L 5 R 1191/13 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 578/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 1191/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Den personenbezogen geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen stehen konkrete Ansprüche der Versicherten gegenüber, der Anspruch und die Höhe von Arbeitslosengeld hängt von dem vorangegangenen Versicherungspflichtverhältnis und vom erzielten Entgelt ab, das Krankengeld errechnet sich aus dem erzielten Entgelt, die Höhe einer späteren Rente aus Beitragszeiten hängt von den gezahlten Beiträgen ab.
2. Wenn aber Beitragsnachforderungen den Betroffenen nicht zugeordnet werden, können zu deren Gunsten auch keine Leistungsansprüche erwachsen; deshalb dürfen Beitragsschätzbescheide nur unter engen Voraussetzungen ergehen.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 4. November 2013 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 6.5.2013 angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird auf 49.924,86 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im einstweiligen Rechtsschutz streitig die Befristung der von der Antragsgegnerin erklärten Aussetzung der Vollziehung bis zum 31.12.2013 sowie die damit verbundene Auflage, die mit Bescheid vom 6.5.2013 festgesetzte Beitragsforderung mit vier von Hundert zu verzinsen.

Gegenstand des von der Antragstellerin in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens ist das Personalmanagement im weitesten Sinne. Im Handelsregister B des Amtsgerichts A-Stadt (HRB 6009) sind dazu im Einzelnen angegeben: "Organisation und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen im Personalbereich, Erstellung von Tests, Unterweisungen im Bereich Arbeitsanweisungen und -sicherheit, Produktion von entsprechenden Videos, Ausarbeitung und Durchführung von Lohn-, Personalplanungs- und Verwaltungssystemen, Ausführung von Werkverträgen, Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nach Erhalt der vorgeschriebenen Erlaubnisurkunde sowie Vermittlung von Arbeitskräften, nach Erlangung der entsprechenden Erlaubnis." Die Antragstellerin verfügt über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern. Die Antragstellerin hatte mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) Haustarifverträge abgeschlossen und die darin festgelegten Vergütungen als Verleiherin gezahlt. Auf dieser Bemessungsgrundlage wurden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Bei der Antragstellerin fand in der Zeit vom 12.3.2013 bis zum 4.4.2013 eine Betriebsprüfung statt. Mit Bescheid vom 6.5.2013 forderte die Antragsgegnerin für den Prüfzeitraum 1.12.2005 bis 31.12.2009 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 149.774,58 Euro nach. Die Beiträge wurden festgesetzt für in den Akten der Antragsgegnerin namentlich genannte Arbeitnehmer, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung für die Antragstellerin als Verleiherin tätig waren. Es handelte sich überwiegend um Helfertätigkeiten, vereinzelt auch Tätigkeiten von Facharbeitern. Die Antragsgegnerin begründete ihre Entscheidung mit einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10). Darin wurde die Feststellung der Vorinstanzen bestätigt, wonach die CGZP nicht tariffähig ist. Als letzte Tatsacheninstanz hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Datum vom 7.12.2009 entschieden (23 TaBV 1016/09). Die Antragsgegnerin führte weiter aus, die Tarifunfähigkeit der CGZP habe die Unwirksamkeit der mit dieser geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Wegen der Unwirksamkeit der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge gelte keine Ausnahme mehr von dem Grundsatz des "equal-pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Die Leiharbeitnehmer, die auf der Basis eines solchen Tarifvertrages tätig waren, könnten von der Antragstellerin den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt wurde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte das Entstehungsprinzip. Die Antragsgegnerin berechnete die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge neu auf der Grundlage den zur Ermittlung von Vergleichlöhnen eingeholten Auskünften der Entleiherbetriebe sowie den dort anwendbaren Tarifverträgen und anhand von Lohnunterlagen der Leiharbeitnehmer. Dabei schätzte die Antragsgegnerin die Höhe der Arbeitsentgelte anhand einer durchschnittlich berechneten Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in den Entleihbetrieben von 24 % bzw. 27% und setzte die Nachforderungen jeweils in der Summe für alle Versicherten einer Krankenkasse pro Kalenderjahr fest ("CGZP-Sammelberechnung"). Sämtliche betroffene Leiharbeitnehmer, für die Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert wurden, sind von der Antragsgegnerin tabellarisch mit Versicherungsnummer erfasst. Zuletzt hatte die Antragsgegnerin eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin über den Prüfzeitraum vom 1.1.2005 bis 31.12.2008 mit Bescheid vom 23.3.2009 abgeschlossen. Darin war festgestellt worden, dass die stichprobenweise durchgeführte Prüfung keine Feststellungen ergeben habe. Gegen den Bescheid vom 6.5.2013 hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und die Aussetzung der Vollziehung bei der Antragsgegnerin beantragt. Zur Begründung legte die Antragstellerin auch ein Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft J. GmbH vom 10.5.2013 vor, wonach die Antragstellerin über eine ausreichende Liquidität verfüge, um den laufenden Geschäftsbetrieb zu finanzieren. Der für das Jahr 2013 geplante Jahresüberschuss könne für eine erste Teilrückzahlung der geforderten Beitragsnachzahlung verwendet werden. Jeder darüber hinaus gehende oder früher fällige Beitrag gefährde die Existenz der Gesellschaft maßgebend. Der Vollzug der Beitragsnachforderung würde deshalb dazu führen, dass der Geschäftsbetrieb aller Wahrscheinlichkeit nach unverhältnismäßig schwer belastet werden würde. Bei den deutschen Kreditinstituten herrsche derzeit ein Kreditvergabeverbot an Zeitarbeitsunternehmen, deren Liquiditätsengpass auf Rückforderungen nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Tariffähigkeit der CGZP beruhe. Mit Schreiben vom 4.6.2013 lehnte die Antragsgegnerin zunächst die Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung ab, die vorgelegte Bestätigung des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters über die finanzielle Situation der Antragstellerin seien nicht geeignet, nachzuweisen, dass der Vollzug der Beitragsforderung eine unbillige, nicht durch überwiegendes öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge habe.

Mit Schreiben vom 19.6.2013 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Zudem hat die Antragstellerin eine aktualisierte Liquiditätsprognose der Steuerberatungsgesellschaft J. GmbH vom 20.6.2013 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, der für das Jahr 2012 ausgewiesene Bilanzgewinn der Antragstellerin betrage rund 31.000 Euro. Dieser weise noch einen Verlustvortrag in Höhe von rund 66.500 Euro aus dem Vorjahr aus. Die Antragstellerin verfüge bis zum 19.6.2013 nach Ausgleich aller Verbindlichkeiten sowie unter Berücksichtigung der sofortigen Begleichung der Beitragsnachforderung über 149.774,58 Euro über eine Liquiditätslücke in Höhe von etwa -14.000 Euro. Diese Liquiditätslücke würde sich frühestens im letzten Quartal 2013 schließen. Der dadurch entstehende Finanzbedarf sowie die zur Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebs erforderliche Liquidität müsse über einen Kredit finanziert werden. Bei den deutschen Kreditinstituten herrsche jedoch ein Kreditvergabeverbot sowie ein Verbot zur Ausreichung von Bankbürgschaften an Zeitarbeitsunternehmen, deren Liquiditätsengpass auf Rückforderungen nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Tariffähigkeit der CGZP beruhen. Dem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft J. GmbH vom 20.6.2013 war beigefügt eine Prognose der Liquiditätsentwicklung für das Geschäftsjahr 2013 in Form einer tabellarischen Übersicht über die erwarteten Einnahmen und Ausgaben der Monate April bis Dezember 2013. Daraufhin hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21.6.2013 die Vollziehung der Beitragsforderung ausgesetzt mit der Begründung, aufgrund der eingesandten Unterlagen sei nicht auszuschließen, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides eine für die Antragstellerin unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe. Die Antragsgegnerin hat die Vollziehung ausgesetzt bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens 31.12.2013. Die Antragstellerin ging davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt soweit verbessert habe, dass die Zahlung der Beitragsschuld dann keine unbillige Härte mehr darstelle. Zudem hat die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung mit der Auflage verbunden, dass im Falle der Zurückweisung des Widerspruchs oder nach Rücknahme des Widerspruchs eine Verzinsung der Forderung in Höhe von vier von Hundert erfolgt. Die Verzinsung beginne mit dem Kalendermonat, der dem Beitragsbescheid für die geltend gemachte Beitragsnachforderung bestimmten Zahltag, den 26.6.2013, folge und ende mit dem Kalendermonat, der der Zustellung des Widerspruchsbescheides vorangehe. Über die Höhe der zu erhebenden Zinsen werde die Antragstellerin gesondert unterrichtet. Die Antragstellerin hat ihren Antrag beim Sozialgericht insoweit aufrecht erhalten, als die beantragte Aussetzung der Vollziehung nur befristet und unter Auflagen erfolgte. Mit Beschluss vom 4.11.2013 hat das Sozialgericht Augsburg den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die im Schreiben vom 21.6.2013 enthaltene Anordnung abgelehnt, die Beitragsforderung gemäß Bescheid vom 6.5.2013 im Fall der Zurückweisung bzw. Rücknahme des Widerspruchs ab dem 1.7.2013 mit vier vom Hundert zu verzinsen und ebenso die Befristung der Aussetzung der Vollziehung bis längstens zum 31.12.2013. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dem Antragsbegehren sei bereits mit der Aussetzung der Vollziehung durch die Antragsgegnerin entsprochen worden. Solange weder der Abschluss des Widerspruchsverfahrens noch der Fristablauf eingetreten seien, habe die Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Im Hinblick auf die festgesetzte Verzinsung fehle es an der Dringlichkeit einer gerichtlichen Anordnung. Die Höhe einer möglichen Zinsleistung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder erkennbar noch könne abgesehen werden, ob eine solche überhaupt fällig wird. Es sei der Antragstellerin zuzumuten, die Widerspruchsentscheidung abzuwarten.

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, das Sozialgericht habe sowohl die sich aufdrängenden erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides als auch die mit der sofortigen Vollziehung für die Antragstellerin verbundene, über den 31.12.2013 hinausgehende unbillige Härte sowie die grundsätzliche Unzulässigkeit der von der Antragsgegnerin angeordneten Verzinsungsauflage verkannt. Die Antragstellerin hat auf eine weitere Stellungnahme der J. Steuerberatungsgesellschaft GmbH vom 9.12.2013 verwiesen, in der auch unter Berücksichtigung der weiteren Prognose für die nächsten sechs Monate festgehalten wurde, dass der Vollzug des Beitragsbescheides dazu führen würde, dass der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin aller Wahrscheinlichkeit nach eingestellt, jedenfalls unverhältnismäßig schwer belastet werden würde.

Die Antragstellerin beantragt, die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.6.2013 über die Aussetzung der Vollziehung enthaltene Anordnung, die Beitragsforderung gemäß Bescheid vom 6.5.2013 im Fall der Zurückweisung bzw. Rücknahme des Widerspruchs ab dem 1.7.2013 mit vier vom Hundert zu verzinsen, aufzuheben; ebenso die Befristung der Aussetzung der Vollziehung bis längstens zum 31.12.2013.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 6.5.2013. Hinsichtlich der Anfechtung der Zinsauflage fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Ohne zusätzlichen Vollzugsakt, nämlich der Berechnung der Zinsforderung, sei die Auflage nicht vollstreckbar. Die gesondert zu erstellenden Zinsberechnungen könnten als Nebenforderungen im Hauptsacheverfahren angegriffen und überprüft werden.

Die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie die Akten des Sozialgerichts Augsburg wurden zum Gegenstand dieses Verfahrens.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz, SGG), in der Sache auch begründet.

1. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich darauf entfallenden Nebenkosten die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage.

Es steht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG im Ermessen des Gerichts, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage herzustellen. Dabei hat eine Interessenabwägung stattzufinden zwischen den Belangen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihrer Beitragsnachforderung ist dem Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung vor endgültiger Klärung des Rechtsstreits gegenüber zu stellen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist anzunehmen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinerlei Erfolg verspricht (vgl. BT Drucks. 14/5943, S. 25 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, NJW 1974, 1294 [1295]). Dagegen wird das private Aufschubinteresse überwiegen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (stRspr vgl LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 13.07.2011 - L 8 R 287/11 B ER; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.5.2011 - L 11 R 1075/11 ER-B; Bayer. LSG Beschluss vom 28.1.2011 - L 5 R 848/10 B ER).

2. Es besteht Anlass, für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2009 vom gesetzlichen Regelfall des Sofortvollzugs nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG abzusehen. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erhobenen Nachforderung im Rahmen der hier angezeigten summarischen Prüfung.

Gemäß § 28f Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn dieser seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Dies gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (§ 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (§ 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV). Die objektive Beweislast dafür, dass eine Beitragsberechnung ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist, trägt der Arbeitgeber (vgl. Wehrhahn, in: KassKomm, 76. Ergliefg., § 28f SGB IV, Rn. 9).

In dem hier zu entscheidenden Verfahren kann dahin gestellt bleiben, ob die Antragstellerin überhaupt ihre Aufzeichnungspflichten verletzt hat. In der Rechtsprechung wird vertreten, vergleichbare Beitragsnachforderungen auf der Grundlage von geschätzten Arbeitsentgelten beruhten nicht auf verletzten Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers, sondern seien allein dem großen Ermittlungsaufwand des Equal-Pay-Arbeitsentgelts geschuldet. Die Dokumentation der im Betrieb der Entleiher für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsentgelte habe mangels Kenntnis der Rechtslage bis zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 auch nicht über § 12 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) Gegenstand der Obliegenheiten des Verleihers sein können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 5.3.2013 - L 4 R 4381/12 ER-B und vom 19.11.2012 - L 11 R 3954/12 ER-B, LSG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 25.6.2012 - L 5 KR 81/12 B ER und vom 20.4.2012 - L 5 KR 20/12 B ER; zumindest Bedenken geäußert haben: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.10.2013 - L 3 R 485/12 B ER und LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.8.2012 - L 6 R 223/12 B ER; a.A. Sächsisches LSG, Beschluss vom 22.3.2013 - L 1 KR 14/13 B ER und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.6.2012 - L 8 R 382/12 B ER). So ging auch der Gesetzgeber bei der Einführung des § 28f Abs. 2 SGB IV davon aus, eine Rechtsgrundlage für Summenbescheide für die Fälle zu schaffen, in denen beim Arbeitgeber eine unzureichende Buchführung erfolgt ist (vgl. BT-Drs. 11/2221, S. 23).

Jedenfalls hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe zunächst auch dann grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht verletzt hat und die Aufklärung des Sachverhalts dadurch zwar erschwert, jedoch nicht unmöglich gemacht worden ist (vgl. zur früheren Rechtslage bereits BSG, Urteil vom 17.12.1985, 12 RK 30/83). Der Rentenversicherungsträger hat dazu Ermittlungen nach den Bestimmungen der §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durchzuführen. Eine Ausnahme von der personenbezogenen Beitragsnachforderung gilt nur, wenn der rechtlich zutreffende Beitrag nicht ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann. Zum Verständnis dieses unbestimmten Rechtsbegriffs kommt dem Sinn und Zweck des § 28f Abs. 2 SGB IV entscheidende Bedeutung zu. Die Vorschrift soll einen Ausgleich schaffen zwischen dem individuellen Interesse der betroffenen Versicherungspflichtigen an personenbezogenen Beitragsleistungen einerseits und dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Sicherung des Beitragsaufkommens andererseits. Weder sollten die Arbeitgeber von ihren Mitwirkungspflichten bei der Betriebsprüfung entlastet werden noch die Prüfdienste eine allgemeine Arbeitserleichterung erhalten. Vielmehr wollte der Gesetzgeber dem Interesse an der Sicherung des Beitragsaufkommens dann - aber auch nur dann - Vorrang gegenüber dem Individualinteresse an Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung einräumen, wenn Letzterem nur mit unverhältnismäßigem Aufwand des prüfenden Rentenversicherungsträgers Rechnung getragen werden kann. Schließlich kommt dem Interesse des versicherten Arbeitnehmers besonderes Gewicht zu, der bei Erlass eines Summenbescheides Gefahr läuft, seinen aus den zu entrichtenden Beiträgen folgenden Anspruch auf soziale Leistungen zu verlieren (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.4.2010, L 8 R 30/09, Rn. 29 f.). Den personenbezogen geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen steht jeweils ein konkreter Anspruch der Versicherten gegenüber, bei Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen auch die gesetzlich garantierten Leistungen aus der Sozialversicherung zu erhalten (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 30.7.2012 - L 5 R 267/12 B ER, Rn. 29). So hängt beispielsweise der Anspruch und die Höhe von Arbeitslosengeld von dem vorangegangenen Versicherungspflichtverhältnis (§ 147 SGB III) und vom erzielten Entgelt ab (§ 149 SGB III) ab. Ebenso errechnet sich das Krankengeld aus dem erzielten Entgelt (§ 47 SGB V). Auch die Höhe einer späteren Rente aus Beitragszeiten hängt von den gezahlten Beiträgen ab (§ 55 SGB VI). Wenn aber Beitragsnachforderungen den Betroffenen nicht zugeordnet werden, können zu deren Gunsten auch keine Leistungsansprüche erwachsen.

Zur Entscheidung darüber, ob der konkret nachzufordernde Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, sind deshalb dem Verwaltungsaufwand und den Nachteilen für die betroffenen Beschäftigten, die nicht von den durch Summenbescheid festgesetzten Beiträgen profitieren, die Vorteile von zeit- und personenbezogenen Entgeltanteilen gegenüberzustellen (vgl. Wehrhahn, in: KassKomm, 76. Ergliefg., § 28f SGB IV, Rn. 9a). Es ist das Verhältnis zwischen der Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und den Anforderungen an die sich aus § 20 SGB X für die Antragsgegnerin ergebenden Ermittlungspflichten herzustellen. Je höher die Summe der nachfolgenden Beiträge ist, desto intensiver muss der prüfende Rentenversicherungsträger versuchen, eine personenbezogene Zuordnung vorzunehmen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.9.2010, L 5 KR 149/10 B ER, Rn. 19).

Ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand bestand hier weder auf Grund einer Vielzahl von Fällen noch im Hinblick auf eine für die einzelnen Beschäftigten nur geringe versicherungsrechtliche Bedeutung der Beitragsnachforderung (vgl. BSG, Urteil vom 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R, Rn. 24 ff). Die Antragsgegnerin hat die nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge nicht den einzelnen Versicherten zugeordnet, sondern im Rahmen einer "CGZP-Sammelberechnung" jeweils getrennt nach Zeitabschnitten und gesondert für die Berufsgruppen "Helfer - Erhöhung 24 % Pauschale", "Helfer - Erhöhung 27 % Pauschale" und "Facharbeiter - Erhöhung 27 % Pauschale". In den Akten der Antragsgegnerin sind jedoch die Namen von mehr als 200 Personen dokumentiert, die von der Antragstellerin als Leiharbeitnehmer verliehen wurden. Die betroffenen Leiharbeitnehmer wurden von der Antragsgegnerin selbst jeweils mit Versicherungsnummer, der zuständigen Einzugsstelle und den zugrunde gelegten Entgeltdifferenzen tabellarisch erfasst. Mithilfe der elektronischen Datenverarbeitung wäre angesichts der hier betroffenen Anzahl von Leiharbeitnehmern der Aufwand zur Festsetzung der Beitragsforderung getrennt nach Arbeitnehmern überschaubar gewesen, zumal insbesondere die Versicherungsnummern der betroffenen Personen und die zuständigen Einzugsstellen von der Antragsgegnerin bereits registriert wurden. Darüber hinaus sind für einzelne Versicherte Entgeltdifferenzen von mehreren 1000 Euro dokumentiert, so dass die daraus nachzuzahlenden Beiträge für den einzelnen auch von nicht allzu geringer versicherungsrechtlicher Bedeutung sein werden.

Damit bestehen im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Bedeutung der Beitragslast bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung der Antragsgegnerin soweit sie ihre Nachforderung als Summenbeitragsbescheid geltend gemacht hat. Insoweit wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin angeordnet.

3. Da der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs in vollem Umfang erfolgreich ist, war auch über die Rechtmäßigkeit der mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 21.6.2013 mit der Aussetzung der Vollziehung verbundenen Auflagen (§ 86a Abs. 3 Satz 4 SGG) nicht mehr zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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