L 19 R 588/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 1083/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 588/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankheit als solche kann die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hier: Versäumung der Berufungsfrist) nur dann rechtfertigen, wenn der Kläger selbst nicht in der Lage war, die Berufung einzulegen oder einen Dritten damit zu beauftragen.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.05.2012 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger aufgrund des Rentenantrags vom 07.07.2011 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist gelernter Elektroinstallateur und hat die Prüfung zum Elektromeister erfolgreich abgeschlossen. Seit 01.01.2005 bis laufend bezieht der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 07.07.2011 beantragte der Kläger unter Vorlage eines arbeitsamtsärztlichen Gutachtens von Dipl.Med.D. vom 12.10.2010 die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte holte die Beklagte ein internistisches Gutachten von Dr.K. ein, die am 26.08.2011 zu den Diagnosen "Rezidivierendes Sodbrennen" und "Ausschluss internistisch relevanter Erkrankungen" gelangte. Der Kläger könne Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Der Kläger habe über rezidivierendes Sodbrennen berichtet. Eine gastroenterologische Abklärung sei bislang nicht erfolgt. Internistische Erkrankungen seien dem Antragsteller nicht bekannt, gelegentlich habe er niedrigeren Blutdruck. In der Begutachtungssituation habe sich ein unauffälliger Blutdruck gezeigt, die übrigen internistischen Untersuchungen seien unauffällig gewesen.

Des Weiteren holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.F. ein, die ebenfalls am 26.08.2011 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Sie kam zu folgenden Diagnosen:
1. Depressive Anpassungsstörung länger dauernd
2. rezidivierendes Sodbrennen
3. Ausschluss internistisch relevanter Erkrankungen.

Aus psychiatrischer Sicht könne der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten. Arbeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit Selbst- und Fremdgefährdung müssten wegen der Einnahme von Psychopharmaka unterbleiben. Es bestehe kein Anhalt für eine tiefgreifende depressive Verstimmung.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.09.2011 den Antrag des Klägers ab. Der hiergegen am 19.09.2011 eingelegte Widerspruch wurde ohne Einholung eines weiteren Gutachtens mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth eingelegt, ohne diese zu begründen. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und anschließend ein Terminsgutachten vom Internisten und Sozialmediziner Dr.T. eingeholt. Dieser kam am 30.04.2012 zu folgenden Diagnosen:

1. Medikamentös kompensierte depressive Störung
2. Chronisch rezidivierendes Kopfschmerzsyndrom vom Cluster-Typ
3. Operativ behandelte Nasenverengung.

Beim Kläger sei eine Behinderung der Nasenatmung mit gutem Erfolg operativ behandelt worden, eine Leistungseinschränkung bestehe hier nur für hochgradig staubbelastete Arbeiten. Die psychische Erkrankung iS eines depressiven Syndroms sei medikamentös z.Zt. gut kompensiert, die Stimmungslage sei aktuell nicht depressiv, eher angehoben. Eine psychomotorische Hemmung bestehe nicht bei lebhafter Schilderung der Krankheits- und Lebenssituation. Neu im Vergleich zum Befund von Frau Dr.F. werde vom Kläger jetzt eine Neigung zu Aggressivität angegeben, wenn er sich länger in engen Räumen aufhalten müsse. Aktuell sei das quantitative Leistungsvermögen durch die depressive Erkrankung nicht eingeschränkt, wegen der Einnahme von Psychopharmaka sollte jedoch eine Tätigkeit mit erhöhter Eigen- und Fremdgefährdung und besonderer Verantwortung nicht verlangt werden. Ein chronisch-rezidivierendes Kopfschmerzsyndrom vom Cluster-Typ begründe keine dauernde Einschränkung der Leistungsfähigkeit, wenn auch aktuell für einen Tag dadurch Arbeitsunfähigkeit eintreten könne. Der Kläger sei deshalb noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6-stündig unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten.

Das SG hat sodann durch Gerichtsbescheid vom 08.05.2012 die Klage gegen den Bescheid vom 01.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger könne noch mindestens 6-stündig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen tätig sein. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsnachweises am 10.05.2012 zugestellt.

Hiergegen hat der Kläger mit Fax vom 02.07.2012 beim SG Bayreuth Berufung eingelegt, die am 09.07.2012 an das Bayer. Landessozialgericht weitergeleitet wurde. Mit Schreiben vom 26.07.2012 hat der Kläger ausgeführt, dass er seine Berufung aus gesundheitlichen Gründen nicht habe rechtzeitig einlegen können. Er bitte aber, die Berufung weiterhin zu berücksichtigen. Nachdem der Senat mit Schreiben vom 31.07.2012 darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung verfristet und ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erkennbar sei, hat der Kläger mit Schreiben vom 31.07.2012 darauf hingewiesen, dass er am SG von einem Allgemeinarzt und Sozialmediziner untersucht worden sei, jedoch nicht durch einen Facharzt für Neurologie. Er akzeptiere diese Untersuchung nicht, da er hauptsächlich Nervenprobleme habe. Der Richter habe ihm gesagt, dass der Gerichtsmediziner ein langjähriger Mitarbeiter des Gerichtes sei. Es müsse aber eine Untersuchung seines Geisteszustandes bzw. seiner Nervensysteme durch einen Facharzt erfolgen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 08.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 07.07.2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth
vom 08.05.2012 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung des Klägers ist verfristet und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Gemäß § 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gemäß § 151 Abs 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der genannten Frist beim SG eingelegt wird. Der Kläger hat hier unstreitig am 02.07.2012 per Fax beim SG Bayreuth Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 08.05.2012 eingelegt, der ihm nachweislich der Postzustellungsurkunde am 10.05.2012 zugestellt wurde. Die Monatsfrist des § 151 Abs 1 SGG ist deshalb nicht gewahrt. Da der Kläger zwar türkischer Staatsangehöriger ist, er jedoch seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland inne hat, kommt auch die 3-monatige Zustellfrist für ihn nicht in Betracht, da es sich nicht um eine Zustellung im Ausland iS des § 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 Satz 2 SGG handelt.

Der Senat hat den Kläger bereits mit Schreiben vom 31.07.2012 darauf hingewiesen, dass auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG nicht in Betracht kommt. Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist einem Verfahrensbeteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden gehindert ist, eine gesetzliche Frist - hier die Frist für die Einlegung der Berufung nach § 151 SGG - einzuhalten. Krankheit als solche könnte die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann rechtfertigen, wenn der Kläger selbst nicht in der Lage gewesen wäre die Berufung einzulegen oder einen Dritten damit zu beauftragen. Welche Krankheit konkret vorgelegen haben könnte, die den Kläger daran hätte hindern können, rechtzeitig Berufung einzulegen, hat der Kläger nicht vorgetragen und auch nicht nachgewiesen. Selbst eine mit Bettlägerigkeit einhergehende Erkrankung genügt im Allgemeinen nicht zur Gewährung der Wiedereinsetzung (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz - SGG - 10. Aufl., 2012, § 67 Rdnr 7c m. w. N.). Der Kläger wurde in dem Schreiben des Senats vom 31.07.2012 auch auf die Möglichkeit eines Überprüfungsantrages nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder die Stellung eines neuen Rentenantrags hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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