Beschäftigung nachgegangen und habe jeweils in diesem Land auch gewohnt. Der EuGH habe aber festgestellt, dass das Gemeinschaftsrecht die Befugnisse der Mitgliedstaaten unberührt lasse, ihre Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten. Der Kläger werde bei der Anwendung der Vorschriften des deutschen Sozialversicherungsrechts auch nicht anders behandelt, als Staatsangehörige anderer Staaten, etwa beispielsweise Österreicher, die in der fraglichen Zeit ebenso wie der Kläger zunächst in Österreich und später in Deutschland tätig gewesen wären.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger, der seinen Wohnsitz zwischenzeitlich in die Schweiz verlegt hat, mit Telefax am 23.05.2008 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass obergerichtliche Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit des § 231 Abs 6 SGB VI ebenso wenig vorliegen würden, wie Entscheidungen, die sich mit der Vereinbarkeit dieser Norm mit den Vorschriften des EGV befassen würden. Er hat ausgeführt, dass es in seinem Fall nicht um die Gestaltungshoheit des sozialen Rechts gehe, sondern um die Frage, inwieweit dieses soziale Recht die im EGV niedergelegten Grundfreiheiten eines Bürgers eines Mitgliedstaates beeinträchtigen dürfe. Im vorliegenden Fall sei die Befreiung von der Versicherungspflicht ausschließlich deswegen abgelehnt worden, weil der Kläger zum 31.12.1998 seine Tätigkeit nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen U. ausgeübt habe.

Wenn im Urteil des SG eine Bezugnahme auf die Regelungen der Dienstleistungsfreiheit abgelehnt werde, weil das grenzüberschreitende Element gefehlt habe, dann hätte zwingend eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit geprüft werden müssen, was zu Unrecht unterblieben sei. Dabei sei das Kriterium des vorübergehenden Charakters, also der zeitlichen Beschränktheit, kein konstitutives Element der Dienstleistungsfreiheit. Das wesentliche Abgrenzungsmerkmal zur Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV sei vielmehr die Dauerhaftigkeit der Ansiedlung, wobei sich eine feste Grenze, ab wann die Ansiedlung dauerhaft sei, nicht ziehen lasse. Sei die Dauer der Tätigkeit absehbar und somit begrenzt, sei das Dienstleistungskapitel einschlägig, habe der Aufenthalt dagegen nicht nur vorübergehenden Charakter, seien die Vorschriften über das Niederlassungsrecht anwendbar.

Art. 43 EGV erfasse sog. versteckte und mittelbare Diskriminierungen, die dadurch gekennzeichnet seien, dass sie nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpften, sondern z.B. Anforderungen, die die Zeit vor der Aufnahme der Tätigkeit im anderen Mitgliedstaat oder aber das Erfordernis eines Wohnsitzes betreffen würden. Der EuGH habe in den Rechtssachen C 393/99 und C 394/99 entschieden, dass ein Erwerbstätiger, der in zwei Mitgliedstaaten tätig sei, durch die Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit nicht benachteiligt werden dürfe im Vergleich zu einem Erwerbstätigen, der alle seine Tätigkeiten in ein und demselben Mitgliedstaat ausgeübt habe. Genau dieser Sachverhalt sei im vorliegenden Fall gegeben, da der Kläger aufgrund des Umstandes, dass er seine selbstständige Tätigkeit im Mitgliedstaat Österreich ausgeübt und dann wieder zurück in den Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland ausgeweitet habe, der Benachteiligung unterliege, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht mehr möglich gewesen sei.

Eine Nachfrage beim Kläger hat ergeben, dass er - seiner Erinnerung nach - etwa von 1994 bis 2000 in Österreich und anschließend von 2000 bis 2005 in B-Stadt tätig gewesen sei; danach habe sich eine weitere 2-jährige Beschäftigung in Deutschland angeschlossen und ab 2007 sei er in die Schweiz gewechselt. Über einen Versicherungsverlauf, der seine ausländischen Zeiten belegen könne, verfüge er derzeit nicht.

Am 22.07.2011 hat die Beklagte auf Anforderung des Senats einen Versicherungsverlauf übermittelt, in dem auch Pflichtbeitragszeiten des Klägers in Österreich für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 aufgeführt werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2012 hat der Kläger angegeben, dass er von 1991 bis zu seinem Wegzug nach Österreich keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet habe. In Österreich habe er einen Beratervertrag mit dem Golfclub S. in Niederösterreich gehabt und sei selbstständig tätig gewesen. Ende 1998 habe der Kläger keine Kenntnis vom Bestehen oder Nichtbestehen einer Rentenversicherungspflicht für Selbstständige in Deutschland gehabt; in Österreich habe er bis zu seinem Wegzug (Pflicht -)Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt, nachdem ihm sein Steuerberater gesagt habe, dass er dies so machen müsse.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.01.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 18.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.01.2008 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Beklagtenakte sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der angefochtene Bescheid der Beklagten nicht zu beanstanden ist und der Kläger während seiner selbstständigen Tätigkeit in Deutschland der Versicherungspflicht unterfallen war.

Die Beklagte hat im Jahr 2001 rechtskräftig - zwischen den Beteiligten auch unstrittig - festgestellt, dass der Kläger als Golflehrer eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat und nicht auf Grund einer abhängigen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlegen war.

Eine Versicherungspflicht des Klägers hat gleichwohl vorgelegen, weil er die Voraussetzungen erfüllt hat, unter denen für Selbstständige Versicherungspflicht eintritt. § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bestimmt, dass versicherungspflichtig auch Lehrer und Erzieher sind, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Tätigkeit des Klägers als Golflehrer ist eine selbstständige Tätigkeit, die unter den Begriff des Lehrers im Sinne dieser Vorschrift fällt. Der Kläger hatte auch nach eigenen Angaben keinen Arbeitnehmer beschäftigt. Damit hatte der Kläger eindeutig alle drei im Gesetz geforderten Voraussetzungen für das Vorliegen von Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt, was er auch nicht substantiiert angegriffen hat.

Der Kläger ist auch nicht von dieser Versicherungspflicht befreit, weil seinem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht seitens der Beklagten zu Recht nicht entsprochen worden ist.

Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist in § 231 SGB VI geregelt, wobei für den Fall des Klägers einzig § 231 Abs. 6 SGB VI in Betracht kommen könnte.

§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI fordert, dass eine solche Befreiung bis zum 30.09.2001 zu beantragen ist, wobei sie dann auf den Eintritt der Versicherungspflicht zurückwirkt. Nachdem die Beklagte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt hat, hat er die in § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI vorgesehene Frist für den Befreiungsantrag eingehalten.

Nach § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI werden auf Antrag Personen von der Versicherungspflicht befreit, die am 31.12.1998 eine nach § 2 Satz 1 Nrn 1-3 SGB VI versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, wenn sie glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten und vor dem 10.12.1998 eine anderweitige Vorsorge für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen hatten (§ 231 Abs. 6 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB VI).

Für die Befreiung sind demnach kumulativ drei Bedingungen erforderlich, nämlich dass 1998 zu den jeweiligen Stichtagen
- erstens eine an sich nach dem SGB VI versicherungspflichtige Beschäftigung als Selbstständiger ausgeübt wurde,
- zweitens Unkenntnis über das Vorliegen von Versicherungspflicht bestand und
- drittens eine adäquate alternative Vorsorge getroffen wurde.

Von diesen Bedingungen dürfte der Kläger die dritte erfüllt haben. Eine solche Vorsorge wird u.a. dann als ausreichend angesehen, wenn mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen worden ist, der so ausgestaltet ist, dass die erforderlichen Leistungen erbracht werden und für die Versicherung mindestens ebenso viel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand 01.04.2011, § 231 SGB VI Rn 16). Der Kläger hatte zwei Lebensversicherungsverträge abgeschlossen, von denen einer den Bedingungen voll entsprach, während der andere zur Auszahlung schon vor kurz Vollendung des 60. Lebensjahres vorgesehen ist. Der monatliche Zahlbetrag von aufsummiert knapp 450 Euro entsprach in etwa dem seinerzeit ebenfalls bei knapp 450 Euro liegenden Regelbeitrag eines vergleichbaren antragspflichtversicherten Selbstständigen.

Wenn aber lediglich die erforderliche alternative Vorsorge getroffen wurde und die übrigen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist dies nicht ausreichend für eine Befreiung von der Versicherungspflicht. Dies wurde bereits von der Rechtsprechung ausdrücklich so entschieden. Nach dem Urteil des LSG NRW vom 19.05.2004 hat nicht jeder Lehrer, der private Vorsorge getroffen hat, einen Anspruch auf die beantragte Befreiung (Az. L 8 RA 66/03; die zugelassene Revision blieb aus formalen Gründen erfolglos - BSG, Urt. v. 23.11.2005, B 12 RA 10/04 R; vgl. auch LSG Baden-Württemberg Urt. v. 19.08.2005 -
L 4 KR 5042/03 - jeweils zitiert nach juris). Vielmehr gehe es bei der Befreiungsvorschrift um das Berücksichtigen von Vertrauensschutz, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass jemand wegen mangelnder Klarheit über die Versicherungspflicht in Unkenntnis Vorsorgeverpflichtungen eingegangen sei und nun gleichzeitig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und für private Vorsorgeverpflichtungen entrichten müsse. Dabei sei die Zielrichtung des Gesetzgebers insbesondere auch darauf gerichtet gewesen, dass keine besonderen Belastungen durch rückwirkende Zahlungen für die gesetzliche Rentenversicherung anfallen sollten und damit nicht die Leistungsfähigkeit des Selbstständigen überstiegen werden sollte. Anders sei es jedoch, wenn das private Vorsorgeverhalten rechtzeitig auf eine bestehende Versicherungspflicht habe ausgerichtet werden können; die zugehörige Stichtagsregelung sei zu lässig und stelle keinen Verfassungsverstoß dar.

Bei einer am Wortlaut des Gesetzes orientierten - innerstaatlichen - Rechtsauslegung könnte der Kläger sich zwar wahrscheinlich darauf berufen, dass er zum Stichtag 31.12.1998 keine Kenntnis davon gehabt habe, dass eine Tätigkeit als selbstständiger Golflehrer ohne eigene Angestellte in Deutschland der Versicherungspflicht unterfalle; bei seiner in früheren Jahren in Deutschland ausgeübten selbstständigen Tätigkeit waren ihm keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung abverlangt worden. Dagegen kann der Kläger, worauf die am Wortlaut des Gesetzes orientierte Argumentation der Beklagten zutreffend hinweist, 1998 nicht der Versicherungspflicht nach dem SGB VI unterlegen haben kann, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht im Geltungsbereich des SGB VI tätig war.

Diese Rechtsauslegung entspricht aber auch dem Sinn dieser aus Vertrauensschutzgründen geschaffenen Ausnahmevorschrift. Der Kläger wird in der Anwendung des § 2 SGB VI in jeder Weise mit anderen sich stets im Inland befindlichen Versicherten gleichbehandelt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht als erfüllt angesehen werden. Soweit der Kläger argumentiert, dass er wegen der zum maßgeblichen Stichtag erfolgten Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der EU von der Anwendung des § 231 Abs. 6 SGB VI ausgeschlossen wäre, mag dies zwar im Hinblick auf die Folge richtig sein, doch ist eine darin liegende Benachteiligung nicht erkennbar. Wegen des Aufenthaltes in einem anderen Mitgliedstaat konnte der Kläger gar kein Vertrauen in einen Fortbestand seiner Situation in Deutschland haben und somit war für ihn auch keine Vertrauensschutzregelung einzuführen und anzuwenden. Ein Irrtum über das Vorliegen von Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung könnte allenfalls erst bei Aufnahme einer entsprechenden Beschäftigung im Geltungsbereich des SGB VI entstanden sein und damit nach dem maßgeblichen Stichtag.

Aber auch bei einer Prüfung des § 231 Abs. 6 SGB VI an den in der Europäischen U. allgemein geltenden Regelungen ergibt sich kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Dabei muss die Beurteilung, ob es für den Kläger zukünftig günstiger ist, zu Zahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland verpflichtet worden zu sein, oder eine Nichtzahlung günstiger gewesen wäre, ohnehin offenbleiben. Die Günstigkeit kann momentan nur daran gemessen werden, ob das Ergebnis den im Befreiungsantrag zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen des Klägers entspricht oder nicht.

Soweit der Kläger auf seine Rechte aus Art. 49 EGV abhebt, so ist bereits in der Entscheidung des SG Würzburg ausführlich und zutreffend dargelegt, dass eine gleichzeitige Anwendung von Vorschriften zweier Mitgliedstaaten im Fall des Klägers nicht zur Debatte steht. Der Kläger hat sich sukzessive in jeweils nur einem Mitgliedstaat der EU aufgehalten. Aus diesem Grund sind auch die Entscheidungen des EUGH vom 19.03.2002 (C-393/99 und C-394/99) nicht einschlägig. Auch Art. 13 der EWG-VO 1408/71 setzt a priori ein gleichzeitiges Betroffensein von Vorschriften verschiedener Mitgliedstaaten voraus (z.B. Art. 13 Abs. 2 b EWG-VO 1408/71: " eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbstständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt").

Die allgemeine Vorschrift zur Gleichbehandlung in Art. 3 EWG-VO 1408/71 regelt, dass die Personen, für die diese VO gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser VO nichts anderes vorsehen. Zudem werden nach Art. 5 EWG-VO 883/2004 Sachverhalte und Ereignisse in anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich wie im Inland eingetreten berücksichtigt. Die Sachverhaltsgleichstellung geht jedoch nicht so weit, dass sie zum Entstehen deutscher Versicherungszeiten führt (Soziale Sicherheit in Europa - Rentenversicherung, hrsg. von der DRV, Berlin 2011, S. 29). Im vorliegenden Fall scheint zwar eine unterschiedliche Behandlung von Zeiten im Inland und in einem anderen Mitgliedstaat zu erfolgen, tatsächlich wird aber an der unterschiedlichen Vertrauenssituation und ihrer Schutzwürdigkeit differenziert, was zulässig ist.

Der Europäische Gerichtshof führt im Leitsatz seines Urteils vom 09.03.2006 (C-493/04) aus: "Insoweit garantiert es der Vertrag einem Erwerbstätigen nicht, dass die Ausweitung seiner Tätigkeiten auf mehr als einen Mitgliedsstaat oder deren Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist. Aufgrund der Unterschiede der Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Mitgliedstaaten, deren Sache es in Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene ist, die rechtlichen Voraussetzungen oder die Verpflichtung festzulegen, sich bei einem Sozialversicherungssystem zu versichern, kann eine solche Ausweitung oder Verlagerung für den Erwerbstätigen je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in Bezug auf den sozialen Schutz haben." In Umsetzung dieser Überlegungen sieht der Senat auch keine indirekte Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats (Art. 43 EGV). Ein erst in den Geltungsbereich von Vorschriften eines Mitgliedstaates Zuziehender kann zuvor kein Vertrauen in Vorgehensweisen der sozialen Sicherung dieses Mitgliedstaates gewonnen haben. Die Anwendung von § 231 Abs. 6 SGB VI scheitert im Fall des Klägers also nicht an der unterschiedlichen Behandlung von selbstständiger Tätigkeit im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat der EU, sondern am unterschiedlichen Vorliegen von schutzwürdigem Vertrauen.

Aber selbst wenn man mit dem Kläger und entgegen den vorstehenden Überlegungen hypothetisch einen indirekten Einfluss der angegriffenen (Ausnahme-)Regelung auf die Niederlassungsfreiheit annehmen wollte und damit eine Auslegung des § 231 Abs. 6 SGB VI im Lichte des Art. 43 EGV als erforderlich ansehen würde, hätte der Kläger bei der daraus sich ergebenden Prämisse, dass das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einheitlich wie Inland anzusehen wäre, die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 SGB VI nicht erfüllt.

Bei ihm würde dann zwar seine in Österreich ausgeübte selbstständige Tätigkeit wie eine im Geltungsbereich des SGB VI ausgeübte selbstständige Tätigkeit angesehen werden können und müssen, in gleicher Weise müsste dann allerdings aber auch die in Österreich seinerzeit vorliegende Versicherungspflicht Berücksichtigung finden. Dadurch dass der Kläger zum maßgeblichen Stichtag in Österreich der Versicherungspflicht unterlegen war und Pflichtbeiträge auch tatsächlich entrichtet hat, wäre ausgeschlossen, dass er glaubhaft machen könnte, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass innerhalb der Europäischen U. eine Tätigkeit als selbstständiger Golflehrer der Versicherungspflicht unterliegen kann. Damit würde es aber an der von § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kumulativ geforderten Befreiungsvoraussetzung der Unkenntnis über die Versicherungspflicht fehlen. Zudem hat der Kläger bereits seinerzeit private Vorsorge neben der Zahlung von Pflichtbeiträgen zu einer Rentenversicherung eines Mitgliedstaates betrieben, so dass auch inhaltlich eine Schutzwürdigkeit und ein Anlass für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht zu bejahen wären. Der Kläger wird durch den Wechsel von Österreich nach Deutschland nicht schlechter gestellt als seine Situation zuvor in Österreich. Er wird auch nicht schlechter gestellt, als ein durchgehend in Deutschland selbstständig Tätiger, der 1998 bereits Kenntnis vom Bestehen einer Versicherungspflicht gehabt hat. Die unterschiedliche Behandlung von Personengruppen, die private Vorsorge getroffen haben, danach ob sie - zu einem festgelegten Stichtag - Kenntnis von einer gleichzeitig vorliegenden Zahlungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung hatten oder nicht, stellt einen sachlichen Grund dar und ist verfassungsgemäß (vgl. LSG Baden-Württemberg, L 8 RA 66/03 a.a.O. Rn 27).

Somit ist im Fall des Klägers, unabhängig davon ob man aus europäischen Vorschriften eine völlige Gleichsetzung von österreichischen Versicherungsvorgängen mit Vorgängen im Geltungsbereich des SGB VI für möglich ansieht oder nicht, eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI ausgeschlossen.

Dementsprechend ist das Urteil des SG Würzburg im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor, da es auf die aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung höherrangigen Rechts nicht ankommt, sondern die ermittelte Sachlage unabhängig von unterschiedlichen Rechtsauslegungen zur Unbegründetheit der Berufung führt.
Rechtskraft
Aus
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