Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 12 AS 4365/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wenn und soweit der Träger von Grundsicherungsleistungen seine ( begrenzten) materiellen und personellen Ressourcen darauf ausrichtet, seiner allgemeinen Verwaltungstärigkeit zu entsprechen und für einen gleichmäßigen Leistungsvollzug Sorge zu tragen, kann hierin ein zureichender Grund, die Frist des § 88 Abs.2 SGG zu überschreiten, erkannt werden. Dies gilt insbesondere in Fallgestaltungen, in denen die Kläger den Grundsicherungsträger mit einer Vielzahl von Verfahren (auch von geringer Bedeutung) überziehen; - denn die Verwaltung ist nicht gehalten, ihre Tätigkeit einseitig nach jenen Leistungsempfängern auszurichten, die eine Vielzahl von Verfahren anhängig machen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Kostengrundentscheidung nach näherer Maßgabe des § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Erledigung der Hauptsache.
Die Kläger beziehen Grundsicherungsleistungen nach näherer Bestimmung des Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II); sie hatten zunächst unter dem 23. Juni 2010 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch vom 22. März 2010 gegen den Änderungsbescheid vom 15. Juni 2006 (Bewilligungszeitraum 1. März 2006 bis einschließlich 31. August 2006; Grundsicherungsleistungen monatlich ca. 750 Euro bis 1.260 Euro) in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 23. Februar 2010 zu entscheiden. Zu deren Begründung hatten sie ausgeführt, daß die Klage nach Ablauf von drei Monaten zulässig und begründet sei. Ein weiteres Abwarten sei nicht mehr zumutbar; Gründe für die verzögerte Widerspruchsbearbeitung seien nicht erkennbar. Der Klageschrift war u.a. die Abschrift einer Prozeßvollmacht vom 25. Februar 2010 beigefügt. Diese Prozeßvollmacht weist als Grundverhältnis "ALG II - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes" aus; die Prozeßvollmacht schließt mit der Abrede: "In Angelegenheiten nach dem SGB II und SGB XII gilt diese Vollmacht, soweit nichts anderes schriftlich vereinbart, widerrufen oder gekündigt wurde, für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren, ohne dass hierfür eine neue schriftliche Vollmacht unterzeichnet werden muss."
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 5. August 2010 den Widerspruch beschieden. Sie hat darauf verwiesen, daß unter dem 17. Juni 2010 und unter dem 22. Juni 2010 der Bevollmächtigte der Kläger aufgefordert worden sei, weitere Unterlagen hereinzureichen; die Kläger seien gebeten worden, von der Erhebung einer Untätigkeitsklage abzusehen. Die Beklagte hat zudem statistische Nachweise des Arbeitsanfalls vorgelegt; - hiernach habe der Prozeßbevollmächtigte der Kläger allein im 1. Halbjahr 2010 mindestens 840 Überprüfungsanträge an die Beklagte gerichtet; der Prozeßbevollmächtigte der Kläger sei in (mindestens) 61 vom Hundert (vH) aller bei der Beklagten im Kalenderjahr 2010 geführten Widerspruchsverfahren als Bevollmächtigter aufgetreten; der Prozeßbevollmächtigte der Kläger sei darüber hinaus in (mindestens) 77 vH aller im Kalenderjahr 2010 gegen die Beklagte geführten sozialgerichtlichen Streitverfahren mandatiert. Diese Belastungssituation sei als "eskalierte Rechtsbehelfslage" zu werten.
Die Kläger haben unter dem 1. September 2010 die Erledigung der Hauptsache erklärt und eine gerichtliche Kostenentscheidung beantragt. Sie haben ausgeführt, daß -entgegen der Darstellung der Beklagten- die Kläger "nicht hinreichend über einen ggf. vorliegenden zureichenden Grund für eine Verzögerung in diesem konkreten Fall vor Erhebung der Untätigkeitsklage informiert" worden seien. Soweit die Beklagte im Juni 2010 weitere Unterlagen angefordert haben sollte, sei nicht nachvollziehbar, warum dies erst unmittelbar vor Ablauf der drei-Monatsfrist erfolgt sei. Auch sei von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt, wozu die angeforderten Unterlagen konkret benötigt wurden. Die Kläger sind unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. August 1994, Az. 13 RJ 17/94 der Rechtsansicht, daß -selbst wenn sie ihre Mitwirkungspflichten durch Nichtvorlage entsprechender Unterlagen verletzt haben sollten- ein Fehlverhalten ihrerseits die Beklagte nicht von deren Verpflichtung zur Entscheidung über den Widerspruch freistelle. Dem von der Beklagten vorgelegten statistischen Zahlenmaterial treten die Kläger entgegen. Der Prozeßbevollmächtigte führt aus, daß "die von der Beklagten gemachten Erläuterungen ... als fehlerhaft und aus der Luft gegriffen zurückgewiesen werden (müssen), zumal diese Zahlen keinesfalls mit den mir vorliegenden Zahlen meiner Kanzlei in Übereinstimmung zu bringen sind"; der Prozeßbevollmächtigte konzediert, daß er im Kalenderjahr 2009 "allein mit meiner Kanzlei in Mühlhausen einige Hundert Untätigkeitsklagen gegen die Beklagte erfolgreich eingereicht habe."
Die Kläger beantragen,
der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Kläger aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
zu erkennen, daß die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den in der Akte befindlichen Schriftwechsel insgesamt verwiesen. Darüber hinaus hat die Gerichtsakte L 4 SF 1031/10 vorgelegen: den Befangenheitsantrag vom 24. August 2010 hat das Thüringer Landessozialgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Zudem hat das Gericht -mit Blick auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2011- die weitere Streitakte S 12 AS 8433/10 beigezogen; auch haben dem Gericht die Streitakten S 12 AS 4320/10, S 12 AS 4321/10, S 12 AS 4322/10, S 12 AS 4323/10, S 12 AS 4324/10, S 12 AS 4325/10, S 12 AS 4326/10, S 12 AS 4364/10, S 12 AS 4366/10, S 12 AS 4367/10, S 12 AS 4368/10 und S 12 AS 4369/10 -jeweils weitere Untätigkeitsklagen betreffend- vorgelegen.
II.
Nach angenommenem Anerkenntnis der Kläger vom 1. September 2010 und dadurch bedingter Verfahrensbeendigung nach § 101 Abs. 2 SGG ist auf Antrag der Kläger (nur noch) über die Kostentragungspflicht zu entscheiden, § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG.
Maßgeblich für das auszuübende sachgemäße Ermessen ist dabei einerseits das in § 91a Zivilprozeßordnung (ZPO) verankerte Unterlegensprinzip, wonach summarisch der vermutliche Ausgang des Verfahrens zu ermitteln und danach die Kostenlast zu verteilen ist. Andererseits ist in sozialgerichtlichen Verfahren auch das Veranlassungs- und Verursachungsprinzip zu beachten, wonach kostenrelevant sein kann, ob eine Behörde Anlaß für eine unbegründete Klage gegeben hat (MEYER-LADEWIG/KELLER/LEITHERER, SGG, 9. Auflage, § 193 Rn. 13). Schließlich kann das Verhalten der Prozeßbeteiligten relevant sein.
Hieran gemessen erscheint es sachgerecht, der Beklagten keine Kostentragungspflicht aufzuerlegen. Dabei läßt sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten:
Die Kläger haben die Beklagte mit einer Vielzahl von Widerspruchs- und Klageverfahren überzogen. Ausweislich der gerichtlichen Verfahrensdatei haben die Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen bislang 41 gerichtliche Streitverfahren (hiervon 2 Anträge auf einstweilige Anordnung) anhängig gemacht. Das Gericht nimmt die Streitverfahren S 12 AS 4320/10, S 12 AS 4321/10, S 12 AS 4322/10, S 12 AS 4323/10, S 12 AS 4324/10, S 12 AS 4325/10, S 12 AS 4326/10, S 12 AS 4364/10, S 12 AS 4366/10, S 12 AS 4367/10, S 12 AS 4368/10 und S 12 AS 4369/10 in den Blick und teilt -auch unter Besonderer Berücksichtigung des Umstandes, daß die Leistungen nach dem SGB II der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums zu diesen bestimmt sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 1. Juli 2009, Az. B 4 AS 21/09 R)- die Ansicht der Beklagten, daß es sich hierbei nicht um Streitfälle von durchgreifender existenzieller Bedeutung handelt. Denn die finanziellen Auswirkungen der wiederholt von den Klägern herausgestellten Rechtsfragen (insbesondere Rundung, Kosten der Warmwasseraufbereitung und individuelle Bestimmung des Leistungsanspruchs) sind moderat und erschöpfen sich bei überschlägiger Prüfung -und bezogen auf einen halbjährlichen Leistungsbezug- in einem niedrigen ein- bis zweistelligen Eurobetrag. In dieser Sicht auf die Dinge sieht sich das Gericht auch durch den Inbegriff der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2011, Az. S 12 AS 8433/10 bestätigt. In diesem Termin trat offen zu Tage, daß der Kläger zu 1. nicht der deutschen Sprache mächtig ist. Der Termin wurde vertagt; - in einem neu zu bestimmenden Termin wird ein Dolmetscher hinzuzuziehen seien. Soweit aber der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in diesem Termin zu erkennen gab, daß -wenn und soweit die Beklagte bereit sei, einen Betrag in Höhe von 18,70 Euro für den dort streitgegenständlichen sechs-monatigen Streitzeitraum an die Kläger auszukehren- der Rechtsstreit auf dieser Grundlage seine Erledigung finden könne, sieht sich das Gericht in seiner Einschätzung einer nur geringen finanziellen Bedeutung bestätigt.
Hiervon ausgehend erkennt das Gericht in Fallgestaltungen, in denen die Kläger -wie vorliegend- die Verwaltung mit einer Vielzahl von Verfahren (auch von geringer Bedeutung) überziehen, einen zureichenden Grund, die Frist des § 88 Abs. 2 SGG zu überschreiten, wenn und soweit die Beklagte ihre (begrenzten) materiellen und personellen Ressourcen darauf ausrichtet, ihrer allgemeine Verwaltungstätigkeit zu entsprechen und für einen gleichmäßigen Leistungsvollzug -das Gericht geht cum grano salis von ca. 7.000 Bedarfsgemeinschaften im Zuständigkeitsbereich der Beklagten aus- Sorge zu tragen. Denn auch und gerade im Lichte des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) ist die Beklagte in Fällen, in denen von den nämlichen Leistungsempfängern wiederholt Streitfälle geringer Bedeutung anhängig gemacht werden, nicht gehalten, ihre Verwaltungstätigkeit einseitig zu Lasten der übrigen Hilfebedürftigen in erster Linie nach jenen Leistungsempfängern auszurichten, die eine Vielzahl von Verfahren anhängig machen (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Juli 2008, Az. L 9 B 39/08 SO).
Darüber hinaus erkennt das Gericht im Streitfall auch eine Obliegenheitsverletzung der Kläger. Denn regelmäßig ist es den Rechtsschutzsuchenden vor Erhebung einer Untätigkeitsklage zuzumuten, bei der Behörde selbst vorstellig zu werden, um die Gründe der Verzögerung zu erfahren und auf die Notwendigkeit der Erteilung eines zeitnahen Bescheides hinzuwirken (Landessozialgericht Niedersachsen, Beschluss vom 11. November 1991, Az. L 7 S (Ar) 175/91 und Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 13. Februar 2009, Az. S 10 R 193/07). Dem haben die Kläger nicht entsprochen, so daß eine Kostentragungspflicht der Beklagten auch insoweit zu verneinen ist.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war nicht geboten:
Die Prüfung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung kann nicht von Amts wegen erfolgen, § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG, und die von den Beteiligten abweichend erörterte Frage einer (erteilten) sogenannten Zwischennachricht kann im Ergebnis auf sich beruhen. Das Gericht geht hierbei im Grundsatz davon aus, daß eine solche Zwischennachricht (vgl. im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung: § 103 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) regelmäßig bei Meidung der Auferlegung einer Kostenlast geboten sein wird (vgl. zum Regelungsregime der Verwaltungsgerichtsordnung: EYERMANN/FRÖHLER, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 75 Rn. 9, m.w.N.). Eine derartige Zwischennachricht ist indessen erläßlich, wenn -wie im Streitfall- die Kläger selbst die Ursache für eine verzögerte Bearbeitung, mithin einen zureichenden Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG, gelegt haben und dies bei kritischer Reflexion auch erkennen konnten.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.
Gründe:
I.
Streitig ist die Kostengrundentscheidung nach näherer Maßgabe des § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Erledigung der Hauptsache.
Die Kläger beziehen Grundsicherungsleistungen nach näherer Bestimmung des Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II); sie hatten zunächst unter dem 23. Juni 2010 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch vom 22. März 2010 gegen den Änderungsbescheid vom 15. Juni 2006 (Bewilligungszeitraum 1. März 2006 bis einschließlich 31. August 2006; Grundsicherungsleistungen monatlich ca. 750 Euro bis 1.260 Euro) in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 23. Februar 2010 zu entscheiden. Zu deren Begründung hatten sie ausgeführt, daß die Klage nach Ablauf von drei Monaten zulässig und begründet sei. Ein weiteres Abwarten sei nicht mehr zumutbar; Gründe für die verzögerte Widerspruchsbearbeitung seien nicht erkennbar. Der Klageschrift war u.a. die Abschrift einer Prozeßvollmacht vom 25. Februar 2010 beigefügt. Diese Prozeßvollmacht weist als Grundverhältnis "ALG II - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes" aus; die Prozeßvollmacht schließt mit der Abrede: "In Angelegenheiten nach dem SGB II und SGB XII gilt diese Vollmacht, soweit nichts anderes schriftlich vereinbart, widerrufen oder gekündigt wurde, für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren, ohne dass hierfür eine neue schriftliche Vollmacht unterzeichnet werden muss."
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 5. August 2010 den Widerspruch beschieden. Sie hat darauf verwiesen, daß unter dem 17. Juni 2010 und unter dem 22. Juni 2010 der Bevollmächtigte der Kläger aufgefordert worden sei, weitere Unterlagen hereinzureichen; die Kläger seien gebeten worden, von der Erhebung einer Untätigkeitsklage abzusehen. Die Beklagte hat zudem statistische Nachweise des Arbeitsanfalls vorgelegt; - hiernach habe der Prozeßbevollmächtigte der Kläger allein im 1. Halbjahr 2010 mindestens 840 Überprüfungsanträge an die Beklagte gerichtet; der Prozeßbevollmächtigte der Kläger sei in (mindestens) 61 vom Hundert (vH) aller bei der Beklagten im Kalenderjahr 2010 geführten Widerspruchsverfahren als Bevollmächtigter aufgetreten; der Prozeßbevollmächtigte der Kläger sei darüber hinaus in (mindestens) 77 vH aller im Kalenderjahr 2010 gegen die Beklagte geführten sozialgerichtlichen Streitverfahren mandatiert. Diese Belastungssituation sei als "eskalierte Rechtsbehelfslage" zu werten.
Die Kläger haben unter dem 1. September 2010 die Erledigung der Hauptsache erklärt und eine gerichtliche Kostenentscheidung beantragt. Sie haben ausgeführt, daß -entgegen der Darstellung der Beklagten- die Kläger "nicht hinreichend über einen ggf. vorliegenden zureichenden Grund für eine Verzögerung in diesem konkreten Fall vor Erhebung der Untätigkeitsklage informiert" worden seien. Soweit die Beklagte im Juni 2010 weitere Unterlagen angefordert haben sollte, sei nicht nachvollziehbar, warum dies erst unmittelbar vor Ablauf der drei-Monatsfrist erfolgt sei. Auch sei von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt, wozu die angeforderten Unterlagen konkret benötigt wurden. Die Kläger sind unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. August 1994, Az. 13 RJ 17/94 der Rechtsansicht, daß -selbst wenn sie ihre Mitwirkungspflichten durch Nichtvorlage entsprechender Unterlagen verletzt haben sollten- ein Fehlverhalten ihrerseits die Beklagte nicht von deren Verpflichtung zur Entscheidung über den Widerspruch freistelle. Dem von der Beklagten vorgelegten statistischen Zahlenmaterial treten die Kläger entgegen. Der Prozeßbevollmächtigte führt aus, daß "die von der Beklagten gemachten Erläuterungen ... als fehlerhaft und aus der Luft gegriffen zurückgewiesen werden (müssen), zumal diese Zahlen keinesfalls mit den mir vorliegenden Zahlen meiner Kanzlei in Übereinstimmung zu bringen sind"; der Prozeßbevollmächtigte konzediert, daß er im Kalenderjahr 2009 "allein mit meiner Kanzlei in Mühlhausen einige Hundert Untätigkeitsklagen gegen die Beklagte erfolgreich eingereicht habe."
Die Kläger beantragen,
der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Kläger aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
zu erkennen, daß die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den in der Akte befindlichen Schriftwechsel insgesamt verwiesen. Darüber hinaus hat die Gerichtsakte L 4 SF 1031/10 vorgelegen: den Befangenheitsantrag vom 24. August 2010 hat das Thüringer Landessozialgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Zudem hat das Gericht -mit Blick auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2011- die weitere Streitakte S 12 AS 8433/10 beigezogen; auch haben dem Gericht die Streitakten S 12 AS 4320/10, S 12 AS 4321/10, S 12 AS 4322/10, S 12 AS 4323/10, S 12 AS 4324/10, S 12 AS 4325/10, S 12 AS 4326/10, S 12 AS 4364/10, S 12 AS 4366/10, S 12 AS 4367/10, S 12 AS 4368/10 und S 12 AS 4369/10 -jeweils weitere Untätigkeitsklagen betreffend- vorgelegen.
II.
Nach angenommenem Anerkenntnis der Kläger vom 1. September 2010 und dadurch bedingter Verfahrensbeendigung nach § 101 Abs. 2 SGG ist auf Antrag der Kläger (nur noch) über die Kostentragungspflicht zu entscheiden, § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG.
Maßgeblich für das auszuübende sachgemäße Ermessen ist dabei einerseits das in § 91a Zivilprozeßordnung (ZPO) verankerte Unterlegensprinzip, wonach summarisch der vermutliche Ausgang des Verfahrens zu ermitteln und danach die Kostenlast zu verteilen ist. Andererseits ist in sozialgerichtlichen Verfahren auch das Veranlassungs- und Verursachungsprinzip zu beachten, wonach kostenrelevant sein kann, ob eine Behörde Anlaß für eine unbegründete Klage gegeben hat (MEYER-LADEWIG/KELLER/LEITHERER, SGG, 9. Auflage, § 193 Rn. 13). Schließlich kann das Verhalten der Prozeßbeteiligten relevant sein.
Hieran gemessen erscheint es sachgerecht, der Beklagten keine Kostentragungspflicht aufzuerlegen. Dabei läßt sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten:
Die Kläger haben die Beklagte mit einer Vielzahl von Widerspruchs- und Klageverfahren überzogen. Ausweislich der gerichtlichen Verfahrensdatei haben die Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen bislang 41 gerichtliche Streitverfahren (hiervon 2 Anträge auf einstweilige Anordnung) anhängig gemacht. Das Gericht nimmt die Streitverfahren S 12 AS 4320/10, S 12 AS 4321/10, S 12 AS 4322/10, S 12 AS 4323/10, S 12 AS 4324/10, S 12 AS 4325/10, S 12 AS 4326/10, S 12 AS 4364/10, S 12 AS 4366/10, S 12 AS 4367/10, S 12 AS 4368/10 und S 12 AS 4369/10 in den Blick und teilt -auch unter Besonderer Berücksichtigung des Umstandes, daß die Leistungen nach dem SGB II der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums zu diesen bestimmt sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 1. Juli 2009, Az. B 4 AS 21/09 R)- die Ansicht der Beklagten, daß es sich hierbei nicht um Streitfälle von durchgreifender existenzieller Bedeutung handelt. Denn die finanziellen Auswirkungen der wiederholt von den Klägern herausgestellten Rechtsfragen (insbesondere Rundung, Kosten der Warmwasseraufbereitung und individuelle Bestimmung des Leistungsanspruchs) sind moderat und erschöpfen sich bei überschlägiger Prüfung -und bezogen auf einen halbjährlichen Leistungsbezug- in einem niedrigen ein- bis zweistelligen Eurobetrag. In dieser Sicht auf die Dinge sieht sich das Gericht auch durch den Inbegriff der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2011, Az. S 12 AS 8433/10 bestätigt. In diesem Termin trat offen zu Tage, daß der Kläger zu 1. nicht der deutschen Sprache mächtig ist. Der Termin wurde vertagt; - in einem neu zu bestimmenden Termin wird ein Dolmetscher hinzuzuziehen seien. Soweit aber der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in diesem Termin zu erkennen gab, daß -wenn und soweit die Beklagte bereit sei, einen Betrag in Höhe von 18,70 Euro für den dort streitgegenständlichen sechs-monatigen Streitzeitraum an die Kläger auszukehren- der Rechtsstreit auf dieser Grundlage seine Erledigung finden könne, sieht sich das Gericht in seiner Einschätzung einer nur geringen finanziellen Bedeutung bestätigt.
Hiervon ausgehend erkennt das Gericht in Fallgestaltungen, in denen die Kläger -wie vorliegend- die Verwaltung mit einer Vielzahl von Verfahren (auch von geringer Bedeutung) überziehen, einen zureichenden Grund, die Frist des § 88 Abs. 2 SGG zu überschreiten, wenn und soweit die Beklagte ihre (begrenzten) materiellen und personellen Ressourcen darauf ausrichtet, ihrer allgemeine Verwaltungstätigkeit zu entsprechen und für einen gleichmäßigen Leistungsvollzug -das Gericht geht cum grano salis von ca. 7.000 Bedarfsgemeinschaften im Zuständigkeitsbereich der Beklagten aus- Sorge zu tragen. Denn auch und gerade im Lichte des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) ist die Beklagte in Fällen, in denen von den nämlichen Leistungsempfängern wiederholt Streitfälle geringer Bedeutung anhängig gemacht werden, nicht gehalten, ihre Verwaltungstätigkeit einseitig zu Lasten der übrigen Hilfebedürftigen in erster Linie nach jenen Leistungsempfängern auszurichten, die eine Vielzahl von Verfahren anhängig machen (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Juli 2008, Az. L 9 B 39/08 SO).
Darüber hinaus erkennt das Gericht im Streitfall auch eine Obliegenheitsverletzung der Kläger. Denn regelmäßig ist es den Rechtsschutzsuchenden vor Erhebung einer Untätigkeitsklage zuzumuten, bei der Behörde selbst vorstellig zu werden, um die Gründe der Verzögerung zu erfahren und auf die Notwendigkeit der Erteilung eines zeitnahen Bescheides hinzuwirken (Landessozialgericht Niedersachsen, Beschluss vom 11. November 1991, Az. L 7 S (Ar) 175/91 und Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 13. Februar 2009, Az. S 10 R 193/07). Dem haben die Kläger nicht entsprochen, so daß eine Kostentragungspflicht der Beklagten auch insoweit zu verneinen ist.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war nicht geboten:
Die Prüfung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung kann nicht von Amts wegen erfolgen, § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG, und die von den Beteiligten abweichend erörterte Frage einer (erteilten) sogenannten Zwischennachricht kann im Ergebnis auf sich beruhen. Das Gericht geht hierbei im Grundsatz davon aus, daß eine solche Zwischennachricht (vgl. im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung: § 103 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) regelmäßig bei Meidung der Auferlegung einer Kostenlast geboten sein wird (vgl. zum Regelungsregime der Verwaltungsgerichtsordnung: EYERMANN/FRÖHLER, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 75 Rn. 9, m.w.N.). Eine derartige Zwischennachricht ist indessen erläßlich, wenn -wie im Streitfall- die Kläger selbst die Ursache für eine verzögerte Bearbeitung, mithin einen zureichenden Grund im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG, gelegt haben und dies bei kritischer Reflexion auch erkennen konnten.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.
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