L 8 SO 46/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 SO 5/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 46/14
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Ein Antrag, der auf die Gewährung höherer Leistungen gerichtet ist, kann sich nur auf eine neue Gestaltung der letzten Regelung des Beklagten beziehen.
2.Wird ein isolierter Antrag auf Zuerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gestellt, muss der Träger der Sozialhilfe im Grundsatz eine Aufhebung iSv von § 44 SGB X oder § 48 SGB X prüfen; er ist an eine vorhergehende Regelung gebunden (vgl. Urteile des Senats vom 29.08.2013, Az.: L 8 SO 157/10 und vom 24.09.2014, Az.: L 8 SO 203/12).
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.02.2014 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der im Jahre 1942 geborene Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) erhält seit 2007 (ergänzende) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. So wurden mit Bescheid vom 03.01.2011 für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 Leistungen von 72,20 EUR monatlich festgestellt. Den Antrag des Klägers vom 02.02.2011, gerichtet auf die Gewährung höherer Leistungen wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung, wies die Beklagte mittels Versagungsbescheid vom 04.08.2011 zurück. Ebenso verfuhr die Regierung von Oberbayern mit dem Widerspruch des Klägers (Bescheid vom 06.12.2011).

Die Klage beim Sozialgericht München (SG) blieb erfolglos. Sie wurde mit Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2014 abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich des vom Kläger gestellten Leistungsantrags (vgl. § 54 Abs. 4 SGG) unzulässig, da ein Versagungsbescheid nur mit der "reinen" Anfechtungsklage angegriffen werden könne; im Übrigen sei diese unbegründet, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11. Februar 2014 sowie des Bescheides vom 03.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 06.12.2011 höhere Leistungen zu erbringen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen.



Entscheidungsgründe:


Entgegen der Rechtsmittelbelehrung ist gegen die Entscheidung des SG das Rechtsmittel der Berufung nicht eröffnet. Es ist weder der Wert des Beschwerdegegenstandes (750 EUR) nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht, noch liegt eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr vor (vgl. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG).

Der Senat konnte durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Denn die erste Instanz hat mit Gerichtsbescheid entschieden (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG). Mit Beschluss vom 7. Juli 2014 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter übertragen.

Mit Bescheid vom 03.01.2011 wurden Leistungen für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 festgestellt. Ein Antrag des Klägers vom 02.02.2011, gerichtet auf die Gewährung höherer Leistungen, kann sich nur auf eine neue Gestaltung der letzten Regelung des Beklagten, des Bescheides vom 03.01.2011, beziehen.

Einmal erlassenen Verwaltungsakte sind wirksam (§ 39 Abs. 1 SGB X). Wird ein isolierter Antrag auf Zuerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gestellt, muss der Träger der Sozialhilfe im Grundsatz eine Aufhebung iSv von § 44 SGB X oder § 48 SGB X prüfen; er ist an eine vorhergehende Regelung gebunden (vgl. Urteile des Senats vom 29.08.2013, Az.: L 8 SO 157/10 und vom 24.09.2014, Az.: L 8 SO 203/12 , Urteil des BSG vom 14.02.2013, B 14 AS 48/12 R). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eine Beschränkung des Streitgegenstands bei Sozialhilfeleistungen (zum Beispiel auf einen Mehrbedarf) zulässig ist (BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 10/06 R -, Urt. v. 19.05.2009, B 8 SO 8/08 R).

Daran ändert sich auch nichts durch die ständige, fehlerhafte Verwaltungspraxis der Beklagten. Der Grundsatz der Gewaltenteilung und der Respekt vor der Gestaltungsmacht der Beklagten als Träger öffentlicher Verwaltung gebietet es gerade, keine weiter reichenden Regelungsmöglichkeiten als die tatsächlich getroffenen Regelungen zu überprüfen. Davon ausgehend erstreckt sich der geltend gemachte Anspruch des Klägers im optimalen Fall (§ 44 SGB X) auf einen Mehrbedarf lediglich über die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011, also über sechs Monate. Die Versagung unter der Rechtsgrundlage der Vorschrift des § 66 SGB I ändert nichts an der Rechtsnatur des Anspruchs. Damit wird aber bei einem nicht bezifferten Antrag unter der Annahme eines theoretisch möglichen Mehrbedarfs (Mehrbedarf in angemessener Höhe gem. § 30 SGB XII in der Fassung vom 24.3.2011) kein Leistungsumfang über dem Wert des in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten Betrags erreicht. So ergeben sich beispielsweise nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins gerundete Anteilswerte als Regelwerte für Krankenkostzulagen bei Konsumierenden Erkrankungen, gestörter Nährstoffaufnahme bzw. Nährstoffverwertung von 10% des Eckregelsatzes, Niereninsuffizienz, die mit einer eiweißdefinierten Kost behandelt wird, von 10% des Eckregelsatzes, Niereninsuffizienz mit Dialysediät von 20 % des Eckregelsatzes und Zöliakie, Sprue von 20 % des Eckregelsatzes. Bei einem 2011 geltenden Eckregelsatz von monatlich 364,- Euro ergibt sich aus einem Mehrbedarf von 20% für 6 Monate ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 436,80 Euro. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger einen höheren Mehrbedarf geltend macht, liegen nicht vor.

Aber auch die vom Kläger im Verwaltungsverfahren aufgelieferten Rechnungen der H. GmbH vom 28.03.2010, 20.04.2010, eine Rechnung ohne Datum, drei einzelne vom 02.08.2010, 14.08.2010 und vom 08.10.2010 machen in der Summe keinen Betrag über 750 EUR aus. Sie beziehen sich zudem nicht auf den Zeitraum der zuletzt erfolgten Regelung.

Die für zulassungsfreie Berufungen übliche Rechtsmittelbelehrung (Berufung) im Gerichtsbescheid des SG vom 11. Februar 2014 ist keine Entscheidung über die Zulassung im positiven Sinne, sondern eine falsche Belehrung. Die Auslegung oder Umdeutung der Berufung des Klägers in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht, wenn der Beteiligte der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung einlegen will (BSG SozR 1500 § 160 a Nr. 6) und der Kläger mit der Niederschrift vom 26.02.2014 ausdrücklich Berufung erhoben hat. Die Umdeutung einer unzulässigen Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist auch dann unzulässig, wenn der Rechtsmittelführer nicht rechtskundig vertreten ist (Urteil des BSG vom 20. Mai 2003, Az.: B 1 KR/01 R).

Die Berufung ist demnach zu verwerfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ SGG).
Rechtskraft
Aus
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