L 15 RF 29/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 RF 29/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. In Verfahren gem. § 197a SGG besteht auch für den Fall der Anordnung des persönlichen Erscheinens kein Auslagenvergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Dies gilt selbst dann, wenn ein Entschädigungsantrag ausgehändigt worden ist oder eine Erstattung als möglich dargestellt worden ist.
2. Die Frage, ob das Hauptsacheverfahren ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren gemäß § 197 a SGG oder ein gerichtskostenfreies gemäß § 183 SGG ist, ist einer Entscheidung durch das Gericht der Kostensache entzogen. Die diesbezüglich ergangene Festlegung des Hauptsachegerichts ist, unabhängig von deren materiellen Richtigkeit, für das Kostengericht bindend.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der Wahrnehmung des Termins der mündlichen Verhandlung am 25.03.2015.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin.

Der Antragsteller ist Kläger in einem Rechtsstreit mit der DAK-Gesundheit. In dem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 4 KR 49/13 geführten Berufungsverfahren (im Folgenden: Hauptsacheverfahren) erschien er am 25.03.2015 zum Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG in B-Stadt. Sein persönliches Erscheinen war angeordnet worden, wobei im Ladungsschreiben des Gerichts vom 03.03.2015 auch auf einen Entschädigungsanspruch für das Erscheinen beim Termin hingewiesen worden war.

Mit Entschädigungsantrag vom 25.03.2015 machte der Antragsteller die ihm für die Wahrnehmung des Gerichtstermins entstandenen Kosten beim Bayer. LSG geltend.

Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.04.2015 mit, dass eine Entschädigung nicht erfolgen könne, da es sich beim Hauptsacheverfahren um ein Verfahren gemäß § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) handle, bei dem eine Entschädigung nicht vorgesehen sei. Grundlage für dieses Schreiben war eine zuvor auf Nachfrage der Kostenbeamtin ergangene Verfügung der Vorsitzenden des Hauptsachesenats vom 14.04.2015, wonach das Hauptsacheverfahren des Antragstellers ein solches gemäß § 197 a SGG darstelle.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 28.05.2015 hat der Antragsteller die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt. Die Ablehnung der Erstattung der entstandenen Auslagen sei - so die Bevollmächtigten - nicht gerechtfertigt, da das persönliche Erscheinen des Antragstellers angeordnet worden sei. Daran ändere § 197 a SGG nichts, da diese Vorschrift nicht anwendbar sei. Das Gericht sei selbst von der Anwendung des § 191 SGG ausgegangen, da dem Antragsteller das Antragsformular im Termin der mündlichen Verhandlung mit der Bemerkung übergeben worden sei, dass er damit die Erstattung seiner Reisekosten beantragen könne.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 28.05.2015 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

En Anspruch auf Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 25.03.2015 besteht nicht.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

2. Grundvoraussetzung für die Entschädigung eines Beteiligten: gerichtskostenfreies Verfahren gemäß § 183 SGG

Der Antragsteller hat keinen Entschädigungsanspruch nach dem JVEG, da davon auszugehen ist, dass das zugrunde liegende krankenversicherungsrechtliche Hauptsacheverfahren kein gerichtskostenfreies Verfahren gemäß § 183 SGG ist.

Eine Auslagenvergütung für Beteiligte eines sozialgerichtlichen Verfahrens wie bei einem Zeugen (§ 191 SGG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG) kommt nur bei gerichtskostenfreien Verfahren im Sinn des § 183 SGG in Betracht.

Handelt es sich hingegen um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren im Sinn des § 197 a SGG, ist eine Entschädigung wegen der in § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGG festgeschriebenen Unanwendbarkeit des § 191 SGG ausgeschlossen. Die Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), auf die § 197 a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG verweist, kennen eine Auslagenvergütung oder Entschädigung der Beteiligten durch die Staatskasse nicht. Vielmehr sieht die VwGO im Rahmen der gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz SGG entsprechend anwendbaren Regelungen der §§ 154 bis 162 VwGO (nur) eine Kostentragungspflicht des unterliegenden Beteiligten vor. Dies bedeutet, dass ein Beteiligter seine Kosten nur dann und nur vom Prozessgegner (voll oder teilweise) erstattet bekommt, wenn er in der Sache (voll oder teilweise) obsiegt. Das Gericht hat insofern, wenn sich die Beteiligten nicht vergleichsweise auf eine Regelung zur Kostentragung einigen, über die Frage der Kostentragung eine Entscheidung zu treffen (Kostengrundentscheidung). Fällt diese Entscheidung nicht positiv für den Beteiligten aus, trägt er seine Kosten selbst. Einen Entschädigungs- bzw. Auslagenvergütungsanspruch gegen die Staatskasse unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, wie dies beim gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG in § 191 SGG für den Fall des persönlichen Erscheinens geregelt ist, kennt das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht.

Die Frage, ob das Hauptsacheverfahren ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren gemäß § 197 a SGG oder ein gerichtskostenfreies gemäß § 183 SGG ist, ist einer Entscheidung durch das Gericht der Kostensache entzogen. Die diesbezüglich ergangene Festlegung des Hauptsachegerichts ist, unabhängig von deren materiellen Richtigkeit, für das Kostengericht bindend (allgemeiner Grundsatz im Kostenrecht, vgl. zum JVEG: Beschluss des Senats vom 16.02.2012, Az.: L 15 SF 204/11; zum Gerichtskostengesetz: Beschluss des Senats vom 10.04.2015, Az.: L 15 SF 83/15 E).

Bei dem Verfahren des Antragstellers handelt es sich, wie im Hauptsacheverfahren von der Senatsvorsitzenden am 14.04.2015 verfügt worden ist, um ein solches gemäß § 197 a SGG. Eine Auslagenvergütung gemäß § 191 SGG ist damit wegen § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGG ausgeschlossen.

Die von den Bevollmächtigten aufgeworfene Frage, ob das zugrunde liegende Hauptsacheverfahren tatsächlich ein Verfahren gemäß § 197 a SGG ist, ist nicht Gegenstand im jetzt zu entscheidenden kostenrechtlichen Verfahren. Die Festlegung bzw. Entscheidung im krankenversicherungsrechtlichen Hauptsacheverfahren ist diesbezüglich bindend für das Kostenverfahren.

3. Aushändigung eines Entschädigungsantrags bzw. Inaussichtstellung einer Entschädigung durch den Hauptsachesenat ohne rechtliche Bedeutung

Der Hinweis des Hauptsachesenats auf eine mögliche Entschädigung und die Aushändigung eines Formulars des Entschädigungsantrags in der mündlichen Verhandlung begründen keinen Entschädigungsanspruch.

Dass der Antragsteller mit der Ladung zum Gerichtstermin auf die Möglichkeit einer Entschädigung hingewiesen und ihm, wie von seinen Bevollmächtigten vorgetragen worden ist, anlässlich der mündlichen Verhandlung ein Entschädigungsantrag ausgehändigt worden ist, ändert an der Rechtslage nichts. Auf die Einordnung eines Verfahrens als solches gemäß § 197 a SGG hat diese tatsächliche Handlung keinen Einfluss (vgl. Beschluss des Senats vom 16.02.2012, Az.: L 15 SF 204/11). Auch resultiert aus der Übergabe eines Formulars für einen Entschädigungsantrag kein Vertrauenstatbestand, der es zulassen würde, entgegen den zwingenden gesetzlichen Vorgaben Kosten aus der Staatskasse zu erstatten (vgl. Beschluss des Senats vom 29.09.2006, Az.: L 3 U 311/05.Ko). Gleiches gilt auch für eine Auskunft des Hauptsachesenats, dass eine Entschädigung erfolgen könne (vgl. Beschluss des Senats vom 21.03.2012, Az.: L 15 SF 299/11), so dass auch der Vortrag des Antragstellers, der Hauptsachesenat habe in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Erstattung der Reisekosten nahe gelegt, zu keiner Entschädigung führen kann. Ein Vertrauenstatbestand, der eine Erstattung im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Regelungen zulassen würde, resultiert daraus nicht.

Dem Antragsteller steht daher kein Entschädigungsanspruch wegen der Wahrnehmung des Termins der mündlichen Verhandlung am 25.03.2015 zu.

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte der Hauptsachesenat im Rahmen des noch laufenden krankenversicherungsrechtlichen Berufungsverfahrens entgegen seiner bisherigen Einschätzung dazu kommen, das Berufungsverfahren des Antragstellers als gerichtskostenfreies Verfahren gemäß § 183 SGG zu bewerten, könnte der Antragsteller, gegebenenfalls - sofern keine erneute Hinzuziehung erfolgt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG) - verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung, nochmals eine Entschädigung für sein Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung am 25.03.2015 beantragen. Auf die im Fall eines erforderlichen Wiedereinsetzungsantrags zu beachtenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 JVEG weist der Kostensenat zur Information des Antragstellers hin. Inwieweit dieser Antrag Erfolg haben würde, wäre in dem dann folgenden Verfahren zu entscheiden.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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