L 13 R 688/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 16 R 576/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 688/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. April 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der im Januar 1964 geborene Kläger hat von September 1979 bis 1982 eine Lehre zum Kfz-Schlosser absolviert, nach seinen Angaben jedoch aufgrund einer Asthmaerkrankung nicht erfolgreich abgeschlossen. Er war dann von 1982 bis 1986 als Lagerist, im Anschluss daran bis 1988 als Produktions-/Montagearbeiter und zuletzt von Juni 1988 bis Februar 2009 als Instandhalter bei der Firma B. versicherungspflichtig beschäftigt.

Der Kläger nahm vom 12. Januar 2010 bis 2. Februar 2010 in der Klinik Bad R. an stationären Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation auf pneumologischer und orthopädischer Grundlage teil. Hier wurde noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sowie für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts festgestellt.

Mit Antrag vom 7. Dezember 2010 begehrte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur Begründung verwies er auf ein Asthma mit ausgeprägter Obstruktion, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, eine Osteochondrose sowie eine ausgeprägte Adipositas. Die Beklagte zog diverse Befundberichte bei und holte ein internistisches Gutachten von Dr. W. vom 13. Januar 2011 ein. Der Sachverständige stellte beim Kläger folgende Diagnosen: 1. Gemischtförmiges Asthma bronchiale und exogen allergische Rhinokonjunktivitis 2. Adipositas Grad III 3. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Fehlstatik ohne Wurzelreizsyndrom 4. Derzeit unbehandeltes Schlafapnoe-Syndrom 5. Schmerzhafte Bewegungseinschränkung bei zweifacher Sprunggelenksfraktur rechts ohne fortgeschrittene Arthrose 6. Tylotisch-rhagadiformes Handekzem 7. Urticaria.

Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen und Stehen 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Zwangshaltungen, inhalative Belastungen, Exposition gegenüber Kälte und Nässe, Nachtschicht und Akkordtätigkeiten.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 20. Januar 2011 ab.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, seine gesundheitlichen Leistungseinbußen seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2011 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und auf massive Beschwerden im orthopädischen und internistischen Bereich hingewiesen. Er könne seine Schuhe nicht mehr ohne Hilfe an- und ausziehen.

Das SG hat diverse Befundberichte, die medizinischen Unterlagen bei der Agentur für Arbeit E-Stadt sowie ein sozialmedizinisches Gutachten für den MDK Bayern vom 22. Februar 2011 von Dr. S. beigezogen, wonach auf nicht absehbare Zeit weiter von Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei und Arbeiten von wirtschaftlichem Wert derzeit nicht mehr als drei Stunden täglich möglich seien.

Es hat zunächst von Amts wegen ein allgemeinmedizinisches Gutachten von Dr. C. vom 20. Dezember 2012 eingeholt. Dr. C. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Adipositas permagna, Zustand nach zweimaliger Magenbandimplantation und Magen- und Dünndarmteilentfernung 2. Schlafapnoe-Syndrom 3. Asthma bronchiale 4. Sprunggelenksbeschwerden bei zweimaligem operiertem Sprunggelenksbruch rechts 5. Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung ohne wesentliche Funktionseinschränkung.

Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen vollschichtig zu verrichten. Es sollte eine Toilette in der Nähe sein. Ein Anmarschweg von 500 m innerhalb von 15 Minuten erscheine derzeit nicht zumutbar. Eine Kfz-Benutzung sei jedoch möglich.

Die ebenfalls mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Neurologin und Psychiaterin Dr. D. hat in ihrem Gutachten vom 20. Dezember 2012 beim Kläger eine depressive Anpassungsstörung bei Adipositas permagna festgestellt. Der Kläger könne noch mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten im Sitzen ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit und ohne Zeitdruck verrichten. Die Umstellungsfähigkeit sei in Bezug auf Arbeiten einfachster Art bzw. Arbeiten, die einer Einweisung bzw. Einarbeitung betrieblicher Art bedürfen, erhalten. In Bezug auf die Wegefähigkeit hat Dr. D. sich der Einschätzung von Dr. C. angeschlossen und ausgeführt, der Kläger benutze nach seinen Angaben ein Kfz.

Das SG hat daraufhin die Klage unter Hinweis auf die Gutachten von Dr. D. und Dr. C. mit Urteil vom 15.04.2013 abgewiesen. Ein Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines Gutachtens von Dr. P. ist abgelehnt worden, da eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits eintreten würde und auch von einer Verschleppungsabsicht ausgegangen werden könne.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, die Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG seien nicht erfüllt gewesen. Der Kläger könne keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichten. Die Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG bleibe vorbehalten.

Der Senat hat diverse Befundberichte beigezogen und zunächst ergänzende Stellungnahmen von Dr. C. vom 23. Juli 2014 und Dr. D. vom 2. August 2014 hierzu eingeholt. Dr. C. hat erklärt, ein neuer wesentlicher sozialmedizinischer Sachverhalt bestehe nicht. Eine erneute Untersuchung des Klägers erscheine nicht dringend erforderlich, wenn, dann auf nervenärztlichem Fachgebiet. Dr. D. hat erklärt, nach Aktenlage sei eine zeitliche Leistungsminderung wegen der depressiven Störung noch nicht zu begründen. Es liege zunächst ein akuter Behandlungsfall vor. Zur sachgerechten Beurteilung sei eine psychiatrische Begutachtung angezeigt.

Der Senat hat daraufhin Dr. E. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 5. Januar 2015 hat die Sachverständige an Gesundheitsstörungen des Klägers eine leichte reaktive Depression, ein Asthma bronchiale, ein Schlafapnoe-Syndrom, eine Adipositas permagna sowie wirbelsäulenabhängige Beschwerden aufgeführt und dem Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Gehen, Stehen und Sitzen, bevorzugt in wechselnder Körperhaltung, im Freien wie in geschlossenen Räumen bescheinigt. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten mit besonderen Ansprüchen an die Konfliktfähigkeit, Zwangshaltungen, inhalative Belastungen, Exposition gegenüber Kälte und Nässe, Nachtschicht und Akkordarbeit. Eine Toilette sollte in der Nähe sein. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaube noch die Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert würden. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Der Kläger könne noch eine Strecke von mehr als 500 m in knapp weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Er könne auch noch öffentliche Verkehrsmittel benutzen sowie ein Kfz fahren. Der Kläger besitze einen Führerschein und ihm stehe ein Kfz zur Verfügung. Soweit diese qualitativen Leistungseinschränkungen eingehalten würden, sei die Umstellungsfähigkeit des Klägers auf andere Tätigkeiten nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 15. April 2013 sowie des Bescheids der Beklagten vom 20. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2011 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG, der Beklagten und der Agentur für Arbeit E-Stadt verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 20. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI kommt von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. C., Dr. D. und Dr. E. ist der Kläger noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erledigen.

Bei der Untersuchung durch den erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. C. war der Kläger in einem altersentsprechend guten Allgemeinzustand. Bei der Untersuchung des Bewegungsapparats zeigte sich ein rechtsseitig hinkendes, kurzschrittiges und breitbeiniges Gangbild. Die erschwerten Gangarten konnte der Kläger nicht durchführen. Alle Bewegungsabläufe gingen bei ihm umständlich vonstatten, wobei überwiegend eine Hemmung durch die ausgeprägte Adipositas bestand. An der Wirbelsäule zeigte sich ein Hohlrücken bei weicher und druckschmerzhafter paravertebraler Muskulatur. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war jedoch in allen Etagen frei mit einem Finger-Boden-Abstand von 20 cm. An den oberen Extremitäten fanden sich keine Auffälligkeiten. Die Muskulatur war normal ausgeprägt, die grobe Kraft in beiden Händen gut ausgeprägt bei normaler Handbeschwielung und freier Beweglichkeit von Schulter-, Ellbogen- und Handgelenken. An den unteren Extremitäten imponierten leichtergradige Ödeme sowie eine geringgradige Schwellung am rechten Sprunggelenk, das sich auch als diffus druckschmerzhaft erwies. Die Beweglichkeit war jedoch frei, nur bei endgradigem Beugen und Strecken traten Schmerzen auf. Dr. C. hat darauf hingewiesen, dass wesentliche Veränderungen an den Sprunggelenken und der Wirbelsäule nicht vorliegen, insbesondere ist noch keine Sprunggelenksarthrose vorhanden. Die Gehbehinderung und die Schmerzen im rechten Sprunggelenk erklären sich in erster Linie durch das massive Übergewicht des Klägers. Nach den Ausführungen von Dr. C. ist dem Kläger dabei durchaus eine (weitere) Gewichtsabnahme durch konsequente Einhaltung einer Diät möglich.

Das beim Kläger vorliegende Schlafapnoe-Syndrom wird im Rahmen einer Maskenbeatmung behandelt. Es hat keine wesentliche leistungsmindernde Relevanz.

Das vom Kläger in den Vordergrund gerückte Asthma hat nach den Ausführungen von Dr. C. nur einen geringen Ausprägungsgrad. Bei der letzten lungenärztlichen Untersuchung ergab sich eine normale Lungenfunktion. Auch bei der Untersuchung durch Dr. C. fanden sich seitengleiche, gut atemverschiebliche Lungengrenzen bei normalem Atemgeräusch und sonorem Klopfschall. In Bezug auf die sonstigen Organe des Klägers ergaben sich keine wesentlichen Auffälligkeiten. Die Herzfunktion war regelgerecht. Die vom Kläger beklagten häufigen Durchfälle stehen in Zusammenhang mit der Teilentfernung von Magen und Dünndarm. Dies führt nach den Ausführungen von Dr. C. allerdings nur dazu, dass eine Toilette in der Nähe sein sollte.

In nervenärztlicher Hinsicht haben die Gesundheitsstörungen des Klägers ebenfalls noch kein Ausmaß erreicht, das eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts auf unter 6 Stunden täglich begründen könnte.

Dr. D. hat bei ihrer Untersuchung des Klägers in allgemeinärztlicher Hinsicht auf die Ausführungen von Dr. C. verwiesen. Bei der Erhebung des neurologischen Befunds zeigten sich unauffällige Hirnnerven. Bei der Prüfung von Motorik und Reflexen ließen sich keine manifesten Muskellähmungen objektivieren, wobei die Muskeldehnungsreflexe seitengleich erhältlich waren. Auch Dr. D. hat das Gangbild des Klägers als deutlich vermehrt breitbasig, kleinschrittig und verlangsamt beschrieben.

In psychopathologischer Hinsicht war der Kläger wach, allseits orientiert und etwas schwunglos. Eine psychomotorische Hemmung fand sich allerdings nicht. Die Stimmungslage war nur mäßig gedrückt, wobei der Kläger affektiv auslenkbar war. Eine wesentliche Minderung des Antriebs oder eine Affektlabilität zeigten sich nicht. Der Kläger leidet auch nicht unter einem Interessenverlust, wobei er - angesichts des Bezugs von Hartz IV-Leistungen - nachvollziehbar Zukunftsängste in finanzieller Hinsicht geäußert hat. Der formale Gedankengang des Klägers war geordnet, höhergradige Einschränkungen von Konzentration, Gedächtnis und kognitiven Funktionen konnte Dr. D. nicht bestätigen. Auffassungs- und Umstellungsvermögen waren unauffällig, Hinweise für eine erhöhte Tagesmüdigkeit ergaben sich nicht.

Dr. D. hat ausgeführt, dass spezielle neurologische Funktionseinschränkungen beim Kläger nicht vorliegen. In psychischer Hinsicht ergaben sich bei nicht beeinträchtigter sozialer Kompetenz nur Hinweise auf eine leichte Verminderung der psychischen Belastbarkeit.

Hieraus haben Dr. C. und Dr. D. für den Senat nachvollziehbar gefolgert, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt mit bestimmten qualitativen Leistungseinschränkungen 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten.

Im Berufungsverfahren hat sich an diesem Bild keine durchgreifende Änderung ergeben. Der Senat hat umfangreiche aktuelle Befundberichte beigezogen. Insoweit haben Dr. D. und Dr. C. in ihren ergänzenden Stellungnahmen jeweils nachvollziehbar ausgeführt, dass sich aus der Aktenlage eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nicht ableiten lasse, aber eine erneute psychiatrische Begutachtung sinnvoll sei.

Die von Senat daraufhin beauftragte Nervenärztin Dr. E. hat die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung von Dr. D. jedoch vollumfänglich bestätigt. Eine rentenrelevante Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers ist demnach nicht eingetreten. Dr. E. hat bei der neurologischen Untersuchung beim Kläger keine umschriebenen Muskelathropien festgestellt. Die Muskeleigenreflexe waren seitengleich mittellebhaft auslösbar. Kraftminderungen fanden sich weder im Bereich der oberen noch der unteren Extremitäten. Die Fußsohlen waren beidseits gut, die Handinnenflächen wenig beschwielt. Bei der Untersuchung des Skelettsystems zeigten sich gute aktive HWS-Bewegungen, das Zeichen nach Laségue war - soweit bei adipösen Verhältnissen erkennbar - negativ. Dr. E. hat betont, dass der somatisch-neurologische Befund nicht entscheidend auffällig gewesen sei. So hätten sich zwar bei der Überprüfung der Koordination Einschränkungen bei den Steh- und Gehversuchen wegen der Adipositas gezeigt. Hinweise für latente zentrale Paresen, vestibuläre Irritationen oder zentral-nervöse Störungen ergaben sich jedoch nicht.

In psychischer Hinsicht war der Kläger wach, bewusstseinsklar und in allen Dimensionen orientiert. Die Stimmungslage war durchgehend stabil. Der Kläger machte auf die Sachverständige keinen gedrückten Eindruck. Er war affektiv ausreichend schwingungsfähig, stärkere emotional auffällige Reaktionen konnte Dr. E. zu keinem Zeitpunkt beobachten. Einen stärkeren Leidensdruck vermittelte ihr der Kläger nicht. Er war beim Gespräch aufmerksam und zugewandt, spontan und lebhaft. Mimik und Gestik waren situationsadäquat, das psychomotorische Tempo nicht beeinträchtigt. Gegen eine gravierendere depressive Erkrankung mit größerem Leidensdruck spricht auch, dass der Kläger nicht in intensiver psychiatrischer Behandlung ist. Ein ihm verordnetes Antidepressivum hatte er vor der Untersuchung durch Dr. E. seit einer Woche nicht mehr eingenommen gehabt. Einer psychotherapeutischen Behandlung unterzieht er sich schon lange nicht mehr, eine in der Vergangenheit durchgeführte psychotherapeutische Maßnahme beendete er bald.

Das formale Denken des Klägers war geordnet, die Angaben waren folgerichtig. Hinweise für Beeinträchtigungen des Gedächtnisses ergaben sich trotz der von ihm insoweit geäußerten Störungen für die Sachverständige nicht. Insgesamt zeigten sich keine Anhaltspunkte für schwerwiegende erworbene oder angeborene kognitive Defizite.

Insgesamt hat Dr. E. dem Kläger nur eine allenfalls leichtgradige depressive Störung bestätigt. Diese Diagnose stützt sich nach den Ausführungen der Sachverständigen vor allem auf den subjektiven Beschwerdevortrag und die Belastungen des Klägers im Rahmen seiner sozialen Situation (Hartz IV-Bezug, ev. Verlust des Eigenheims). Die Symptomatik hatte jedoch gerade eben den Bereich erreicht, der als krankheitswertig einzuschätzen ist.

Hieraus hat Dr. E. für den Senat überzeugend abgeleitet, dass nach wie vor eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers nicht vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auch noch zu Alltagsaktivitäten in der Lage ist, die einen Autonomieverlust ausschließen. So hat er über PC-Aktivitäten, Kontakt mit Freunden, Verrichtung von Haushaltstätigkeiten insbesondere in Form von Kochen und Herrichtung des Frühstücks sowie die Beschäftigung mit dem dreijährigen Enkel berichtet. Der Kläger benutzt auch noch sein Kfz. Bei ihm ist nach den Worten von Dr. E. eine Struktur erkennbar bei hinreichend vorhandener Flexibilität.

Die von den behandelnden Ärzten beschriebenen auffälligeren Befunde, die auch zu der Anregung der Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens geführt haben, sind nach Auffassung von Dr. E. nicht nachvollziehbar. Eine nähere Beschreibung von vorhandenen Funktionen die erkennen ließen, inwieweit der Kläger seine Störungen überwinden könnte, lässt sich aus diesen Befunden nicht entnehmen. Darüber hinaus haben die Ärzte des Klägers diesen jeweils auch nur für kurzen Zeitraum behandelt. Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung im Jahr 2010, der von Dr. W., Dr. D. und der von ihr selbst erhobenen Befunde liegt nach der den Senat überzeugenden Einschätzung von Dr. E. beim Kläger ein stabiler Zustand vor, der jedoch eine Berentung nicht rechtfertigt.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten.

Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen wäre. Die von Dr. C., Dr. D. und Dr. E. aufgeführten und oben angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen, die der Senat bei seiner Prüfung zugrunde legt, sind nicht ungewöhnlich und schränken die Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in besonderem Maße ein.

Abgesehen davon ist der Kläger nach den Feststellungen von Dr. E. noch in der Lage, Arbeiten zu verrichten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten verrichtet zu werden pflegen, wie etwa das Zureichen, Abnehmen, Transportieren und Reinigen.

Beim Kläger liegt auch kein ungewöhnlicher Pausenbedarf vor. Nach der Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass der Arbeitsmarkt für einen Versicherten verschlossen sein kann, wenn dieser aufgrund eines erhöhten Pausenbedarfs nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen arbeiten könnte. Kein Sachverständiger hat einen unüblichen Pausenbedarf festgestellt. Ein solcher resultiert auch nicht daraus, dass der Kläger aufgrund seiner Durchfallneigung ggf. öfters die Toilette aufsuchen muss.

Nach § 4 Arbeitszeitgesetz steht vollschichtig tätigen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten zu. Die Ruhepause kann nach Satz 2 dieser Bestimmung in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Diese Pausen kann der Kläger somit für Toilettengänge nutzen. Über die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen hinaus werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch noch sogenannte Verteilzeiten zugestanden (Zeiten z. B. für den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten beziehungsweise Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw.; vgl. z. B. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. April 2001, Az.: L5 RJ 641/98). Der Kläger kann damit diese Verteilzeiten ebenfalls für Toilettengänge nutzen, so dass ein unüblicher Pausenbedarf nicht vorliegt.

Schließlich besteht auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 unter Hinweis auf großer Senat in BSGE 80, 24,35). Bei der Frage, ob der Versicherte derartige Fußstrecken zurücklegen kann, sind alle zumutbaren und dem Versicherten verfügbaren Mobilitätshilfen zu berücksichtigen, wobei es bei dem anzulegenden generalisierenden Maßstab auf die besondere Beschaffenheit eines konkreten Weges (z.B. Unebenheiten, Steigungen, Glatteis) nicht ankommt.

Zwar haben Dr. C. und Dr. D. - im Gegensatz zu Dr. E., die insoweit keine rentenrelevanten Einschränkungen mehr gesehen hat - ausgeführt, dem Kläger seien derzeit keine Wegstrecken von mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten viermal arbeitstäglich zumutbar. Auch wenn man diese Einschätzung zugrunde legt, liegt jedoch keine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers vor. Denn dieser ist nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit sämtlichen Gerichtssachverständigen jedenfalls noch in der Lage, ein Kfz zu benutzen. Der Kläger ist im Besitz eines Führerscheins und verfügt über ein Kfz, das er auch benutzt. Er ist daher in der Lage, mit seinem Kfz einen Arbeitsplatz zu erreichen. Eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers ist damit sicher nicht gegeben.

Die Berufung war damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht erfolgreich gewesen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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