Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 12 AS 4313/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Prozeßvollmacht des Inhalts, dass die Vollmacht für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten gelte und sich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren erstrecke, kann nicht mit der notwendigen Klarheit einem konkreten Klageverfahren zugeordnet werden; - auf Rüge ist daher das Vorhandensein einer wirksamen Vollmacht durch das Gericht zu prüfen.
2. In Ansehung des Umstandes, dass die (nicht der deutschen Sprache mächtigen) Kläger bislang 41 Streitverfahren (Klageverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) anhängig gemacht haben, ist dem Erfordernis einer individualisierten Prozeßvollmacht auch eine Schutzfunktion eingeschrieben. Denn nur wenn und soweit die Prozeßvollmacht in Bezug auf ein konkretes Gerichtsverfahren erteilt wird, ist sichergestellt, daß eine jedwede Klageerhebung auch vom Willen des Rechtsschutzsuchenden umfaßt ist.
2. In Ansehung des Umstandes, dass die (nicht der deutschen Sprache mächtigen) Kläger bislang 41 Streitverfahren (Klageverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) anhängig gemacht haben, ist dem Erfordernis einer individualisierten Prozeßvollmacht auch eine Schutzfunktion eingeschrieben. Denn nur wenn und soweit die Prozeßvollmacht in Bezug auf ein konkretes Gerichtsverfahren erteilt wird, ist sichergestellt, daß eine jedwede Klageerhebung auch vom Willen des Rechtsschutzsuchenden umfaßt ist.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Kostengrundentscheidung nach Erledigung der Hauptsache.
Die Kläger hatten zunächst unter dem 23. Juni 2010 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch vom 22. März 2010 gegen den Bewilli-gungsbescheid vom 20. August 2009 in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 23. Februar 2010 zu entscheiden. Zu deren Begründung hatten sie ausgeführt, daß die Klage nach Ablauf von drei Monaten zulässig und begründet sei. Ein weiteres Abwarten sei nicht mehr zumut-bar; Gründe für die verzögerte Widerspruchsbearbeitung seien nicht erkennbar. Der Klage-schrift war u.a. die Abschriften zweier Prozeßvollmachten vom 25. Februar 2010 beigefügt. Diese Prozeßvollmachten weisen als Grundverhältnis "ALG II - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes" aus; die Prozeßvollmachten schließen mit der Abrede: "In Angelegenhei-ten nach dem SGB II und SGB XII gilt diese Vollmacht, soweit nichts anderes schriftlich ver-einbart, widerrufen oder gekündigt wurde, für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Be-hörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren, ohne dass hierfür eine neue schriftliche Vollmacht unterzeichnet werden muss."
In der weiteren Folge hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. August 2010 die fehlende Be-vollmächtigung des Prozeßbevollmächtigten gerügt und zudem mitgeteilt, daß dem Klagebe-gehren zwischenzeitlich entsprochen worden sei.
Mit richterlicher Verfügung vom 28. Juli 2011 hat das Gericht u.a. folgenden Hinweis erteilt:
" Macht -wie im Streitfall- der Gegner den Mangel der Vollmacht geltend, muß das Gericht den Prozeßbevollmächtigten unter Fristsetzung zur Nachreichung auffordern (vgl. MEYER/LADEWIG/KELLER/LEITHERER, Sozialgerichtsgesetz (SGG), 9. Aufl. § 73 Rn. 67). Zum Nachweis der Bevollmächtigung ist das Original der Vollmachtsurkunde vorzulegen. Schriftstücke, die lediglich einen durch technische Übertragungsverfahren hergestellten Abdruck der Originalurkunde enthalten (Telefaxe; Fotokopien reichen hierfür nicht aus (FEUERICH/WEYLAND, Bundesrechtsanwaltsordnung, 7. Aufl., § 44 Rn. 15 m.w.N.).
Sie werden daher aufgefordert, eine Prozeßvollmacht im Original nach § 73 Abs. 1 SGG binnen Frist von 3-Wochen -gerechnet ab Erhalt dieses Schreibens- zu den Ge-richtsakten zu reichen.
Sie werden darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermitt-lungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Ge-richts die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und Sie die Verspätung nicht genügend entschuldigen (§ 106a SGG).
Das Gericht weist darauf hin, daß nach fruchtlosem Fristablauf die Klage als unzulässig abgewiesen werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Dezember 2000, Az. B 6 KA 29/00 R). Wenn und soweit die vorgenannte Frist daher fruchtlos verstreicht und keine Hinderungsgründe für die Hereinreichung der Prozeßvollmachten vorgetra-gen werden, erwägt das Gericht, über die Klage nach § 105 SGG durch Gerichtsbe-scheid zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden werden, wenn die Sache kei-ne besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Gerichtsbescheid hat die Wirkung eines Urteils.
Das Gericht verkennt nicht, daß bereits mit der Klageschrift vom 23. Juni 2010 Ab-schriften zweier Prozeßvollmachten der Kläger vom 25. Februar 2010 zu den Gerichts-akten gereicht wurden. Das Gericht erachtet diese Prozeßvollmachten im Streitverfah-ren für nicht ausreichend. Hierzu wie folgt:
Die Prozeßvollmachten weisen als Grundverhältnis nur "ALG II - Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhaltes" aus; sie schließen mit der Abrede: "In Angelegenheiten nach dem SGB II und SGB XII gilt diese Vollmacht, soweit nichts anderes schriftlich vereinbart, widerrufen oder gekündigt wurde, für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren, ohne daß hierfür eine neue schriftliche Vollmacht unterzeichnet werden muß."
Nach § 202 SGG iVm § 81 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ermächtigt die Pro-zeßvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen. Dem Wortlaut ist daher die unmißverständliche Wertung des Gesetzgebers eingeschrieben, daß eine jedwede Prozeßvollmacht grundsätzlich nur ein prozessuales Streitverhältnis umfaßt. Die Vollmacht nach § 81 ZPO gilt grundsätzlich nicht für formell neue Verfahren (VON METTENHEIM in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 3. Aufl., § 81 Rn. 4). Es dürfen daher auf Grund der Einzelvollmacht gegen den Gegner nicht beliebig viel Prozesse anhängig gemacht werden, sondern nur ein Verfahren (WIECZOREK, Zivilpro-zeßordnung, 2. Aufl., § 81 Rn. A II b).
Soweit darüber hinaus § 82 ZPO bestimmt, daß die Vollmacht für den Hauptprozeß u.a. auch die Vollmacht für das eine einstweilige Verfügung betreffende Verfahren umfaßt, spricht -neben dem hierin wiederholt zum Ausdruck kommenden Wortlautargument- auch die Gesetzessystematik für eine Beschränkung auf ein konkretes prozessuales Streitverhältnis.
Das Gericht weist bei Gelegenheit darauf hin, daß einer Erweiterung der Prozeßvoll-macht über den Umfang des § 81 ZPO hinaus die Bestimmungen des § 305c BGB re-spektive § 3 AGBG und Standesrecht entgegenstehen können (ZÖLLER, Zivilprozess-ordnung, 23. Aufl., § 81 Rn. 12 mwN). "
Mit Schriftsatz vom 12. August 2011 haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Unter dem 1. März 2012 hat die Beklagte um eine gerichtliche Kostengrundentscheidung nachgesucht.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
zu erkennen, daß die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den in der Akte befindlichen Schriftwechsel insgesamt verwiesen. Darüber hinaus hat die Verfahrensakte L 4 SF 1017/10 vorgelegen: den Befangenheitsantrag vom 24. August 2010 hat das Thüringer Landessozialgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2011 als unbegründet zurückgewiesen.
II.
Nach der Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 12. August 2011 -und dadurch bedingter Verfahrensbeendigung nach § 101 Abs. 2 SGG- ist auf Antrag eines Beteiligten (vgl. MEYER-LADEWIG/KELLER/LEITHERER, SGG, 9. Auflage, § 193 Rn. 2e) über die Kostentragungspflicht zu entscheiden, § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG.
Maßgeblich für das auszuübende sachgemäße Ermessen ist dabei einerseits das in § 91a Zi-vilprozeßordnung (ZPO) verankerte Unterlegensprinzip, wonach summarisch der vermutliche Ausgang des Verfahrens zu ermitteln und danach die Kostenlast zu verteilen ist. Andererseits ist in sozialgerichtlichen Verfahren auch das Veranlassungs- und Verursachungsprinzip zu beachten, wonach kostenrelevant sein kann, ob eine Behörde Anlaß für eine unbegründete Klage gegeben hat (MEYER-LADEWIG/KELLER/LEITHERER, SGG, 9. Auflage, § 193 Rn. 13). Schließlich kann das Verhalten der Prozeßbeteiligten relevant sein.
Hieran gemessen erscheint es sachgerecht, der Beklagten keine Kostentragungspflicht aufzu-erlegen. Dabei läßt es das Gericht im Streitfall dahinstehend, ob die Klage in Ansehung des Mangels der Vollmacht unzulässig (dazu sogleich unter 1.) oder eine Kostenlast der Beklag-ten in Ansehung einer Obliegenheitsverletzung der Kläger (dazu sogleich unter 2.) nicht be-gründet war. Im Einzelnen hierzu wie folgt:
1. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG können die Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzu-reichen, § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen, § 73 Abs. 6 Satz 2 SGG. Der Mangel der Vollmacht kann nach § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Man-gel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG.
Von diesen Grundsätzen ausgehend, war das Gericht auf Rüge der Beklagten verpflichtet, das Vorhandensein einer wirksamen Vollmacht zu prüfen und den Prozeßbevollmächtigten mit Verfügung vom 28. Juli 2011 zur Vorlage einer Prozeßvollmacht anzuhalten. Dieser Auffor-derung hat der Prozeßbevollmächtigte nicht entsprochen; - die Klage wäre daher als unzuläs-sig abzuweisen gewesen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Dezember 2000, Az. B 6 KA 29/00 R).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht in Ansehung des Umstandes, daß der Klage eine schriftli-che Prozeßvollmacht der Kläger vom 25. Februar 2010 in Abschrift beigegeben war. Denn diese Prozeßvollmacht kann bereits in Ansehung des Wortlauts " gilt für sämtliche Ange-legenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschrit-ten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren " nicht mit der notwendigen Klarheit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. August 1991, Az. 12 RK 39/90) einem konkreten Klageverfahren gegen die Beklagte zuge-ordnet werden. Eine solche individuelle Zuordnung erachtet das Gericht aber für geboten, weil den Bestimmungen der §§ 202 SGG in Verbindung mit § 81 Abs. 1 ZPO und § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG die eindeutige gesetzgeberische Wertung zu Grunde liegt, daß eine jedwede Pro-zeßvollmacht grundsätzlich nur ein prozessuales Streitverhältnis umfaßt. Die Prozeßvoll-macht gilt daher grundsätzlich nicht für formell neue Verfahren (VON METTENHEIM in Mün-chener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 3. Aufl., § 81 Rn. 4); auch dürfen auf Grund ei-ner (Einzel-)Vollmacht gegen den Gegner nicht beliebig viele Prozesse anhängig gemacht werden, sondern nur ein Verfahren (WIECZOREK, Zivilprozeßordnung, 2. Aufl., § 81 Rn. A II b).
Für diese Sicht auf die Dinge vermögen auch weitere Überlegungen zu sprechen:
Dem Erfordernis einer individualisierten Prozeßvollmacht ist auch eine Schutzfunktion einge-schrieben. Denn nur wenn und soweit die Prozeßvollmacht in Bezug auf ein konkretes Ge-richtsverfahren erteilt wird, ist sichergestellt, daß eine jedwede Klageerhebung auch vom Wil-len des Rechtsschutzsuchenden umfaßt ist. Die vorliegende, pauschalierte Prozeßvollmacht (" sämtliche Angelegenheiten auch zukünftige Bescheide ") birgt hingegen für den Rechtsschutzsuchenden -unbesehen der etwaig bestehenden Möglichkeit, die Kosten des Rechtsstreits dem vollmachtlosen Prozeßbevollmächtigten aufzuerlegen (vgl. Bundesfinanz-hof, Urteil vom 11. Juni 1997, Az. VII R 73/96)- die Gefahr, unter Umständen Anwalts-kosten in erheblicher Höhe tragen zu müssen. Daß diese Gefahr mit einem beträchtlichen wirtschaftlichen Risiko für die Rechtsschutzsuchenden einher geht, ist im Streitfall offenkun-dig: Denn ausweislich der gerichtlichen Verfahrensdatei haben die Kläger seit November 2009 beim Sozialgericht Nordhausen 41 gerichtliche Streitverfahren (Klageverfahren ein-schließlich Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) anhängig gemacht.
Dass die Kläger in dem vorliegenden Streitverfahren auch in besonderem Maße schutzbedürf-tig sind, wurde zudem in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2011, das Streitverfahren der Kläger zum Az. S 12 AS 8433/10 betreffend, offenbar: Eingangs der mündlichen Ver-handlung erklärten die Kläger, den Erörterungen nicht folgen zu können, weil sie nicht über hinreichende Deutschkenntnisse gebieten. Die Kläger suchten um die Hinzuziehung eines Dolmetschers der russischen Sprache nach. Hieran anschließend gab der Prozeßbevollmäch-tigte der Kläger zu erkennen, daß -wenn und soweit die Beklagte bereit sei, einen Betrag in Höhe von 18,70 Euro an die Kläger auszukehren- der Rechtsstreit auf dieser Grundlage seine Erledigung finden könne. In der weiteren Folge wurde der Rechtsstreit vertagt; das Gericht wird einen Dolmetscher hinzuziehen. Nur bei Gelegenheit sei angemerkt: Der für die Kläger in der mündlichen Verhandlungen am 18. Mai 2011 auftretende Prozeßbevollmächtigte war der russischen Sprache nicht, auch nicht ansatzweise mächtig.
In Ermangelung einer individualisierten Prozeßvollmacht für das streitgegenständliche Ver-fahren wäre daher die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen.
2. Mit Beschluss vom 2. August 2011, Az. S 12 AS 4365/10 hat das Gericht zu den Obliegen-heiten bei der Erhebung von Untätigkeitsklagen u.a. wie folgt ausgeführt: " ... regelmäßig ist es den Rechtsschutzsuchenden vor Erhebung einer Untätigkeitsklage zuzumuten, bei der Be-hörde selbst vorstellig zu werden, um die Gründe der Verzögerung zu erfahren und auf die Notwendigkeit der Erteilung eines zeitnahen Bescheides hinzuwirken (Landessozialgericht Niedersachsen, Beschluss vom 11. November 1991, Az. L 7 S (Ar) 175/91 und Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 13. Februar 2009, Az. S 10 R 193/07). Dem haben die Kläger nicht entsprochen, so daß eine Kostentragungspflicht der Beklagten ... insoweit zu verneinen ist ..."
Dem hat das Gericht nichts hinzuzufügen; - weil aber die Kläger im streitgegenständlichen
Verfahren dieser Obliegenheit nicht entsprochen haben, ist eine Kostentragungspflicht der Beklagten (auch insoweit) nicht veranlasst.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.
Gründe:
I.
Streitig ist die Kostengrundentscheidung nach Erledigung der Hauptsache.
Die Kläger hatten zunächst unter dem 23. Juni 2010 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch vom 22. März 2010 gegen den Bewilli-gungsbescheid vom 20. August 2009 in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 23. Februar 2010 zu entscheiden. Zu deren Begründung hatten sie ausgeführt, daß die Klage nach Ablauf von drei Monaten zulässig und begründet sei. Ein weiteres Abwarten sei nicht mehr zumut-bar; Gründe für die verzögerte Widerspruchsbearbeitung seien nicht erkennbar. Der Klage-schrift war u.a. die Abschriften zweier Prozeßvollmachten vom 25. Februar 2010 beigefügt. Diese Prozeßvollmachten weisen als Grundverhältnis "ALG II - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes" aus; die Prozeßvollmachten schließen mit der Abrede: "In Angelegenhei-ten nach dem SGB II und SGB XII gilt diese Vollmacht, soweit nichts anderes schriftlich ver-einbart, widerrufen oder gekündigt wurde, für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Be-hörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren, ohne dass hierfür eine neue schriftliche Vollmacht unterzeichnet werden muss."
In der weiteren Folge hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. August 2010 die fehlende Be-vollmächtigung des Prozeßbevollmächtigten gerügt und zudem mitgeteilt, daß dem Klagebe-gehren zwischenzeitlich entsprochen worden sei.
Mit richterlicher Verfügung vom 28. Juli 2011 hat das Gericht u.a. folgenden Hinweis erteilt:
" Macht -wie im Streitfall- der Gegner den Mangel der Vollmacht geltend, muß das Gericht den Prozeßbevollmächtigten unter Fristsetzung zur Nachreichung auffordern (vgl. MEYER/LADEWIG/KELLER/LEITHERER, Sozialgerichtsgesetz (SGG), 9. Aufl. § 73 Rn. 67). Zum Nachweis der Bevollmächtigung ist das Original der Vollmachtsurkunde vorzulegen. Schriftstücke, die lediglich einen durch technische Übertragungsverfahren hergestellten Abdruck der Originalurkunde enthalten (Telefaxe; Fotokopien reichen hierfür nicht aus (FEUERICH/WEYLAND, Bundesrechtsanwaltsordnung, 7. Aufl., § 44 Rn. 15 m.w.N.).
Sie werden daher aufgefordert, eine Prozeßvollmacht im Original nach § 73 Abs. 1 SGG binnen Frist von 3-Wochen -gerechnet ab Erhalt dieses Schreibens- zu den Ge-richtsakten zu reichen.
Sie werden darauf hingewiesen, dass das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermitt-lungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Ge-richts die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und Sie die Verspätung nicht genügend entschuldigen (§ 106a SGG).
Das Gericht weist darauf hin, daß nach fruchtlosem Fristablauf die Klage als unzulässig abgewiesen werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Dezember 2000, Az. B 6 KA 29/00 R). Wenn und soweit die vorgenannte Frist daher fruchtlos verstreicht und keine Hinderungsgründe für die Hereinreichung der Prozeßvollmachten vorgetra-gen werden, erwägt das Gericht, über die Klage nach § 105 SGG durch Gerichtsbe-scheid zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden werden, wenn die Sache kei-ne besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Gerichtsbescheid hat die Wirkung eines Urteils.
Das Gericht verkennt nicht, daß bereits mit der Klageschrift vom 23. Juni 2010 Ab-schriften zweier Prozeßvollmachten der Kläger vom 25. Februar 2010 zu den Gerichts-akten gereicht wurden. Das Gericht erachtet diese Prozeßvollmachten im Streitverfah-ren für nicht ausreichend. Hierzu wie folgt:
Die Prozeßvollmachten weisen als Grundverhältnis nur "ALG II - Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhaltes" aus; sie schließen mit der Abrede: "In Angelegenheiten nach dem SGB II und SGB XII gilt diese Vollmacht, soweit nichts anderes schriftlich vereinbart, widerrufen oder gekündigt wurde, für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschritten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich daher grundsätzlich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren, ohne daß hierfür eine neue schriftliche Vollmacht unterzeichnet werden muß."
Nach § 202 SGG iVm § 81 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ermächtigt die Pro-zeßvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen. Dem Wortlaut ist daher die unmißverständliche Wertung des Gesetzgebers eingeschrieben, daß eine jedwede Prozeßvollmacht grundsätzlich nur ein prozessuales Streitverhältnis umfaßt. Die Vollmacht nach § 81 ZPO gilt grundsätzlich nicht für formell neue Verfahren (VON METTENHEIM in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 3. Aufl., § 81 Rn. 4). Es dürfen daher auf Grund der Einzelvollmacht gegen den Gegner nicht beliebig viel Prozesse anhängig gemacht werden, sondern nur ein Verfahren (WIECZOREK, Zivilpro-zeßordnung, 2. Aufl., § 81 Rn. A II b).
Soweit darüber hinaus § 82 ZPO bestimmt, daß die Vollmacht für den Hauptprozeß u.a. auch die Vollmacht für das eine einstweilige Verfügung betreffende Verfahren umfaßt, spricht -neben dem hierin wiederholt zum Ausdruck kommenden Wortlautargument- auch die Gesetzessystematik für eine Beschränkung auf ein konkretes prozessuales Streitverhältnis.
Das Gericht weist bei Gelegenheit darauf hin, daß einer Erweiterung der Prozeßvoll-macht über den Umfang des § 81 ZPO hinaus die Bestimmungen des § 305c BGB re-spektive § 3 AGBG und Standesrecht entgegenstehen können (ZÖLLER, Zivilprozess-ordnung, 23. Aufl., § 81 Rn. 12 mwN). "
Mit Schriftsatz vom 12. August 2011 haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Unter dem 1. März 2012 hat die Beklagte um eine gerichtliche Kostengrundentscheidung nachgesucht.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
zu erkennen, daß die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den in der Akte befindlichen Schriftwechsel insgesamt verwiesen. Darüber hinaus hat die Verfahrensakte L 4 SF 1017/10 vorgelegen: den Befangenheitsantrag vom 24. August 2010 hat das Thüringer Landessozialgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2011 als unbegründet zurückgewiesen.
II.
Nach der Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 12. August 2011 -und dadurch bedingter Verfahrensbeendigung nach § 101 Abs. 2 SGG- ist auf Antrag eines Beteiligten (vgl. MEYER-LADEWIG/KELLER/LEITHERER, SGG, 9. Auflage, § 193 Rn. 2e) über die Kostentragungspflicht zu entscheiden, § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG.
Maßgeblich für das auszuübende sachgemäße Ermessen ist dabei einerseits das in § 91a Zi-vilprozeßordnung (ZPO) verankerte Unterlegensprinzip, wonach summarisch der vermutliche Ausgang des Verfahrens zu ermitteln und danach die Kostenlast zu verteilen ist. Andererseits ist in sozialgerichtlichen Verfahren auch das Veranlassungs- und Verursachungsprinzip zu beachten, wonach kostenrelevant sein kann, ob eine Behörde Anlaß für eine unbegründete Klage gegeben hat (MEYER-LADEWIG/KELLER/LEITHERER, SGG, 9. Auflage, § 193 Rn. 13). Schließlich kann das Verhalten der Prozeßbeteiligten relevant sein.
Hieran gemessen erscheint es sachgerecht, der Beklagten keine Kostentragungspflicht aufzu-erlegen. Dabei läßt es das Gericht im Streitfall dahinstehend, ob die Klage in Ansehung des Mangels der Vollmacht unzulässig (dazu sogleich unter 1.) oder eine Kostenlast der Beklag-ten in Ansehung einer Obliegenheitsverletzung der Kläger (dazu sogleich unter 2.) nicht be-gründet war. Im Einzelnen hierzu wie folgt:
1. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG können die Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzu-reichen, § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen, § 73 Abs. 6 Satz 2 SGG. Der Mangel der Vollmacht kann nach § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Man-gel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG.
Von diesen Grundsätzen ausgehend, war das Gericht auf Rüge der Beklagten verpflichtet, das Vorhandensein einer wirksamen Vollmacht zu prüfen und den Prozeßbevollmächtigten mit Verfügung vom 28. Juli 2011 zur Vorlage einer Prozeßvollmacht anzuhalten. Dieser Auffor-derung hat der Prozeßbevollmächtigte nicht entsprochen; - die Klage wäre daher als unzuläs-sig abzuweisen gewesen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Dezember 2000, Az. B 6 KA 29/00 R).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht in Ansehung des Umstandes, daß der Klage eine schriftli-che Prozeßvollmacht der Kläger vom 25. Februar 2010 in Abschrift beigegeben war. Denn diese Prozeßvollmacht kann bereits in Ansehung des Wortlauts " gilt für sämtliche Ange-legenheiten gegenüber der Behörde bzw. den Gerichten in allen Verfahrensschrit-ten/Instanzen. Die Vollmacht erstreckt sich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren " nicht mit der notwendigen Klarheit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. August 1991, Az. 12 RK 39/90) einem konkreten Klageverfahren gegen die Beklagte zuge-ordnet werden. Eine solche individuelle Zuordnung erachtet das Gericht aber für geboten, weil den Bestimmungen der §§ 202 SGG in Verbindung mit § 81 Abs. 1 ZPO und § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG die eindeutige gesetzgeberische Wertung zu Grunde liegt, daß eine jedwede Pro-zeßvollmacht grundsätzlich nur ein prozessuales Streitverhältnis umfaßt. Die Prozeßvoll-macht gilt daher grundsätzlich nicht für formell neue Verfahren (VON METTENHEIM in Mün-chener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 3. Aufl., § 81 Rn. 4); auch dürfen auf Grund ei-ner (Einzel-)Vollmacht gegen den Gegner nicht beliebig viele Prozesse anhängig gemacht werden, sondern nur ein Verfahren (WIECZOREK, Zivilprozeßordnung, 2. Aufl., § 81 Rn. A II b).
Für diese Sicht auf die Dinge vermögen auch weitere Überlegungen zu sprechen:
Dem Erfordernis einer individualisierten Prozeßvollmacht ist auch eine Schutzfunktion einge-schrieben. Denn nur wenn und soweit die Prozeßvollmacht in Bezug auf ein konkretes Ge-richtsverfahren erteilt wird, ist sichergestellt, daß eine jedwede Klageerhebung auch vom Wil-len des Rechtsschutzsuchenden umfaßt ist. Die vorliegende, pauschalierte Prozeßvollmacht (" sämtliche Angelegenheiten auch zukünftige Bescheide ") birgt hingegen für den Rechtsschutzsuchenden -unbesehen der etwaig bestehenden Möglichkeit, die Kosten des Rechtsstreits dem vollmachtlosen Prozeßbevollmächtigten aufzuerlegen (vgl. Bundesfinanz-hof, Urteil vom 11. Juni 1997, Az. VII R 73/96)- die Gefahr, unter Umständen Anwalts-kosten in erheblicher Höhe tragen zu müssen. Daß diese Gefahr mit einem beträchtlichen wirtschaftlichen Risiko für die Rechtsschutzsuchenden einher geht, ist im Streitfall offenkun-dig: Denn ausweislich der gerichtlichen Verfahrensdatei haben die Kläger seit November 2009 beim Sozialgericht Nordhausen 41 gerichtliche Streitverfahren (Klageverfahren ein-schließlich Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) anhängig gemacht.
Dass die Kläger in dem vorliegenden Streitverfahren auch in besonderem Maße schutzbedürf-tig sind, wurde zudem in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2011, das Streitverfahren der Kläger zum Az. S 12 AS 8433/10 betreffend, offenbar: Eingangs der mündlichen Ver-handlung erklärten die Kläger, den Erörterungen nicht folgen zu können, weil sie nicht über hinreichende Deutschkenntnisse gebieten. Die Kläger suchten um die Hinzuziehung eines Dolmetschers der russischen Sprache nach. Hieran anschließend gab der Prozeßbevollmäch-tigte der Kläger zu erkennen, daß -wenn und soweit die Beklagte bereit sei, einen Betrag in Höhe von 18,70 Euro an die Kläger auszukehren- der Rechtsstreit auf dieser Grundlage seine Erledigung finden könne. In der weiteren Folge wurde der Rechtsstreit vertagt; das Gericht wird einen Dolmetscher hinzuziehen. Nur bei Gelegenheit sei angemerkt: Der für die Kläger in der mündlichen Verhandlungen am 18. Mai 2011 auftretende Prozeßbevollmächtigte war der russischen Sprache nicht, auch nicht ansatzweise mächtig.
In Ermangelung einer individualisierten Prozeßvollmacht für das streitgegenständliche Ver-fahren wäre daher die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen.
2. Mit Beschluss vom 2. August 2011, Az. S 12 AS 4365/10 hat das Gericht zu den Obliegen-heiten bei der Erhebung von Untätigkeitsklagen u.a. wie folgt ausgeführt: " ... regelmäßig ist es den Rechtsschutzsuchenden vor Erhebung einer Untätigkeitsklage zuzumuten, bei der Be-hörde selbst vorstellig zu werden, um die Gründe der Verzögerung zu erfahren und auf die Notwendigkeit der Erteilung eines zeitnahen Bescheides hinzuwirken (Landessozialgericht Niedersachsen, Beschluss vom 11. November 1991, Az. L 7 S (Ar) 175/91 und Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 13. Februar 2009, Az. S 10 R 193/07). Dem haben die Kläger nicht entsprochen, so daß eine Kostentragungspflicht der Beklagten ... insoweit zu verneinen ist ..."
Dem hat das Gericht nichts hinzuzufügen; - weil aber die Kläger im streitgegenständlichen
Verfahren dieser Obliegenheit nicht entsprochen haben, ist eine Kostentragungspflicht der Beklagten (auch insoweit) nicht veranlasst.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.
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