L 5 KR 41/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 170/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 41/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 19/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kündigung der Hausarztzentrierten Versorgung: Kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auf Seiten der Patienten
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin nach Kündigung des mit dem Bayerischen Hausärzteverband e.V. geschlossenen Hausarztvertrages durch die Beklagte Anspruch auf Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung hat.

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin nahm seit Oktober 2009 - wie weitere 2,6 Mio. Versicherte - an der von der Beklagten angebotenen hausarztzentrierten Versorgung teil. Dies wurde ihr von der Beklagten auch mit Bescheid vom 23.09.2009 bestätigt. In dem Bescheid wurde gegenüber der Klägerin festgestellt, dass sich die Praxisgebühr aufgrund der Teilnahme auf jährlich 10,00 EUR verringere.

Die von der Beklagten angebotene hausarztzentrierte Versorgung beruhte auf einem von der Beklagten mit dem Bayerischen Hausärzteverband geschlossenen Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung in der Fassung vom 03.09.2009. Als Vorteile für die teilnehmenden Versicherten waren

* ein jährlicher Gesundheitscheck ab dem 35. Geburtstag, eine jährliche Vorsorgeuntersuchung Hautkrebs,
* eine jährliche Ultraschalluntersuchung zur Vorsorge und
* zusätzliche Laboruntersuchungen

vereinbart.

Der Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung wurde von der Beklagten zum Jahresende 2010 außerordentlich gekündigt. Das Bayerische Landessozialgericht bestätigte mit Beschluss v. 22.02.2011 - L 12 KA 2/11 B ER - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Ein Hauptsacheverfahren wurde nicht mehr durchgeführt.

Die Beklagte schloss am 01.02.2012 mit Wirkung zum 01.07.2012 einen neuen Hausarztvertrag mit dem Bayerischen Hausärzteverband e. V. ab. Derzeit findet dieser Vertrag auf Grund eines nicht abgeschlossenen Schiedsverfahrens weiter Anwendung. Die Klägerin nimmt an dieser neuen hausarztzentrierten Versorgung seit 01.07.2012 teil.

Die Beklagte informierte die Klägerin mit Bescheid vom 21.01.2011 darüber, dass mit der Kündigung des Hausarztvertrages auch die Teilnahme der Klägerin am Hausarzttarif beendet sei und die Befreiung von der Praxisgebühr ab 2011 ihre Gültigkeit verloren habe.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Eine Beendigung der Teilnahme am Hausarztvertrag sei nach § 19c Abs. 5 der Satzung der Beklagten nur möglich, wenn die Klägerin die Pflichten nach § 19c Abs. 3 und 4 der Satzung der Beklagten nicht beachtet habe. Eine andere Kündigung sei nicht möglich. Es werde auf den vertraglich festgelegten Vorteilen des Vertrags, den Erlass der Praxisgebühr und den jährlichen Gesundheitscheck mit Ultraschallvorsorge bestanden. Die Praxisgebühr von 10,00 EUR für das Jahr 2011 sei bereits erhoben und bislang nicht zurückerstattet worden. Die Beklagte sei nach § 73b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verpflichtet, ihren Versicherten einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung anzubieten. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen einem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und den Hausärzten einerseits sowie zwischen der Versicherten und der Beklagten andererseits.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 zurückgewiesen. Bestehe ein Vertrag mit einem Leistungserbringer nicht mehr, so könnten Versicherte auch keine Leistungen aus diesem Vertrag mehr beanspruchen. Der Hausarztvertrag sei durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund beendet worden und daher nicht mehr existent. Der Bayerische Hausärzteverband habe sich gravierend vertragswidrig verhalten, weshalb eine Fortführung des Hausarztvertrages für die Beklagte nicht zumutbar gewesen sei. Damit sei auch eine Teilnahme der Klägerin an der hausarztzentrierten Versorgung nicht mehr möglich und die Teilnahme habe beendet werden müssen. Dabei habe das Bestätigungsschreiben bezüglich der Teilnahme am Hausarzttarif als begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben werden können. Die wirksame Kündigung des Hausarztvertrages habe eine wesentliche Änderung bewirkt. Die in § 19c Abs. 5 der Satzung geregelte Kündigungsmöglichkeit der Beklagten bei Verstößen des Versicherten bedeute nicht, dass andere Beendigungstatbestände ausscheiden würden. § 73b SGB V und die Satzung der Beklagten würden keine leistungsrechtliche Anspruchsgrundlage für Versicherte enthalten.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und geltend gemacht, sie habe weiterhin Anspruch auf Leistungen der hausarztzentrierten Versorgung. Die Leistungsansprüche von Versicherten, die an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen, würden durch §§ 20 ff. SGB V begründet und durch entsprechende Verträge zwischen den Krankenkassen und Arztverbänden konkretisiert. Bei der Bestätigung über die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da es sich um ein bloßes Informationsschreiben handele und keine zeitlich andauernde Begünstigung bewirkt worden sei. Der zwischen dem Bayerischen Hausärzteverband und der Beklagten geschlossene Hausarztvertrag habe lediglich die Leistungen inhaltlich ausgestaltet. Der Wegfall des Vertrages habe keine Relevanz gegenüber der Klägerin. Eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, liege nicht vor. Selbst wenn die Klägerin keinen Anspruch mehr auf Leistungen aus dem zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Hausärzteverband geschlossenen Hausarztvertrag habe, so bestehe ein Anspruch auf hausarztzentrierten Versorgung mit diesem Inhalt. Die Beklagte sei nach § 73b SGB V i.V.m. ihrer Satzung verpflichtet, ihren Versicherten einen Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Nach § 53 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 19c Abs. 13 der Satzung der Beklagten habe die Klägerin weiterhin Anspruch auf Ermäßigung der Praxisgebühr. Die Praxisgebühr für das Hausarztmodell für den Zeitraum 01.10.2010 bis 30.09.2011 sei von der Beklagten im November 2010 bereits eingezogen und bislang nicht zurückerstattet worden.

Mit Urteil vom 26.01.2012 hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht den Bescheid über die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung aufgehoben. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 23.09.2009, mit dem der Klägerin ihre Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung bestätigt wurde, handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der insbesondere die Teilnahme am Hausarzttarif mit den damit verbundenen Vorteilen, insbesondere der Verringerung der Praxisgebühr regele. Die Dauerwirkung sei darin zu sehen, dass die Klägerin für die Zukunft an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen habe können. Die tatsächlichen Verhältnisse bei Erlass dieses Verwaltungsaktes hätten sich durch die rechtskräftige Kündigung des Vertrages über eine hausarztzentrierte Versorgung zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Hausärzteverband wesentlich geändert. Mit Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids vom 21.01.2011 habe kein Anspruch der Klägerin mehr auf die in dem gekündigten Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung und in der alten Fassung der Satzung der Beklagten geregelten Vorteile wie die Ermäßigung der Praxisgebühr oder über die Regelversorgung hinausgehende Vorsorgeuntersuchungen. Ein derartiger Anspruch würde sich nicht aus § 73b SGB V ergeben. Aus dieser Vorschrift des Leistungserbringerrechts konnte der Versicherte keine Ansprüche ableiten. Auch aus § 53 Abs. 3 Satz 2 SGB V, der es den Krankenkassen ermöglicht, in ihrer Satzung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, könne kein derartiger Anspruch abgeleitet werden. In § 19c Abs. 6 der einschlägigen Satzung der Beklagten sei für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte geregelt worden, dass die Praxisgebühr auf 10,00 EUR pro Jahr ermäßigt werde. Aus dieser Vorschrift könne die Klägerin jedoch keine weitere Ermäßigung der Praxisgebühr ableiten. Denn in § 19c Abs. 13 der Satzung sei geregelt, dass die Befreiung von der Praxisgebühr längstens bis 31.03.2011 gelte und dass die Praxisgebührbefreiung gleichzeitig mit dem vorzeitigen Ende einer Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ende. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rückerstattung der ermäßigten Praxisgebühr, die von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis 30.09.2011 eingezogen worden war. Denn dabei handle es sich, wie sowohl im Bescheid vom 23.09.2009 als auch in § 19c Abs. 6 der Satzung ausgeführt wurde, um die Praxisgebühr für das 1. Quartal des Teilnahmejahres beziehungsweise das 1. Quartal der sich an den ersten Befreiungszeitraum anschließenden Folgejahre. In diesem 1. Quartal (hier: 01.10.2010 bis 31.12.2010) habe die Klägerin noch an der hausarztzentrierten Versorgung teilgenommen.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 23.09.2009 stelle keinen Verwaltungsakt dar. Es habe keinen Regelungscharakter und stelle eine allgemeine Information für die Klägerin dar. Im Übrigen habe die Kündigung des Hausärztevertrages durch die Beklagte keine Auswirkung auf die Klägerin. Aus § 73b SGB V ergebe sich bereits kraft Gesetzes, dass die Beklagte die Versorgung mit hausarztzentrierten Leistungen sicherstellen muss. Andernfalls würden die Versicherten zum Spielball der Interessen der Beklagten und des Ärzteverbandes. Dies habe die Beklagte selbst in ihrer Satzung zum Ausdruck gebracht. In § 19c Abs. 1 sei geregelt, dass sie eine hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V anbiete. Die Beklagte können auch nicht willkürlich durch Satzungsänderungen die Leistungsansprüche der Versicherten aushebeln. Sollte es Intention des Gesetzgebers gewesen sein, dass § 73b SGB V bei Fehlen von Verträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern keine unmittelbaren Ansprüche der Versicherten begründe, wäre dies verfassungswidrig. Schließlich sei es nicht nachvollziehbar, dass der von der Beklagten im November 2010 eingezogene Betrag von 10,00 EUR (Zeitraum 01.10.2010 bis 30.09.2011) auf das 1. Quartal der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 angerechnet worden sei. Vielmehr sei die Praxisgebühr für vier Kalenderquartale erhoben worden. Dies ergebe sich aus der Patienteninformation und der Teilnahmeerklärung.

Die Klägerin beantragt,

auf Hinweis, dass sich der streitgegenständliche Leistungsanspruch durch Zeitablauf erledigt hat, zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.01.2012 abzuändern und festzustellen, dass der Bescheid vom 21.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2011 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Augsburg. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Klägerin mit Abschluss des neuen Hausarztvertrags mit Wirkung zum 01.07.2012 an der neuen hausarztzentrierten Versorgung teilnehme. Für das Leistungsbegehren sei damit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet.

1. Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens war zunächst im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, ob die Klägerin nach Kündigung des Hausärztevertrags in der Fassung vom 03.09.2009 zum 31.12.2010 unter Aufhebung des Bescheids vom 21.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2011 über den 31.12.2010 hinaus gegen die Beklagte Anspruch auf Leistungen einer hausarztzentrierten Versorgung hat. Für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2012 hat sich das Leistungsbegehren durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Für die Zeit ab 01.07.2012 nimmt die Klägerin an der hausarztzentrierten Versorgung auf Grund des neuen Hausarztvertrages teil. Für ein Leistungsbegehren das sich auf diesen Zeitraum bezieht, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen hat sich auch für diesen Zeitraum das Leistungsbegehren bis zur mündlichen Verhandlung vom 13.01.2015 durch Zeitablauf erledigt.

2. Nach Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung stellte die Klägerin im Einverständnis mit der Beklagten ihren Antrag um, beantragte zuletzt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.01.2012 abzuändern und festzustellen, dass der Bescheid vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2011 rechtswidrig war.

a) Diese Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ist in der gegebenen prozessualen Situation die statthafte Klageart (zur Parallelproblematik im Verwaltungsprozess vgl. Berkemann, jM 2014, 421-432). Nach dieser Vorschrift kann mit der Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes - hier durch Zeitablauf - begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Regelung gilt nicht nur - wie nach ihrem Wortlaut zu vermuten wäre - für reine Anfechtungsklagen, sondern auch bei anderen Klagearten, wie z. B. bei der vorliegend zunächst statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSGE 78, 243, 249 = SozR 3-2500 § 109 Nr. 2 S. 18; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 11. Aufl. 2014, § 131 Rn. 7c) und - in entsprechender Anwendung - im Einzelfall sogar bei Klagen, deren primäres Rechtsschutzbegehren nicht auf einen Verwaltungsakt bezogen war (BSG SozR 3-2500 § 207 Nr. 1; BSG SozR 4-3300 § 71 Nr. 2 Rn. 33), wie z.B. bei der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Die Umstellung einer Anfechtungsklage oder einer allgemeinen Leistungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung und daher auch im Berufungsverfahren und Revisionsverfahren statthaft (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 168 S 1 Alt. 1 SGG, vgl. dazu BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr. 4, Rn.14 mwN). Unabhängig davon, hat auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2015 ihr Einverständnis zur Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG erklärt.

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unzulässig, weil der Klägerin das "besondere Interesse" an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung bezüglich der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung fehlt. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kommt grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität, eines Rehabilitationsinteresses, einer schweren Grundrechtsverletzung oder einer Wiederholungsgefahr in Betracht (BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 34, jeweils Rn. 21, 22; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 131 Rn. 10 bis 10 f).

Vorliegend kann die Klägerin kein berechtigtes Interesse für die Fortführung des Prozesses im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltend machen.

aa) Es ist nicht ersichtlich, dass die begehrte Feststellung unmittelbar bindend für ein anderes gerichtliches oder behördliches Verfahren der Klägerin ist (rechtliche Präjudizialität, vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 7. Aufl. 2011, § 113 Rn. 139; BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 - 8 C 30.87 Rn. 9). Hierfür trägt die Klägerin die Darlegungslast. Sie muss durch seinen konkretisierenden Sachvortrag plausibel machen, dass ein Haftungsgrund in Betracht kommt. Sie hat dazu Angaben zum Schaden, ggf. zur Schadenshöhe und zur Frage einer Verjährung zu machen. Voraussetzung für die Annahme eines Feststellungsinteresses ist, dass der beabsichtigte Zivilprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 20.06.2013 - 8 C 46.12 Rn. 18). Weder hat Klägerin vorgetragen, dass das vorliegende Verfahren präjudiziell für ein mögliches Schadensersatzverfahren ist, noch ist ein solches Verfahren sonst ersichtlich.

bb) Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitationsinteresses hat. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung kann zwar bestehen, wenn der Verwaltungsakt, dessen Begründung/Vollzug oder dessen Ablehnung diskriminierende Wirkungen hatte und diese andauern und wenn das Rehabilitationsinteresse bei vernünftiger Würdigung des Einzelfalles als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist, etwa, wenn eine Stigmatisierung des Betroffenen zu beobachten ist (BVerwG, Beschl. v. 04.10.2006 - 6 B 64.06 Rn. 10). Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht und wurden von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

cc) Der Klägerin steht auch kein Feststellungsinteresse auf Grund einer schweren Grundrechtsverletzung zu (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 Rn. 38; BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 Rn. 57; BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89). Insbesondere war die Klägerin auch während der hausarztvertragslosen Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2012 nicht in ihrem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf medizinische Vorsorge für Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m ... Art. 20 Abs. 1 GG vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98, Rn. 65 - zitiert nach juris) verletzt. Die hausarztzentrierte Versorgung tritt neben die reguläre hausärztliche Versorgung i.S.v. § 73 Abs. 1-1c SGB V. Sie ist eine Sonderform der hausärztlichen Versorgung. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und es wurde auch von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass die Beklagte die in § 11 SGB V normierten Leistungsansprüche nicht erfüllt hatte, dass die Regelversorgung nicht ausgereicht hätte oder gar das medizinische Existenzminimum gefährdet gewesen wäre.

dd) Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Ausreichend ist grundsätzlich die hinreichend bestimmte konkrete Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (BSG 11.05.2011, B 6 KA 23/10 R, SozR
4-2500 § 75 Nr. 11 Rn. 12; BSGE 113, 70 Rn. 16; BVerwG 16.05.2013, 8 C 14/12, NVwZ 13, 1481 Rn. 21). Die Argumentationslast liegt bei der Klägerin (Berkemann, jM 2014, 421-432). Eine Wiederholungsgefahr kann bereits deshalb verneint werden, weil die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie werde künftig in vergleichbaren Fällen keine Aufhebungsbescheide mehr erlassen. Denn mit der wirksamen Kündigung des Hausärztevertrages, habe sich der gegenüber dem Versicherten bekanntgegebene "Teilnahmeveraltungsakt" erledigt, weil dieser auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei. Eine zusätzliche Aufhebungsentscheidung sei daher nicht notwendig und werde in der Zukunft nicht mehr erfolgen.

Unabhängig davon reicht zur Bejahung einer Wiederholungsgefahr auch nicht aus, dass in der Zukunft die abstrakte Gefahr einer Kündigung des Hausärztevertrags möglich erscheint. Notwendig ist vielmehr eine konkrete Gefahr unter im Wesentlichen gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen; dies ist nicht zu erkennen. Denn im Vergleich zum Zeitraum Ende 2010/Anfang 2011 besteht ein wesentlicher Unterschied bereits darin, dass zur Zeit des damals gültigen Hausarztvertrages eine Praxisgebühr (§ 28 Abs. 4 SGB V a. F.) durch die Versicherten zu zahlen war und diese ab 01.01.2013 ersatzlos gestrichen wurde. Ein Kernanliegen der klägerischen Klage war die Reduzierung der quartalsweise zu zahlenden Praxisgebühr, durch Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung. Dieses Begehren hat sich mit Streichung der Praxisgebühr durch den Gesetzgeber erledigt.
Schließlich fehlt es an der Wiederholungsgefahr, weil Hausarztverträge jeweils individuell ausgehandelt werden. Sie können ggf. auch mit anderen Vertragspartnern geschlossen werden als insbesondere dem Bayerischen Hausärzteverband.

Da kein besonderes Feststellungsinteresse vorliegt, war die Berufung zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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