Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 17 AS 4708/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am 08.07.2010 erhobene Klage wurde im Erörterungstermin am 18.02. 2011 von der Klägerseite in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Kläger hatten über ihren Prozessbevollmächtigten gegen den streitgegenständlichen Bescheid eingelegt und im Rahmen dieses Verfahrens Akteneinsicht im Wege der Übersendung der Akte in dessen Büro begehrt. Dabei wurde mitgeteilt, dass eine weitergehende Widerspruchsbegründung erst nach Akteneinsicht möglich sei.
Ohne die Akteneinsicht zu gewähren, wurde der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom14.06.2010 erlassen, gegen die sich die Klage richtet.
Die Kläger begehren der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, da das Klageverfahren durch die Nichtgewährung der Akteneinsicht durch Übersendung der Verwaltungsakte an den Prozessbevollmächtigten provoziert worden sei. Zur Prüfung des Leistungsanspruchs sei die Einsichtnahme in die umfangreiche Verwaltungsakte erforderlich, sie könne in den Räumen der Kanzlei auch ohne weitere Kosten eingescannt werden.
Die Beklagte ist der Ansicht eine Kostentragungspflicht sei nicht gegeben, da sie nach ihrem Ermessen gemäß § 84 a SGG zur zeitnahen Widerspruchsbearbeitung berechtigt gewesen sei, den Prozessbevollmächtigen auf die Möglichkeit der Akteneinsicht in den Räumen der Behörde zu verweisen; dort sei auch die Möglichkeit gegeben, Kopien anfertigen zu lassen, wobei im Rahmen einer Ermessensentscheidung im Einzelfall Kopiekosten analog § 11 Thür. Verwaltungskostengesetz erhoben würden.
II.
Der Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 193 SGG.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil oder im verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss endet. Das Gericht hat dabei unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles nach billigem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen dieser unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind sowohl die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens als auch die Gründe für die Klageerhebung bzw. Antragstellung zu beachten (Thüringer LSG, Beschluss vom 15. Februar 2008 - L 9 B 133/07 AS m.w.N.).
Abgesehen von der in § 194 Satz 1 SGG ausgesprochenen Verweisung auf § 100 der Zivilprozessordnung (ZPO) finden die Vorschriften der ZPO bei der zu treffenden Kostenentscheidung keine Anwendung. Denn die besondere, den Eigenarten des sozialgerichtlichen Verfahrens angepasste Kostenregelung des SGG schließt eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften nach § 202 SGG aus (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 Satz 3).
Im Rahmen der Ermessensausübung können aber gleichwohl die in den §§ 91 ff. ZPO enthaltenen allgemeinen Kostengrundsätze Berücksichtigung finden, um der Ermessensausübung einen hinreichend sicheren Prüfungsmaßstab zu Grunde legen zu können.
Hieraus folgt im Allgemeinen, dass es sachgemäßem Ermessen entspricht, wenn auf den tatsächlichen (äußeren) Verfahrensausgang abgestellt wird, also dem Beteiligten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, der (materiell) das erledigende Ereignis herbeigeführt hat (Anerkennung des geltend gemachten Anspruchs durch den Beklagten, Verzicht auf die Durchführung des Rechtsstreits aus freien Stücken durch den Kläger, vgl. Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, § 193 Rdnr. 7 a: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 193 Rdnr. 12 ff.). Dies gilt in aller Regel aber dann nicht, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zum Verfahren gegeben und den geltend gemachten Anspruch auf Grund einer späteren Änderung der Sach- und Rechtslage sofort anerkannt hat (Rechtsgedanken der §§ 93 ZPO, 156 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), so dass die Kostentragungspflicht dann gleichwohl beim Antragsteller bleibt. Führt also eine Änderung der Sach- und Rechtslage zur Erledigung, ist wesentlich darauf abzustellen, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Auch entspricht es der Billigkeit, auf die Erfolgsaussichten vor dem erledigenden Ereignis abzustellen (Meyer-Ladewig, aa.O., Rdnr. 12 a m.w.N.).
Demgegenüber wäre es unbillig, allgemein anzunehmen, dass der von einer Änderung der prozessualen Situation betroffene Beteiligte stets dieses Risiko tragen müsse. Der Verwaltungsträger hat also dann keine Kosten zu tragen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen während des Rechtsstreites durch eine Änderung der Verhältnisse erfüllt werden und er unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) ein Anerkenntnis abgibt oder der Änderung der Verhältnisse Rechnung trägt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf einen neuen Antrag hin die Leistungen entsprechend dem Begehren des Klägers zuerkannt hätte. Der Rechtsstreit wäre also nicht erforderlich gewesen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es sachgerecht, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, da sie Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Nur im Rahmen des Klageverfahrens konnte von den Klägern nach erfolgter Akteneinsicht sicher beurteilt werden, ob durch den Widerspruchsbescheid die Leistungen in der gesetzlichen Höhe festgesetzt worden sind.
Das Recht Einsicht in die Verwaltungsakten zu nehmen, dient dem aus Art 19 GG herzuleitendem Gebot effizienten Rechtsschutzes. Zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide ist grundsätzlich die vollständige Original-Verwaltungsakte notwendig (so für das Akteneinsichtsrecht gemäß § 120 SGG Landessozialgericht Baden-Württemberg v. 30.05.2008 Az.: L 12 AL 91/08- zitiert nach juris). Gemäß § 84 a SGG gilt für das Vorverfahren § 25 Abs. 4 des SGB X nicht, d.h. die Aktenübersendung ist insoweit der Normalfall. Es gelten daher die gleichen Maßstäbe wie im gerichtlichen Verfahren. Allerdings kann ein Rechtsanwalt auf die Akteneinsicht bei der Behörde bzw. bei Gericht verwiesen werden, wenn dies pflichtgemäßem Ermessen entspricht.
Bei der Entscheidung über den Antrag eines Rechtsanwalts auf Ausfolgung der Gerichtsakten zwecks Durchsicht in der Anwaltskanzlei dürfen dabei die Interessen an einem geordneten gerichtlichen Geschäftsgang nicht vorrangig berücksichtigt werden(Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 120 Rdnr. 4 unter Berufung auf Landesarbeitsgericht Hamm v. 20.06.1974 Az: 8 Ta 56/74). Die Übersendung der Akten kann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs notwendig, wenn die Einsichtnahme in der Geschäftsstelle wegen des Umfang und der Schwierigkeit der Materie nicht zumutbar ist. Es sollte eine möglichst großzügige Lösung gesucht werden.
Jedenfalls dann, wenn die Behördenakten einen erheblichen Umfang haben, die Anfertigung von Kopien notwendig und nicht sichergestellt ist, dass hierfür keine Kosten erhoben werden, entspricht es nicht dem pflichtgemäßen Ermessen, den Anwalt auf eine Akteinsichtnahme in den Räumen der Behörde zu verweisen.
Kopiekosten in erheblicher Höhe könnten von den Klägern als SGB II Empfängern nicht vorgestreckt werden, mit dem Ergebnis, dass eine Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren unter Kostenrisikogesichtspunkten häufig unterbleiben würde. Der Verzicht auf die Akteneinsicht würde den effektiven Rechtsschutz im Vorverfahren beschneiden und zugleich weitere Funktionen des Vorverfahren (neben der Vorverlagerung des effektiven Rechtsschutzes in das Verwaltungsverfahren) Selbstprüfungsmöglichkeit der Behörde und Entlastung der Gerichtsbarkeit) in Frage stellen. Die mit einer nicht gerechtfertigten Erschwerung einer effektiven Akteneinsicht verbundene Beschneidung der Möglichkeiten rechtlichen Gehörs brächte daher die Gefahr mit sich, dass das Vorverfahren zu einer funktionslosen Durchlaufstation zum gerichtlichen Verfahren reduziert würde.
Seitens des Prozessbevollmächtigten der Kläger musste mit der Geltendmachung erheblicher Kosten gerechnet werden.
Gemäß § 25 Abs. 5 S.2 SGB X kann die Behörde für die Anfertigung von Kopien Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenen Umfang verlangen. Legt man die Aussage der Behörde im weiteren Verfahren zugrunde, hält diese eine Auslagenerstattung entsprechend dem Thüringer Verwaltungskostengesetz für angemessen. § 11 Abs. 1 Nr. 6 Thüringer Verwaltungskostengesetz (ThürVwKostG) sieht insoweit zwingend vor, dass Aufwendungen für Ausfertigungen, Abschriften und Kopien, soweit sie auf besonderen Antrag hergestellt oder aus vom Verwaltungskostenschuldner zu vertretenden Gründen notwendig wurden, gesondert erhoben werden. Gemäß § 21 ThürVwKostG i.V. m. § 1 Thüringer Allgemeine Verwaltungskostenordnung (ThürAllgVwKostO) vom 3. Dezember 2001 Nr. 2.1.2 Allgemeines Verwaltungskostenverzeichnis betragen die Auslagen für das Anfertigen von Kopien bis DIN A3, die vom Kostenschuldner besonders beantragt oder die aus vom Kostenschuldner zu vertretenden Gründen notwendig wurden, unabhängig von der Art der Herstellung, für die ersten 50 Seiten je Seite 0,50 EUR für jede weitere Seite je Seite 0,15.EUR. Die dem Gericht vorliegende Leistungsakte hat einem Umfang von ca. 850 Blatt, so dass mit der Erhebung von Auslagen i.H.v. 145 EUR gerechnet werden müsste. Zwar kann gemäß § 16 ThürVwKostG die festsetzende Behörde die Verwaltungskosten ermäßigen oder von der Erhebung absehen, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verwaltungskostenschuldners oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten erscheint. Es fehlt jedoch an einer entsprechenden allgemeinen und verlässlichen Regelung seitens der Beklagten.Vielmehr hat diese in verschiedenen Erörterungsterminen zur Frage, ob in welcher Höhe und auf welcher Grundlage entsprechende Kosten geltend gemacht werden unklare und z.T. widersprüchliche Angaben gemacht. Dies lässt nur den Schluss zu, dass eine Billigkeitsregelung gemäß § 16 ThürVwKostG, die einen generellen Verzicht auf die Geltendmachung von Kopierauslagen im Rahmen der Widerspruchsverfahren nach dem SGB II beinhaltet, nicht existiert.
Das Akteneinsichtsgesuch konnte auch nicht in einem selbständigen Verfahren durchgesetzt werden; eine entsprechende Klage wäre unzulässig gewesen. Eine behördliche Verwaltungsverfahrenshandlung (hier: Ablehnung der Aktenübersendung an einen bevollmächtigten Rechtsanwalt) ist - unabhängig davon, ob sie in Form eines Verwaltungsaktes erfolgt - nicht isoliert anfechtbar und kann - mangels eigener Beschwer - auch nicht im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage überprüft werden. Sie ist nur inzident mit der Sachentscheidung überprüfbar. (Landessozialgericht Baden-Württemberg v. 09.08.2007 Az.: L 7 AS 874/07 – BSG v. 14.12.1988 Az. 9 /4 b RV 55/86, zitiert nach juris).
Gründe:
I.
Die am 08.07.2010 erhobene Klage wurde im Erörterungstermin am 18.02. 2011 von der Klägerseite in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Kläger hatten über ihren Prozessbevollmächtigten gegen den streitgegenständlichen Bescheid eingelegt und im Rahmen dieses Verfahrens Akteneinsicht im Wege der Übersendung der Akte in dessen Büro begehrt. Dabei wurde mitgeteilt, dass eine weitergehende Widerspruchsbegründung erst nach Akteneinsicht möglich sei.
Ohne die Akteneinsicht zu gewähren, wurde der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom14.06.2010 erlassen, gegen die sich die Klage richtet.
Die Kläger begehren der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, da das Klageverfahren durch die Nichtgewährung der Akteneinsicht durch Übersendung der Verwaltungsakte an den Prozessbevollmächtigten provoziert worden sei. Zur Prüfung des Leistungsanspruchs sei die Einsichtnahme in die umfangreiche Verwaltungsakte erforderlich, sie könne in den Räumen der Kanzlei auch ohne weitere Kosten eingescannt werden.
Die Beklagte ist der Ansicht eine Kostentragungspflicht sei nicht gegeben, da sie nach ihrem Ermessen gemäß § 84 a SGG zur zeitnahen Widerspruchsbearbeitung berechtigt gewesen sei, den Prozessbevollmächtigen auf die Möglichkeit der Akteneinsicht in den Räumen der Behörde zu verweisen; dort sei auch die Möglichkeit gegeben, Kopien anfertigen zu lassen, wobei im Rahmen einer Ermessensentscheidung im Einzelfall Kopiekosten analog § 11 Thür. Verwaltungskostengesetz erhoben würden.
II.
Der Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 193 SGG.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil oder im verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss endet. Das Gericht hat dabei unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles nach billigem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen dieser unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind sowohl die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens als auch die Gründe für die Klageerhebung bzw. Antragstellung zu beachten (Thüringer LSG, Beschluss vom 15. Februar 2008 - L 9 B 133/07 AS m.w.N.).
Abgesehen von der in § 194 Satz 1 SGG ausgesprochenen Verweisung auf § 100 der Zivilprozessordnung (ZPO) finden die Vorschriften der ZPO bei der zu treffenden Kostenentscheidung keine Anwendung. Denn die besondere, den Eigenarten des sozialgerichtlichen Verfahrens angepasste Kostenregelung des SGG schließt eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften nach § 202 SGG aus (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 Satz 3).
Im Rahmen der Ermessensausübung können aber gleichwohl die in den §§ 91 ff. ZPO enthaltenen allgemeinen Kostengrundsätze Berücksichtigung finden, um der Ermessensausübung einen hinreichend sicheren Prüfungsmaßstab zu Grunde legen zu können.
Hieraus folgt im Allgemeinen, dass es sachgemäßem Ermessen entspricht, wenn auf den tatsächlichen (äußeren) Verfahrensausgang abgestellt wird, also dem Beteiligten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, der (materiell) das erledigende Ereignis herbeigeführt hat (Anerkennung des geltend gemachten Anspruchs durch den Beklagten, Verzicht auf die Durchführung des Rechtsstreits aus freien Stücken durch den Kläger, vgl. Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, § 193 Rdnr. 7 a: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 193 Rdnr. 12 ff.). Dies gilt in aller Regel aber dann nicht, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zum Verfahren gegeben und den geltend gemachten Anspruch auf Grund einer späteren Änderung der Sach- und Rechtslage sofort anerkannt hat (Rechtsgedanken der §§ 93 ZPO, 156 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), so dass die Kostentragungspflicht dann gleichwohl beim Antragsteller bleibt. Führt also eine Änderung der Sach- und Rechtslage zur Erledigung, ist wesentlich darauf abzustellen, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre. Auch entspricht es der Billigkeit, auf die Erfolgsaussichten vor dem erledigenden Ereignis abzustellen (Meyer-Ladewig, aa.O., Rdnr. 12 a m.w.N.).
Demgegenüber wäre es unbillig, allgemein anzunehmen, dass der von einer Änderung der prozessualen Situation betroffene Beteiligte stets dieses Risiko tragen müsse. Der Verwaltungsträger hat also dann keine Kosten zu tragen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen während des Rechtsstreites durch eine Änderung der Verhältnisse erfüllt werden und er unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) ein Anerkenntnis abgibt oder der Änderung der Verhältnisse Rechnung trägt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf einen neuen Antrag hin die Leistungen entsprechend dem Begehren des Klägers zuerkannt hätte. Der Rechtsstreit wäre also nicht erforderlich gewesen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es sachgerecht, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, da sie Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Nur im Rahmen des Klageverfahrens konnte von den Klägern nach erfolgter Akteneinsicht sicher beurteilt werden, ob durch den Widerspruchsbescheid die Leistungen in der gesetzlichen Höhe festgesetzt worden sind.
Das Recht Einsicht in die Verwaltungsakten zu nehmen, dient dem aus Art 19 GG herzuleitendem Gebot effizienten Rechtsschutzes. Zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide ist grundsätzlich die vollständige Original-Verwaltungsakte notwendig (so für das Akteneinsichtsrecht gemäß § 120 SGG Landessozialgericht Baden-Württemberg v. 30.05.2008 Az.: L 12 AL 91/08- zitiert nach juris). Gemäß § 84 a SGG gilt für das Vorverfahren § 25 Abs. 4 des SGB X nicht, d.h. die Aktenübersendung ist insoweit der Normalfall. Es gelten daher die gleichen Maßstäbe wie im gerichtlichen Verfahren. Allerdings kann ein Rechtsanwalt auf die Akteneinsicht bei der Behörde bzw. bei Gericht verwiesen werden, wenn dies pflichtgemäßem Ermessen entspricht.
Bei der Entscheidung über den Antrag eines Rechtsanwalts auf Ausfolgung der Gerichtsakten zwecks Durchsicht in der Anwaltskanzlei dürfen dabei die Interessen an einem geordneten gerichtlichen Geschäftsgang nicht vorrangig berücksichtigt werden(Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 120 Rdnr. 4 unter Berufung auf Landesarbeitsgericht Hamm v. 20.06.1974 Az: 8 Ta 56/74). Die Übersendung der Akten kann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs notwendig, wenn die Einsichtnahme in der Geschäftsstelle wegen des Umfang und der Schwierigkeit der Materie nicht zumutbar ist. Es sollte eine möglichst großzügige Lösung gesucht werden.
Jedenfalls dann, wenn die Behördenakten einen erheblichen Umfang haben, die Anfertigung von Kopien notwendig und nicht sichergestellt ist, dass hierfür keine Kosten erhoben werden, entspricht es nicht dem pflichtgemäßen Ermessen, den Anwalt auf eine Akteinsichtnahme in den Räumen der Behörde zu verweisen.
Kopiekosten in erheblicher Höhe könnten von den Klägern als SGB II Empfängern nicht vorgestreckt werden, mit dem Ergebnis, dass eine Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren unter Kostenrisikogesichtspunkten häufig unterbleiben würde. Der Verzicht auf die Akteneinsicht würde den effektiven Rechtsschutz im Vorverfahren beschneiden und zugleich weitere Funktionen des Vorverfahren (neben der Vorverlagerung des effektiven Rechtsschutzes in das Verwaltungsverfahren) Selbstprüfungsmöglichkeit der Behörde und Entlastung der Gerichtsbarkeit) in Frage stellen. Die mit einer nicht gerechtfertigten Erschwerung einer effektiven Akteneinsicht verbundene Beschneidung der Möglichkeiten rechtlichen Gehörs brächte daher die Gefahr mit sich, dass das Vorverfahren zu einer funktionslosen Durchlaufstation zum gerichtlichen Verfahren reduziert würde.
Seitens des Prozessbevollmächtigten der Kläger musste mit der Geltendmachung erheblicher Kosten gerechnet werden.
Gemäß § 25 Abs. 5 S.2 SGB X kann die Behörde für die Anfertigung von Kopien Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenen Umfang verlangen. Legt man die Aussage der Behörde im weiteren Verfahren zugrunde, hält diese eine Auslagenerstattung entsprechend dem Thüringer Verwaltungskostengesetz für angemessen. § 11 Abs. 1 Nr. 6 Thüringer Verwaltungskostengesetz (ThürVwKostG) sieht insoweit zwingend vor, dass Aufwendungen für Ausfertigungen, Abschriften und Kopien, soweit sie auf besonderen Antrag hergestellt oder aus vom Verwaltungskostenschuldner zu vertretenden Gründen notwendig wurden, gesondert erhoben werden. Gemäß § 21 ThürVwKostG i.V. m. § 1 Thüringer Allgemeine Verwaltungskostenordnung (ThürAllgVwKostO) vom 3. Dezember 2001 Nr. 2.1.2 Allgemeines Verwaltungskostenverzeichnis betragen die Auslagen für das Anfertigen von Kopien bis DIN A3, die vom Kostenschuldner besonders beantragt oder die aus vom Kostenschuldner zu vertretenden Gründen notwendig wurden, unabhängig von der Art der Herstellung, für die ersten 50 Seiten je Seite 0,50 EUR für jede weitere Seite je Seite 0,15.EUR. Die dem Gericht vorliegende Leistungsakte hat einem Umfang von ca. 850 Blatt, so dass mit der Erhebung von Auslagen i.H.v. 145 EUR gerechnet werden müsste. Zwar kann gemäß § 16 ThürVwKostG die festsetzende Behörde die Verwaltungskosten ermäßigen oder von der Erhebung absehen, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verwaltungskostenschuldners oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten erscheint. Es fehlt jedoch an einer entsprechenden allgemeinen und verlässlichen Regelung seitens der Beklagten.Vielmehr hat diese in verschiedenen Erörterungsterminen zur Frage, ob in welcher Höhe und auf welcher Grundlage entsprechende Kosten geltend gemacht werden unklare und z.T. widersprüchliche Angaben gemacht. Dies lässt nur den Schluss zu, dass eine Billigkeitsregelung gemäß § 16 ThürVwKostG, die einen generellen Verzicht auf die Geltendmachung von Kopierauslagen im Rahmen der Widerspruchsverfahren nach dem SGB II beinhaltet, nicht existiert.
Das Akteneinsichtsgesuch konnte auch nicht in einem selbständigen Verfahren durchgesetzt werden; eine entsprechende Klage wäre unzulässig gewesen. Eine behördliche Verwaltungsverfahrenshandlung (hier: Ablehnung der Aktenübersendung an einen bevollmächtigten Rechtsanwalt) ist - unabhängig davon, ob sie in Form eines Verwaltungsaktes erfolgt - nicht isoliert anfechtbar und kann - mangels eigener Beschwer - auch nicht im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage überprüft werden. Sie ist nur inzident mit der Sachentscheidung überprüfbar. (Landessozialgericht Baden-Württemberg v. 09.08.2007 Az.: L 7 AS 874/07 – BSG v. 14.12.1988 Az. 9 /4 b RV 55/86, zitiert nach juris).
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved