Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 253/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 855/14 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist dem Kläger die Zurückstellung der Entscheidung über einen Widerspruch durch den Beklagten bekannt und moniert er dies gegenüber dem Beklagten nicht, so hat eine gleichwohl erhobene Untätigkeitsklage keine Erfolgsaussicht.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 18.11.2014 (Prozesskostenhilfe) wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen einer Untätigkeitsklage, ob der Beklagte über einen Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.11.2012 nicht rechtzeitig entschieden hat.
Mit Bescheid vom 08.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.10.2012 unter Berücksichtigung einer Minderung für die Zeit vom 01.10.2012 bis 03.12.2012. Die Partnerin des Klägers habe keinen Anspruch auf Alg II, da sie sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Ebenfalls mit Bescheiden vom 08.11.2012 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung für die Zeit vom 01.10.2012 bis 03.12.2012 fest, da die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 02.11.2012 eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe festgestellt habe, sowie das Vorliegen der Voraussetzung für eine Ersatzpflicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung der Leistungsminderung. Gegen alle Bescheide legte der Kläger - vertreten durch seinen Bevollmächtigten - Widerspruch ein. Unter anderem auf Anregung des Klägerbevollmächtigten wurden die Widersprüche bezüglich der Sanktion und der Ersatzpflicht ruhend gestellt. Im Rahmen des Tatbestandes eines Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 - gerichtet an den Kläger persönlich - führte der Beklagte aus, eine Entscheidung über die gegen die o. g. Bescheide eingelegten Widersprüche sei noch nicht möglich, da die Höhe der Leistung von vorgreiflichen Rechtsfragen abhängig sei. Ebenso bat der Beklagte den Kläger persönlich mit Schreiben vom 12.04.2013 um Verständnis dafür, dass die Entscheidung über den Widerspruch u.a. gegen die o.g. Bescheide wegen der noch vorab zu klärenden Rechtsfragen zurückgestellt werde. Am 21.05.2014 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, die (vorgreifliche) Rechtsfrage des Eintritts einer Sperrzeit sei durch Vergleich vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) vom 19.03.2014 geklärt. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2014 entschied der Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012. Die Partnerin des Klägers habe keinen Anspruch auf Alg II.
Bereits am 21.05.2014 hat der Kläger beim SG Untätigkeitsklage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Ruhend gestellt worden seien lediglich die Widersprüche hinsichtlich der Sanktion und der Ersatzpflicht. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 hat der Kläger das Verfahren für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 18.11.2014 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Untätigkeitsklage sei unbegründet gewesen, denn der Kläger sei durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 und mit Schreiben vom 12.04.2013 informiert gewesen; der Kläger habe diese Zurückstellung nicht moniert. Nach Mitteilung der Erledigung der vorgreiflichen Rechtsfragen habe der Beklagte innerhalb von drei Monaten über den Widerspruch entschieden.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben, ohne diese zu begründen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 173, 174 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Vorliegend fehlt es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht. Auch wenn nicht deutlich wird, weshalb der Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012 zurückgestellt werden musste, so hat der Kläger der ihm persönlich zur Kenntnis gebrachten "Zurückstellung" im Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 sowie im Schreiben vom 12.04.2013 nicht widersprochen. Dass dieses Schreiben eventuell den Bevollmächtigten des Klägers nicht erreicht habe bzw. gegebenenfalls nicht deutlich genug auch die "Zurückstellung" des Widerspruches gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012 angesprochen hätte, wird vom Kläger nicht geltend gemacht. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger um die Ruhendstellung auch des streitgegenständlichen Widerspruches wusste und damit einverstanden war. Damit aber war die am 21.05.2014 erhobene Untätigkeitsklage zwar zulässig, sie hat jedoch keine hinreichende Erfolgsaussicht, denn es lag ein zureichender Grund dafür vor, dass der Beklagte nicht innerhalb von drei Monaten über den Widerspruch entschieden hat. Nach Wegfall dieses Grundes - nach Auffassung des Beklagten: Zeitpunkt der Erledigung der Rechtsfrage hinsichtlich der Sperrzeit, die sich dann auch auf dem Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012 auswirken konnte - hat der Beklagte umgehend am 21.08.2014 über den Widerspruch entschieden.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen einer Untätigkeitsklage, ob der Beklagte über einen Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.11.2012 nicht rechtzeitig entschieden hat.
Mit Bescheid vom 08.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.10.2012 unter Berücksichtigung einer Minderung für die Zeit vom 01.10.2012 bis 03.12.2012. Die Partnerin des Klägers habe keinen Anspruch auf Alg II, da sie sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Ebenfalls mit Bescheiden vom 08.11.2012 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung für die Zeit vom 01.10.2012 bis 03.12.2012 fest, da die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 02.11.2012 eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe festgestellt habe, sowie das Vorliegen der Voraussetzung für eine Ersatzpflicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung der Leistungsminderung. Gegen alle Bescheide legte der Kläger - vertreten durch seinen Bevollmächtigten - Widerspruch ein. Unter anderem auf Anregung des Klägerbevollmächtigten wurden die Widersprüche bezüglich der Sanktion und der Ersatzpflicht ruhend gestellt. Im Rahmen des Tatbestandes eines Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 - gerichtet an den Kläger persönlich - führte der Beklagte aus, eine Entscheidung über die gegen die o. g. Bescheide eingelegten Widersprüche sei noch nicht möglich, da die Höhe der Leistung von vorgreiflichen Rechtsfragen abhängig sei. Ebenso bat der Beklagte den Kläger persönlich mit Schreiben vom 12.04.2013 um Verständnis dafür, dass die Entscheidung über den Widerspruch u.a. gegen die o.g. Bescheide wegen der noch vorab zu klärenden Rechtsfragen zurückgestellt werde. Am 21.05.2014 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, die (vorgreifliche) Rechtsfrage des Eintritts einer Sperrzeit sei durch Vergleich vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) vom 19.03.2014 geklärt. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2014 entschied der Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012. Die Partnerin des Klägers habe keinen Anspruch auf Alg II.
Bereits am 21.05.2014 hat der Kläger beim SG Untätigkeitsklage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Ruhend gestellt worden seien lediglich die Widersprüche hinsichtlich der Sanktion und der Ersatzpflicht. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 hat der Kläger das Verfahren für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 18.11.2014 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Untätigkeitsklage sei unbegründet gewesen, denn der Kläger sei durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 und mit Schreiben vom 12.04.2013 informiert gewesen; der Kläger habe diese Zurückstellung nicht moniert. Nach Mitteilung der Erledigung der vorgreiflichen Rechtsfragen habe der Beklagte innerhalb von drei Monaten über den Widerspruch entschieden.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben, ohne diese zu begründen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 173, 174 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Vorliegend fehlt es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht. Auch wenn nicht deutlich wird, weshalb der Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012 zurückgestellt werden musste, so hat der Kläger der ihm persönlich zur Kenntnis gebrachten "Zurückstellung" im Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 sowie im Schreiben vom 12.04.2013 nicht widersprochen. Dass dieses Schreiben eventuell den Bevollmächtigten des Klägers nicht erreicht habe bzw. gegebenenfalls nicht deutlich genug auch die "Zurückstellung" des Widerspruches gegen den Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012 angesprochen hätte, wird vom Kläger nicht geltend gemacht. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger um die Ruhendstellung auch des streitgegenständlichen Widerspruches wusste und damit einverstanden war. Damit aber war die am 21.05.2014 erhobene Untätigkeitsklage zwar zulässig, sie hat jedoch keine hinreichende Erfolgsaussicht, denn es lag ein zureichender Grund dafür vor, dass der Beklagte nicht innerhalb von drei Monaten über den Widerspruch entschieden hat. Nach Wegfall dieses Grundes - nach Auffassung des Beklagten: Zeitpunkt der Erledigung der Rechtsfrage hinsichtlich der Sperrzeit, die sich dann auch auf dem Bewilligungsbescheid vom 08.11.2012 auswirken konnte - hat der Beklagte umgehend am 21.08.2014 über den Widerspruch entschieden.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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