Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 AS 937/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 647/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 35/15 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II ist ein öffentlich rechtlicher Vertrag nach §§ 53 ff SGB X, speziell ein subordinationsrechtlicher Austauschvertrag nach § 53 Abs. 1 Satz 2, § 55 SGB X.
Zum Prüfungsmaßstab bei gerichtlicher Überprüfung einer Eingliederungsvereinbarung.
Zur Anfechtung der Vereinbarung wegen Ankündigung einer Sanktion bei Verweigerung der Unterschrift gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis 31.03.20111 gültigen Fassung.
Zum Prüfungsmaßstab bei gerichtlicher Überprüfung einer Eingliederungsvereinbarung.
Zur Anfechtung der Vereinbarung wegen Ankündigung einer Sanktion bei Verweigerung der Unterschrift gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis 31.03.20111 gültigen Fassung.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. August 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nichtig ist.
Die 1953 geborene alleinstehende Klägerin bezog bis Oktober 2001 Arbeitslosengeld nach SGB III, danach bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Sie bezieht seit 01.01.2005 laufend Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Einkommen erzielte die Klägerin bis Ende 2008 nicht.
Mit Schreiben vom 23.11.2008 übermittelte die Klägerin eine Kopie des Arbeitsvertrages vom 20.11.2008 für eine geringfügige Beschäftigung als Einlasskontrolleurin, Kassenkraft oder im Garderobendienst. Die Tätigkeit erfolge auf Abruf mit Vorankündigung von mindestens vier Tagen durch den Arbeitgeber. Der Stundenlohn betrage zwischen 5,80 und 6,50 Euro. Eine Arbeitsverhinderung habe der Arbeitnehmer unverzüglich anzuzeigen. Bei einem Verstoß gegen die Kündigungsfristen von zwei Wochen in der Probezeit bzw. einem Monat zum Monatsende sei eine Konventionalstrafe von 150,- Euro fällig.
Die Klägerin arbeitete dort 14,5 Stunden im November 2008 bei einem Lohn von 91,90 Euro und 34,5 Stunden im Dezember 2008 für 212,20 Euro. Es handelte sich um insgesamt 13 Arbeitseinsätze, davon acht am Wochenende bzw. Feiertag. An den Werktagen begannen die Einsätze um 17:45 Uhr (ein Einsatz), 18:15 Uhr (ein Einsatz), 18:45 Uhr (ein Einsatz) und 19:15 Uhr (zwei Einsätze).
Mit Schreiben vom 09.12.2008 wurde die Klägerin vom Beklagten zu einer Informationsveranstaltung am 15.12.2008 eingeladen. Es handelte sich um eine Gruppeninformation, zu der auch weitere Leistungsbezieher eingeladen waren. Vorgestellt wurde die Maßnahme Work first Ganzil. Es handelte sich um eine Eingliederungsmaßnahme, die sich insgesamt über neun Monate (von 18.12.2008 bis 17.09.2009) erstreckte. In jeder Woche war an zwei Tagen an Gruppen- oder Einzelcoaching teilzunehmen.
Die Klägerin erschien zu der Informationsveranstaltung. Nach ihren Angaben wies sie den dort anwesenden Mitarbeiter des Beklagten (Herrn B.) auf die neue geringfügige Beschäftigung hin und bezweifelte, dass sie an der Maßnahme noch teilnehmen müsse. Die Klägerin sei wie die übrigen Teilnehmer namentlich aufgerufen und gebeten worden, die vorgelegte Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Die Klägerin habe sich nochmals bei Herrn B. erkundigt, ob sie die Vereinbarung überschreiben müsse. Herr B. habe diese Frage bejaht und die Klägerin dabei darauf hingewiesen, dass die Klägerin dazu verpflichtet sei. Die Klägerin unterschrieb daraufhin die Vereinbarung und nahm an der Eingliederungsmaßnahme von 18.12.2008 bis zu deren Ende am 17.09.2009 teil.
Mit der strittigen Eingliederungsvereinbarung vom 15.12.2008 (EGV) verpflichtete sich die Klägerin, an dem Vermittlungs- und Coaching-Projekt Work first Ganzil teilzunehmen. Der Beklagte verpflichtete sich zur Förderung sprich Finanzierung der Maßnahme. Die Maßnahme wurde als ganzheitliche Integrationsleistung (Ganzil) von maximal neun Monaten beschrieben mit Gruppen- und Einzelcoaching, Qualifizierungsmaßnahmen und der Unterbreitung von Arbeitsangeboten durch den Maßnahmeträger. Die Klägerin verpflichtete sich mit ihrer Unterschrift, aktiv und regelmäßig an der Maßnahme teilzunehmen, nach Aufforderung durch den Träger persönlich dort vorzusprechen, die mit dem Träger vereinbarten Termine einzuhalten und Abwesenheitszeiten wegen Erkrankung dem Träger gegenüber nachzuweisen. Für die Zuweisung in das Projekt wurde in der EGV ein Welcome-Tag am 18.12.2008 festgelegt. Als Rechtsfolgenbelehrung wurden alle Sanktionstatbestände des § 31 SGB II a.F. aufgeführt.
Auf dem im Klageverfahren vorgelegten Vertragsexemplar befindet sich ein nur von der Klägerin unterzeichneter handschriftlicher Zusatz, wonach sie auf die Zusage verweise, daß die Maßnahmetermine mit den Terminen der geringfügigen Beschäftigung abgesprochen würden. Ansonsten müsste sie eine unzumutbare Konventionalstrafe zahlen. Drei Mitarbeiter (darunter Herr B.) hätten ihr versprochen, dass die erst begonnene Arbeit den Terminen der Maßnahme vorgehe.
Mit Schreiben vom 18.12.2008 kündigte die Klägerin ihr geringfügiges Arbeitsverhältnis zum 31.12.2008. Wegen der Eingliederungsmaßnahme könne sie die notwendige variable Einsatzverfügbarkeit und Zuverlässigkeit nicht gewährleisten. Eine Sanktion wegen Arbeitsaufgabe ohne wichtigen Grund erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 22.12.2008 wies die Klägerin darauf hin, dass die Maßnahme mit zweimal wöchentlichem Einzel- und Gruppentraining von jeweils vier bis fünf Stunden im Konflikt mit ihrer geringfügigen Tätigkeit stehe. Nach dem Arbeitsvertrag habe sie je nach Bedarf und Anforderung zu arbeiten. Sie müsse für Arbeitseinsätze ab 8:00 oder 9:00 Uhr zur Verfügung stehen. Ferner bitte sie um Mitteilung der Bestimmungen des SGB II, wonach sie zum Abschluss der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei. Es seien unterschwellig Nachteile bzw. Repressalien benannt worden. Mit Schreiben vom 08.01.2009 legte die Klägerin "Widerspruch gegen die Verfahrensweise der Verpflichtung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung" am 15.12.2008 ein. Es gebe Ausnahmen, bei denen sie keine Eingliederungsvereinbarung abschließen müsse. Sie habe am 20.11.2008 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen.
In einem weiteren Schreiben führte die Klägerin aus, dass sie die Vereinbarung nicht hätte unterschreiben müssen, weil sie bereits in Arbeit gestanden habe. Außerdem sei ihr die Unterschrift abgenötigt worden, weil sie auf die Rechtsfolgenbelehrung mit einem Abzug von 30 % hingewiesen worden sei. Eine Überlegungsfrist sei ihr nicht gewährt worden. Die Maßnahme sei nicht mit ihrer geringfügigen Arbeit vereinbar, weil sie jederzeit auf Abruf arbeiten müsse. Der Abschluss der EV sei rechtswidrig und die EV sei anzufechten. Sie nehme aber weiterhin und unter Vorbehalt an der Maßnahme teil.
Der Widerspruch vom 08.01.2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 als unzulässig verworfen. Die EGV sei kein Verwaltungsakt.
Im Oktober 2010 wurde die Klägerin erfolglos aufgefordert, eine EGV zu unterschreiben. Im Dezember 2010 wurde die Klägerin aufgefordert, eine EGV zu einer Eingliederungsmaßnahme Kompaqt50plus zu unterschreiben. Am 13.01.2014 erging ein Eingliederungsverwaltungsakt, der Gegenstand eines für die Klägerin erfolglosen Eilverfahrens war. Die Klägerin ist seit 2005 ununterbrochen im Leistungsbezug.
Die Klägerin erhob bereits am 24.04.2009 Klage zum Sozialgericht München. Ihre Eingliederung in Arbeit sei bereits durch die geringfügige Tätigkeit erfolgt. Die Pflicht, sofort zu unterschreiben, sei eine Nötigung gewesen. Die Maßnahme sei zeitlich mit der Erwerbstätigkeit unvereinbar gewesen. Die Arbeit gehe aber vor. Es bestehe ein Feststellungsinteresse. Mit Schreiben vom 28.03.2013 wurde erstmals vorgetragen, dass ein Amtshaftungsprozess wegen entgangener Erwerbseinkünfte beabsichtigt sei.
Die Klage wurde mit Urteil vom 09.08.2013 abgewiesen. Die Klage sei als Feststellungsklage nach § 55 SGG statthaft gewesen. Der damit verfolgte Anspruch habe sich nach Rechtshängigkeit erledigt. Die EGV habe nur bis 18.09.2008 Wirkungen entfaltet und eine Sanktion sei nicht erfolgt. Danach sei eine Fortsetzungsfeststellungklage möglich, hier jedoch mangels besonderen Feststellungsinteresses unzulässig. Ein Rehabilitationsinteresse bestehe nicht. Ein Amtshaftungsprozess sei nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten oder substantiiert dargelegt worden (BFH, Urteil vom 27.01.2004, VII R 54/02). Im Übrigen könne die Kündigung nicht auf die EGV zurückgeführt werden, weil die überwiegend abendliche Erwerbstätigkeit auch parallel zur Maßnahme durchführbar gewesen sei. Außerdem habe nach dem Vortrag der Klägerin der Beklagte den Vorrang von Arbeitseinsätzen selbst zugesichert. Die Vertragsstrafe habe im Übrigen nichts mit der Verfügbarkeit bei Arbeitseinsätzen zu tun. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Die Klägerin habe dargelegt, eine solche Vereinbarung heute nicht mehr zu unterschreiben und es gebe seit 01.04.2011 keine Sanktionsdrohung mehr dagegen. Das Urteil wurde der Klägerin am 20.08.2013 zugestellt.
Die Klägerin hat am 19.09.2013 Berufung eingelegt. Es habe "zahlreiche, schwerwiegende qualifizierte Rechtsverstöße" gegeben. Sie bereite eine Amtshaftungsklage vor. Die Inhalte der Maßnahme seien mit der damaligen Tätigkeit nicht vereinbar gewesen. Deswegen sei keine Sanktion erfolgt. Den Vorrang der Erwerbstätigkeit habe der Beklagte nicht schriftlich bestätigt. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da sie noch im Leistungsbezug stehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 15.12.2008 unwirksam oder nichtig war.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage war zulässig, aber unbegründet, weil die Eingliederungsvereinbarung (EGV) nicht unwirksam oder nichtig ist.
Streitgegenstand ist die EGV vom 15.12.2008. Dabei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 53 ff SGB X, speziell um einen subordinationsrechtlichen Vertrag nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X, weil ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II möglich war (ebenso BayLSG, Urteil vom 05.12.2012, L 16 AS 927/11; befürwortend aber offen gelassen BSG, Urteil vom 02.04.20134, B 4 AS 26/13 R und BSG, Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R). Zugleich handelt es sich um einen sog. hinkenden Austauschvertrag nach § 55 SGB X (Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 55 Rn. 4; Kador in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 15 Rn. 8). Soweit die EGV nach a. A. einer anderen Handlungsform zugeordnet wird, wird überwiegend der Prüfungsmaßstab für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag entsprechend angewendet (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R, Rn. 22).
Nicht Streitgegenstand ist der Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009. Dies wurde von der Klägerin zu Recht nicht beantragt. Die EGV ist kein Verwaltungsakt, so dass § 95 SGG nicht gilt. Im Übrigen war der Widerspruchsbescheid rechtlich zutreffend.
Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Umstand, dass der Geltungszeitraum der Eingliederungsvereinbarung vom 15.12.2008 am 17.09.2009 endete, steht dem nicht entgegen. Auch vergangene Rechtsverhältnisse können Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Rn. 8). Das gemäß § 55 Abs. 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse ist wegen Wiederholungsgefahr zu bejahen (vgl. Keller, a.a.O. § 55 Rn. 15b). Die Klägerin befindet sich ununterbrochen im Leistungsbezug und ihr wurden nachfolgend wiederholt Eingliederungsvereinbarungen angeboten.
Die Berufung ist zurückzuweisen, weil die Feststellungsklage unbegründet ist. Die begehrte Feststellung kann nicht erfolgen. Die EGV ist nicht nichtig oder - gleichbedeutend - unwirksam. Auf schlichte Rechtswidrigkeit wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht geprüft.
Prüfungsmaßstab für die EGV sind §§ 53 ff SGB X und § 15 SGB II. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt keiner allgemeinen Rechtmäßigkeitsprüfung, wie § 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X und § 59 SGB X zeigen. Wenn eine materielle Rechtswidrigkeit vorliegt, ist dies nach § 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X nur relevant, wenn dies den Beteiligten bekannt war. § 59 SGB X verschafft dem Vertrag eine höhere Bestandskraft als § 48 SGB X dies für Verwaltungsakte einschränkt (BSG, Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R, Rn. 34 a.E.). Von daher kann auch die Überschreitung der Regeldauer von sechs Monaten (hier neun Monate) nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zu der begehrten Feststellung führen. Eine derartige Überschreitung würde auch bei einem Verwaltungsakt nur zu einer Rechtswidrigkeit führen, wenn keine rechtfertigende Ermessenserwägungen vorlägen (BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R, Rn. 20).
Die EGV muss wirksam zustande gekommen sein, zulässig sein im Sinn von §§ 53 ff SGB X, darf nicht - etwa durch Anfechtung oder Kündigung (§ 59 SGB X) - weggefallen sein und es darf kein Nichtigkeitsgrund nach § 58 SGB X bestehen.
Die EGV wurde durch übereinstimmende Willenserklärungen nach § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. §§ 145 ff BGB abgeschlossen. Das Schriftformerfordernis nach § 56 SGB X wurde gewahrt.
Der Punkt, wie die Termine der Eingliederungsmaßnahme und die Arbeitstermine der Klägerin zu koordinieren sind, wurde nicht durch beiderseitigen schriftlichen Vertrag geregelt, weil nur die Klägerin diesen Punkt nach dem Vertragsabschluss auf der EGV notiert und unterschrieben hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine einseitige nachträgliche Ergänzung eines schriftlichen Vertrages eine Teilnichtigkeit des Vertrages bewirken kann, weil die Wirksamkeit der EGV dadurch nicht gehindert würde. Gemäß § 58 Abs. 3 SGB X bewirkt eine Teilnichtigkeit nur dann eine Gesamtnichtigkeit eines Vertrages, wenn nicht anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Beide Parteien haben den Vertrag durchgeführt, ohne dass der Beklagte den Zusatz gegengezeichnet hatte. Außerdem bestand das durch den Zusatz zu lösende Koordinationsproblem tatsächlich gar nicht - der Zusatz war überflüssig. Die geringfügige Beschäftigung der Klägerin erfolgte entweder am Wochenende, Feiertagen oder an Werktagen in den Abendstunden. Die Maßnahmetermine an zwei Wochentagen erfolgten dagegen untertags. Selbst wenn es im weiteren Verlauf tatsächlich einmal zu einer Überschneidung der Termine gekommen wäre, hätte die Klägerin, wie § 2 Nr. 4 des Arbeitsvertrages belegt, dem Arbeitgeber bei Überschneidungen die Arbeitsverhinderung mitteilen müssen und können. Mit einer Konventionalstrafe hätte eine Arbeitsverhinderung ohnehin nichts zu tun gehabt. Nach § 5 des Arbeitsvertrages sah der Vertrag nur bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist eine Konventionalstrafe vor.
Es besteht auch kein Vertragsformverbot nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X, weil dem Vertrag keine Rechtsnormen entgegenstehen. Es wurden mit Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und Mitwirkungspflichten der Klägerin die zulässigen Inhalte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II vereinbart. Bei der Maßnahme handelte es sich um eine Eignungsfeststellung bzw. Training nach § 48 SGB III in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung oder eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 46 SGB III in der von 01.01.2009 bis 31.03.2012 geltenden Fassung. Es handelte sich um Ermessensleistungen, so dass - ungeachtet § 55 Abs. 3 SGB X - § 53 Abs. 2 SGB X der Vereinbarung nicht entgegenstand.
Die Maßnahme Work first Ganzil, ein Eingliederungsprojekt von maximal neun Monaten Dauer mit Gruppen- und Einzelcoaching an zwei Wochentagen, Qualifizierungsmaßnahmen und der Unterbreitung von Arbeitsangeboten durch den Maßnahmeträger war auch hinreichend bestimmt. Ablauf und Inhalt der konkreten Einzelschritte waren von den individuellen Gegebenheiten des Teilnehmers abhängig. Im Übrigen würde mangelnde Bestimmtheit nur dann Nichtigkeit gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1, § 40 Abs. 1 SGB X bewirken, wenn diese offensichtlich gewesen wäre (Engelmann a.a.O., 8. Auflage 2014, § 33 Rn. 16), was hier nicht der Fall war.
Die Vorgaben von § 55 Abs. 1 SGB X sind eingehalten. Insbesondere erfolgte die Gegenleistung der Klägerin (Teilnahme der Klägerin an der Maßnahme) zwecks Eingliederung in Arbeit, die gemäß §§ 14 ff SGB II Aufgabe des Beklagten war. Diese Gegenleistung war auch angemessen und entsprach unmittelbar der Leistung des Beklagten, der Übernahme der Maßnahmekosten. § 55 Abs. 2 SGB X ist nicht anwendbar, da die Eingliederungsmaßnahme eine Ermessensleistung war.
Die EGV ist nicht wegen Anfechtung der Willenserklärung der Klägerin als nichtig anzusehen (§ 61 SGB x i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB).
Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 08.01.2009 "Widerspruch gegen die Verfahrensweise der Verpflichtung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung" eingelegt. Mit weiteren Schreiben vom 19.02.2009 hatte die Klägerin ausgeführt, dass die Teilzeittätigkeit bewirke, dass sie die Vereinbarung nicht hätte unterschreiben müssen, weil sie bereits in Arbeit eingegliedert sei. Außerdem sei ihr die Unterschrift abgenötigt worden, weil sie auf die Rechtsfolgenbelehrung mit einem Abzug von 30 % hingewiesen worden sei. Eine Überlegungsfrist habe sie nicht bekommen. Die Maßnahme sei nicht mit ihrer geringfügigen Arbeit vereinbar gewesen, weil sie jederzeit auf Abruf habe arbeiten müssen. Der Abschluss der EGV sei rechtswidrig und die EGV sei anzufechten. Sie nehme aber weiterhin und unter Vorbehalt an der Maßnahme teil. Diese Schreiben enthalten die Anfechtung der Willenserklärung der Klägerin.
Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei wegen der geringfügigen Erwerbstätigkeit tatsächlich nicht verpflichtet gewesen, die EGV zu unterschreiben, ist dies schon in der Sache falsch. Es liegt gar kein Irrtum vor, weil die stundenweise Beschäftigung die Klägerin nicht von der laut § 2 Abs. 1 S. 2 SGB II bestehenden Pflicht eine EGV abzuschließen entband. Die geringfügige abendliche Tätigkeit war nur eine nicht ausreichende Eingliederung in Arbeit und sie stand der Durchführung der nicht abends stattfindenden Maßnahme ohnehin nicht entgegen. Im Übrigen würde es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum über den Beweggrund der Willenserklärung handeln (Palandt, BGB, § 119 Rn. 29).
Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei mit Sanktionsdrohungen zur Unterschrift genötigt worden, erklärt sie eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB. Es fehlt schon an der Widerrechtlichkeit, weil die Sanktion in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a SGB II a.F. genau so vorgesehen war und es keine dem entgegenstehende Rechtsprechung des BSG gab. Dass es einzelne LSG-Entscheidungen gab, die von der Rechtswidrigkeit einer derartigen Sanktion ausgingen, ist unerheblich, weil es auf die Sicht des Drohenden ankommt (Palandt § 123 Rn. 19 unter Hinweis auf BGH NJW 2005, 2766). Der Beklagte ist von der Rechtmäßigkeit einer derartigen Sanktion ausgegangen.
Die Maßnahme war auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin ausgeübten Erwerbstätigkeit verhältnismäßig (vgl. zu diesem Erfordernis vgl. Engelmann, a.a.O., § 53 Rn. 23).
Die längerfristige Eingliederungsmaßnahme mit der Möglichkeit der individuellen Ausrichtung war angesichts der langjährigen Erwerbslosigkeit der Klägerin geeignet und sinnvoll. Die Klägerin übte seit kurzem nur eine geringfügige Beschäftigung aus, die nur einen Teil des existentiellen Bedarfs abdecken konnte (von 400,- Euro verbleiben nach Bereinigung maximal 240,- Euro als anrechenbares Einkommen), wogegen die Eingliederung in Arbeit nach § 2 Abs. 1 und 2 SGB II zum Ziel hat, die Hilfebedürftigkeit insgesamt zu beenden. Außerdem bestand, wie oben dargelegt, kein zeitlicher Konflikt zwischen der Tätigkeit und der Maßnahme: Selbst wenn es tatsächlich gelegentlich zu Terminkollisionen gekommen wäre, war dies kein Grund, die Maßnahme abzulehnen. Der Arbeitsvertrag bot der Klägerin in § 2 Nr. 4 die Möglichkeit, auf eine Arbeitsverhinderung hinzuweisen, ohne das eine Konventionalstrafe fällig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nichtig ist.
Die 1953 geborene alleinstehende Klägerin bezog bis Oktober 2001 Arbeitslosengeld nach SGB III, danach bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Sie bezieht seit 01.01.2005 laufend Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Einkommen erzielte die Klägerin bis Ende 2008 nicht.
Mit Schreiben vom 23.11.2008 übermittelte die Klägerin eine Kopie des Arbeitsvertrages vom 20.11.2008 für eine geringfügige Beschäftigung als Einlasskontrolleurin, Kassenkraft oder im Garderobendienst. Die Tätigkeit erfolge auf Abruf mit Vorankündigung von mindestens vier Tagen durch den Arbeitgeber. Der Stundenlohn betrage zwischen 5,80 und 6,50 Euro. Eine Arbeitsverhinderung habe der Arbeitnehmer unverzüglich anzuzeigen. Bei einem Verstoß gegen die Kündigungsfristen von zwei Wochen in der Probezeit bzw. einem Monat zum Monatsende sei eine Konventionalstrafe von 150,- Euro fällig.
Die Klägerin arbeitete dort 14,5 Stunden im November 2008 bei einem Lohn von 91,90 Euro und 34,5 Stunden im Dezember 2008 für 212,20 Euro. Es handelte sich um insgesamt 13 Arbeitseinsätze, davon acht am Wochenende bzw. Feiertag. An den Werktagen begannen die Einsätze um 17:45 Uhr (ein Einsatz), 18:15 Uhr (ein Einsatz), 18:45 Uhr (ein Einsatz) und 19:15 Uhr (zwei Einsätze).
Mit Schreiben vom 09.12.2008 wurde die Klägerin vom Beklagten zu einer Informationsveranstaltung am 15.12.2008 eingeladen. Es handelte sich um eine Gruppeninformation, zu der auch weitere Leistungsbezieher eingeladen waren. Vorgestellt wurde die Maßnahme Work first Ganzil. Es handelte sich um eine Eingliederungsmaßnahme, die sich insgesamt über neun Monate (von 18.12.2008 bis 17.09.2009) erstreckte. In jeder Woche war an zwei Tagen an Gruppen- oder Einzelcoaching teilzunehmen.
Die Klägerin erschien zu der Informationsveranstaltung. Nach ihren Angaben wies sie den dort anwesenden Mitarbeiter des Beklagten (Herrn B.) auf die neue geringfügige Beschäftigung hin und bezweifelte, dass sie an der Maßnahme noch teilnehmen müsse. Die Klägerin sei wie die übrigen Teilnehmer namentlich aufgerufen und gebeten worden, die vorgelegte Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Die Klägerin habe sich nochmals bei Herrn B. erkundigt, ob sie die Vereinbarung überschreiben müsse. Herr B. habe diese Frage bejaht und die Klägerin dabei darauf hingewiesen, dass die Klägerin dazu verpflichtet sei. Die Klägerin unterschrieb daraufhin die Vereinbarung und nahm an der Eingliederungsmaßnahme von 18.12.2008 bis zu deren Ende am 17.09.2009 teil.
Mit der strittigen Eingliederungsvereinbarung vom 15.12.2008 (EGV) verpflichtete sich die Klägerin, an dem Vermittlungs- und Coaching-Projekt Work first Ganzil teilzunehmen. Der Beklagte verpflichtete sich zur Förderung sprich Finanzierung der Maßnahme. Die Maßnahme wurde als ganzheitliche Integrationsleistung (Ganzil) von maximal neun Monaten beschrieben mit Gruppen- und Einzelcoaching, Qualifizierungsmaßnahmen und der Unterbreitung von Arbeitsangeboten durch den Maßnahmeträger. Die Klägerin verpflichtete sich mit ihrer Unterschrift, aktiv und regelmäßig an der Maßnahme teilzunehmen, nach Aufforderung durch den Träger persönlich dort vorzusprechen, die mit dem Träger vereinbarten Termine einzuhalten und Abwesenheitszeiten wegen Erkrankung dem Träger gegenüber nachzuweisen. Für die Zuweisung in das Projekt wurde in der EGV ein Welcome-Tag am 18.12.2008 festgelegt. Als Rechtsfolgenbelehrung wurden alle Sanktionstatbestände des § 31 SGB II a.F. aufgeführt.
Auf dem im Klageverfahren vorgelegten Vertragsexemplar befindet sich ein nur von der Klägerin unterzeichneter handschriftlicher Zusatz, wonach sie auf die Zusage verweise, daß die Maßnahmetermine mit den Terminen der geringfügigen Beschäftigung abgesprochen würden. Ansonsten müsste sie eine unzumutbare Konventionalstrafe zahlen. Drei Mitarbeiter (darunter Herr B.) hätten ihr versprochen, dass die erst begonnene Arbeit den Terminen der Maßnahme vorgehe.
Mit Schreiben vom 18.12.2008 kündigte die Klägerin ihr geringfügiges Arbeitsverhältnis zum 31.12.2008. Wegen der Eingliederungsmaßnahme könne sie die notwendige variable Einsatzverfügbarkeit und Zuverlässigkeit nicht gewährleisten. Eine Sanktion wegen Arbeitsaufgabe ohne wichtigen Grund erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 22.12.2008 wies die Klägerin darauf hin, dass die Maßnahme mit zweimal wöchentlichem Einzel- und Gruppentraining von jeweils vier bis fünf Stunden im Konflikt mit ihrer geringfügigen Tätigkeit stehe. Nach dem Arbeitsvertrag habe sie je nach Bedarf und Anforderung zu arbeiten. Sie müsse für Arbeitseinsätze ab 8:00 oder 9:00 Uhr zur Verfügung stehen. Ferner bitte sie um Mitteilung der Bestimmungen des SGB II, wonach sie zum Abschluss der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei. Es seien unterschwellig Nachteile bzw. Repressalien benannt worden. Mit Schreiben vom 08.01.2009 legte die Klägerin "Widerspruch gegen die Verfahrensweise der Verpflichtung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung" am 15.12.2008 ein. Es gebe Ausnahmen, bei denen sie keine Eingliederungsvereinbarung abschließen müsse. Sie habe am 20.11.2008 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen.
In einem weiteren Schreiben führte die Klägerin aus, dass sie die Vereinbarung nicht hätte unterschreiben müssen, weil sie bereits in Arbeit gestanden habe. Außerdem sei ihr die Unterschrift abgenötigt worden, weil sie auf die Rechtsfolgenbelehrung mit einem Abzug von 30 % hingewiesen worden sei. Eine Überlegungsfrist sei ihr nicht gewährt worden. Die Maßnahme sei nicht mit ihrer geringfügigen Arbeit vereinbar, weil sie jederzeit auf Abruf arbeiten müsse. Der Abschluss der EV sei rechtswidrig und die EV sei anzufechten. Sie nehme aber weiterhin und unter Vorbehalt an der Maßnahme teil.
Der Widerspruch vom 08.01.2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 als unzulässig verworfen. Die EGV sei kein Verwaltungsakt.
Im Oktober 2010 wurde die Klägerin erfolglos aufgefordert, eine EGV zu unterschreiben. Im Dezember 2010 wurde die Klägerin aufgefordert, eine EGV zu einer Eingliederungsmaßnahme Kompaqt50plus zu unterschreiben. Am 13.01.2014 erging ein Eingliederungsverwaltungsakt, der Gegenstand eines für die Klägerin erfolglosen Eilverfahrens war. Die Klägerin ist seit 2005 ununterbrochen im Leistungsbezug.
Die Klägerin erhob bereits am 24.04.2009 Klage zum Sozialgericht München. Ihre Eingliederung in Arbeit sei bereits durch die geringfügige Tätigkeit erfolgt. Die Pflicht, sofort zu unterschreiben, sei eine Nötigung gewesen. Die Maßnahme sei zeitlich mit der Erwerbstätigkeit unvereinbar gewesen. Die Arbeit gehe aber vor. Es bestehe ein Feststellungsinteresse. Mit Schreiben vom 28.03.2013 wurde erstmals vorgetragen, dass ein Amtshaftungsprozess wegen entgangener Erwerbseinkünfte beabsichtigt sei.
Die Klage wurde mit Urteil vom 09.08.2013 abgewiesen. Die Klage sei als Feststellungsklage nach § 55 SGG statthaft gewesen. Der damit verfolgte Anspruch habe sich nach Rechtshängigkeit erledigt. Die EGV habe nur bis 18.09.2008 Wirkungen entfaltet und eine Sanktion sei nicht erfolgt. Danach sei eine Fortsetzungsfeststellungklage möglich, hier jedoch mangels besonderen Feststellungsinteresses unzulässig. Ein Rehabilitationsinteresse bestehe nicht. Ein Amtshaftungsprozess sei nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten oder substantiiert dargelegt worden (BFH, Urteil vom 27.01.2004, VII R 54/02). Im Übrigen könne die Kündigung nicht auf die EGV zurückgeführt werden, weil die überwiegend abendliche Erwerbstätigkeit auch parallel zur Maßnahme durchführbar gewesen sei. Außerdem habe nach dem Vortrag der Klägerin der Beklagte den Vorrang von Arbeitseinsätzen selbst zugesichert. Die Vertragsstrafe habe im Übrigen nichts mit der Verfügbarkeit bei Arbeitseinsätzen zu tun. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Die Klägerin habe dargelegt, eine solche Vereinbarung heute nicht mehr zu unterschreiben und es gebe seit 01.04.2011 keine Sanktionsdrohung mehr dagegen. Das Urteil wurde der Klägerin am 20.08.2013 zugestellt.
Die Klägerin hat am 19.09.2013 Berufung eingelegt. Es habe "zahlreiche, schwerwiegende qualifizierte Rechtsverstöße" gegeben. Sie bereite eine Amtshaftungsklage vor. Die Inhalte der Maßnahme seien mit der damaligen Tätigkeit nicht vereinbar gewesen. Deswegen sei keine Sanktion erfolgt. Den Vorrang der Erwerbstätigkeit habe der Beklagte nicht schriftlich bestätigt. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da sie noch im Leistungsbezug stehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 15.12.2008 unwirksam oder nichtig war.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage war zulässig, aber unbegründet, weil die Eingliederungsvereinbarung (EGV) nicht unwirksam oder nichtig ist.
Streitgegenstand ist die EGV vom 15.12.2008. Dabei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 53 ff SGB X, speziell um einen subordinationsrechtlichen Vertrag nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X, weil ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II möglich war (ebenso BayLSG, Urteil vom 05.12.2012, L 16 AS 927/11; befürwortend aber offen gelassen BSG, Urteil vom 02.04.20134, B 4 AS 26/13 R und BSG, Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R). Zugleich handelt es sich um einen sog. hinkenden Austauschvertrag nach § 55 SGB X (Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 55 Rn. 4; Kador in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 15 Rn. 8). Soweit die EGV nach a. A. einer anderen Handlungsform zugeordnet wird, wird überwiegend der Prüfungsmaßstab für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag entsprechend angewendet (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R, Rn. 22).
Nicht Streitgegenstand ist der Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009. Dies wurde von der Klägerin zu Recht nicht beantragt. Die EGV ist kein Verwaltungsakt, so dass § 95 SGG nicht gilt. Im Übrigen war der Widerspruchsbescheid rechtlich zutreffend.
Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Umstand, dass der Geltungszeitraum der Eingliederungsvereinbarung vom 15.12.2008 am 17.09.2009 endete, steht dem nicht entgegen. Auch vergangene Rechtsverhältnisse können Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Rn. 8). Das gemäß § 55 Abs. 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse ist wegen Wiederholungsgefahr zu bejahen (vgl. Keller, a.a.O. § 55 Rn. 15b). Die Klägerin befindet sich ununterbrochen im Leistungsbezug und ihr wurden nachfolgend wiederholt Eingliederungsvereinbarungen angeboten.
Die Berufung ist zurückzuweisen, weil die Feststellungsklage unbegründet ist. Die begehrte Feststellung kann nicht erfolgen. Die EGV ist nicht nichtig oder - gleichbedeutend - unwirksam. Auf schlichte Rechtswidrigkeit wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht geprüft.
Prüfungsmaßstab für die EGV sind §§ 53 ff SGB X und § 15 SGB II. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt keiner allgemeinen Rechtmäßigkeitsprüfung, wie § 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X und § 59 SGB X zeigen. Wenn eine materielle Rechtswidrigkeit vorliegt, ist dies nach § 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X nur relevant, wenn dies den Beteiligten bekannt war. § 59 SGB X verschafft dem Vertrag eine höhere Bestandskraft als § 48 SGB X dies für Verwaltungsakte einschränkt (BSG, Urteil vom 06.12.2012, B 11 AL 15/11 R, Rn. 34 a.E.). Von daher kann auch die Überschreitung der Regeldauer von sechs Monaten (hier neun Monate) nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zu der begehrten Feststellung führen. Eine derartige Überschreitung würde auch bei einem Verwaltungsakt nur zu einer Rechtswidrigkeit führen, wenn keine rechtfertigende Ermessenserwägungen vorlägen (BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R, Rn. 20).
Die EGV muss wirksam zustande gekommen sein, zulässig sein im Sinn von §§ 53 ff SGB X, darf nicht - etwa durch Anfechtung oder Kündigung (§ 59 SGB X) - weggefallen sein und es darf kein Nichtigkeitsgrund nach § 58 SGB X bestehen.
Die EGV wurde durch übereinstimmende Willenserklärungen nach § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. §§ 145 ff BGB abgeschlossen. Das Schriftformerfordernis nach § 56 SGB X wurde gewahrt.
Der Punkt, wie die Termine der Eingliederungsmaßnahme und die Arbeitstermine der Klägerin zu koordinieren sind, wurde nicht durch beiderseitigen schriftlichen Vertrag geregelt, weil nur die Klägerin diesen Punkt nach dem Vertragsabschluss auf der EGV notiert und unterschrieben hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine einseitige nachträgliche Ergänzung eines schriftlichen Vertrages eine Teilnichtigkeit des Vertrages bewirken kann, weil die Wirksamkeit der EGV dadurch nicht gehindert würde. Gemäß § 58 Abs. 3 SGB X bewirkt eine Teilnichtigkeit nur dann eine Gesamtnichtigkeit eines Vertrages, wenn nicht anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Beide Parteien haben den Vertrag durchgeführt, ohne dass der Beklagte den Zusatz gegengezeichnet hatte. Außerdem bestand das durch den Zusatz zu lösende Koordinationsproblem tatsächlich gar nicht - der Zusatz war überflüssig. Die geringfügige Beschäftigung der Klägerin erfolgte entweder am Wochenende, Feiertagen oder an Werktagen in den Abendstunden. Die Maßnahmetermine an zwei Wochentagen erfolgten dagegen untertags. Selbst wenn es im weiteren Verlauf tatsächlich einmal zu einer Überschneidung der Termine gekommen wäre, hätte die Klägerin, wie § 2 Nr. 4 des Arbeitsvertrages belegt, dem Arbeitgeber bei Überschneidungen die Arbeitsverhinderung mitteilen müssen und können. Mit einer Konventionalstrafe hätte eine Arbeitsverhinderung ohnehin nichts zu tun gehabt. Nach § 5 des Arbeitsvertrages sah der Vertrag nur bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist eine Konventionalstrafe vor.
Es besteht auch kein Vertragsformverbot nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X, weil dem Vertrag keine Rechtsnormen entgegenstehen. Es wurden mit Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und Mitwirkungspflichten der Klägerin die zulässigen Inhalte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II vereinbart. Bei der Maßnahme handelte es sich um eine Eignungsfeststellung bzw. Training nach § 48 SGB III in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung oder eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 46 SGB III in der von 01.01.2009 bis 31.03.2012 geltenden Fassung. Es handelte sich um Ermessensleistungen, so dass - ungeachtet § 55 Abs. 3 SGB X - § 53 Abs. 2 SGB X der Vereinbarung nicht entgegenstand.
Die Maßnahme Work first Ganzil, ein Eingliederungsprojekt von maximal neun Monaten Dauer mit Gruppen- und Einzelcoaching an zwei Wochentagen, Qualifizierungsmaßnahmen und der Unterbreitung von Arbeitsangeboten durch den Maßnahmeträger war auch hinreichend bestimmt. Ablauf und Inhalt der konkreten Einzelschritte waren von den individuellen Gegebenheiten des Teilnehmers abhängig. Im Übrigen würde mangelnde Bestimmtheit nur dann Nichtigkeit gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1, § 40 Abs. 1 SGB X bewirken, wenn diese offensichtlich gewesen wäre (Engelmann a.a.O., 8. Auflage 2014, § 33 Rn. 16), was hier nicht der Fall war.
Die Vorgaben von § 55 Abs. 1 SGB X sind eingehalten. Insbesondere erfolgte die Gegenleistung der Klägerin (Teilnahme der Klägerin an der Maßnahme) zwecks Eingliederung in Arbeit, die gemäß §§ 14 ff SGB II Aufgabe des Beklagten war. Diese Gegenleistung war auch angemessen und entsprach unmittelbar der Leistung des Beklagten, der Übernahme der Maßnahmekosten. § 55 Abs. 2 SGB X ist nicht anwendbar, da die Eingliederungsmaßnahme eine Ermessensleistung war.
Die EGV ist nicht wegen Anfechtung der Willenserklärung der Klägerin als nichtig anzusehen (§ 61 SGB x i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB).
Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 08.01.2009 "Widerspruch gegen die Verfahrensweise der Verpflichtung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung" eingelegt. Mit weiteren Schreiben vom 19.02.2009 hatte die Klägerin ausgeführt, dass die Teilzeittätigkeit bewirke, dass sie die Vereinbarung nicht hätte unterschreiben müssen, weil sie bereits in Arbeit eingegliedert sei. Außerdem sei ihr die Unterschrift abgenötigt worden, weil sie auf die Rechtsfolgenbelehrung mit einem Abzug von 30 % hingewiesen worden sei. Eine Überlegungsfrist habe sie nicht bekommen. Die Maßnahme sei nicht mit ihrer geringfügigen Arbeit vereinbar gewesen, weil sie jederzeit auf Abruf habe arbeiten müssen. Der Abschluss der EGV sei rechtswidrig und die EGV sei anzufechten. Sie nehme aber weiterhin und unter Vorbehalt an der Maßnahme teil. Diese Schreiben enthalten die Anfechtung der Willenserklärung der Klägerin.
Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei wegen der geringfügigen Erwerbstätigkeit tatsächlich nicht verpflichtet gewesen, die EGV zu unterschreiben, ist dies schon in der Sache falsch. Es liegt gar kein Irrtum vor, weil die stundenweise Beschäftigung die Klägerin nicht von der laut § 2 Abs. 1 S. 2 SGB II bestehenden Pflicht eine EGV abzuschließen entband. Die geringfügige abendliche Tätigkeit war nur eine nicht ausreichende Eingliederung in Arbeit und sie stand der Durchführung der nicht abends stattfindenden Maßnahme ohnehin nicht entgegen. Im Übrigen würde es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum über den Beweggrund der Willenserklärung handeln (Palandt, BGB, § 119 Rn. 29).
Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei mit Sanktionsdrohungen zur Unterschrift genötigt worden, erklärt sie eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB. Es fehlt schon an der Widerrechtlichkeit, weil die Sanktion in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a SGB II a.F. genau so vorgesehen war und es keine dem entgegenstehende Rechtsprechung des BSG gab. Dass es einzelne LSG-Entscheidungen gab, die von der Rechtswidrigkeit einer derartigen Sanktion ausgingen, ist unerheblich, weil es auf die Sicht des Drohenden ankommt (Palandt § 123 Rn. 19 unter Hinweis auf BGH NJW 2005, 2766). Der Beklagte ist von der Rechtmäßigkeit einer derartigen Sanktion ausgegangen.
Die Maßnahme war auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin ausgeübten Erwerbstätigkeit verhältnismäßig (vgl. zu diesem Erfordernis vgl. Engelmann, a.a.O., § 53 Rn. 23).
Die längerfristige Eingliederungsmaßnahme mit der Möglichkeit der individuellen Ausrichtung war angesichts der langjährigen Erwerbslosigkeit der Klägerin geeignet und sinnvoll. Die Klägerin übte seit kurzem nur eine geringfügige Beschäftigung aus, die nur einen Teil des existentiellen Bedarfs abdecken konnte (von 400,- Euro verbleiben nach Bereinigung maximal 240,- Euro als anrechenbares Einkommen), wogegen die Eingliederung in Arbeit nach § 2 Abs. 1 und 2 SGB II zum Ziel hat, die Hilfebedürftigkeit insgesamt zu beenden. Außerdem bestand, wie oben dargelegt, kein zeitlicher Konflikt zwischen der Tätigkeit und der Maßnahme: Selbst wenn es tatsächlich gelegentlich zu Terminkollisionen gekommen wäre, war dies kein Grund, die Maßnahme abzulehnen. Der Arbeitsvertrag bot der Klägerin in § 2 Nr. 4 die Möglichkeit, auf eine Arbeitsverhinderung hinzuweisen, ohne das eine Konventionalstrafe fällig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
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