L 16 R 1240/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 R 8005/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 1240/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter kann Weisungen des Geschäftsführers nur aufgrund seiner Gesellschafterrechte verhindern. Besitzt er nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter durch Weisungen der Gesellschafterversammlung aufzuheben oder abzuschwächen, besteht regelmäßig Weisungsgebundenheit. Eine solche Rechtsmacht hat ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter nur, wenn er beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterversammlung hat. Ein Anteil von 50% an der Gesellschaft ist dafür nicht ausreichend.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27. August 2013 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 11. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2011 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter beim Beigeladenen zu 1 in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum 01.03.2013 streitig.

Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen zu 1 ist der Handel mit Kraftfahrzeugen aller Art und der Betrieb einer Kfz-Werkstatt.

Der Kläger ist gelernter Kfz-Mechaniker und war von 1985 bis 2008 als Autoverkäufer abhängig beschäftigt.

Der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 gründeten mit notariellem Vertrag vom 04.06.2009 die Beigeladene zu 1 als Betriebsgesellschaft. Beide hielten jeweils 50 % des Stammkapitals von 100.000,00 EUR. Zugleich wurde eine Besitzgesellschaft gegründet, von der ebenfalls beide jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile besaßen. Zum 01.03.2013 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an den Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 und beendete seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.

Im Gründungsvertrag der Beigeladenen zu 1 wurde geregelt, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft alleine vertritt. Er bedurfe im Innenverhältnis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit bei folgenden Fällen: - Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, sowie beim Erwerb von Beteiligungen; - Aufnahme und Hingabe von Krediten; - Wechselbegebungen und Verbürgungen; - Errichtung und Aufgabe von Zweigniederlassungen; - Bestellung und Abberufung von Prokuristen; - Versorgungszusagen jeglicher Art; -Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall höhere Verpflichtungen als 50.000 EUR mit sich bringen oder die Gesellschaft für länger als ein Jahr verpflichten; - alle Geschäfte, die außerhalb des durch den Gesellschaftszweck bestimmten normalen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft liegen.

Verfügungen über Geschäftsanteile bedurften nach diesem Vertrag der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Gesellschafterbeschlüsse wurden mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht das Gesetz etwas anderes vorschreibt. Bei Stimmengleichheit galt ein Antrag als abgelehnt. Die Gesellschafterversammlung war beschlussfähig, wenn das gesamte Stammkapital vertreten war. Lag die Beschlussfähigkeit nicht vor, so war innerhalb von 14 Tagen eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen, die ohne Einschränkung beschlussfähig war. Außerhalb des Unternehmensgegenstandes bestand für die Gesellschafter kein Wettbewerbsverbot.

Am 17.02.2011 beantragten der Kläger und die Beigeladene zu 1 beim Beklagten eine Statusfeststellung nach § 7a SGB IV. Hierbei gaben sie an, dass der Kläger seit dem 04.06.2009 Gesellschafter und seit dem 01.08.2009 in der GmbH beschäftigt sei. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet. Es bestünden keine vertraglichen Sonderrechte, durch die der Kläger Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern könnte. Darlehen oder Bürgschaften seien nicht übernommen worden.

Aus dem "Anstellungsvertrag eines leitenden Angestellten" vom 01.08.2009 ergibt sich, dass die Parteien sich darüber einig waren, dass der Arbeitnehmer leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz sei. Er sei nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden. Diese richte sich nach den betrieblichen Erfordernissen und sei eigenverantwortlich zu gestalten. Es bestehe ein Urlaubsanspruch von mindestens sechs Wochen. Der Zeitpunkt des jeweiligen Urlaubsantritts sei mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. Die monatliche Bruttovergütung betrage 3400,00 EUR. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und ein zusätzlich gewährtes Urlaubsgeld könnten in Anlehnung an den jeweiligen gültigen Tarifvertrag erfolgen. Darüber hinaus werde eine Tantieme von maximal 10 % des jährlichen Jahresüberschusses vor Steuerrückstellung gewährt. Der Arbeitnehmer werde von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werde für sechs Monate gewährt. Nebentätigkeiten, die in Konkurrenz zur Arbeitsverpflichtung stehen, seien nur mit vorheriger schriftlicher Einwilligung der Gesellschaft auszuüben, der Arbeitnehmer sei zur Verschwiegenheit verpflichtet und der Vertrag könne jeweils zum Schluss eines Geschäftsjahres mit einer Frist von zwölf Monaten gekündigt werden.

Aus dem Anstellungsvertrag des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1 vom 01.08.2009 ergibt sich, dass der Geschäftsführer keiner Einschränkung hinsichtlich Weisungen, die er Angestellten der Beigeladenen zu 1 erteilen kann, unterlag.

Außerdem liegen der Gründungsvertrag der Besitzgesellschaft vom 04.06.2009 sowie der Vertrag gleichen Datums der Betriebsgesellschaft vor.

Der Kläger erhielt einen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.03.2010.

Im Anhörungsverfahren gab der Kläger am 10.07.2011 an, dass er für einen zusätzlichen Überziehungskredit bei der Sparkasse in der persönlichen Haftung stehe.

Mit Bescheid vom 11.08.2011 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 01.08.2009 seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 als mitarbeitender Gesellschafter/Verkaufsleiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausübe. In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; in der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Die Versicherungspflicht beginne am 01.08.2009. Der Kläger sei an der Firma als Gesellschafter beteiligt. Bei mitarbeitenden Gesellschaftern liege eine abhängige Beschäftigung nicht vor, wenn diese persönlich unbeschränkt für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, sie nur nach dem Gesellschaftsvertrag zur Mitarbeit berechtigt und verpflichtet seien, für ihre Mitarbeit einen höheren Gewinnanteil bzw. eine vom Gewinn und Verlust der Gesellschaft abhängige Vergütung erhalten oder die Geschicke der Gesellschaft maßgebend beeinflussen können. Nach einer Gesamtwürdigung würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Der Kläger könne die Geschicke der Firma nicht maßgeblich beeinflussen, da er kein Vetorecht oder eine Sperrminorität habe. Er erhalte feste Bezüge, damit fehle das eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnende Unternehmerrisiko. Er sei zwar aufgrund der Tantiemen am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, eine Kürzung oder den Wegfall seiner Bezüge bei schlechter Geschäftslage müsse er nicht fürchten. Hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausübung der Tätigkeit sei eine weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen. Trotzdem bleibe seine Arbeitsleistung fremdbestimmt, da er sie in einer von der Gesellschafterversammlung vorgegebenen Ordnung des Betriebes ausübe. Die Gewährung eines Überziehungskredites seit zwar arbeitnehmeruntypisch, schließe jedoch eine abhängige Beschäftigung nicht aus. Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sei ausgeschlossen, weil der Kläger nach eigenen Angaben neben der zu beurteilenden Tätigkeit hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei (§ 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V).

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2011 zurückgewiesen.

Am 30.01.2012 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Regensburg. Zur Klagebegründung wurde vorgetragen, dass der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 den Betrieb vom vormaligen Eigentümer übernommen hätten. Sie hätten den Grundbesitz zu je 1/2 erworben. Es seien die Beigeladene zu 1 und die Besitzgesellschaft als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gegründet worden. Beide seien zu je 1/2 an den Gesellschaften beteiligt. Sie würden für die Verbindlichkeiten der Gesellschaften gesamtschuldnerisch haften und hätten die gleichen Dienstverträge und Vertragsbedingungen gehabt. Der Kläger sei nicht weisungsgebunden gewesen. Er sei mit 50 % an der Beigeladenen zu 1 beteiligt. Gegen seine Stimmen könnten keine Beschlüsse gefasst werden. Nicht nur derjenige habe maßgeblichen Einfluss, der die Stimmenmehrheit auf sich vereinige, sondern auch der, der ihm unliebsame Beschlüsse verhindern könne. Außerdem stelle der Kläger der Beigeladenen zu 1 ein Darlehen zur Verfügung und bürge für einen Kontokorrentkredit bis zu einem Betrag in Höhe von 47.500,00 EUR.

Die Beklagte führte aus, dass bei mitarbeitenden Gesellschaftern ohne Geschäftsführerfunktion nur dann nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden könne, wenn dieser über mehr als 50 % des Stammkapitals verfüge.

Mit Urteil vom 27.08.2013 hob das Sozialgericht Regensburg den Bescheid des Beklagten vom 11.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2011 auf und verurteilte die Beklagte festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter/Verkaufsleiter bei der Beigeladenen zu 1 ab dem 01.08.2009 bis zum 01.03.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Kläger habe maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 1. Dies ergebe sich aus seiner 50 %-igen Beteiligung am Stammkapital der Beigeladenen zu 1 und aufgrund der 50 %-igen Beteiligung an der Besitzgesellschaft. Dies stelle eine Sperrminorität dar. Außerdem habe der Kläger eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen.

Am 20.12.2013 hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter nur dann selbstständig, wenn er kraft seiner Anteile am Stammkapital maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne (Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/40 R und vom 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R). Das BSG habe klargestellt, dass ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt sei, allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschaftsrechte nicht die Rechtsmacht besitze, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter aufzuheben oder abzuschwächen. Sowohl der Minderheitsgesellschafter, als auch der hälftig am Kapital einer GmbH beteiligte mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion sei nicht dazu in der Lage, Abweichungen von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung herbeizuführen, die die Dienstaufsicht über die Angestellten vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag der laufenden Geschäftsführung, d. h. dem Geschäftsführer als dem zuständigen Organ, zuweise. Der von der Gesellschafterversammlung als zuständigem Organ zu schließende Anstellungsvertrag könne nicht mehr an Kompetenzen vermitteln, als dies der Gesellschaftsvertrag zulasse. Mit der Übernahme von Bürgschaften werde zwar ein gewisses Unternehmerrisiko begründet, hierin liege jedoch lediglich ein Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger habe funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilgenommen, von seinem Arbeitsentgelt sei Lohnsteuer entrichtet worden. Werde steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, sei auch regelmäßig für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen (BSG vom 21.04.1993, 11 RAr 67/92).

In der mündlichen Verhandlung hat der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 erklärt, dass er dem Kläger "Arbeit angeschafft habe". Es sei für die Beigeladene zu 1 ein Kontokorrentkredit in Höhe von 95.000 EUR aufgenommen worden. Für diesen hätten sowohl er als auch der Kläger jeweils zur Hälfte gebürgt. Bei Verkauf seiner Geschäftsanteile habe der Kläger diese Bürgschaft gekündigt.

Der Kläger hat ausgeführt, dass er im Betrieb der Beigeladenen zu 1 im Bereich Kfz-Handel gearbeitet habe. Er habe den anderen Mitarbeitern Weisungen erteilt. Urlaub habe er eigenständig nehmen können, aber Bescheid gesagt. Er habe etwa 60-70 Stunden in der Woche gearbeitet, oft bis Mitternacht.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.08.2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 11.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2011 abzuweisen.

Der Klägers beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.08.2013 zurückzuweisen.

Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass der Kläger die Hälfte des Stammkapitals gehalten habe und gegen seinen Willen Gesellschafterbeschlüsse nicht gefasst werden könnten. Daher habe der Kläger maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt. Der geschäftliche Erfolg oder Misserfolg habe sich unmittelbar auf den Kläger ausgewirkt, da ihm das Unternehmen zur Hälfte gehört habe. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausreichend, dass er Beschlüsse habe verhindern können. Nicht erforderlich sei, dass er Beschlüsse habe durchsetzen können. Zwar werde die Gesellschafterversammlung durch die Geschäftsführung einberufen, jedoch nütze die Einberufung nichts, da die Gesellschafterversammlung nicht beschlussfähig sei, wenn nicht das gesamte Stammkapital vertreten sei. Außerdem sei der Kläger mit entsprechender Rechtsmacht ausgestattet gewesen, um die Geschicke der Gesellschaft zu leiten. Verfügungen über Geschäftsanteile bedurften der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Bei Stimmengleichheit galt ein Antrag in der Gesellschafterversammlung als abgelehnt. Nachdem der Kläger als auch der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 gleiche Geschäftsanteile gehabt hätten, sei es notwendig gewesen, dass sich der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 einigten, um einen Beschluss herbeizuführen. Dies zeige, dass der Kläger die Geschicke der Beigeladenen zu 1 eindeutig beeinflusst habe. Der Kläger habe Arbeitszeit und Ort frei bestimmen können. Er habe ein erhebliches Unternehmerrisiko getragen und für die Verbindlichkeiten der Beigeladenen zu 1 gehaftet. Außerdem habe er als Einziger über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger ist in seiner Tätigkeit als Verkaufsleiter beim Beigeladenen zu 1 abhängig beschäftigt. Versicherungspflicht besteht in der gesetzlichen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, sind im streitigen Zeitraum in der Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, jeweils in den maßgeblichen Fassungen). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 SGB V) ist nicht Streitgegenstand des Verfahrens.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Satz 2 dieser Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und ein umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z. B. BSG vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10, Rn. 16, m.w.N.).

Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, a.a.O., Rn. 25 und BSG vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, Rn. 23).

Haben die Beteiligten vertraglich oder durch mündliche Abreden dokumentiert vereinbart, keine Beschäftigung zu wollen, kommt dem Willen der Beteiligten nur dann keine indizielle Bedeutung zu, wenn die tatsächlichen Verhältnisse hiervon rechtlich relevant abweichen. Maßgeblich sind jeweils die Verhältnisse nach Annahme, also bei Durchführung des einzelnen Auftrages (BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, Rn. 17).

Ausgangspunkt der Prüfung sind die vertraglichen Abreden. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so sind deren Ernsthaftigkeit und Vereinbarkeit mit zwingendem Recht zu prüfen. Ergänzend ist zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist die bloße Nichtausübung eines (Weisungs-) Rechts unbeachtlich, solange es nicht wirksam abbedungen ist. Die tatsächlichen Verhältnisse geben nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen den Ausschlag (BSG vom Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, Rn. 16).

Die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten einer GmbH ist Aufgabe der laufenden Geschäftsführung und nicht Aufgabe der Gesellschafterversammlung (BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R -, SozR 3-2400 § 7 Nr 17, Rn. 14 und 15). Nach § 35 Abs. 1 S. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die außergerichtliche Vertretung einer GmbH umfasst die Abgabe von Willenserklärungen der GmbH nach außen und die Entgegennahme von an die GmbH gerichteten empfangsbedürftigen Willenserklärungen Dritter. Dies bedeutet, dass die Vertretungsmacht nach § 35 GmbHG den gesamten "Außenverkehr" umfasst (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35, Rn. 79). Zum sogenannten Außenverkehr zählen sämtliche Rechtsgeschäfte im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, insbesondere der Abschluss, die Kündigung und die Erteilung von Weisungen. Das gilt auch bei Arbeitsverhältnissen mit Gesellschaftern (Zöller/Noack, a.a.O., Rn. 82). Ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, kann Weisungen des Geschäftsführers grundsätzlich nur aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte verhindern. Der Geschäftsführer kann in seiner Vertretungsbefugnis gemäß § 37 GmbHG eingeschränkt werden. Die Einschränkung der Vertretungsmacht kann durch Gesellschaftsvertrag oder durch Beschlüsse der Gesellschafter erfolgen (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Besitzt ein mitarbeitender Gesellschafter nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter durch Weisungen der Gesellschafterversammlung an den Geschäftsführer aufzuheben oder abzuschwächen und ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers nicht eingeschränkt, so liegt regelmäßig Weisungsgebundenheit vor. Ein maßgeblicher rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft schließt aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis nur aus, wenn der Gesellschafter Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann. Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 % des Stammkapitals innehaben (BSG, Urteil vom 20.03.1984, 7 RAr 70/82). Sowohl ein Minderheitsgesellschafter als auch ein hälftig am Kapital einer GmbH beteiligter mitarbeitender Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion ist nicht dazu in der Lage, Abweichungen von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer herbeizuführen, die die Dienstaufsicht über die Angestellten, wie dargestellt, dem Geschäftsführer als dem zuständigen Organ zuweist (BSG, Urteil vom 21.04.1993, 11 RAr 67/92). Nach den vertraglichen Vereinbarungen war der Kläger ein leitender Angestellter. Abweichende mündliche oder konkludente Vereinbarungen gab es nicht. Der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 war im Rahmen der laufenden Geschäftsführung rechtlich und tatsächlich in der Lage, Weisungen gegenüber den Angestellten der GmbH und damit auch gegenüber dem Kläger zu erteilen. Eine Einschränkung des Weisungsrechts sah weder der Gesellschaftsvertrag noch der Geschäftsführervertrag vor. Der Geschäftsführer war berechtigt und auch verpflichtet, soweit notwendig, Weisungen zu erteilen. Diese wurden vom Geschäftsführer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch an den Kläger erteilt. Der Kläger hätte Weisungen an sich nur verhindern können, wenn er aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Gesellschafterversammlung beherrscht hätte. Eine derartige Rechtsmacht hatte der Kläger nicht. Er hielt als Gesellschafter zwar die Hälfte des Stammkapitals der Beigeladenen zu 1. Er beherrschte jedoch nicht die Gesellschafterversammlung und war nicht in der Lage alleine, ohne den Mitgesellschafter, der zugleich Geschäftsführer war, wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. Anders als bei einem zum Geschäftsführer bestimmten Gesellschafter reicht bei einem mitarbeitenden Gesellschafter eine zu einer Sperrminorität führende 50%-ige Beteiligung am Stammkapital nicht aus. Vielmehr muss ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschafterversammlung bestehen, um von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen zu können. Der Kläger hätte Weisungen der Gesellschafterversammlung und der Geschäftsführung hinsichtlich seiner Tätigkeit als Verkaufsleiter verhindern können müssen. Das war vorliegend nicht der Fall. Der Kläger konnte zwar direkte Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern, da Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst wurden und er 50 % der Anteile der Gesellschaft hielt. Weisungen des Geschäftsführers im Rahmen der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte konnte er jedoch weder rechtlich noch tatsächlich verhindern. Daher steht für den Senat fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Verkaufsleiter den Weisungen des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1 unterlag. Der Kläger war auch in den Betrieb der Beigeladenen zu 1 eingebunden. In der mündlichen Verhandlung hat er angegeben, dass er anderen Mitarbeitern Weisungen gab. Zu diesen Weisungen hat ihn nicht seine Stellung als Gesellschafter berechtigt, sondern seine Position als leitender Angestellter. Außerdem hat er seine ganze Arbeitskraft, nach seinen Angaben 60-70 Stunden in der Woche, der Beigeladenen zu 1 gewidmet. Gegen die Eingliederung in die vorgegebene betriebliche Ordnung spricht nicht, dass der Kläger seine Arbeitszeit nach dem Anstellungsvertrag selbst frei bestimmen konnte. Sein Arbeitsvertrag verpflichtete ihn vielmehr dazu, die Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen eigenverantwortlich zu gestalten. Dies ist gerade bei leitenden Angestellten eine übliche Vertragsgestaltung. Ist die Wochenarbeitszeit so hoch wie die des Klägers, kann die Möglichkeit der freien Gestaltung der Arbeitszeit keine entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung der Frage der abhängigen Beschäftigung haben, da die Eingliederung in den Betrieb allein durch die zeitliche Anwesenheit gegeben ist. Vereinbart war außerdem ein Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie eine monatlich feste Bruttovergütung. Dies spricht ebenso für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung wie die Tatsache, dass ein "Anstellungsvertrag eines leitenden Angestellten" abgeschlossen wurde und von der Vergütung Lohnsteuer abgeführt wurde. Denn wird steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so ist auch regelmäßig für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen (BSG vom 21.04.1993, 11 RAr 67/92).

Für eine selbstständige Beschäftigung spricht zwar, dass der Kläger rechtlichen und tatsächlichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschafterversammlung hatte, da die Gestaltung der Unternehmenspolitik nur mit seiner Mitwirkung möglich war. Auch der Umstand, dass der Kläger einen Urlaubsanspruch von jährlich sechs Wochen hatte, er jedoch nur drei bis vier Wochen im Jahr in Anspruch nahm, ohne eine weitere Abgeltung zu fordern, spricht eher für eine selbstständige Tätigkeit. Ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist ferner die im Februar 2010 übernommene selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von bis zu 47.500,00 EUR. Mit der Übernahme von Bürgschaften wird ein gewisses Unternehmerrisiko begründet. Ebenso ist die Zahlung von Tantiemen kein wesentliches, für eine selbstständige Tätigkeit sprechendes Merkmal, da Tantiemen regelmäßig auch an leitende Angestellten gezahlt werden. Auch der Umstand, dass die Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss gewährte, ist letztlich keine Tatsache, die für eine selbstständige Tätigkeit ausschlaggebend ist. Dies gilt auch für die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB.

Bei der Abwägung dieser einzelnen Gesichtspunkte ist festzuhalten, dass die Parteien ausweislich der vertraglichen Vereinbarungen von einer Stellung des Klägers als leitender Angestellter ausgegangen sind, der Kläger funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Beigeladenen zu 1 teilgenommen hat, er Weisungen unterlag und die Tätigkeit im Betrieb der Beigeladenen zu 1 ausübte. Zudem war der Kläger darüber hinaus abgesichert wie ein Arbeitnehmer (Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) und es wurde Lohnsteuer abgeführt. Diese Merkmale sind deutlich stärker zu gewichten, als die für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers sprechenden Umstände, wie die Übernahme der Bürgschaft, die Zahlung von Tantiemen, die Mitwirkung an der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung sowie der ohne Abgeltung verfallende Urlaubsanspruch. Daher ist das Urteil des Sozialgerichts Regensburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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