Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 12/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 29/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Tatbestandsmerkmal von § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG „allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt“ ist erfüllt, wenn sich die zu einer Schwerbeschädigung führende Schädigung bis zum Stichtag 15.05.1976 ereignet hat und diese für sich betrachtet einen GdS von mindestens 50 erreicht. Die Schädigung muss nicht ausschließliche Ursache für die vorliegenden Gesundheitsschäden sein. Es kommt nicht darauf an, ob diese Schädigung im Nachhinein durch weitere Schädigungen nach dem Stichtag überlagert und beeinflusst wird.
2. Die vor dem Stichtag erfolgten Schädigungen sind bzgl. der Schädigungen ab 16.05.1976 nur dann als Mitverursachungsbeiträge – und nicht als Vorschäden – zu berücksichtigen, wenn alleine durch sie ein GdS von 50 ausgelöst worden ist.
3. Vorliegend kann offen bleiben, ob ein fortgesetzter sexueller Missbrauch durch ein- und dieselbe Person unter bestimmten Voraussetzungen als einheitliche Gewalttat anzusehen ist und nur dann unter die Beschränkungen des § 10a OEG fällt, wenn diese Gewalttat am 15.05.1976 bereits abgeschlossen gewesen ist.
2. Die vor dem Stichtag erfolgten Schädigungen sind bzgl. der Schädigungen ab 16.05.1976 nur dann als Mitverursachungsbeiträge – und nicht als Vorschäden – zu berücksichtigen, wenn alleine durch sie ein GdS von 50 ausgelöst worden ist.
3. Vorliegend kann offen bleiben, ob ein fortgesetzter sexueller Missbrauch durch ein- und dieselbe Person unter bestimmten Voraussetzungen als einheitliche Gewalttat anzusehen ist und nur dann unter die Beschränkungen des § 10a OEG fällt, wenn diese Gewalttat am 15.05.1976 bereits abgeschlossen gewesen ist.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. August 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Beschädigtenrente durch den Beklagten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) streitig.
Die 1963 geborene Klägerin, für die ein Grad der Behinderung von 90 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B und die Pflegestufe I festgestellt wurden, stellte am 14.02.2011 beim Beklagten unter Verweis auf eine Reihe von psychischen und neurologischen Störungen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG, da sie ca. 1976 Opfer eines Sexualdelikts geworden sei und da sie psychisch durch die Erziehung und durch Gewalterfahrungen geschädigt worden sei. Hinsichtlich des Sexualdelikts gab die Klägerin im Antrag an, dass der "Sexualtäter" sie im Hausflur ihres Wohnhauses überwältigt und ihr ein Pornoheft ins Gesicht gedrückt sowie seine Hose geöffnet und gesagt habe: "Weißt du, was das ist?". Dabei habe er seinen Körper an sie gedrückt. Als er eine Türe gehört habe, habe er von der Klägerin abgelassen. Hinsichtlich der weiteren Schädigungstatbestände gab die Klägerin an, in ihrer Wohngegend habe sie viel Gewalt mitansehen müssen. Sie habe auch nicht mehr alleine aus dem Haus gehen dürfen und habe den Haushalt führen müssen; teilweise sei sie nicht zur Schule gegangen. Von ihrer - namentlich genannten - Klassenlehrerin sei sie teilweise grundlos geohrfeigt oder mit einem Bambusstock geschlagen worden etc. Auf dem Nachhauseweg sei sie des Öfteren von mehreren Jungen zusammengeschlagen worden. 1979 habe ihr ein Sozialkundelehrer eine feste Ohrfeige gegeben. Als weitere Gewalttaten schilderte die Klägerin schließlich einen Schlag des Lebensgefährten der Mutter, so dass die Klägerin zu Boden gefallen sei, worauf sie mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen sei (ca. 1975). Ca. 1978 seien zwei fremde Männer, Bekannte der Mutter, nach Hause gekommen und hätten die Klägerin zu küssen und sie an die Brust zu fassen versucht. Ähnliches schilderte die Klägerin von weiteren fremden Männern in den Jahren 1977 oder 1978. Ca. 1979 hätten ihre Mutter und ihr Stiefvater fünf fremde Männer mit nach Hause gebracht, bei denen es sich um Personen des sog. Zuhältermilieus gehandelt habe. Die Männer hätten versucht, der Klägerin Drogen und Alkohol zu geben, sie zu küssen und "zu betatschen". Schließlich hätten sie versucht, die Klägerin zur Prostituierten zu machen.
Im Verwaltungsverfahren erstattete die Dipl.-Psych. L. am 11.01.2012 im Auftrag des Beklagten eine aussagepsychologische Stellungnahme und kam darin zu dem Ergebnis, dass die aktuelle sowie tatbestandsbezogene Aussagetüchtigkeit der Klägerin als gegeben anzusehen sei. Nach Analyse der Rahmenkriterien der Aussage (Aussageentstehung und Aussageentwicklung sowie Motivlage) sei allenfalls mäßiges Suggestionspotenzial anzunehmen. Die Qualität der Aussage sei nicht mit einer bewussten Falschaussage zu vereinbaren, so dass mit ausreichender diagnostischer Sicherheit von einem Erlebnisbezug der hier zu beurteilenden Angaben der Klägerin auszugehen sei.
Mit Teilbescheid vom 19.01.2012 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin im Zeitraum von etwa 1969 bis 1979 Opfer von Gewalttaten geworden sei; anerkannt würden insbesondere der sexuelle Missbrauch im Hausflur sowie die Schläge durch die Lehrer bzw. die Gruppe von Schülern. Über die rechtliche Einordnung der Erziehungsmethoden durch die Mutter der Klägerin ergehe wie auch bezüglich der Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folgen der Gewalttaten noch eine gesonderte Entscheidung.
In der Folge führte der Beklagte medizinische Ermittlungen durch. In dem von der Psychiaterin PD Dr. K. am 04.07.2012 eingeholten Gutachten wurde ein Gesamt-GdS von 50 festgestellt. Die Klägerin leide seit dem Kindes- und Jugendalter an einer komplexen chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, an rezidivierenden depressiven Episoden mit Panikattacken (seit etwa 1999) und einer dissoziativen Bewegungsstörung. Die depressiven Phasen mit Panikattacken hätten, so die Gutachterin, bereits zum Zeitpunkt des Schädigungsereignisses vorgelegen. Die Schläge durch die Lehrer und sexueller Missbrauch seien mit Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Somatisierungsstörung, der PTBS und der dissoziativen Bewegungsstörung eine kausale Ursache. Das Milieu, in dem die Klägerin aufgewachsen sei, habe jedoch als prognostisch ungünstiger Faktor für das Auftreten dieser Störungen mitgewirkt. Für die Verschlechterung der vorliegenden Depression und Panikattacken seien die schädigenden Ereignisse eine Mitursache gewesen. Eine Schadensanlage im klassischen Sinn sei nicht nachweisbar. Bei der Klägerin seien jedoch äußerst ungünstige psychosoziale Umstände vor den schädigenden Ereignissen zu eruieren, die mit Sicherheit einen ungünstigen Faktor für die Entstehung der Somatisierungsstörung darstellen würden. Als Nachschaden würden 1999 mehrere familiäre Todesfälle angegeben, durch die die Klägerin mit den Ereignissen erneut konfrontiert gewesen sei. Dadurch sei es zu einer Retraumatisierung und Verschlechterung insbesondere der PTBS als auch der Somatisierungsstörung gekommen. In der Folge sei neu eine dissoziative Bewegungsstörung aufgetreten. Als Einzel-GdS wurden von PD Dr. K. festgestellt:
- rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig schwere depressive Episode mit Panikattacken im Sinne der Verschlimmerung: GdS 30 - komplexe PTBS im Sinne der Entstehung: GdS 40
- Somatisierungsstörung im Sinne der Entstehung: GdS 30
- dissoziative Bewegungsstörung im Sinne der Entstehung: GdS 30. Schließlich kam PD Dr. K. zu dem Ergebnis, dass eine Aufteilung des GdS für die Taten vor dem 15.05.1976 und danach nicht möglich sei, da sich ein Teil der Einwirkungen bereits davor ereignet habe.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2012 nahm die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. zu dem Gutachten und zu den weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen Stellung. So ergebe sich aus den Unterlagen der Krankenkasse eine Arbeitsunfähigkeit von Dezember 2000 bis August 2001 wegen einer paranoiden Schizophrenie. Hierzu stellte die Ärztin des Beklagten fest, dass die geltend gemachten Gewalttaten als Auslöser für eine Psychose nicht in Frage kommen würden, da es sich jeweils um kurze, umschriebene Einwirkungen gehandelt habe, von denen tiefgreifende Einflüsse auf das Persönlichkeitsgefüge der Klägerin nicht angenommen werden könnten. Weiter verwies die Ärztin B. auf das nervenärztliche Gutachten von Dr. K. vom 22.04.2005, in dem ein vollschichtiges Leistungsbild festgestellt worden sei, und die Befundberichte des behandelnden Psychiaters Dr. K., der als Diagnose eine dysthyme Störung mit Somatisierungstendenzen genannt habe. Zu dem Gutachten von PD Dr. K. stellte die Ärztin B. fest, dass Ersterer nicht gefolgt werden könne, wenn diese eine PTBS, Somatisierungsstörung und dissoziative Bewegungsstörung annehme, die ohne die schädigenden Ereignisse, nämlich Schläge in der Schule und die "einmalige versuchte Vergewaltigung" im Hausflur im Jahr 1975/76, nicht eingetreten wären. Insbesondere im Hinblick auf die Somatisierungsstörung, so die Ärztin B., seien die zeitlich früheren Deprivationserlebnisse von größerer Bedeutung. Im Hinblick auf die dissoziative Bewegungsstörung habe die Gutachterin PD Dr. K. selbst die massiven Verlustereignisse als wesentliche Mitursache angesehen, allerdings sei sie davon ausgegangen, dass diese ohne die schädigenden Ereignisse nicht aufgetreten wären. Insofern sei ein Widerspruch innerhalb des Gutachtens von PD Dr. K. zu sehen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die "versuchte Vergewaltigung mit zwölf Jahren" (1975/76) als Folge psychische Schäden im Ausmaß für einen rentenberechtigenden GdS erzeugt habe. Ein GdS von 30 für die Folgen der umschriebenen Gewalttaten könne nicht angenommen werden. Hinsichtlich des angegebenen Vorfalls im Hausflur sei festzustellen, dass dieser möglicherweise vor Inkrafttreten des OEG stattgefunden habe, was auch für die Prügel durch die Klassenkameraden in der ersten und zweiten Klasse gelte. Als schädigungsunabhängiger Nachschaden sei die dissoziative Bewegungsstörung ab dem Jahr 1999/2000 zu sehen, die die Klägerin selbst auf die Vielzahl an Todesfällen in ihrem Umfeld zurückführe.
Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2012 als Folge einer Schädigung ab 01.02.2011 Teilsymptome einer PTBS und eine Persönlichkeitsstörung im Sinne der Verschlimmerung mit einem GdS von 20 fest. Versorgungsrente stehe deshalb nicht zu. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die Gewalttaten nur Teilsymptome einer PTBS aufgetreten seien. Wegen der kurzen Einwirkung der Gewalttaten seien diese nicht geeignet, eine Psychose auszulösen; allenfalls sei es zu einer leichten Verschlimmerung der bereits bestehenden Persönlichkeitsstörung gekommen. Zwischen den weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen, die unter einer Somatisierungsstörung und einer dissoziativen Bewegungsstörung zusammengefasst werden könnten, so der Beklagte, und den Auswirkungen der Gewalttaten bestehe kein ursächlicher und zeitlicher Zusammenhang.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.12.2012 Widerspruch. Zur Begründung trug sie insbesondere vor, dass sie nicht nur an einem Teilsyndrom einer PTBS und einer Persönlichkeitsstörung leide, sondern dass anerkannt werden müsse, dass sie eine Krankheit mit mehreren Symptomen und Nervenleiden habe. Vor allem sei es bei dem Sexualdelikt zu Bewegungsstörungen und Sprachstörungen, einem Lähmungszustand und einem Schock gekommen, wodurch sie nun Angstzustände, Zittern, Schwächeanfälle, körperliche Zusammenbrüche und Ohnmachtsanfälle ab dem ca. 13. Lebensjahr habe. Hinzugekommen seien Psychosen und Depressionen, weshalb sie versucht habe, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Vorher sei es zu Hause normal gewesen, nach dem Sexualdelikt sei das soziale Familienumfeld aber gestört gewesen. Zudem verwies die Klägerin darauf, dass es zum Freiheitsentzug sowie zu verschiedener "Kinderarbeit" gekommen sei. Vor der Gewalttat hätten bei ihr keine Krankheitszeichen bestanden.
Mit Teilabhilfebescheid vom 14.01.2013 erkannte der Beklagte weitere Taten als Angriffe im Sinne von § 1 OEG an, nämlich die Körperverletzung durch den damaligen Lebensgefährten der Mutter 1975, den Griff an die Brust durch einen Besucher 1977, das "Betatschen" durch einen Besucher 1977 oder 1978 und die "unsittlichen Berührungen" durch Besucher 1979. Von der medizinischen Beurteilung im Bescheid vom 28.11.2012 werde aber, so der Beklagte im Bescheid, nicht abgewichen. Der GdS betrage (nach wie vor) 20 (Teilsymptome einer PTBS und Persönlichkeitsstörung ab 01.02.2011). Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es habe im Leben der Klägerin weitere Ereignisse gegeben, die keine Gewalttaten darstellen würden, sicherlich aber auch und wesentlich zu den gesundheitlichen Schwierigkeiten beigetragen hätten. Soweit die Klägerin angegeben habe, in einem lieblosen und nahezu asozialen häuslichen Umfeld aufgewachsen zu sein, stelle dies für sich genommen keine Gewalttat dar, habe aber wesentlich zu den bei der Klägerin vorhandenen psychischen Störungen beigetragen. Die von der Klägerin vorgetragenen Migräne, Hauterkrankungen und auch orthopädische Störungen würden, so der Beklagte, sicherlich vorliegen, seien jedoch aus medizinischer Sicht nicht auf die anerkannten Gewalttaten zurückzuführen. Diese seien nicht geeignet gewesen, eine Psychose auszulösen, was auch dadurch belegt werde, dass gesundheitliche Störungen aus der Zeit unmittelbar nach dem Ende der Gewalttätigkeiten nicht belegt seien. Nach der Aktenlage sei ein neuropsychiatrisches Gutachten aus dem Oktober 2001 die früheste Befundung. Aus dem dazwischen liegenden Zeitraum seien keine ärztlichen Unterlagen vorhanden. Weitere durchgeführte Ermittlungen wie z.B. Nachfragen in der Schule oder beim Jugendamt hätten zu keinen weiterführenden Erkenntnissen geführt. Unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG; Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung) sowie der früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) betrage der durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursachte GdS 20.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14.04.2014 Klage zum Sozialgericht (SG) München mit dem Antrag, eine PTBS und Persönlichkeitsstörung mit einem GdS von mindestens 50 im Sinne der Entstehung festzustellen und die gesetzlichen Leistungen hierfür zu erbringen. Zur Begründung hat die Klägerin unter anderem hervorgehoben, dass verschiedene Schädigungen im Teilabhilfebescheid nicht berücksichtigt worden seien. Auch berücksichtige das Gutachten von PD Dr. K., die einen GdS von 50 festgestellt habe, nicht, dass die Klägerin nach der Schule auf dem Nachhauseweg oftmals zusammengeschlagen und dass sie in die Besenkammer eingesperrt worden sei. Weiter ist vorgetragen worden, dass die im Gutachten vom 04.07.2012 angenommenen Vor- und Nachschäden nicht haltbar seien. Insoweit seien entsprechende Ermittlungen überhaupt nicht durchgeführt worden. Auch wenn die Klägerin in ungünstigen psychosozialen Umständen aufgewachsen sei, bedeute es nicht, dass die anzuerkennenden Schädigungsfolgen lediglich im Sinne der Verschlimmerung zu berücksichtigen seien. Vor allem sei auch die Annahme einer Psychose bereits vor den Gewalttaten falsch.
Mit Beschluss vom 10.07.2014 hat das SG PKH bewilligt und die Bevollmächtigte beigeordnet.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das SG Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 08.05.2014 und den der Hausärztin Dr. B. vom 15.05.2014.
Im Folgenden hat das SG die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 21.05.2015 hat die Sachverständige bei der Klägerin eine gemischte dissoziative Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und gemischte Angststörung bei Verdacht auf Teilsymptome einer komplexen PTBS sowie ein HWS-LWS-Syndrom, Psoriasis, Asthma und Migräne festgestellt. Diese Diagnosen lägen seit Februar 2011 vor. Aus der Vorgeschichte und der aktuellen Symptomatik ergebe sich auf nervenärztlichem Gebiet ein erheblich krankheitswertiger Symptomkomplex. Für die gesamte Belastung durch die schwierigen Verhältnisse in Kindheit und Jugend wünsche die Klägerin nun eine Entschädigung. Aus psychiatrischer Sicht würden sich die Verhältnisse jedoch als relativ kompliziert darstellen. Die Umstände, unter denen die Klägerin aufgewachsen sei (emotionale Defizite, instabile Verhältnisse, wechselnde Partner der Mutter, Erfahrungen von Gewalt in der Umgebung, Frühüberforderung durch Verantwortung für die Geschwister) seien von sich aus geeignet, ganz ohne zusätzliche spezifische Gewalterfahrungen, massive psychische und psychosomatische Erkrankungen zu bewirken. Für alle drei derzeit vorherrschenden Krankheitsbilder biete, so Dr. P., die gesamte Kindheitsgeschichte ohne spezifisch schwerbedrohliche Ereignisse schon eine ausreichende Erklärung. Entsprechend der Feststellung im Gutachten zur Aussagetüchtigkeit der Klägerin (siehe oben) habe auch die aktuelle Exploration keinen Anlass ergeben, die Schilderungen vor allem über den Übergriff im Hausflur wie auch der Schläge in den Schulen in Zweifel zu ziehen; anzumerken sei allerdings, dass die Klägerin dieses gänzlich ohne emotionale Beteiligung und affektive Erregung vorgetragen habe. Vor allem die Übergriffe im Hausflur und Schläge der Lehrer seien als Risikofaktoren in einem komplexen Bedingungsgefüge zu verstehen, die die Intensität mancher Symptome der Klägerin erhöhen könnten, jedoch in keinem Fall allein ursächlich für eines der genannten Störungsbilder anzusehen seien.
Alle vorliegenden psychiatrischen Krankheitsbilder wären, so die Sachverständige, mit Wahrscheinlichkeit auch ohne spezifische zusätzliche Ereignisse allein durch die denkbar ungünstigen Kombinationen aus anlagebedingter psychischer Minderbelastbarkeit, möglichen kognitiven Beeinträchtigungen durch hirnorganische Schädigungen und vor allem durch die sehr ungünstigen Sozialisationsbedingungen entstanden. Es sei allenfalls davon auszugehen, dass die oben genannten beiden Gewalttaten zu einer Verstärkung vorliegender psychischer Auffälligkeiten geführt hätten. Dies gelte insbesondere für die dissoziative Symptomatik. Eine genauere Zuordnung lasse sich leider bei völligem Fehlen objektivierter Berichte über die Schädigungen und etwaiger unmittelbarer Reaktionen nicht treffen. Damit sei die allenfalls anzuerkennende Schädigungsfolge als Verschlimmerung insbesondere einer gemischten dissoziativen Störung zu bezeichnen. Ungeachtet des glaubhaften Leidensdrucks durch den fluktuierenden Gesamtzustand lasse sich der schädigungsbedingte Anteil am Störungsbild allenfalls auf einen GdS von 10 bis maximal 20, eher unterhalb davon, festlegen. Wie bereits erwähnt, lägen keinerlei typische Symptome einer PTBS vor. Wenn man davon ausgehe, dass ein Teil der Symptomatik als Teilsymptome einer komplexen PTBS einzuordnen sei, dann liege hier ebenfalls ein GdS von maximal 20 vor.
Mit Schriftsatz vom 10.07.2015 hat die Klägerin eine außerordentlich umfangreiche Stellungnahme zu dem Gutachten übersandt. Darin finden sich sehr viele einzelne Beanstandungen, u.a. hinsichtlich der aus ihrer Sicht unzutreffenden Wiedergabe von Abläufen der Ereignisse und der Wiederholung von klägerischen Angaben bei der Begutachtung. Zudem seien im Gutachten teilweise unzutreffenden Behauptungen aufgestellt worden.
Die mündliche Verhandlung des SG vom 10.09.2015 ist nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage zur Einholung einer weiteren gutachterlichen Meinung vertagt worden.
Sodann hat im Auftrag des SG die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. am 23.04.2016 ein weiteres Sachverständigengutachten erstellt. Darin hat sie zusammenfassend darauf hingewiesen, dass schon aufgrund der fehlenden ausreichenden emotionalen Fürsorge im Elternhaus, der Frühübernahme von Verantwortung, der erzwungenen Mitarbeit, dem belastenden, asozialen Umfeld, der zunehmenden Isolation und dem Kontaktverlust zu Gleichaltrigen und dem häufigen Fehlen in der Schule ausgeprägte psychische Belastungen bestehen würden, die aus ihrer, der Fachärztin E., Sicht sicher ausgereicht hätten, um die Disposition für eine psychische Störung oder auch eine Entwicklung vom Krankheitswert auszulösen. Daneben bestünden im gleichen Zeitraum die nach dem OEG anerkannten psychischen Belastungen wie Versuche von sexuellen Übergriffen, Gewalterfahrungen durch Fremdtäter bzw. Täter im sozialen Umfeld der Klägerin. Insbesondere die Übergriffe durch den Lebensgefährten der Mutter und der Überfall im Hauseingang/Hausflur 1976 würden die Eingangskriterien für die Entwicklung einer möglichen Traumafolgestörung erfüllen. Die Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die nicht schädigungsbedingten Ursachen neben den schädigungsbedingten im zeitlichen Kontext mehr oder weniger gleichzeitig bestanden und so auch gleichzeitig auf die Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin eingewirkt hätten; sie hätten sich zu sequenziellen Belastungen und Traumatisierungen über einen Zeitraum ca. vom Schuleintritt bis zum 14. Lebensjahr der Klägerin summiert. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen gewesen sei und sich auch körperlich nicht ausreichend wehren habe können, den Tätern in der Regel unterlegen gewesen sei, auch wenn es ihr gelungen sei, "einige Situationen erfolgreich abzuwehren." Es sei kaum möglich, so die Fachärztin E., die jeweiligen schädigenden Einwirkungen und deren Folgen eindeutig voneinander zu trennen. Durch die "gute" Eheschließung sei die Klägerin dann in einem stabileren Umfeld und über einen längeren Zeitraum dann auch arbeitsfähig gewesen. Eine ausgeprägte Dekompensation werde von der Klägerin und auch in den Aktenunterlagen seit ca. 1998/99 benannt.
Aufgrund der vielfältigen Ursachen sei es kaum möglich, hier jeweils einzelne Ursachen der Entstehung der Symptomatik zuzuordnen. Sowohl die als nicht schädigungsbedingt gewerteten Ursachen als auch die nach dem OEG berücksichtigten Ursachen würden gleichermaßen zur Entwicklung des heute vorliegenden Störungsbilds beitragen. Die Sachverständige hat betont, dass aus ihrer Sicht die nicht schädigungsbedingten Ursachen (wie z.B. das elterliche häusliche Milieu) ausgereicht hätten, um das heutige Störungsbild zu verursachen. Anders als vom Beklagten behauptet handle es sich im Übrigen bei den Übergriffen durch die Fremdtäter im Umfeld nicht jeweils um nur kurz einwirkende Ursachen.
Die Diagnose einer schizophrenen Psychose oder einer Schizophrenie könne von ihr, der Fachärztin E., nicht nachvollzogen werden. Die Bewegungsstörungen müssten deshalb als dissoziative Bewegungsstörung bewertet werden, würden aus ihrer gutachterlicher Sicht aber kein eigenständiges Krankheitsbild darstellen, sondern seien im Rahmen der komplexen PTBS mitzubewerten; diese seien hier häufig und typisch auftretende Symptome.
Schließlich hat die Sachverständige auch zum Gutachten von PD Dr. K. (s.o.) Stellung genommen.
Insgesamt handle es sich bei der komplexen PTBS der Klägerin im vorliegenden Fall um eine sehr schwere Störung mit starken sozialen Anpassungsschwierigkeiten; es liege aufgrund des damit verbundenen ausgeprägten regressiven Verhaltens sowie der Bewegungs- und Sehstörungen eine die Alltagsfähigkeiten und die sozialen Aktivitäten stark beeinträchtigende Symptomatik vor. Die Klägerin sei daher auf Hilfe ihres Ehemanns angewiesen. Einer Tätigkeit könne sie nicht nachgehen.
Zusammenfassend hat die Gutachterin darauf hingewiesen, dass seit Februar 2011 auf psychiatrischem Fachgebiet das Vollbild einer komplexen PTBS vorliege. In diesem Störungsbild seien die benannten depressiven, somatoformen, Angstsymptome, dissoziativen Bewegungseinschränkungen enthalten. Zusätzlich bestehe eine Migräne, derzeit bis viermal jährlich. Es sei von einem nicht schädigungsbedingten Vorschaden auszugehen und von einer Verschlimmerung durch die anerkannten schädigenden Ursachen. Die anzuerkennende Schädigungsfolge sei: Verschlimmerungsanteil der komplexen PTBS. Ab Februar 2011 sei der schädigungsbedingte Anteil mit einem GdS von 30, der nicht schädigungsbedingte Anteil mit einem GdB von 60, das gesamte Störungsbild mit einem GdB von 60 zu bezeichnen. Hierin seien die zusätzlich bestehenden körperlichen Gesundheitsschäden nicht enthalten. Der GdS habe sich im Zeitablauf nicht wesentlich geändert.
In der Stellungnahme des Beklagten vom 06.07.2016 ist darauf hingewiesen worden, dass selbst dann, wenn man dem Gutachten der Sachverständigen E. folgen und zu einem an sich rentenberechtigenden GdS von 30 kommen würde, dies nur für Taten gelte, die nach dem Inkrafttreten des OEG stattgefunden hätten, womit z.B. die geltend gemachten Misshandlungen an der Grundschule entfallen würden, da diese sicherlich nicht nach Mai 1976 erfolgt seien. Nach § 10a OEG und dem Urteil des BSG vom 18.11.2015 (B 9 V 1/14 R) müsse die Schädigung, die sich vor dem Stichtag des Inkrafttretens des OEG ereignet habe, für sich alleine betrachtet zu einer Schwerbeschädigung geführt haben. In der Gesamtschau werde im Übrigen deutlich, dass die bisherige Anerkennung und insbesondere der GdS von 20 ohnehin "grenzwertig großzügig" seien. In der zugrunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen Dr. K. vom 23.06.2016 ist im Wesentlichen darauf hingewiesen worden, dass es definitionsgemäß nicht möglich sei, wie von der Fachärztin E. postuliert, eine komplexe PTBS im Vollbild zu diagnostizieren, während gleichzeitig eine einfache PTBS verneint werde. Davon unabhängig müsse gesehen werden, dass die derzeit gültigen Klassifikationssysteme den Begriff einer komplexen PTBS nicht verwende. Übereinstimmung könne von seiner Seite mit der Sachverständigen dahingehend herrschen, dass im Hinblick auf das Vorliegen der Symptome einer einfachen PTBS allenfalls nur ganz wenige Teilsymptome vorliegen würden. Entsprechend sei auch von der Vorgutachterin Dr. P. ein GdS von maximal 20 gesehen worden. Die differenzialdiagnostische Zuordnung des Gesamtbilds bei der Klägerin sei auch bei ursachenunabhängiger Betrachtung schwierig. Die bislang vom Beklagten nach dem OEG anerkannten Schädigungsfolgen der Teilsymptomatik einer PTBS und einer Persönlichkeitsstörung seien jedoch als Folgen der zu betrachtenden traumatisierenden Ereignisse mit relativ hoher Sicherheit zutreffend. Da der GdS weiterhin nicht höher als 20 gesehen werde, seien Aussagen über eine eventuelle besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG entbehrlich. Im Hinblick auf die Anwendung des § 10a OEG sei es im vorliegenden Fall sehr schwierig bis kaum möglich, einzelne Taten im Hinblick auf das Stichdatum genau zuzuordnen. Ob die Tat vor oder nach dem 16.05.1976 passiert sei, könne trotz der Angaben der Klägerin nicht sicher gesagt werden.
Im Auftrag des SG hat sodann am 24.03.2017 die Sachverständige E. zu ihrem Gutachten vom 23.04.2016 ergänzend Stellung genommen. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie die Diagnose einer komplexen PTBS gestellt habe, da bis heute nach den gängigen Klassifikationssystemen nach den VG entschieden werde und hier das neue DSM-V noch nicht zugrunde gelegt werde. Die Bezeichnung der Diagnose sei für die Beurteilung des GdS letztlich jedoch nicht ausschlaggebend, sondern die Funktionseinschränkungen. Wie in ihrer Begutachtung werde auch in den Vorgutachten, wie dem von PD Dr. K., im Sinne der Verschlimmerung ein Teil der heute vorliegenden psychischen Gesundheitsstörungen auf die schädigungsbedingten Ursachen bezogen. Sie, die Fachärztin E., habe in ihrer Begutachtung wie vom Beklagten angegeben alle Taten zugrunde gelegt, die nach dem OEG anerkannt worden seien. Diese Taten auszuwählen sei nicht Aufgabe der Gutachterin, sondern sei eine rechtliche Frage. Die Sachverständige ist bei der Diagnose einer komplexen PTBS, die ursächlich auf alle benannten Lebensbelastungen und traumatischen Ereignisse im Leben der Klägerin zurückgeführt werde, verblieben. Ebenso hat sie bestätigt, dass ein Anteil dieses Störungsbilds aufgrund der zugrunde gelegten traumatischen Ereignisse entstanden sei. Ohne Aufteilung der Taten nach der Zeit vor und nach dem Stichtag halte sie, die Sachverständige, auch an einem GdS von 30 fest. Sofern aber nur noch die Taten nach dem Stichtag 15.05.1976 zugrunde gelegt würden, ergäbe sich aus ihrer Sicht ein GdS von 20.
Am 29.06.2017 hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSA) und Ausgleichsrente nicht Streitgegenstand seien.
Mit Urteil vom 03.08.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter Verweis auf die Sachverständigengutachten von Dr. P. und der Fachärztin E. hat das SG darauf hingewiesen, dass für die Schädigung vor 16.05.1976 ein GdS von mindestens 50 nicht nachgewiesen sei. Die Klägerin habe, so das SG, bisher ein durchaus erfolgreiches Arbeitsleben absolviert, führe eine stabile Ehe und habe im Rahmen ihrer Möglichkeiten drei Kindern gute Voraussetzungen für ihre Entwicklung bieten können. Mit Blick auf die ungünstigen Bedingungen für die Klägerin in ihrer Herkunftsfamilie sei auffällig, dass der Klägerin schon frühzeitig ein durchaus stabiles Selbstbewusstsein mitgegeben worden sei, mit dem sie sämtliche sexuelle Bedrängungen durch Partner und Gäste der Mutter habe abwehren können. Zu einem vollendeten sexuellen Missbrauch sei es dank der Standhaftigkeit der Klägerin nie gekommen. Entsprechend der genannten Gutachten komme allenfalls ein GdS-Wert zwischen 20 und 30 in Betracht. Für die Schädigungen nach dem 15.05.1976 werde ein GdS von 30 nicht erreicht. Dafür sei erforderlich, dass der Übergriff im Hausflur mit Sicherheit nach dem genannten Zeitpunkt zu datieren wäre und dass hieraus allein ein GdS von 30 resultieren würde. Beide Kriterien seien aber nicht erfüllt. Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin käme eine Tatzeit, so das SG, zwischen Oktober 1975 und April 1976 in Betracht. Zudem sei allein aus diesem Übergriff keine medizinisch definierbare Folge ableitbar, die mit einem GdS von 30 zu bewerten sei. Die Klägerin habe durch entschlossene und erfolgreiche Gegenwehr die Situation in großer Schnelligkeit bereinigen können. Von daher sei der Vorfall keinesfalls mit einem Ereignis des vollendeten sexuellen Missbrauchs gleichzusetzen.
Am 20.11.2017 hat die Klägerin gegen das Urteil Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen hervorgehoben, dass der Überfall im Hausflur ca. im Juni/Juli 1976 stattgefunden habe und dass insoweit auf das bereits erstellte Glaubhaftigkeitsgutachten hinzuweisen sei. Dem SG könne nicht darin zugestimmt werden, dass der "Übergriff durch den Exhibitionisten" nicht mit Sicherheit nach dem 15.05.1976 zu datieren sei. Die Annahme, dieser Übergriff sei mit einem GdS von weniger als 30 zu bewerten, sei unzutreffend. Die - nicht mögliche - Aufteilung hinsichtlich des GdS für Taten vor und nach dem 15.05.1976 dürfe nicht der Klägerin angelastet werden.
Mit Beschluss vom 15.01.2018 hat der Senat der Klägerin PKH bewilligt und die Bevollmächtigte beigeordnet.
Mit Schriftsatz vom 29.01.2018 hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass kaum feststellbar sei, welche Taten welche primären gesundheitlichen Schädigungen ausgelöst hätten. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Taten, die sich vor dem Stichtag ereignet hätten, im Hinblick auf die Regelung von § 10a OEG nicht berücksichtigt werden könnten, da jedenfalls nicht feststehe, dass alleine durch diese Taten ein GdS von 50 ausgelöst worden sei. Die Klägerin verkenne die rechtlichen Vorgaben der Härtefallregelung des § 10a OEG. Wenn nun von Klägerseite moniert werde, dass keine Beweise vorliegen würden, da 1976 kein Gutachten erstellt worden sei, so treffe dies den Problemkern durchaus. Letztlich sei der Klägerin das Problem jedoch selbst anzulasten, da sie zumindest nicht nach der letzten Gewalttat zeitnah (d.h. nach der Lösung vom Elternhaus oder nach Eintritt der Volljährigkeit - also spätestens Anfang der 1980er-Jahre - ) ein Verfahren auf OEG-Leistungen eingeleitet habe. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wären die Ermittlungsmöglichkeiten bezüglich des Gesundheitszustands der Klägerin damals erheblich besser gewesen. Im weiteren Schriftsatz vom 30.05.2018 ist darauf hingewiesen worden, dass nicht automatisch allen Tatbeständen, die sich ab dem 16.05.1976 ereignet hätten, und den daraus resultierenden Schädigungsfolgen ein rentenberechtigender GdS von 30 beigemessen werden könne. Denn unzweifelhaft sei es ja so, dass hier mit Blick auf die Taten, die sich vor dem Inkrafttreten des OEG ereignet hätten, ein erheblicher Vorschaden zu diagnostizieren sei, wenn diese Taten auch bei der GdS-Bemessung nicht zu berücksichtigen seien. In Gemengelagen wie vorliegend gehe die letztlich vorhandene Unaufklärbarkeit dahingehend, welchen Taten bestimmte Schädigungsfolge zuzuordnen seien, zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Klägerin.
Am 16.10.2018 hat ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage haben die Beteiligten einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 03.08.2017 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 28.11.2012 in der Fassung des Bescheids vom 14.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2014 zu verurteilen, als Schädigungsfolge im Sinne des OEG eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung festzustellen und ab Februar 2011 Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin hat, wie das SG zu Recht entschieden hat, keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente wegen den o.g. erlittenen Übergriffen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Der Bescheid vom 28.11.2012 in der Fassung des Bescheids vom 14.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Gewährung einer Beschädigtenrente und damit die Höhe des GdS einschließlich der Frage einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG, da diese keinen isolierten Streitgegenstand darstellt; bei ihr handelt es sich lediglich um einen Teilfaktor zur Bemessung des GdS, der wiederum nur Tatbestandsmerkmal für Leistungsansprüche ist (vgl. die Urteile des Senats vom 19.07.2011 - L 15 VG 20/10 - und 31.07.2018 - L 15 VU 3/13). Entsprechend der Annahme der Klägerin im Schriftsatz vom 26.04.2017 sind insbesondere eine Ausgleichsrente gemäß § 32 BVG oder ein Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 3 BVG (der Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG ist gegenüber dem BSA nach § 30 Abs. 3 BVG selbständig, eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht, vgl. die Urteile des Senats vom 23.05.2017 - L 15 VU 1/11 - und vom 31.07.2018, a.a.O.) nicht Gegenstand. Der Beklagte hat hierüber bisher nicht entschieden.
Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30.
Personen, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 geschädigt worden sind, erhalten gem. § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG auf Antrag Versorgung, solange sie
1. allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt sind und
2. bedürftig sind und
3. im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch setzt zunächst voraus, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt hat, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen bedingen. Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen müssen dabei im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Für den zwischen diesen drei "Gliedern der Kausalkette" erforderliche ursächliche Zusammenhang genügt es, wenn dieser mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R).
I. Bei der Beurteilung einer Handlung als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (und der Eingrenzung des schädigenden Vorgangs als erstem Glied der versorgungsrechtlichen Ursachenkette) geht der Senat von folgenden rechtlichen Maßgaben aus (vgl. z.B. Urteile v. 05.02.2013 - L 15 VG 22/09, vom 20.10.2015 - L 15 VG 23/11 - und 16.11.2015 - L 15 VG 28/13; zum Ganzen vgl. auch BSG, Urteile v. 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R sowie B 9 V 3 /12 R, v. 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R, sowie vom 18.11.2015 - L 15 VG 1/14 R):
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zu berücksichtigen, dass die Verletzungshandlung im OEG entsprechend dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das StGB geregelt ist (vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011 - B 9 VG 2/10 R, m.w.N.). Gleichwohl orientiert sich die Auslegung an der im Strafrecht gewonnenen Bedeutung des auch dort verwendeten rechtstechnischen Begriffs des "tätlichen Angriffs" (vgl. insbesondere BSG, Urteil v. 28.03.1984 - B 9a RVg 1/83). Die Auslegung hat sich mit Rücksicht auf den das OEG prägenden Gedanken des lückenlosen Opferschutzes aber weitestgehend von subjektiven Merkmalen (z.B. einer kämpferischen, feindseligen Absicht des Täters) gelöst (st. Rspr. seit 1995; vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011, a.a.O., m.w.N.). Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das BSG vornehmlich aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden (vgl. z.B. Urteil v. 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R).
Der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist also grundsätzlich unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung (§§ 113, 121 StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).
Soweit eine gewaltsame Einwirkung vorausgesetzt wird, hat das BSG entschieden, dass der Gesetzgeber durch den Begriff des "tätlichen Angriffs" den schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt und den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff eingeschränkt hat (vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011, a.a.O., m.w.N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 StGB (vgl. hierzu z.B. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 240, Rdnr. 8 ff, m.w.N.) zeichnet sich der tätliche Angriff gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus, d.h. er wirkt physisch auf einen anderen ein (vgl. das strafrechtliche Begriffsverständnis der Gewalt im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB).
Ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegt im Regelfall bei einem gewaltsamen, handgreiflichen Vorgehen gegen eine Person vor (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), setzt jedoch nach seiner äußeren Gestalt nicht unbedingt ein aggressives Verhalten des Täters voraus; das BSG ist einem an Aggression orientierten Begriffsverständnis des tätlichen Angriffs letztlich nicht gefolgt (st. Rspr. seit 1995; vgl. BSG, Urteile vom 18.10.1995 - B 9 RVg 4/93 und B 9 RVg 7/93 bzgl. sexuellen Missbrauchs an Kindern). Dahinter steht der Gedanke, dass auch nicht zum (körperlichen) Widerstand fähige Opfer von Straftaten den Schutz des OEG genießen sollen (vgl. BSG v. 07.04.2011, a.a.O.); in Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern ist für die "unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Kindes" entscheidend, dass die Begehensweise, nämlich die sexuelle Handlung, eine Straftat war, unabhängig davon, ob bei der Tatbegehung das gewaltsam handgreifliche (oder das spielerische) Moment im Vordergrund steht (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).
Die von der Klägerin geltend gemachten Handlungen des sexuellen Missbrauchs und die weiteren vorgetragenen Gewalttaten durch die Beschuldigten müssen - ebenso wie die anderen beiden Glieder der Kausalkette (s.o.: primäre Schädigung und die geltend gemachten Schädigungsfolgen) - nachgewiesen sein. Wie der Senat wiederholt (vgl. z.B. die Urteile vom 05.05.2015 - L 15 VG 31/12, 18.05.2015 - L 15 VG 17/09 ZVW, 20.10.2015 - L 15 VG 23/11 und 26.01.2016 - L 15 VG 30/09) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92; Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128, Rdnr. 3b).
II. Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen muss der Angriff gem. § 1 Abs. 1 S. 1 OEG im Sinne der erwähnten dreigliedrigen Kausalkette (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R) also zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.
Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Eine potentielle Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend" nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, a.a.O., § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66). Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R). Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen. Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. BSG, a.a.O.).
1. Unter Beachtung dieser Maßgaben ist wie die Beteiligten und das SG auch der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin in dem genannten Gesamtzeitraum Opfer zahlreicher vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe durch verschiedene Personen geworden ist. Dies ergibt sich insbesondere aus den glaubhaften Angaben der Klägerin und dem Gutachten der Dipl.-Psych. L. vom 11.01.2012. Zudem besteht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens kein Zweifel daran, dass die Klägerin unter Bedingungen aufgewachsen ist, wie die zum Beispiel von der Sachverständigen E. beschriebenen fehlenden ausreichenden emotionalen Fürsorge im Elternhaus, der frühen Übernahme von Verantwortung, der erzwungenen Mitarbeit, dem belastenden (asozialen) Umfeld, der zunehmenden Isolation und dem Kontaktverlust zu Gleichaltrigen, dem häufigen Fehlen in der Schule. Hinzukommt, wie die Sachverständige Dr. P. plausibel dargelegt hat, die anlagebedingte psychische Minderbelastbarkeit und die mögliche kognitive Beeinträchtigung durch hirnorganische Schädigungen, wobei sich entsprechend dem Hinweis der Sachverständigen auch die Kombination der genannten Faktoren ungünstig auf die Klägerin ausgewirkt hat. Diese ungünstigen Bedingungen und Faktoren stellen keine Angriffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG dar.
2. Gegenstand des Verfahrens sind somit die von der Klägerin im Verfahren geltend gemachten und vom Beklagten verbindlich anerkannten Angriffe im obigen Sinn, die auch von den Sachverständigen zugrunde gelegt wurden, wie sich aus den beiden Gutachten vom 21.05.2015 und 23.04.2016 ergibt. Nicht zu berücksichtigen sind die (eben) im Einzelnen genannten "ungünstigen Bedingungen", die aber auch zum Teil von der Klägerin (wie etwa am 05.11.2014 der "Bildungsentzug") vorgetragen worden sind. Diese stellen offensichtlich keine rechtswidrigen tätlichen Angriffe im Sinne von § 1 OEG dar, da es hier bereits an der Tätlichkeit in diesem Sinne fehlt, soweit überhaupt von Handlungen anderer Personen auszugehen wäre.
3. Aufgrund der schädigenden Ereignisse, d.h. der genannten Angriffe, ist der Verschlimmerungsanteil der komplexen PTBS der Klägerin als Schädigungsfolge anzuerkennen. In diesem Störungsbild sind die depressiven, somatoformen und Angstsymptome sowie dissoziativen Bewegungseinschränkungen enthalten.
Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aus dem plausiblen und fundierten Gutachten der Sachverständigen E ... Der Senat macht sich nach eigener Prüfung diese sachverständige Feststellung zu eigen.
Eine psychotische Erkrankung besteht bei der Klägerin dagegen nicht. Wie die Fachärztin E. nachvollziehbar dargelegt hat, können die berichteten psychotischen Symptome auch bei anderen Krankheitsbildern auftreten und sind im Rahmen der komplexen PTBS zu werten. Eindeutige Ich-Störungen haben zu keiner Zeit vorgelegen. Hinweise für organische Ursachen finden sich nicht.
Im Übrigen sieht der Senat keine Veranlassung dafür, die exakte Diagnosestellung im Einzelnen zu erörtern bzw. in Hinblick auf die o.g. versorgungsärztliche Äußerung von Dr. K. in Frage zu stellen. Wie die Sachverständige E. zu Recht betont hat, ist die Bezeichnung der Diagnose für die Beurteilung des GdS letztlich nicht ausschlaggebend. Maßgebend sind vielmehr die Funktionseinschränkungen der Klägerin. Es kommt aus Sicht des Senats also nicht darauf an, ob die Diagnose der komplexen PTBS unangreifbar ist. An der von der Sachverständigen festgestellten und in die Bewertung einbezogenen Funktionseinschränkungen (s.o.) hat der Senat keine Zweifel.
4. Die o.g. Voraussetzungen für die Gewährung einer Beschädigtenrente sind jedoch nicht erfüllt. Insgesamt ist für die Schädigungsfolgen nur ein GdS von 20 anzusetzen.
Auch dies ergibt sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aus den plausiblen Gutachten der Sachverständigen Dr. P. und E ...
a. Dabei sind für die im Zeitraum bis 15.05.1976 begangenen Übergriffe gegen die Klägerin die Voraussetzungen von § 10a OEG zu beachten. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.11.2015 - B 9 V 1/14 R) ist das Tatbestandsmerkmal von § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" erfüllt, wenn sich die zu einer Schwerbeschädigung führende Schädigung bis zu dem genannten Stichtag ereignet hat und diese schädigenden Ereignisse für sich betrachtet einen GdS von mindestens 50 und damit die Schwerbeschädigteneigenschaft erreichen. Die Schädigung muss nicht ausschließliche Ursache für die vorliegenden Gesundheitsschäden sein. Es kommt nicht darauf an, ob diese Schädigungen im Nachhinein durch weitere Schädigungen nach dem Stichtag überlagert und beeinflusst werden. Eine derart restriktive Auslegung, dass also an sich der Härtefallregelung unterfallende Schädigungen im Nachhinein wieder ausgeschlossen wären, ist mit Sinn und Zweck der Härtefallregelung des § 10a OEG nicht vereinbar (a.a.O.).
b. Dementsprechend sind, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, die vor dem Stichtag erfolgten Taten bzgl. der Angriffe ab 16.05.1976 nur dann als Mitverursachungsbeiträge - und nicht als Vorschäden - zu berücksichtigen, wenn alleine durch sie ein GdS von 50 ausgelöst worden ist, da nur dann die Voraussetzungen von § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sind. Eine Lösung dieser von der Literatur (Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 10a OEG, Rdnr. 4) aufgezeigten und vom Beklagten vorliegend (s. den Schriftsatz vom 30.05.2018) als Ausfluss einer undifferenzierten und unreflektierten Gesetzgebung bezeichneten Problematik durch die (von Rademacker, a.a.O.) präferierte Annahme einer fortgesetzten Handlung muss hier aufgrund der bestehenden Sachlage bereits von vornherein ausscheiden. So wurde vorgeschlagen (a.a.O.), dass ein fortgesetzter sexueller Missbrauch durch ein und dieselbe Person unter bestimmten Voraussetzungen als einheitliche Gewalttat anzusehen sei und nur dann unter die Beschränkungen des § 10a OEG falle, wenn diese Gewalttat am 15.05.1976 bereits abgeschlossen gewesen sei; hierfür "spreche nach Sinn von § 10a OEG Einiges". Diese Voraussetzungen sind beim streitgegenständlichen Geschehen jedoch klar nicht gegeben, da es - anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 18.02.2014 (L 15 VG 2/09) zugrundeliegenden Sachverhalt (s. das o.g. Urteil des BSG vom 18.11.2015 hierzu) - vorliegend um völlig unterschiedliche Angriffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch (zahlreiche) verschiedene Täter geht.
c. Daraus ergibt sich hier Folgendes:
(1) Wie die Sachverständigen Dr. P. und E. in ihren Gutachten plausibel dargelegt haben, liegt hinsichtlich der bis zum genannten Stichtag erfolgten Übergriffe ein GdS von mindestens 50 gerade nicht vor. Anzunehmen ist allenfalls ein GdS von 30, wie sich auch aus der ergänzenden Stellungnahme der Fachärztin E. nachvollziehbar ergibt.
Der Senat macht sich auch diese sachverständigen Feststellungen der beiden Gutachterinnen nach eigener Prüfung zu eigen.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Vorfall im Hausflur bereits vor dem genannten Stichtag erfolgt wäre, ergäbe sich, wie insbesondere auch aus dem plausiblen Gutachten von Dr. P., aber auch aus der ergänzenden Stellungnahme der Fachärztin E. vom 24.03.2017 folgt, kein GdS von 50.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Sachverständigengutachten von PD Dr. K., das der Beklagte in Auftrag gegeben hat. Dabei kann in vollem Umfang auf die überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen E. verwiesen werden, die sich detailliert mit dem Gutachten auseinandergesetzt und plausibel dargelegt hat, dass die von der Gutachterin PD Dr. K. erfolgte Einteilung, dass die schädigenden Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Somatisierungsstörung, der PTBS und der dissoziativen Bewegungsstörungen kausale Ursachen seien, nicht nachvollziehbar ist. Wie die Sachverständige E. in ihrem Gutachten herausgearbeitet hat, liegt eine "normale" PTBS mit Sicherheit nicht vor, da hierfür die Symptome nicht ausreichend vorhanden sind und im Übrigen auch in der Begutachtung durch PD Dr. K. nicht ausreichend beschrieben worden sind. Entsprechend den nachvollziehbaren Darlegungen der Gutachterin E. hat Dr. K. auch nicht erklären können, wie die von ihr vorgenommene eindeutige Trennung zwischen der rezidivierenden depressiven Episode und einer komplexen PTBS, Somatisierung und dissoziativen Bewegungsstörungen im Sinne einer Entstehung zustande gekommen ist. Der Senat teilt die Einschätzung der Sachverständigen, dass die Einteilung von PD Dr. K. willkürlich ist, und folgt Ersterer, dass die komplexe PTBS sowohl durch die schädigungsbedingten als auch durch die nichtschädigungsbedingten Ursachen entstanden ist und dass eine daneben bestehende Somatisierungsstörung, eine dissoziative Bewegungsstörung sowie auch die depressive Symptomatik in dieses Störungsbild mit eingeht und deshalb keiner eigenen Diagnose bedarf. Mit der Sachverständigen E. geht der Senat ebenfalls davon aus, dass die Bestimmung des GdS durch PD Dr. K. sehr willkürlich erfolgt ist. Für die einzelnen Symptomkomplexe sind keine eigenen Störungsbilder zu benennen, da wie dargelegt die benannten Symptome in die komplexe PTBS mit eingehen. Entsprechend der plausiblen Einschätzung der Fachärztin E. ist auch der Ansatz mit einem GdB von 20 für den nicht schädigungsbedingten Vorschaden nicht nachvollziehbar.
(2) Unter Berücksichtigung der ab 16.05.1976 erfolgten Angriffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist kein GdS von mindestens 30 festzustellen. Dies folgt ebenfalls aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Wie sich nach Auswertung aller vorliegenden Unterlagen, Angaben und vor allem der Sachverständigengutachten - besonders deutlich - ergibt, sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin multifaktoriell bedingt. Wie insbesondere die Sachverständige E. ausdrücklich dargelegt hat, ist es aufgrund der vielfältigen Ursachen "kaum möglich", einzelne Ursachen der Entstehung den (einzelnen) psychiatrischen Gesundheitsstörungen zuzuordnen. Sowohl die als nicht schädigungsbedingt gewerteten Ursachen als auch die nach dem OEG zu berücksichtigenden tragen zur Entwicklung des heute vorliegenden Störungsbilds bei. Schließlich ist eine Aufteilung der Verursachungsbeiträge bzgl. des Zeitpunkts 15.05.1976 zumindest zusätzlich schwierig.
Der Senat schließt sich trotz deshalb bestehender Bedenken jedoch der - sicherlich nicht restriktiven - Auffassung der Sachverständigen E. an, dass unter Beachtung der o.g. Kausalitätskriterien zur Mitursächlichkeit ein gewisser Anteil der (komplexen) PTBS kausal (im Sinne der Verschlimmerung) auf die schädigenden Ereignisse zurückgeführt werden kann. Er sieht jedoch keinen Ansatzpunkt dafür, über die von der Sachverständigen angenommene GdS-Höhe von 20 noch hinauszugehen. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Zusammenschau mit dem Gutachten von Dr. P. und unter Berücksichtigung der bereits im Einzelnen dargelegten Einwände gegen das Gutachten von PD Dr. K ...
Etwas anderes folgt auch nicht unter der Annahme, dass sich der Vorfall im Hausflur erst nach dem 16.05.1976 zugetragen haben könnte. Denn selbst unter Einbeziehung dieses Vorfalls, die die Sachverständige vorgenommen hat, ist kein höherer GdS (als 20) nachgewiesen. Zudem hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch entschlossene und erfolgreiche Gegenwehr die Situation in größer Schnelligkeit bereinigen konnte. Schließlich ist dessen ungeachtet vor allem aber auch bereits wegen der Vielzahl der schädigenden Ereignisse die Kausalität (s. im Einzelnen oben) fraglich; die Beurteilung der Sachverständigen Dr. P., dass das Ereignis im Hausflur - gemeinsam mit den Schlägen der Lehrerin als einzige Vorfälle - vorübergehende starke Gefühle der Hilflosigkeit und Bedrohung auszulösen vermocht habe, erscheint aus Sicht des Senats im Hinblick auf die (auch nach den Angaben der Klägerin festzustellende) Kürze des Vorfalls nicht unangreifbar und stellt für sich allein noch keinen Beleg für einen wesentlichen Mitverursachungsbeitrag dar. Allein wegen dieses einen Ereignisses ist eine GdS-Erhöhung von 20 auf 30 nicht angezeigt. Vor allem aber ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sich der Vorfall tatsächlich vor dem genannten Stichtag ereignet hat. Wie der Beklagte zutreffend dargelegt hat (s. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.06.2016), hat die Klägerin zwar (im Rahmen der aussagepsychologischen Untersuchung durch die Dipl.-Psych. L. vom 30.11.2011) eindeutig berichtet, dass das Ereignis im Hausflur im Sommer stattgefunden habe, wobei sie damals zwölf oder zwölfeinhalb Jahre alt gewesen sei. Daher kommt als Tatzeitpunkt Sommer 1976 in Betracht. Ob die Tat jedoch vor oder nach dem 16.05.1976 geschehen ist, kann der Angabe der Klägerin unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin ihre Aussage mehr als 30 Jahre nach dem Ereignis getätigt hat, nicht sicher entnommen werden. Eine monatsgenaue Zuordnung dürfte retrospektiv, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist, kaum möglich sein. Nachdem auch die Witterungsverhältnisse im Jahr 1976 als besonders heiß ("Katastrophensommer") zu kennzeichnen sind, ist es aus Sicht des Senats gut möglich, dass die von der Klägerin wohl erinnerten sommerlichen Temperaturverhältnisse bereits vor dem genannten Stichtag vorgelegen haben können, vgl. z.B. die sommerlichen Tage 08./09.05.1976 (Recherche z.B. bei www.kachelmann-wetter.com/de/messwerte/ bayern/tageshoechsttemperatur/19760510-0000z.htmlm, Messwerte und Klimadaten).
d) Im Übrigen ist der GdS auch nicht wegen besonderer beruflicher Betroffenheit der Klägerin zu erhöhen, § 30 Abs. 2 BVG.
Zwar wurde im Verfahren dargelegt, dass die Klägerin nicht mehr arbeiten könne. Auch ist eine Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit im Rahmen des OEG grundsätzlich möglich (siehe Urteil des BSG vom 18.11.2015, a.a.O., m.w.N.). Die Schädigungsfolgen müssen auch nicht alleiniger Grund für die besondere berufliche Betroffenheit sein (vgl. z.B. Dau, in: Knickrehm, a.a.O. § 30 BVG, Rdnr. 16, m.w.N.). Der GdS ist auch höher zu bewerten, wenn der Betroffene in seinem Beruf erst durch das Zusammenwirken von Schädigungsfolgen mit anderen schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen besonders betroffen ist und hierfür die Schädigungsfolgen wesentlich und damit Ursache im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm sind, weil sie neben anderen Ursachen annähernd gleichwertig zur besonderen beruflichen Betroffenheit beigetragen haben (vgl. die Urteile des BSG vom 18.05.2006 - B 9&8198;a V 6/05 R - und vom 29.11.1973 - 10 RV 617/72).
Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht im oben genannten Sinne wahrscheinlich, dass die Klägerin wegen der nach dem Stichtag erfolgten Angriffe beruflich besonders betroffen wäre. Im Einzelnen kann hierzu auf die Erwägungen hinsichtlich der Kausalität und der multifaktoriellen Verursachung der schwierigen (gesundheitlichen) Situation der Klägerin verwiesen werden. Der Senat folgt auch hinsichtlich der Beurteilung der Kausalität bzgl. der besonderen beruflichen Betroffenheit der plausiblen Darlegung der Sachverständigen E., dass sowohl die als nicht schädigungsbedingt gewerteten Ursachen als auch die nach dem OEG berücksichtigten Ursachen gleichermaßen zur Entwicklung des heute vorliegenden Störungsbilds beitragen. Da aber für die vor dem Stichtag erfolgten Angriffe § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG auch hinsichtlich von § 30 Abs. 2 BVG gilt, kommt den daraufhin nur noch ab 16.05.1976 berücksichtigungsfähigen Angriffen keine wesentliche Mitursächlichkeit im o.g. Sinn zu, weil sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein eben nicht mindestens so viel Gewicht haben wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 6/13 R).
Zu weiteren Ermittlungen besteht kein Anlass und erst recht keine verfahrensrechtliche Pflicht. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass mit weiteren Methoden, die nicht bereits von den anerkannten Sachverständigen Dr. P. und E. angewandt worden wären, einzelne Verursachungsbeiträge hinsichtlich der psychiatrischen Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin "herausgerechnet", d.h. ermittelt werden könnten.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Beschädigtenrente durch den Beklagten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) streitig.
Die 1963 geborene Klägerin, für die ein Grad der Behinderung von 90 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B und die Pflegestufe I festgestellt wurden, stellte am 14.02.2011 beim Beklagten unter Verweis auf eine Reihe von psychischen und neurologischen Störungen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG, da sie ca. 1976 Opfer eines Sexualdelikts geworden sei und da sie psychisch durch die Erziehung und durch Gewalterfahrungen geschädigt worden sei. Hinsichtlich des Sexualdelikts gab die Klägerin im Antrag an, dass der "Sexualtäter" sie im Hausflur ihres Wohnhauses überwältigt und ihr ein Pornoheft ins Gesicht gedrückt sowie seine Hose geöffnet und gesagt habe: "Weißt du, was das ist?". Dabei habe er seinen Körper an sie gedrückt. Als er eine Türe gehört habe, habe er von der Klägerin abgelassen. Hinsichtlich der weiteren Schädigungstatbestände gab die Klägerin an, in ihrer Wohngegend habe sie viel Gewalt mitansehen müssen. Sie habe auch nicht mehr alleine aus dem Haus gehen dürfen und habe den Haushalt führen müssen; teilweise sei sie nicht zur Schule gegangen. Von ihrer - namentlich genannten - Klassenlehrerin sei sie teilweise grundlos geohrfeigt oder mit einem Bambusstock geschlagen worden etc. Auf dem Nachhauseweg sei sie des Öfteren von mehreren Jungen zusammengeschlagen worden. 1979 habe ihr ein Sozialkundelehrer eine feste Ohrfeige gegeben. Als weitere Gewalttaten schilderte die Klägerin schließlich einen Schlag des Lebensgefährten der Mutter, so dass die Klägerin zu Boden gefallen sei, worauf sie mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen sei (ca. 1975). Ca. 1978 seien zwei fremde Männer, Bekannte der Mutter, nach Hause gekommen und hätten die Klägerin zu küssen und sie an die Brust zu fassen versucht. Ähnliches schilderte die Klägerin von weiteren fremden Männern in den Jahren 1977 oder 1978. Ca. 1979 hätten ihre Mutter und ihr Stiefvater fünf fremde Männer mit nach Hause gebracht, bei denen es sich um Personen des sog. Zuhältermilieus gehandelt habe. Die Männer hätten versucht, der Klägerin Drogen und Alkohol zu geben, sie zu küssen und "zu betatschen". Schließlich hätten sie versucht, die Klägerin zur Prostituierten zu machen.
Im Verwaltungsverfahren erstattete die Dipl.-Psych. L. am 11.01.2012 im Auftrag des Beklagten eine aussagepsychologische Stellungnahme und kam darin zu dem Ergebnis, dass die aktuelle sowie tatbestandsbezogene Aussagetüchtigkeit der Klägerin als gegeben anzusehen sei. Nach Analyse der Rahmenkriterien der Aussage (Aussageentstehung und Aussageentwicklung sowie Motivlage) sei allenfalls mäßiges Suggestionspotenzial anzunehmen. Die Qualität der Aussage sei nicht mit einer bewussten Falschaussage zu vereinbaren, so dass mit ausreichender diagnostischer Sicherheit von einem Erlebnisbezug der hier zu beurteilenden Angaben der Klägerin auszugehen sei.
Mit Teilbescheid vom 19.01.2012 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin im Zeitraum von etwa 1969 bis 1979 Opfer von Gewalttaten geworden sei; anerkannt würden insbesondere der sexuelle Missbrauch im Hausflur sowie die Schläge durch die Lehrer bzw. die Gruppe von Schülern. Über die rechtliche Einordnung der Erziehungsmethoden durch die Mutter der Klägerin ergehe wie auch bezüglich der Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folgen der Gewalttaten noch eine gesonderte Entscheidung.
In der Folge führte der Beklagte medizinische Ermittlungen durch. In dem von der Psychiaterin PD Dr. K. am 04.07.2012 eingeholten Gutachten wurde ein Gesamt-GdS von 50 festgestellt. Die Klägerin leide seit dem Kindes- und Jugendalter an einer komplexen chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, an rezidivierenden depressiven Episoden mit Panikattacken (seit etwa 1999) und einer dissoziativen Bewegungsstörung. Die depressiven Phasen mit Panikattacken hätten, so die Gutachterin, bereits zum Zeitpunkt des Schädigungsereignisses vorgelegen. Die Schläge durch die Lehrer und sexueller Missbrauch seien mit Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Somatisierungsstörung, der PTBS und der dissoziativen Bewegungsstörung eine kausale Ursache. Das Milieu, in dem die Klägerin aufgewachsen sei, habe jedoch als prognostisch ungünstiger Faktor für das Auftreten dieser Störungen mitgewirkt. Für die Verschlechterung der vorliegenden Depression und Panikattacken seien die schädigenden Ereignisse eine Mitursache gewesen. Eine Schadensanlage im klassischen Sinn sei nicht nachweisbar. Bei der Klägerin seien jedoch äußerst ungünstige psychosoziale Umstände vor den schädigenden Ereignissen zu eruieren, die mit Sicherheit einen ungünstigen Faktor für die Entstehung der Somatisierungsstörung darstellen würden. Als Nachschaden würden 1999 mehrere familiäre Todesfälle angegeben, durch die die Klägerin mit den Ereignissen erneut konfrontiert gewesen sei. Dadurch sei es zu einer Retraumatisierung und Verschlechterung insbesondere der PTBS als auch der Somatisierungsstörung gekommen. In der Folge sei neu eine dissoziative Bewegungsstörung aufgetreten. Als Einzel-GdS wurden von PD Dr. K. festgestellt:
- rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig schwere depressive Episode mit Panikattacken im Sinne der Verschlimmerung: GdS 30 - komplexe PTBS im Sinne der Entstehung: GdS 40
- Somatisierungsstörung im Sinne der Entstehung: GdS 30
- dissoziative Bewegungsstörung im Sinne der Entstehung: GdS 30. Schließlich kam PD Dr. K. zu dem Ergebnis, dass eine Aufteilung des GdS für die Taten vor dem 15.05.1976 und danach nicht möglich sei, da sich ein Teil der Einwirkungen bereits davor ereignet habe.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2012 nahm die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie B. zu dem Gutachten und zu den weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen Stellung. So ergebe sich aus den Unterlagen der Krankenkasse eine Arbeitsunfähigkeit von Dezember 2000 bis August 2001 wegen einer paranoiden Schizophrenie. Hierzu stellte die Ärztin des Beklagten fest, dass die geltend gemachten Gewalttaten als Auslöser für eine Psychose nicht in Frage kommen würden, da es sich jeweils um kurze, umschriebene Einwirkungen gehandelt habe, von denen tiefgreifende Einflüsse auf das Persönlichkeitsgefüge der Klägerin nicht angenommen werden könnten. Weiter verwies die Ärztin B. auf das nervenärztliche Gutachten von Dr. K. vom 22.04.2005, in dem ein vollschichtiges Leistungsbild festgestellt worden sei, und die Befundberichte des behandelnden Psychiaters Dr. K., der als Diagnose eine dysthyme Störung mit Somatisierungstendenzen genannt habe. Zu dem Gutachten von PD Dr. K. stellte die Ärztin B. fest, dass Ersterer nicht gefolgt werden könne, wenn diese eine PTBS, Somatisierungsstörung und dissoziative Bewegungsstörung annehme, die ohne die schädigenden Ereignisse, nämlich Schläge in der Schule und die "einmalige versuchte Vergewaltigung" im Hausflur im Jahr 1975/76, nicht eingetreten wären. Insbesondere im Hinblick auf die Somatisierungsstörung, so die Ärztin B., seien die zeitlich früheren Deprivationserlebnisse von größerer Bedeutung. Im Hinblick auf die dissoziative Bewegungsstörung habe die Gutachterin PD Dr. K. selbst die massiven Verlustereignisse als wesentliche Mitursache angesehen, allerdings sei sie davon ausgegangen, dass diese ohne die schädigenden Ereignisse nicht aufgetreten wären. Insofern sei ein Widerspruch innerhalb des Gutachtens von PD Dr. K. zu sehen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die "versuchte Vergewaltigung mit zwölf Jahren" (1975/76) als Folge psychische Schäden im Ausmaß für einen rentenberechtigenden GdS erzeugt habe. Ein GdS von 30 für die Folgen der umschriebenen Gewalttaten könne nicht angenommen werden. Hinsichtlich des angegebenen Vorfalls im Hausflur sei festzustellen, dass dieser möglicherweise vor Inkrafttreten des OEG stattgefunden habe, was auch für die Prügel durch die Klassenkameraden in der ersten und zweiten Klasse gelte. Als schädigungsunabhängiger Nachschaden sei die dissoziative Bewegungsstörung ab dem Jahr 1999/2000 zu sehen, die die Klägerin selbst auf die Vielzahl an Todesfällen in ihrem Umfeld zurückführe.
Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2012 als Folge einer Schädigung ab 01.02.2011 Teilsymptome einer PTBS und eine Persönlichkeitsstörung im Sinne der Verschlimmerung mit einem GdS von 20 fest. Versorgungsrente stehe deshalb nicht zu. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die Gewalttaten nur Teilsymptome einer PTBS aufgetreten seien. Wegen der kurzen Einwirkung der Gewalttaten seien diese nicht geeignet, eine Psychose auszulösen; allenfalls sei es zu einer leichten Verschlimmerung der bereits bestehenden Persönlichkeitsstörung gekommen. Zwischen den weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen, die unter einer Somatisierungsstörung und einer dissoziativen Bewegungsstörung zusammengefasst werden könnten, so der Beklagte, und den Auswirkungen der Gewalttaten bestehe kein ursächlicher und zeitlicher Zusammenhang.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.12.2012 Widerspruch. Zur Begründung trug sie insbesondere vor, dass sie nicht nur an einem Teilsyndrom einer PTBS und einer Persönlichkeitsstörung leide, sondern dass anerkannt werden müsse, dass sie eine Krankheit mit mehreren Symptomen und Nervenleiden habe. Vor allem sei es bei dem Sexualdelikt zu Bewegungsstörungen und Sprachstörungen, einem Lähmungszustand und einem Schock gekommen, wodurch sie nun Angstzustände, Zittern, Schwächeanfälle, körperliche Zusammenbrüche und Ohnmachtsanfälle ab dem ca. 13. Lebensjahr habe. Hinzugekommen seien Psychosen und Depressionen, weshalb sie versucht habe, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Vorher sei es zu Hause normal gewesen, nach dem Sexualdelikt sei das soziale Familienumfeld aber gestört gewesen. Zudem verwies die Klägerin darauf, dass es zum Freiheitsentzug sowie zu verschiedener "Kinderarbeit" gekommen sei. Vor der Gewalttat hätten bei ihr keine Krankheitszeichen bestanden.
Mit Teilabhilfebescheid vom 14.01.2013 erkannte der Beklagte weitere Taten als Angriffe im Sinne von § 1 OEG an, nämlich die Körperverletzung durch den damaligen Lebensgefährten der Mutter 1975, den Griff an die Brust durch einen Besucher 1977, das "Betatschen" durch einen Besucher 1977 oder 1978 und die "unsittlichen Berührungen" durch Besucher 1979. Von der medizinischen Beurteilung im Bescheid vom 28.11.2012 werde aber, so der Beklagte im Bescheid, nicht abgewichen. Der GdS betrage (nach wie vor) 20 (Teilsymptome einer PTBS und Persönlichkeitsstörung ab 01.02.2011). Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es habe im Leben der Klägerin weitere Ereignisse gegeben, die keine Gewalttaten darstellen würden, sicherlich aber auch und wesentlich zu den gesundheitlichen Schwierigkeiten beigetragen hätten. Soweit die Klägerin angegeben habe, in einem lieblosen und nahezu asozialen häuslichen Umfeld aufgewachsen zu sein, stelle dies für sich genommen keine Gewalttat dar, habe aber wesentlich zu den bei der Klägerin vorhandenen psychischen Störungen beigetragen. Die von der Klägerin vorgetragenen Migräne, Hauterkrankungen und auch orthopädische Störungen würden, so der Beklagte, sicherlich vorliegen, seien jedoch aus medizinischer Sicht nicht auf die anerkannten Gewalttaten zurückzuführen. Diese seien nicht geeignet gewesen, eine Psychose auszulösen, was auch dadurch belegt werde, dass gesundheitliche Störungen aus der Zeit unmittelbar nach dem Ende der Gewalttätigkeiten nicht belegt seien. Nach der Aktenlage sei ein neuropsychiatrisches Gutachten aus dem Oktober 2001 die früheste Befundung. Aus dem dazwischen liegenden Zeitraum seien keine ärztlichen Unterlagen vorhanden. Weitere durchgeführte Ermittlungen wie z.B. Nachfragen in der Schule oder beim Jugendamt hätten zu keinen weiterführenden Erkenntnissen geführt. Unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG; Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung) sowie der früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) betrage der durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursachte GdS 20.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14.04.2014 Klage zum Sozialgericht (SG) München mit dem Antrag, eine PTBS und Persönlichkeitsstörung mit einem GdS von mindestens 50 im Sinne der Entstehung festzustellen und die gesetzlichen Leistungen hierfür zu erbringen. Zur Begründung hat die Klägerin unter anderem hervorgehoben, dass verschiedene Schädigungen im Teilabhilfebescheid nicht berücksichtigt worden seien. Auch berücksichtige das Gutachten von PD Dr. K., die einen GdS von 50 festgestellt habe, nicht, dass die Klägerin nach der Schule auf dem Nachhauseweg oftmals zusammengeschlagen und dass sie in die Besenkammer eingesperrt worden sei. Weiter ist vorgetragen worden, dass die im Gutachten vom 04.07.2012 angenommenen Vor- und Nachschäden nicht haltbar seien. Insoweit seien entsprechende Ermittlungen überhaupt nicht durchgeführt worden. Auch wenn die Klägerin in ungünstigen psychosozialen Umständen aufgewachsen sei, bedeute es nicht, dass die anzuerkennenden Schädigungsfolgen lediglich im Sinne der Verschlimmerung zu berücksichtigen seien. Vor allem sei auch die Annahme einer Psychose bereits vor den Gewalttaten falsch.
Mit Beschluss vom 10.07.2014 hat das SG PKH bewilligt und die Bevollmächtigte beigeordnet.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das SG Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 08.05.2014 und den der Hausärztin Dr. B. vom 15.05.2014.
Im Folgenden hat das SG die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 21.05.2015 hat die Sachverständige bei der Klägerin eine gemischte dissoziative Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und gemischte Angststörung bei Verdacht auf Teilsymptome einer komplexen PTBS sowie ein HWS-LWS-Syndrom, Psoriasis, Asthma und Migräne festgestellt. Diese Diagnosen lägen seit Februar 2011 vor. Aus der Vorgeschichte und der aktuellen Symptomatik ergebe sich auf nervenärztlichem Gebiet ein erheblich krankheitswertiger Symptomkomplex. Für die gesamte Belastung durch die schwierigen Verhältnisse in Kindheit und Jugend wünsche die Klägerin nun eine Entschädigung. Aus psychiatrischer Sicht würden sich die Verhältnisse jedoch als relativ kompliziert darstellen. Die Umstände, unter denen die Klägerin aufgewachsen sei (emotionale Defizite, instabile Verhältnisse, wechselnde Partner der Mutter, Erfahrungen von Gewalt in der Umgebung, Frühüberforderung durch Verantwortung für die Geschwister) seien von sich aus geeignet, ganz ohne zusätzliche spezifische Gewalterfahrungen, massive psychische und psychosomatische Erkrankungen zu bewirken. Für alle drei derzeit vorherrschenden Krankheitsbilder biete, so Dr. P., die gesamte Kindheitsgeschichte ohne spezifisch schwerbedrohliche Ereignisse schon eine ausreichende Erklärung. Entsprechend der Feststellung im Gutachten zur Aussagetüchtigkeit der Klägerin (siehe oben) habe auch die aktuelle Exploration keinen Anlass ergeben, die Schilderungen vor allem über den Übergriff im Hausflur wie auch der Schläge in den Schulen in Zweifel zu ziehen; anzumerken sei allerdings, dass die Klägerin dieses gänzlich ohne emotionale Beteiligung und affektive Erregung vorgetragen habe. Vor allem die Übergriffe im Hausflur und Schläge der Lehrer seien als Risikofaktoren in einem komplexen Bedingungsgefüge zu verstehen, die die Intensität mancher Symptome der Klägerin erhöhen könnten, jedoch in keinem Fall allein ursächlich für eines der genannten Störungsbilder anzusehen seien.
Alle vorliegenden psychiatrischen Krankheitsbilder wären, so die Sachverständige, mit Wahrscheinlichkeit auch ohne spezifische zusätzliche Ereignisse allein durch die denkbar ungünstigen Kombinationen aus anlagebedingter psychischer Minderbelastbarkeit, möglichen kognitiven Beeinträchtigungen durch hirnorganische Schädigungen und vor allem durch die sehr ungünstigen Sozialisationsbedingungen entstanden. Es sei allenfalls davon auszugehen, dass die oben genannten beiden Gewalttaten zu einer Verstärkung vorliegender psychischer Auffälligkeiten geführt hätten. Dies gelte insbesondere für die dissoziative Symptomatik. Eine genauere Zuordnung lasse sich leider bei völligem Fehlen objektivierter Berichte über die Schädigungen und etwaiger unmittelbarer Reaktionen nicht treffen. Damit sei die allenfalls anzuerkennende Schädigungsfolge als Verschlimmerung insbesondere einer gemischten dissoziativen Störung zu bezeichnen. Ungeachtet des glaubhaften Leidensdrucks durch den fluktuierenden Gesamtzustand lasse sich der schädigungsbedingte Anteil am Störungsbild allenfalls auf einen GdS von 10 bis maximal 20, eher unterhalb davon, festlegen. Wie bereits erwähnt, lägen keinerlei typische Symptome einer PTBS vor. Wenn man davon ausgehe, dass ein Teil der Symptomatik als Teilsymptome einer komplexen PTBS einzuordnen sei, dann liege hier ebenfalls ein GdS von maximal 20 vor.
Mit Schriftsatz vom 10.07.2015 hat die Klägerin eine außerordentlich umfangreiche Stellungnahme zu dem Gutachten übersandt. Darin finden sich sehr viele einzelne Beanstandungen, u.a. hinsichtlich der aus ihrer Sicht unzutreffenden Wiedergabe von Abläufen der Ereignisse und der Wiederholung von klägerischen Angaben bei der Begutachtung. Zudem seien im Gutachten teilweise unzutreffenden Behauptungen aufgestellt worden.
Die mündliche Verhandlung des SG vom 10.09.2015 ist nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage zur Einholung einer weiteren gutachterlichen Meinung vertagt worden.
Sodann hat im Auftrag des SG die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. am 23.04.2016 ein weiteres Sachverständigengutachten erstellt. Darin hat sie zusammenfassend darauf hingewiesen, dass schon aufgrund der fehlenden ausreichenden emotionalen Fürsorge im Elternhaus, der Frühübernahme von Verantwortung, der erzwungenen Mitarbeit, dem belastenden, asozialen Umfeld, der zunehmenden Isolation und dem Kontaktverlust zu Gleichaltrigen und dem häufigen Fehlen in der Schule ausgeprägte psychische Belastungen bestehen würden, die aus ihrer, der Fachärztin E., Sicht sicher ausgereicht hätten, um die Disposition für eine psychische Störung oder auch eine Entwicklung vom Krankheitswert auszulösen. Daneben bestünden im gleichen Zeitraum die nach dem OEG anerkannten psychischen Belastungen wie Versuche von sexuellen Übergriffen, Gewalterfahrungen durch Fremdtäter bzw. Täter im sozialen Umfeld der Klägerin. Insbesondere die Übergriffe durch den Lebensgefährten der Mutter und der Überfall im Hauseingang/Hausflur 1976 würden die Eingangskriterien für die Entwicklung einer möglichen Traumafolgestörung erfüllen. Die Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die nicht schädigungsbedingten Ursachen neben den schädigungsbedingten im zeitlichen Kontext mehr oder weniger gleichzeitig bestanden und so auch gleichzeitig auf die Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin eingewirkt hätten; sie hätten sich zu sequenziellen Belastungen und Traumatisierungen über einen Zeitraum ca. vom Schuleintritt bis zum 14. Lebensjahr der Klägerin summiert. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen gewesen sei und sich auch körperlich nicht ausreichend wehren habe können, den Tätern in der Regel unterlegen gewesen sei, auch wenn es ihr gelungen sei, "einige Situationen erfolgreich abzuwehren." Es sei kaum möglich, so die Fachärztin E., die jeweiligen schädigenden Einwirkungen und deren Folgen eindeutig voneinander zu trennen. Durch die "gute" Eheschließung sei die Klägerin dann in einem stabileren Umfeld und über einen längeren Zeitraum dann auch arbeitsfähig gewesen. Eine ausgeprägte Dekompensation werde von der Klägerin und auch in den Aktenunterlagen seit ca. 1998/99 benannt.
Aufgrund der vielfältigen Ursachen sei es kaum möglich, hier jeweils einzelne Ursachen der Entstehung der Symptomatik zuzuordnen. Sowohl die als nicht schädigungsbedingt gewerteten Ursachen als auch die nach dem OEG berücksichtigten Ursachen würden gleichermaßen zur Entwicklung des heute vorliegenden Störungsbilds beitragen. Die Sachverständige hat betont, dass aus ihrer Sicht die nicht schädigungsbedingten Ursachen (wie z.B. das elterliche häusliche Milieu) ausgereicht hätten, um das heutige Störungsbild zu verursachen. Anders als vom Beklagten behauptet handle es sich im Übrigen bei den Übergriffen durch die Fremdtäter im Umfeld nicht jeweils um nur kurz einwirkende Ursachen.
Die Diagnose einer schizophrenen Psychose oder einer Schizophrenie könne von ihr, der Fachärztin E., nicht nachvollzogen werden. Die Bewegungsstörungen müssten deshalb als dissoziative Bewegungsstörung bewertet werden, würden aus ihrer gutachterlicher Sicht aber kein eigenständiges Krankheitsbild darstellen, sondern seien im Rahmen der komplexen PTBS mitzubewerten; diese seien hier häufig und typisch auftretende Symptome.
Schließlich hat die Sachverständige auch zum Gutachten von PD Dr. K. (s.o.) Stellung genommen.
Insgesamt handle es sich bei der komplexen PTBS der Klägerin im vorliegenden Fall um eine sehr schwere Störung mit starken sozialen Anpassungsschwierigkeiten; es liege aufgrund des damit verbundenen ausgeprägten regressiven Verhaltens sowie der Bewegungs- und Sehstörungen eine die Alltagsfähigkeiten und die sozialen Aktivitäten stark beeinträchtigende Symptomatik vor. Die Klägerin sei daher auf Hilfe ihres Ehemanns angewiesen. Einer Tätigkeit könne sie nicht nachgehen.
Zusammenfassend hat die Gutachterin darauf hingewiesen, dass seit Februar 2011 auf psychiatrischem Fachgebiet das Vollbild einer komplexen PTBS vorliege. In diesem Störungsbild seien die benannten depressiven, somatoformen, Angstsymptome, dissoziativen Bewegungseinschränkungen enthalten. Zusätzlich bestehe eine Migräne, derzeit bis viermal jährlich. Es sei von einem nicht schädigungsbedingten Vorschaden auszugehen und von einer Verschlimmerung durch die anerkannten schädigenden Ursachen. Die anzuerkennende Schädigungsfolge sei: Verschlimmerungsanteil der komplexen PTBS. Ab Februar 2011 sei der schädigungsbedingte Anteil mit einem GdS von 30, der nicht schädigungsbedingte Anteil mit einem GdB von 60, das gesamte Störungsbild mit einem GdB von 60 zu bezeichnen. Hierin seien die zusätzlich bestehenden körperlichen Gesundheitsschäden nicht enthalten. Der GdS habe sich im Zeitablauf nicht wesentlich geändert.
In der Stellungnahme des Beklagten vom 06.07.2016 ist darauf hingewiesen worden, dass selbst dann, wenn man dem Gutachten der Sachverständigen E. folgen und zu einem an sich rentenberechtigenden GdS von 30 kommen würde, dies nur für Taten gelte, die nach dem Inkrafttreten des OEG stattgefunden hätten, womit z.B. die geltend gemachten Misshandlungen an der Grundschule entfallen würden, da diese sicherlich nicht nach Mai 1976 erfolgt seien. Nach § 10a OEG und dem Urteil des BSG vom 18.11.2015 (B 9 V 1/14 R) müsse die Schädigung, die sich vor dem Stichtag des Inkrafttretens des OEG ereignet habe, für sich alleine betrachtet zu einer Schwerbeschädigung geführt haben. In der Gesamtschau werde im Übrigen deutlich, dass die bisherige Anerkennung und insbesondere der GdS von 20 ohnehin "grenzwertig großzügig" seien. In der zugrunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen Dr. K. vom 23.06.2016 ist im Wesentlichen darauf hingewiesen worden, dass es definitionsgemäß nicht möglich sei, wie von der Fachärztin E. postuliert, eine komplexe PTBS im Vollbild zu diagnostizieren, während gleichzeitig eine einfache PTBS verneint werde. Davon unabhängig müsse gesehen werden, dass die derzeit gültigen Klassifikationssysteme den Begriff einer komplexen PTBS nicht verwende. Übereinstimmung könne von seiner Seite mit der Sachverständigen dahingehend herrschen, dass im Hinblick auf das Vorliegen der Symptome einer einfachen PTBS allenfalls nur ganz wenige Teilsymptome vorliegen würden. Entsprechend sei auch von der Vorgutachterin Dr. P. ein GdS von maximal 20 gesehen worden. Die differenzialdiagnostische Zuordnung des Gesamtbilds bei der Klägerin sei auch bei ursachenunabhängiger Betrachtung schwierig. Die bislang vom Beklagten nach dem OEG anerkannten Schädigungsfolgen der Teilsymptomatik einer PTBS und einer Persönlichkeitsstörung seien jedoch als Folgen der zu betrachtenden traumatisierenden Ereignisse mit relativ hoher Sicherheit zutreffend. Da der GdS weiterhin nicht höher als 20 gesehen werde, seien Aussagen über eine eventuelle besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG entbehrlich. Im Hinblick auf die Anwendung des § 10a OEG sei es im vorliegenden Fall sehr schwierig bis kaum möglich, einzelne Taten im Hinblick auf das Stichdatum genau zuzuordnen. Ob die Tat vor oder nach dem 16.05.1976 passiert sei, könne trotz der Angaben der Klägerin nicht sicher gesagt werden.
Im Auftrag des SG hat sodann am 24.03.2017 die Sachverständige E. zu ihrem Gutachten vom 23.04.2016 ergänzend Stellung genommen. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie die Diagnose einer komplexen PTBS gestellt habe, da bis heute nach den gängigen Klassifikationssystemen nach den VG entschieden werde und hier das neue DSM-V noch nicht zugrunde gelegt werde. Die Bezeichnung der Diagnose sei für die Beurteilung des GdS letztlich jedoch nicht ausschlaggebend, sondern die Funktionseinschränkungen. Wie in ihrer Begutachtung werde auch in den Vorgutachten, wie dem von PD Dr. K., im Sinne der Verschlimmerung ein Teil der heute vorliegenden psychischen Gesundheitsstörungen auf die schädigungsbedingten Ursachen bezogen. Sie, die Fachärztin E., habe in ihrer Begutachtung wie vom Beklagten angegeben alle Taten zugrunde gelegt, die nach dem OEG anerkannt worden seien. Diese Taten auszuwählen sei nicht Aufgabe der Gutachterin, sondern sei eine rechtliche Frage. Die Sachverständige ist bei der Diagnose einer komplexen PTBS, die ursächlich auf alle benannten Lebensbelastungen und traumatischen Ereignisse im Leben der Klägerin zurückgeführt werde, verblieben. Ebenso hat sie bestätigt, dass ein Anteil dieses Störungsbilds aufgrund der zugrunde gelegten traumatischen Ereignisse entstanden sei. Ohne Aufteilung der Taten nach der Zeit vor und nach dem Stichtag halte sie, die Sachverständige, auch an einem GdS von 30 fest. Sofern aber nur noch die Taten nach dem Stichtag 15.05.1976 zugrunde gelegt würden, ergäbe sich aus ihrer Sicht ein GdS von 20.
Am 29.06.2017 hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSA) und Ausgleichsrente nicht Streitgegenstand seien.
Mit Urteil vom 03.08.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter Verweis auf die Sachverständigengutachten von Dr. P. und der Fachärztin E. hat das SG darauf hingewiesen, dass für die Schädigung vor 16.05.1976 ein GdS von mindestens 50 nicht nachgewiesen sei. Die Klägerin habe, so das SG, bisher ein durchaus erfolgreiches Arbeitsleben absolviert, führe eine stabile Ehe und habe im Rahmen ihrer Möglichkeiten drei Kindern gute Voraussetzungen für ihre Entwicklung bieten können. Mit Blick auf die ungünstigen Bedingungen für die Klägerin in ihrer Herkunftsfamilie sei auffällig, dass der Klägerin schon frühzeitig ein durchaus stabiles Selbstbewusstsein mitgegeben worden sei, mit dem sie sämtliche sexuelle Bedrängungen durch Partner und Gäste der Mutter habe abwehren können. Zu einem vollendeten sexuellen Missbrauch sei es dank der Standhaftigkeit der Klägerin nie gekommen. Entsprechend der genannten Gutachten komme allenfalls ein GdS-Wert zwischen 20 und 30 in Betracht. Für die Schädigungen nach dem 15.05.1976 werde ein GdS von 30 nicht erreicht. Dafür sei erforderlich, dass der Übergriff im Hausflur mit Sicherheit nach dem genannten Zeitpunkt zu datieren wäre und dass hieraus allein ein GdS von 30 resultieren würde. Beide Kriterien seien aber nicht erfüllt. Im Hinblick auf die Angaben der Klägerin käme eine Tatzeit, so das SG, zwischen Oktober 1975 und April 1976 in Betracht. Zudem sei allein aus diesem Übergriff keine medizinisch definierbare Folge ableitbar, die mit einem GdS von 30 zu bewerten sei. Die Klägerin habe durch entschlossene und erfolgreiche Gegenwehr die Situation in großer Schnelligkeit bereinigen können. Von daher sei der Vorfall keinesfalls mit einem Ereignis des vollendeten sexuellen Missbrauchs gleichzusetzen.
Am 20.11.2017 hat die Klägerin gegen das Urteil Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen hervorgehoben, dass der Überfall im Hausflur ca. im Juni/Juli 1976 stattgefunden habe und dass insoweit auf das bereits erstellte Glaubhaftigkeitsgutachten hinzuweisen sei. Dem SG könne nicht darin zugestimmt werden, dass der "Übergriff durch den Exhibitionisten" nicht mit Sicherheit nach dem 15.05.1976 zu datieren sei. Die Annahme, dieser Übergriff sei mit einem GdS von weniger als 30 zu bewerten, sei unzutreffend. Die - nicht mögliche - Aufteilung hinsichtlich des GdS für Taten vor und nach dem 15.05.1976 dürfe nicht der Klägerin angelastet werden.
Mit Beschluss vom 15.01.2018 hat der Senat der Klägerin PKH bewilligt und die Bevollmächtigte beigeordnet.
Mit Schriftsatz vom 29.01.2018 hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass kaum feststellbar sei, welche Taten welche primären gesundheitlichen Schädigungen ausgelöst hätten. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Taten, die sich vor dem Stichtag ereignet hätten, im Hinblick auf die Regelung von § 10a OEG nicht berücksichtigt werden könnten, da jedenfalls nicht feststehe, dass alleine durch diese Taten ein GdS von 50 ausgelöst worden sei. Die Klägerin verkenne die rechtlichen Vorgaben der Härtefallregelung des § 10a OEG. Wenn nun von Klägerseite moniert werde, dass keine Beweise vorliegen würden, da 1976 kein Gutachten erstellt worden sei, so treffe dies den Problemkern durchaus. Letztlich sei der Klägerin das Problem jedoch selbst anzulasten, da sie zumindest nicht nach der letzten Gewalttat zeitnah (d.h. nach der Lösung vom Elternhaus oder nach Eintritt der Volljährigkeit - also spätestens Anfang der 1980er-Jahre - ) ein Verfahren auf OEG-Leistungen eingeleitet habe. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wären die Ermittlungsmöglichkeiten bezüglich des Gesundheitszustands der Klägerin damals erheblich besser gewesen. Im weiteren Schriftsatz vom 30.05.2018 ist darauf hingewiesen worden, dass nicht automatisch allen Tatbeständen, die sich ab dem 16.05.1976 ereignet hätten, und den daraus resultierenden Schädigungsfolgen ein rentenberechtigender GdS von 30 beigemessen werden könne. Denn unzweifelhaft sei es ja so, dass hier mit Blick auf die Taten, die sich vor dem Inkrafttreten des OEG ereignet hätten, ein erheblicher Vorschaden zu diagnostizieren sei, wenn diese Taten auch bei der GdS-Bemessung nicht zu berücksichtigen seien. In Gemengelagen wie vorliegend gehe die letztlich vorhandene Unaufklärbarkeit dahingehend, welchen Taten bestimmte Schädigungsfolge zuzuordnen seien, zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Klägerin.
Am 16.10.2018 hat ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage haben die Beteiligten einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 03.08.2017 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 28.11.2012 in der Fassung des Bescheids vom 14.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2014 zu verurteilen, als Schädigungsfolge im Sinne des OEG eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung festzustellen und ab Februar 2011 Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin hat, wie das SG zu Recht entschieden hat, keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente wegen den o.g. erlittenen Übergriffen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Der Bescheid vom 28.11.2012 in der Fassung des Bescheids vom 14.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Gewährung einer Beschädigtenrente und damit die Höhe des GdS einschließlich der Frage einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG, da diese keinen isolierten Streitgegenstand darstellt; bei ihr handelt es sich lediglich um einen Teilfaktor zur Bemessung des GdS, der wiederum nur Tatbestandsmerkmal für Leistungsansprüche ist (vgl. die Urteile des Senats vom 19.07.2011 - L 15 VG 20/10 - und 31.07.2018 - L 15 VU 3/13). Entsprechend der Annahme der Klägerin im Schriftsatz vom 26.04.2017 sind insbesondere eine Ausgleichsrente gemäß § 32 BVG oder ein Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 3 BVG (der Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG ist gegenüber dem BSA nach § 30 Abs. 3 BVG selbständig, eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht, vgl. die Urteile des Senats vom 23.05.2017 - L 15 VU 1/11 - und vom 31.07.2018, a.a.O.) nicht Gegenstand. Der Beklagte hat hierüber bisher nicht entschieden.
Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30.
Personen, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 geschädigt worden sind, erhalten gem. § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG auf Antrag Versorgung, solange sie
1. allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt sind und
2. bedürftig sind und
3. im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch setzt zunächst voraus, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt hat, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen bedingen. Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen müssen dabei im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Für den zwischen diesen drei "Gliedern der Kausalkette" erforderliche ursächliche Zusammenhang genügt es, wenn dieser mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R).
I. Bei der Beurteilung einer Handlung als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (und der Eingrenzung des schädigenden Vorgangs als erstem Glied der versorgungsrechtlichen Ursachenkette) geht der Senat von folgenden rechtlichen Maßgaben aus (vgl. z.B. Urteile v. 05.02.2013 - L 15 VG 22/09, vom 20.10.2015 - L 15 VG 23/11 - und 16.11.2015 - L 15 VG 28/13; zum Ganzen vgl. auch BSG, Urteile v. 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R sowie B 9 V 3 /12 R, v. 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R, sowie vom 18.11.2015 - L 15 VG 1/14 R):
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zu berücksichtigen, dass die Verletzungshandlung im OEG entsprechend dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das StGB geregelt ist (vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011 - B 9 VG 2/10 R, m.w.N.). Gleichwohl orientiert sich die Auslegung an der im Strafrecht gewonnenen Bedeutung des auch dort verwendeten rechtstechnischen Begriffs des "tätlichen Angriffs" (vgl. insbesondere BSG, Urteil v. 28.03.1984 - B 9a RVg 1/83). Die Auslegung hat sich mit Rücksicht auf den das OEG prägenden Gedanken des lückenlosen Opferschutzes aber weitestgehend von subjektiven Merkmalen (z.B. einer kämpferischen, feindseligen Absicht des Täters) gelöst (st. Rspr. seit 1995; vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011, a.a.O., m.w.N.). Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das BSG vornehmlich aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden (vgl. z.B. Urteil v. 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R).
Der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist also grundsätzlich unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung (§§ 113, 121 StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).
Soweit eine gewaltsame Einwirkung vorausgesetzt wird, hat das BSG entschieden, dass der Gesetzgeber durch den Begriff des "tätlichen Angriffs" den schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt und den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff eingeschränkt hat (vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011, a.a.O., m.w.N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 StGB (vgl. hierzu z.B. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 240, Rdnr. 8 ff, m.w.N.) zeichnet sich der tätliche Angriff gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus, d.h. er wirkt physisch auf einen anderen ein (vgl. das strafrechtliche Begriffsverständnis der Gewalt im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB).
Ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegt im Regelfall bei einem gewaltsamen, handgreiflichen Vorgehen gegen eine Person vor (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), setzt jedoch nach seiner äußeren Gestalt nicht unbedingt ein aggressives Verhalten des Täters voraus; das BSG ist einem an Aggression orientierten Begriffsverständnis des tätlichen Angriffs letztlich nicht gefolgt (st. Rspr. seit 1995; vgl. BSG, Urteile vom 18.10.1995 - B 9 RVg 4/93 und B 9 RVg 7/93 bzgl. sexuellen Missbrauchs an Kindern). Dahinter steht der Gedanke, dass auch nicht zum (körperlichen) Widerstand fähige Opfer von Straftaten den Schutz des OEG genießen sollen (vgl. BSG v. 07.04.2011, a.a.O.); in Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern ist für die "unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Kindes" entscheidend, dass die Begehensweise, nämlich die sexuelle Handlung, eine Straftat war, unabhängig davon, ob bei der Tatbegehung das gewaltsam handgreifliche (oder das spielerische) Moment im Vordergrund steht (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).
Die von der Klägerin geltend gemachten Handlungen des sexuellen Missbrauchs und die weiteren vorgetragenen Gewalttaten durch die Beschuldigten müssen - ebenso wie die anderen beiden Glieder der Kausalkette (s.o.: primäre Schädigung und die geltend gemachten Schädigungsfolgen) - nachgewiesen sein. Wie der Senat wiederholt (vgl. z.B. die Urteile vom 05.05.2015 - L 15 VG 31/12, 18.05.2015 - L 15 VG 17/09 ZVW, 20.10.2015 - L 15 VG 23/11 und 26.01.2016 - L 15 VG 30/09) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92; Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128, Rdnr. 3b).
II. Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen muss der Angriff gem. § 1 Abs. 1 S. 1 OEG im Sinne der erwähnten dreigliedrigen Kausalkette (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R) also zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.
Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Eine potentielle Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend" nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, a.a.O., § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66). Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R). Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen. Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. BSG, a.a.O.).
1. Unter Beachtung dieser Maßgaben ist wie die Beteiligten und das SG auch der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin in dem genannten Gesamtzeitraum Opfer zahlreicher vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe durch verschiedene Personen geworden ist. Dies ergibt sich insbesondere aus den glaubhaften Angaben der Klägerin und dem Gutachten der Dipl.-Psych. L. vom 11.01.2012. Zudem besteht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens kein Zweifel daran, dass die Klägerin unter Bedingungen aufgewachsen ist, wie die zum Beispiel von der Sachverständigen E. beschriebenen fehlenden ausreichenden emotionalen Fürsorge im Elternhaus, der frühen Übernahme von Verantwortung, der erzwungenen Mitarbeit, dem belastenden (asozialen) Umfeld, der zunehmenden Isolation und dem Kontaktverlust zu Gleichaltrigen, dem häufigen Fehlen in der Schule. Hinzukommt, wie die Sachverständige Dr. P. plausibel dargelegt hat, die anlagebedingte psychische Minderbelastbarkeit und die mögliche kognitive Beeinträchtigung durch hirnorganische Schädigungen, wobei sich entsprechend dem Hinweis der Sachverständigen auch die Kombination der genannten Faktoren ungünstig auf die Klägerin ausgewirkt hat. Diese ungünstigen Bedingungen und Faktoren stellen keine Angriffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG dar.
2. Gegenstand des Verfahrens sind somit die von der Klägerin im Verfahren geltend gemachten und vom Beklagten verbindlich anerkannten Angriffe im obigen Sinn, die auch von den Sachverständigen zugrunde gelegt wurden, wie sich aus den beiden Gutachten vom 21.05.2015 und 23.04.2016 ergibt. Nicht zu berücksichtigen sind die (eben) im Einzelnen genannten "ungünstigen Bedingungen", die aber auch zum Teil von der Klägerin (wie etwa am 05.11.2014 der "Bildungsentzug") vorgetragen worden sind. Diese stellen offensichtlich keine rechtswidrigen tätlichen Angriffe im Sinne von § 1 OEG dar, da es hier bereits an der Tätlichkeit in diesem Sinne fehlt, soweit überhaupt von Handlungen anderer Personen auszugehen wäre.
3. Aufgrund der schädigenden Ereignisse, d.h. der genannten Angriffe, ist der Verschlimmerungsanteil der komplexen PTBS der Klägerin als Schädigungsfolge anzuerkennen. In diesem Störungsbild sind die depressiven, somatoformen und Angstsymptome sowie dissoziativen Bewegungseinschränkungen enthalten.
Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aus dem plausiblen und fundierten Gutachten der Sachverständigen E ... Der Senat macht sich nach eigener Prüfung diese sachverständige Feststellung zu eigen.
Eine psychotische Erkrankung besteht bei der Klägerin dagegen nicht. Wie die Fachärztin E. nachvollziehbar dargelegt hat, können die berichteten psychotischen Symptome auch bei anderen Krankheitsbildern auftreten und sind im Rahmen der komplexen PTBS zu werten. Eindeutige Ich-Störungen haben zu keiner Zeit vorgelegen. Hinweise für organische Ursachen finden sich nicht.
Im Übrigen sieht der Senat keine Veranlassung dafür, die exakte Diagnosestellung im Einzelnen zu erörtern bzw. in Hinblick auf die o.g. versorgungsärztliche Äußerung von Dr. K. in Frage zu stellen. Wie die Sachverständige E. zu Recht betont hat, ist die Bezeichnung der Diagnose für die Beurteilung des GdS letztlich nicht ausschlaggebend. Maßgebend sind vielmehr die Funktionseinschränkungen der Klägerin. Es kommt aus Sicht des Senats also nicht darauf an, ob die Diagnose der komplexen PTBS unangreifbar ist. An der von der Sachverständigen festgestellten und in die Bewertung einbezogenen Funktionseinschränkungen (s.o.) hat der Senat keine Zweifel.
4. Die o.g. Voraussetzungen für die Gewährung einer Beschädigtenrente sind jedoch nicht erfüllt. Insgesamt ist für die Schädigungsfolgen nur ein GdS von 20 anzusetzen.
Auch dies ergibt sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aus den plausiblen Gutachten der Sachverständigen Dr. P. und E ...
a. Dabei sind für die im Zeitraum bis 15.05.1976 begangenen Übergriffe gegen die Klägerin die Voraussetzungen von § 10a OEG zu beachten. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.11.2015 - B 9 V 1/14 R) ist das Tatbestandsmerkmal von § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" erfüllt, wenn sich die zu einer Schwerbeschädigung führende Schädigung bis zu dem genannten Stichtag ereignet hat und diese schädigenden Ereignisse für sich betrachtet einen GdS von mindestens 50 und damit die Schwerbeschädigteneigenschaft erreichen. Die Schädigung muss nicht ausschließliche Ursache für die vorliegenden Gesundheitsschäden sein. Es kommt nicht darauf an, ob diese Schädigungen im Nachhinein durch weitere Schädigungen nach dem Stichtag überlagert und beeinflusst werden. Eine derart restriktive Auslegung, dass also an sich der Härtefallregelung unterfallende Schädigungen im Nachhinein wieder ausgeschlossen wären, ist mit Sinn und Zweck der Härtefallregelung des § 10a OEG nicht vereinbar (a.a.O.).
b. Dementsprechend sind, wovon der Beklagte zutreffend ausgeht, die vor dem Stichtag erfolgten Taten bzgl. der Angriffe ab 16.05.1976 nur dann als Mitverursachungsbeiträge - und nicht als Vorschäden - zu berücksichtigen, wenn alleine durch sie ein GdS von 50 ausgelöst worden ist, da nur dann die Voraussetzungen von § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sind. Eine Lösung dieser von der Literatur (Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 10a OEG, Rdnr. 4) aufgezeigten und vom Beklagten vorliegend (s. den Schriftsatz vom 30.05.2018) als Ausfluss einer undifferenzierten und unreflektierten Gesetzgebung bezeichneten Problematik durch die (von Rademacker, a.a.O.) präferierte Annahme einer fortgesetzten Handlung muss hier aufgrund der bestehenden Sachlage bereits von vornherein ausscheiden. So wurde vorgeschlagen (a.a.O.), dass ein fortgesetzter sexueller Missbrauch durch ein und dieselbe Person unter bestimmten Voraussetzungen als einheitliche Gewalttat anzusehen sei und nur dann unter die Beschränkungen des § 10a OEG falle, wenn diese Gewalttat am 15.05.1976 bereits abgeschlossen gewesen sei; hierfür "spreche nach Sinn von § 10a OEG Einiges". Diese Voraussetzungen sind beim streitgegenständlichen Geschehen jedoch klar nicht gegeben, da es - anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 18.02.2014 (L 15 VG 2/09) zugrundeliegenden Sachverhalt (s. das o.g. Urteil des BSG vom 18.11.2015 hierzu) - vorliegend um völlig unterschiedliche Angriffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch (zahlreiche) verschiedene Täter geht.
c. Daraus ergibt sich hier Folgendes:
(1) Wie die Sachverständigen Dr. P. und E. in ihren Gutachten plausibel dargelegt haben, liegt hinsichtlich der bis zum genannten Stichtag erfolgten Übergriffe ein GdS von mindestens 50 gerade nicht vor. Anzunehmen ist allenfalls ein GdS von 30, wie sich auch aus der ergänzenden Stellungnahme der Fachärztin E. nachvollziehbar ergibt.
Der Senat macht sich auch diese sachverständigen Feststellungen der beiden Gutachterinnen nach eigener Prüfung zu eigen.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Vorfall im Hausflur bereits vor dem genannten Stichtag erfolgt wäre, ergäbe sich, wie insbesondere auch aus dem plausiblen Gutachten von Dr. P., aber auch aus der ergänzenden Stellungnahme der Fachärztin E. vom 24.03.2017 folgt, kein GdS von 50.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Sachverständigengutachten von PD Dr. K., das der Beklagte in Auftrag gegeben hat. Dabei kann in vollem Umfang auf die überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen E. verwiesen werden, die sich detailliert mit dem Gutachten auseinandergesetzt und plausibel dargelegt hat, dass die von der Gutachterin PD Dr. K. erfolgte Einteilung, dass die schädigenden Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Somatisierungsstörung, der PTBS und der dissoziativen Bewegungsstörungen kausale Ursachen seien, nicht nachvollziehbar ist. Wie die Sachverständige E. in ihrem Gutachten herausgearbeitet hat, liegt eine "normale" PTBS mit Sicherheit nicht vor, da hierfür die Symptome nicht ausreichend vorhanden sind und im Übrigen auch in der Begutachtung durch PD Dr. K. nicht ausreichend beschrieben worden sind. Entsprechend den nachvollziehbaren Darlegungen der Gutachterin E. hat Dr. K. auch nicht erklären können, wie die von ihr vorgenommene eindeutige Trennung zwischen der rezidivierenden depressiven Episode und einer komplexen PTBS, Somatisierung und dissoziativen Bewegungsstörungen im Sinne einer Entstehung zustande gekommen ist. Der Senat teilt die Einschätzung der Sachverständigen, dass die Einteilung von PD Dr. K. willkürlich ist, und folgt Ersterer, dass die komplexe PTBS sowohl durch die schädigungsbedingten als auch durch die nichtschädigungsbedingten Ursachen entstanden ist und dass eine daneben bestehende Somatisierungsstörung, eine dissoziative Bewegungsstörung sowie auch die depressive Symptomatik in dieses Störungsbild mit eingeht und deshalb keiner eigenen Diagnose bedarf. Mit der Sachverständigen E. geht der Senat ebenfalls davon aus, dass die Bestimmung des GdS durch PD Dr. K. sehr willkürlich erfolgt ist. Für die einzelnen Symptomkomplexe sind keine eigenen Störungsbilder zu benennen, da wie dargelegt die benannten Symptome in die komplexe PTBS mit eingehen. Entsprechend der plausiblen Einschätzung der Fachärztin E. ist auch der Ansatz mit einem GdB von 20 für den nicht schädigungsbedingten Vorschaden nicht nachvollziehbar.
(2) Unter Berücksichtigung der ab 16.05.1976 erfolgten Angriffe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist kein GdS von mindestens 30 festzustellen. Dies folgt ebenfalls aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Wie sich nach Auswertung aller vorliegenden Unterlagen, Angaben und vor allem der Sachverständigengutachten - besonders deutlich - ergibt, sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin multifaktoriell bedingt. Wie insbesondere die Sachverständige E. ausdrücklich dargelegt hat, ist es aufgrund der vielfältigen Ursachen "kaum möglich", einzelne Ursachen der Entstehung den (einzelnen) psychiatrischen Gesundheitsstörungen zuzuordnen. Sowohl die als nicht schädigungsbedingt gewerteten Ursachen als auch die nach dem OEG zu berücksichtigenden tragen zur Entwicklung des heute vorliegenden Störungsbilds bei. Schließlich ist eine Aufteilung der Verursachungsbeiträge bzgl. des Zeitpunkts 15.05.1976 zumindest zusätzlich schwierig.
Der Senat schließt sich trotz deshalb bestehender Bedenken jedoch der - sicherlich nicht restriktiven - Auffassung der Sachverständigen E. an, dass unter Beachtung der o.g. Kausalitätskriterien zur Mitursächlichkeit ein gewisser Anteil der (komplexen) PTBS kausal (im Sinne der Verschlimmerung) auf die schädigenden Ereignisse zurückgeführt werden kann. Er sieht jedoch keinen Ansatzpunkt dafür, über die von der Sachverständigen angenommene GdS-Höhe von 20 noch hinauszugehen. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Zusammenschau mit dem Gutachten von Dr. P. und unter Berücksichtigung der bereits im Einzelnen dargelegten Einwände gegen das Gutachten von PD Dr. K ...
Etwas anderes folgt auch nicht unter der Annahme, dass sich der Vorfall im Hausflur erst nach dem 16.05.1976 zugetragen haben könnte. Denn selbst unter Einbeziehung dieses Vorfalls, die die Sachverständige vorgenommen hat, ist kein höherer GdS (als 20) nachgewiesen. Zudem hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch entschlossene und erfolgreiche Gegenwehr die Situation in größer Schnelligkeit bereinigen konnte. Schließlich ist dessen ungeachtet vor allem aber auch bereits wegen der Vielzahl der schädigenden Ereignisse die Kausalität (s. im Einzelnen oben) fraglich; die Beurteilung der Sachverständigen Dr. P., dass das Ereignis im Hausflur - gemeinsam mit den Schlägen der Lehrerin als einzige Vorfälle - vorübergehende starke Gefühle der Hilflosigkeit und Bedrohung auszulösen vermocht habe, erscheint aus Sicht des Senats im Hinblick auf die (auch nach den Angaben der Klägerin festzustellende) Kürze des Vorfalls nicht unangreifbar und stellt für sich allein noch keinen Beleg für einen wesentlichen Mitverursachungsbeitrag dar. Allein wegen dieses einen Ereignisses ist eine GdS-Erhöhung von 20 auf 30 nicht angezeigt. Vor allem aber ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass sich der Vorfall tatsächlich vor dem genannten Stichtag ereignet hat. Wie der Beklagte zutreffend dargelegt hat (s. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.06.2016), hat die Klägerin zwar (im Rahmen der aussagepsychologischen Untersuchung durch die Dipl.-Psych. L. vom 30.11.2011) eindeutig berichtet, dass das Ereignis im Hausflur im Sommer stattgefunden habe, wobei sie damals zwölf oder zwölfeinhalb Jahre alt gewesen sei. Daher kommt als Tatzeitpunkt Sommer 1976 in Betracht. Ob die Tat jedoch vor oder nach dem 16.05.1976 geschehen ist, kann der Angabe der Klägerin unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin ihre Aussage mehr als 30 Jahre nach dem Ereignis getätigt hat, nicht sicher entnommen werden. Eine monatsgenaue Zuordnung dürfte retrospektiv, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist, kaum möglich sein. Nachdem auch die Witterungsverhältnisse im Jahr 1976 als besonders heiß ("Katastrophensommer") zu kennzeichnen sind, ist es aus Sicht des Senats gut möglich, dass die von der Klägerin wohl erinnerten sommerlichen Temperaturverhältnisse bereits vor dem genannten Stichtag vorgelegen haben können, vgl. z.B. die sommerlichen Tage 08./09.05.1976 (Recherche z.B. bei www.kachelmann-wetter.com/de/messwerte/ bayern/tageshoechsttemperatur/19760510-0000z.htmlm, Messwerte und Klimadaten).
d) Im Übrigen ist der GdS auch nicht wegen besonderer beruflicher Betroffenheit der Klägerin zu erhöhen, § 30 Abs. 2 BVG.
Zwar wurde im Verfahren dargelegt, dass die Klägerin nicht mehr arbeiten könne. Auch ist eine Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit im Rahmen des OEG grundsätzlich möglich (siehe Urteil des BSG vom 18.11.2015, a.a.O., m.w.N.). Die Schädigungsfolgen müssen auch nicht alleiniger Grund für die besondere berufliche Betroffenheit sein (vgl. z.B. Dau, in: Knickrehm, a.a.O. § 30 BVG, Rdnr. 16, m.w.N.). Der GdS ist auch höher zu bewerten, wenn der Betroffene in seinem Beruf erst durch das Zusammenwirken von Schädigungsfolgen mit anderen schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen besonders betroffen ist und hierfür die Schädigungsfolgen wesentlich und damit Ursache im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm sind, weil sie neben anderen Ursachen annähernd gleichwertig zur besonderen beruflichen Betroffenheit beigetragen haben (vgl. die Urteile des BSG vom 18.05.2006 - B 9&8198;a V 6/05 R - und vom 29.11.1973 - 10 RV 617/72).
Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht im oben genannten Sinne wahrscheinlich, dass die Klägerin wegen der nach dem Stichtag erfolgten Angriffe beruflich besonders betroffen wäre. Im Einzelnen kann hierzu auf die Erwägungen hinsichtlich der Kausalität und der multifaktoriellen Verursachung der schwierigen (gesundheitlichen) Situation der Klägerin verwiesen werden. Der Senat folgt auch hinsichtlich der Beurteilung der Kausalität bzgl. der besonderen beruflichen Betroffenheit der plausiblen Darlegung der Sachverständigen E., dass sowohl die als nicht schädigungsbedingt gewerteten Ursachen als auch die nach dem OEG berücksichtigten Ursachen gleichermaßen zur Entwicklung des heute vorliegenden Störungsbilds beitragen. Da aber für die vor dem Stichtag erfolgten Angriffe § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG auch hinsichtlich von § 30 Abs. 2 BVG gilt, kommt den daraufhin nur noch ab 16.05.1976 berücksichtigungsfähigen Angriffen keine wesentliche Mitursächlichkeit im o.g. Sinn zu, weil sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein eben nicht mindestens so viel Gewicht haben wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 6/13 R).
Zu weiteren Ermittlungen besteht kein Anlass und erst recht keine verfahrensrechtliche Pflicht. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass mit weiteren Methoden, die nicht bereits von den anerkannten Sachverständigen Dr. P. und E. angewandt worden wären, einzelne Verursachungsbeiträge hinsichtlich der psychiatrischen Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin "herausgerechnet", d.h. ermittelt werden könnten.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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