Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 37 AL 720/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 3/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der sog. erhöhte Leistungssatz bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nach § 129 Nr. 1 SGB III a.F. (jetzt § 149 Nr. 1 SGB III) gilt nur für Kinder unter Ehegatten bzw. Lebenspartner, nich aber bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin zu zahlenden Arbeitslosengeldes streitig.
Die im Jahr 1957 geborene Klägerin war vom 01.08.2004 bis 30.04.2007 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Am 20.04.2007 meldete sich die Klägerin zum 01.05.2007 arbeitslos, worauf ihr mit Bescheid vom 08.05.2007 Arbeitslosengeld für 360 Tage bewilligt wurde. Der Berechnung legte die Beklagte ein tägliches Bemessungsentgelt von 86,32 EUR zugrunde. Gemäß der eingetragenen Lohnsteuerklasse I ergab sich hieraus ein tägliches Leistungsentgelt von 53,22 EUR sowie unter Berücksichtigung von § 129 Nr. 2 des Dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III) ein täglicher Leistungssatz von 31,93 EUR.
Hiergegen richtete sich ihr Widerspruch vom 04.06.2007, in dem sie vortrug, dass sie sich seit 8 Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft befinde, so dass bei ihr der höhere Leistungssatz nach § 129 Nr. 1 SGB III Anwendung finden müsse.
Der Widerspruch blieb gemäß Widerspruchsbescheid vom 18.06.2007 erfolglos. Die Beklagte hat darin ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nicht erfüllt seien. Bei den Kindern des Lebensgefährten der Klägerin handele es sich weder um Kinder der Arbeitslosen noch um sog. Pflegekinder, weil die Kinder weiter im Haushalt bei dem Vater leben würden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27.06.2007 Klage zum Sozialgericht München und begehrt insoweit die Bewilligung von Arbeitslosengeld auf der Grundlage des erhöhten Leistungssatzes nach § 129 Nr. 1 SGB III. Die Klägerin trägt vor, ihr Lebenspartner habe mindestens ein Kind im Sinne dieser Vorschrift, so dass ihr deshalb der erhöhte Leistungssatz von 67 % zustehe.
Das Sozialgericht München hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin und ihr Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG hätten, sodass der Klägerin deshalb der erhöhte Leistungssatz von 67 % zustehe. Der Auffassung der Beklagten, diese Begünstigung gelte nur für Lebenspartner von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften könne das Gericht nicht folgen. § 129 Nr. 1 SGB III begünstige nach Auffassung des Gerichts auch eheähnliche Gemeinschaften von ungleich geschlechtlichen Lebenspartnern. Der Auffassung der Beklagten, dass nur gleichgeschlechtliche eingetragene Gemeinschaften begünstigt seien, könne das Gericht nicht folgen, diese Auffassung sei von § 129 Nr. 1 SGB III nicht gedeckt.
Hiergegen erhob die Beklagte am 03.01.2012 Berufung vor dem Bayerischen Landessozialgericht, die mit Schriftsatz vom 10.04.2012 dahingehend begründet wurde, dass der Gesetzgeber gemäß Art. 3 § 49 Nr. 10 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften Lebenspartnerschaften mit Wirkung zum 01.08.2001 neben den Ehegatten auch den Lebenspartner in § 129 Nr. 1 SGB III hinzugefügt habe. Die Norm sei somit nicht so zu lesen, dass mit dem Begriff des Lebenspartners auch die Partner in eheähnlichen Gemeinschaften gemeint seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat in ihrer Erwiderung vom 16.01.2012 auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Senat jeweils beigezogen hat.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands insgesamt 1.342 EUR beträgt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.
Das Klagebegehren ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) aufzufassen, denn in der Sache wird über die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld der Klägerin ab dem 01.05.2007 gestritten. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld lagen ab diesem Zeitpunkt bei der Versicherten vor. Sie war arbeitslos und hatte sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet sowie die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt.
Die Beklagte hat mit ihrem angefochtenen Bewilligungsbescheid den Anspruch in der rechtlich zustehenden Höhe festgesetzt. Zu Unrecht hat sich das Sozialgericht München über den ausdrücklichen Wortlaut des § 129 Nr. 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 16.02.2001 (BGBl I 266) hinweggesetzt, ohne diese Auffassung näher zu begründen.
Nach § 129 Nr. 1 SGB III a.F. beträgt die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld 60 v. H. (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der allgemeine Leistungssatz ist maßgeblich, wenn - wie im Falle der Versicherten - kein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.
Die beiden Kinder des Lebensgefährten der Klägerin sind keine Kinder im Sinn von § 129 Nr. 1 SGB III a.F. Zum einen handelt es sich nicht um Kinder der arbeitslosen Klägerin oder eines Ehegatten der Klägerin, zum anderen handelt es sich - worauf die Beklagte zutreffend verwiesen hat - auch nicht um Pflegekinder. Der Gesetzgeber hat die streitige Vorschrift im Zuge des Art. 3 § 49 Nr. 10 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften ausdrücklich um eingetragene Lebenspartner erweitert, jedoch eine Ausdehnung auf eheähnliche Lebensgemeinschaften abgelehnt. Dies mag aus Sicht der Betroffenen ungerecht erscheinen, ist aber deswegen gerechtfertigt, weil Eheleute und Lebenspartner als rechtlich verfestigte Lebensgemeinschaften füreinander gesetzlich einzustehen haben, was bei eheähnlichen Partnerschaften nicht der Fall ist (vgl. hierzu Rolfs in Gagel, SGB III, 44. Ergänzungslieferung 2012; § 129 Rz. 15 und 16 sowie Coseriu/Jakob in Mutschler/Schmidt-De Caluwe, SGB III - Arbeitsförderung, 4. Auflage 2012, § 129 Rz. 4). Eine unterschiedliche Behandlung dieser Personengruppen ist dem Gesetzgeber somit auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt.
Der Berufung der Beklagten war daher stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin zu zahlenden Arbeitslosengeldes streitig.
Die im Jahr 1957 geborene Klägerin war vom 01.08.2004 bis 30.04.2007 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Am 20.04.2007 meldete sich die Klägerin zum 01.05.2007 arbeitslos, worauf ihr mit Bescheid vom 08.05.2007 Arbeitslosengeld für 360 Tage bewilligt wurde. Der Berechnung legte die Beklagte ein tägliches Bemessungsentgelt von 86,32 EUR zugrunde. Gemäß der eingetragenen Lohnsteuerklasse I ergab sich hieraus ein tägliches Leistungsentgelt von 53,22 EUR sowie unter Berücksichtigung von § 129 Nr. 2 des Dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III) ein täglicher Leistungssatz von 31,93 EUR.
Hiergegen richtete sich ihr Widerspruch vom 04.06.2007, in dem sie vortrug, dass sie sich seit 8 Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft befinde, so dass bei ihr der höhere Leistungssatz nach § 129 Nr. 1 SGB III Anwendung finden müsse.
Der Widerspruch blieb gemäß Widerspruchsbescheid vom 18.06.2007 erfolglos. Die Beklagte hat darin ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nicht erfüllt seien. Bei den Kindern des Lebensgefährten der Klägerin handele es sich weder um Kinder der Arbeitslosen noch um sog. Pflegekinder, weil die Kinder weiter im Haushalt bei dem Vater leben würden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27.06.2007 Klage zum Sozialgericht München und begehrt insoweit die Bewilligung von Arbeitslosengeld auf der Grundlage des erhöhten Leistungssatzes nach § 129 Nr. 1 SGB III. Die Klägerin trägt vor, ihr Lebenspartner habe mindestens ein Kind im Sinne dieser Vorschrift, so dass ihr deshalb der erhöhte Leistungssatz von 67 % zustehe.
Das Sozialgericht München hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin und ihr Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG hätten, sodass der Klägerin deshalb der erhöhte Leistungssatz von 67 % zustehe. Der Auffassung der Beklagten, diese Begünstigung gelte nur für Lebenspartner von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften könne das Gericht nicht folgen. § 129 Nr. 1 SGB III begünstige nach Auffassung des Gerichts auch eheähnliche Gemeinschaften von ungleich geschlechtlichen Lebenspartnern. Der Auffassung der Beklagten, dass nur gleichgeschlechtliche eingetragene Gemeinschaften begünstigt seien, könne das Gericht nicht folgen, diese Auffassung sei von § 129 Nr. 1 SGB III nicht gedeckt.
Hiergegen erhob die Beklagte am 03.01.2012 Berufung vor dem Bayerischen Landessozialgericht, die mit Schriftsatz vom 10.04.2012 dahingehend begründet wurde, dass der Gesetzgeber gemäß Art. 3 § 49 Nr. 10 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften Lebenspartnerschaften mit Wirkung zum 01.08.2001 neben den Ehegatten auch den Lebenspartner in § 129 Nr. 1 SGB III hinzugefügt habe. Die Norm sei somit nicht so zu lesen, dass mit dem Begriff des Lebenspartners auch die Partner in eheähnlichen Gemeinschaften gemeint seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat in ihrer Erwiderung vom 16.01.2012 auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Senat jeweils beigezogen hat.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands insgesamt 1.342 EUR beträgt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.
Das Klagebegehren ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) aufzufassen, denn in der Sache wird über die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld der Klägerin ab dem 01.05.2007 gestritten. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld lagen ab diesem Zeitpunkt bei der Versicherten vor. Sie war arbeitslos und hatte sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet sowie die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt.
Die Beklagte hat mit ihrem angefochtenen Bewilligungsbescheid den Anspruch in der rechtlich zustehenden Höhe festgesetzt. Zu Unrecht hat sich das Sozialgericht München über den ausdrücklichen Wortlaut des § 129 Nr. 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 16.02.2001 (BGBl I 266) hinweggesetzt, ohne diese Auffassung näher zu begründen.
Nach § 129 Nr. 1 SGB III a.F. beträgt die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld 60 v. H. (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der allgemeine Leistungssatz ist maßgeblich, wenn - wie im Falle der Versicherten - kein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.
Die beiden Kinder des Lebensgefährten der Klägerin sind keine Kinder im Sinn von § 129 Nr. 1 SGB III a.F. Zum einen handelt es sich nicht um Kinder der arbeitslosen Klägerin oder eines Ehegatten der Klägerin, zum anderen handelt es sich - worauf die Beklagte zutreffend verwiesen hat - auch nicht um Pflegekinder. Der Gesetzgeber hat die streitige Vorschrift im Zuge des Art. 3 § 49 Nr. 10 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften ausdrücklich um eingetragene Lebenspartner erweitert, jedoch eine Ausdehnung auf eheähnliche Lebensgemeinschaften abgelehnt. Dies mag aus Sicht der Betroffenen ungerecht erscheinen, ist aber deswegen gerechtfertigt, weil Eheleute und Lebenspartner als rechtlich verfestigte Lebensgemeinschaften füreinander gesetzlich einzustehen haben, was bei eheähnlichen Partnerschaften nicht der Fall ist (vgl. hierzu Rolfs in Gagel, SGB III, 44. Ergänzungslieferung 2012; § 129 Rz. 15 und 16 sowie Coseriu/Jakob in Mutschler/Schmidt-De Caluwe, SGB III - Arbeitsförderung, 4. Auflage 2012, § 129 Rz. 4). Eine unterschiedliche Behandlung dieser Personengruppen ist dem Gesetzgeber somit auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt.
Der Berufung der Beklagten war daher stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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