Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 SB 9/13
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 163/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 13/15 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Berufung ohne vorheriges Urteil des Sozialgerichts ist unzulässig.
2. Trotz Unstatthaftigkeit der Berufung ist von einer Kostenfreiheit gem. § 193 SGG auszugehen.
2. Trotz Unstatthaftigkeit der Berufung ist von einer Kostenfreiheit gem. § 193 SGG auszugehen.
I. Die Berufung des Klägers bezüglich des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 3 SB 9/13 vor dem Sozialgericht Landshut wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
In der Sache begehrt der Kläger die rückwirkende Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 60 ab dem Jahr 1993.
Mit Schriftsatz vom 07.01.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut erhoben; die Klage ist unter dem Aktenzeichen S 3 SB 9/13 eingetragen worden.
Im Erörterungstermin vom 24.07.2014 vor dem SG hat die Prozessbevollmächtigte und Ehefrau des Klägers mit dessen Einvernehmen die Klage zurückgenommen. Die Rücknahmeerklärung ist zu Protokoll gegeben und nach Diktat genehmigt worden.
Mit Schreiben vom 18.08.2014 an das Bayer. Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger "gegen dass Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.7.2014 (Az. S3 SB/13)" "Antrag auf Zulassung der Berufung" gestellt.
Auf den gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung hin (Schreiben vom 13.10.2014) hat der Kläger mit Schreiben vom 10.11.2014 die Ansicht geäußert, dass die Rücknahme der Klage in keiner Weise erklärt worden sei. Die Berufung könne - so der Kläger - als unzulässig verworfen werden, wobei dann die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof stattfinde.
II.
Der Senat kann durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden; die Beteiligten sind dazu mit Schreiben vom 13.10.2014 angehört worden.
Die Berufung des Klägers bezüglich des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 3 SB 9/13 vor dem SG Landshut ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Auslegung des Rechtsschutzziels des Klägers
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).
Bei Beachtung dieser Vorgaben ist der "Antrag auf Zulassung der Berufung" im Schreiben vom 18.08.2014 nicht als Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG, die im Übrigen auch als unstatthaft zu verwerfen wäre, sondern als weitergehende Berufungseinlegung im Sinn des § 143 SGG auszulegen. Denn Ziel des Klägers ist eine inhaltliche Prüfung seines Begehrens (rückwirkende Feststellung des GdB) durch das Berufungsgericht. Von einer Berufung geht der Kläger auch selbst aus, wenn er sich im Schreiben vom 10.11.2014 dazu äußert, welche Rechtsschutzmöglichkeit ihm zur Verfügung stehe, wenn "die Berufung ... durch Beschluss als unzulässig verworfen" werde. Ein anderes, weitergehendes oder mehr Erfolg versprechendes Rechtsmittel zum LSG als die Berufung gibt es für den Kläger nicht.
2. Unstatthaftigkeit der Berufung
Nach § 143 SGG ist eine Berufung (nur) gegen Urteile der SG statthaft. Dies setzt voraus, dass eine rechtsmittelfähige Entscheidung des SG bereits ergangen ist. Eine Entscheidung des SG liegt aber nicht vor, so dass die Berufung nicht statthaft ist. Der Kläger hat vielmehr seine Klage beim SG zurückgenommen. Selbst wenn die Zurücknahme unwirksam sein sollte, wofür es keinerlei Anhaltspunkte gibt und was im Übrigen zunächst auch vor dem SG zu klären wäre, ist eine Heilung der Unzulässigkeit der eingelegten Berufung bei einer später ergehenden Entscheidung des SG nicht möglich; denn das Rechtsmittel müsste erneut eingelegt werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, vor § 143, Rdnr. 3c).
Die Berufung ist daher gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anders als im Beschluss des Senats vom 22.09.2014, Az.: L 15 SF 157/14 E, dem eine außerordentliche Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zugrunde gelegen hat, bei der eine Sachnähe mit den Regelungen des Gerichtskostengesetzes nicht von der Hand zu weisen ist, geht der Senat vorliegend davon aus, dass der Kostenentscheidung § 193 SGG zugrunde zu legen ist und das Verfahren daher gerichtskostenfrei ist. Zwar handelt es sich vorliegend bei der Berufung um ein unstatthaftes Rechtsmittel, da der Gesetzgeber ein Rechtsmittel für Konstellationen wie hier nicht vorgesehen hat. Insofern könnte unter Anlehnung an die zum Gerichtskostengesetz ergangene ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach eine gesetzlich bestimmte Kostenfreiheit nur für statthafte Verfahren gilt (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 17.10.2002, Az.: IX ZB 303/02, und vom 03.03.2014, Az.: IV ZB 4/14; Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 12.09.2005, Az.: VII E 5/05, und vom 29.04.2008, Az.: I B 35-41/08, I B 35/08, I B 36/08, I B 37/08, I B 38/08, I B 39/08, I B 40/08, I B 41/08; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.1994, Az.: 11 B 110/94), an eine Kostenpflichtigkeit gedacht werden. Dafür könnte auch ins Feld gebracht werden, dass der Grund für die Kostenprivilegierung darin liegt, dass dem sozial Schutzbedürftigen der Weg zu den Gerichten nicht erschwert werden soll, diese Privilegierung aber dann fraglich ist, wenn der Gesetzgeber den beschrittenen Weg im Rahmen der Rechtsschutzmöglichkeiten überhaupt nicht vorgesehen hat. Wegen des nur mit wenigen Ausnahmen geltenden Grundsatzes der Gerichtskostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG geht der Senat aber von einer Kostenfreiheit aus.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
In der Sache begehrt der Kläger die rückwirkende Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 60 ab dem Jahr 1993.
Mit Schriftsatz vom 07.01.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut erhoben; die Klage ist unter dem Aktenzeichen S 3 SB 9/13 eingetragen worden.
Im Erörterungstermin vom 24.07.2014 vor dem SG hat die Prozessbevollmächtigte und Ehefrau des Klägers mit dessen Einvernehmen die Klage zurückgenommen. Die Rücknahmeerklärung ist zu Protokoll gegeben und nach Diktat genehmigt worden.
Mit Schreiben vom 18.08.2014 an das Bayer. Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger "gegen dass Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.7.2014 (Az. S3 SB/13)" "Antrag auf Zulassung der Berufung" gestellt.
Auf den gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung hin (Schreiben vom 13.10.2014) hat der Kläger mit Schreiben vom 10.11.2014 die Ansicht geäußert, dass die Rücknahme der Klage in keiner Weise erklärt worden sei. Die Berufung könne - so der Kläger - als unzulässig verworfen werden, wobei dann die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof stattfinde.
II.
Der Senat kann durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden; die Beteiligten sind dazu mit Schreiben vom 13.10.2014 angehört worden.
Die Berufung des Klägers bezüglich des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 3 SB 9/13 vor dem SG Landshut ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Auslegung des Rechtsschutzziels des Klägers
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).
Bei Beachtung dieser Vorgaben ist der "Antrag auf Zulassung der Berufung" im Schreiben vom 18.08.2014 nicht als Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG, die im Übrigen auch als unstatthaft zu verwerfen wäre, sondern als weitergehende Berufungseinlegung im Sinn des § 143 SGG auszulegen. Denn Ziel des Klägers ist eine inhaltliche Prüfung seines Begehrens (rückwirkende Feststellung des GdB) durch das Berufungsgericht. Von einer Berufung geht der Kläger auch selbst aus, wenn er sich im Schreiben vom 10.11.2014 dazu äußert, welche Rechtsschutzmöglichkeit ihm zur Verfügung stehe, wenn "die Berufung ... durch Beschluss als unzulässig verworfen" werde. Ein anderes, weitergehendes oder mehr Erfolg versprechendes Rechtsmittel zum LSG als die Berufung gibt es für den Kläger nicht.
2. Unstatthaftigkeit der Berufung
Nach § 143 SGG ist eine Berufung (nur) gegen Urteile der SG statthaft. Dies setzt voraus, dass eine rechtsmittelfähige Entscheidung des SG bereits ergangen ist. Eine Entscheidung des SG liegt aber nicht vor, so dass die Berufung nicht statthaft ist. Der Kläger hat vielmehr seine Klage beim SG zurückgenommen. Selbst wenn die Zurücknahme unwirksam sein sollte, wofür es keinerlei Anhaltspunkte gibt und was im Übrigen zunächst auch vor dem SG zu klären wäre, ist eine Heilung der Unzulässigkeit der eingelegten Berufung bei einer später ergehenden Entscheidung des SG nicht möglich; denn das Rechtsmittel müsste erneut eingelegt werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, vor § 143, Rdnr. 3c).
Die Berufung ist daher gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anders als im Beschluss des Senats vom 22.09.2014, Az.: L 15 SF 157/14 E, dem eine außerordentliche Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zugrunde gelegen hat, bei der eine Sachnähe mit den Regelungen des Gerichtskostengesetzes nicht von der Hand zu weisen ist, geht der Senat vorliegend davon aus, dass der Kostenentscheidung § 193 SGG zugrunde zu legen ist und das Verfahren daher gerichtskostenfrei ist. Zwar handelt es sich vorliegend bei der Berufung um ein unstatthaftes Rechtsmittel, da der Gesetzgeber ein Rechtsmittel für Konstellationen wie hier nicht vorgesehen hat. Insofern könnte unter Anlehnung an die zum Gerichtskostengesetz ergangene ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach eine gesetzlich bestimmte Kostenfreiheit nur für statthafte Verfahren gilt (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 17.10.2002, Az.: IX ZB 303/02, und vom 03.03.2014, Az.: IV ZB 4/14; Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 12.09.2005, Az.: VII E 5/05, und vom 29.04.2008, Az.: I B 35-41/08, I B 35/08, I B 36/08, I B 37/08, I B 38/08, I B 39/08, I B 40/08, I B 41/08; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.1994, Az.: 11 B 110/94), an eine Kostenpflichtigkeit gedacht werden. Dafür könnte auch ins Feld gebracht werden, dass der Grund für die Kostenprivilegierung darin liegt, dass dem sozial Schutzbedürftigen der Weg zu den Gerichten nicht erschwert werden soll, diese Privilegierung aber dann fraglich ist, wenn der Gesetzgeber den beschrittenen Weg im Rahmen der Rechtsschutzmöglichkeiten überhaupt nicht vorgesehen hat. Wegen des nur mit wenigen Ausnahmen geltenden Grundsatzes der Gerichtskostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG geht der Senat aber von einer Kostenfreiheit aus.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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