Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
27
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 27 AS 1757/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2015 verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 in Höhe von 166,60 EUR freizustellen. 2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 3/4. 3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte die Klägerin von außergerichtlichen Rechts-anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 freizustellen hat.
Die Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II befand, beantragte am 13.10.2009 beim Beklagten ein Darlehen für die Anschaffung einer Brille. Hierzu legte sie mehrere Kostenvoranschläge zwischen 265 EUR und 342,10 EUR vor. Die Bewilligung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2009 ab, da die Anschaffung einer Brille vom Regelbedarf umfasst sei.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 07.12.2009, der nicht inhaltlich begründet wurde. Mit Bescheid vom 06.01.2010 half der Beklagte dem Widerspruch in der Sache ab und mit Bescheid vom 12.01.2010 erklärte er sich zur Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach bereit.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 04.12.2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung der für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 entstandenen Rechts-anwaltsgebühren wie folgt:
Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 180,00 EUR Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 38,00 EUR - 238,00 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 05.06.2015 lehnte der Beklagte die Kostenfestsetzung für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 ab, da der Anspruch des Prozessbevollmächtigten gegenüber der Klägerin aus dem Mandatsverhältnis verjährt sei und insoweit keine notwendigen Kosten im Sinne des § 63 SGB X vorlägen.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 05.07.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2015 als unbegründet zurückwies.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese am 20.08.2015 Klage erhoben.
Der Beklagte könne sich schon deswegen nicht auf eine Verjährung der Gebührenforderung im Verhältnis des Prozessbevollmächtigten zur Klägerin berufen, weil dies eine Frage des Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach sei, während im Kostenfestsetzungsverfahren nur über die Höhe zu entscheiden sei. Für die Frage, ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, könne es nur auf den Zeitpunkt der Veranlassung und Durchführung der Maßnahme ankommen. Überdies könne sich der Beklagte allenfalls dann auf eine Verjährung der Gebührenforderung berufen, wenn dies der Kostenerstattungsberechtigte, also die Klägerin, tun wolle und auch getan habe. Ihm, dem Prozessbevollmächtigten, gegenüber habe sich die Klägerin nicht auf Verjährung berufen.
Die Klägerin hat zuletzt noch beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 05.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 166,60 EUR freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, notwendige Kosten im Sinne des § 63 SGB X lägen nicht vor, wenn sich die Klägerseite gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten dem Grunde nach auf die Einrede der Verjährung berufen könne. Hilfsweise beruft er sich darauf, dass die Kostenfestsetzung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Höhe nach unbillig sei.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte ergänzend verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2017 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg, denn sie ist zulässig und begründet.
Zutreffend verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), gerichtet auf die Freistellung von dem Vergütungs-anspruch ihres Bevollmächtigten (vgl. BSG v. 21.12.2009 – Az. B 14 AS 83/08 R; für das Zivilrecht auch BGH v. 22.03.2011 – Az. VI ZR 63/10).
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X einen Anspruch darauf, von Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 freigestellt zu werden. Die Rechtsanwaltskosten sind als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X vom Beklagten zu erstatten, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Klägerin im Innenverhältnis zu ihrem Prozessbevollmächtigten auf Verjährung berufen könnte (dazu unter I.).
Die im Klageweg zuletzt geltend gemachte Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 166,60 EUR entspricht auch der Höhe nach der Billigkeit und sind daher in der geltend gemachten Höhe festzusetzen (dazu unter II.).
Der Anspruch auf Freistellung nach § 63 SGB X ist auch durchsetzbar, weil sich der Beklagte vorliegend jedenfalls nicht auf dessen Verjährung berufen hat (dazu unter III.).
I.
Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Wi-derspruch erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Anerkannt ist insoweit auch, dass eine zuvor erfolgte Rechnungslegung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht erforderlich ist, sondern dass auch vor Rechnungslegung entsprechend § 257 BGB eine Freistellung von dem Gebührenanspruch über § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X begehrt werden kann (siehe nur BSG v. 02.12.2014 – Az. B 14 AS 60/13 R, SG Nordhausen v. 26.10.2015 – Az. S 31 AS 818/14). Notwendig im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist dabei alles, was ein verständiger Beteiligter im Hinblick auf die Bedeutung sowie die sachliche oder rechtliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 13 mwN.). Grundsätzlich sind dabei die vom Rechtsanwalt nach dem RVG zu fordernden Gebühren und Auslagen als vernünftige Ausgabe in diesem Sinn zu verstehen. Hieraus folgt, dass die Gebührenrechnung des Rechtsanwalts – vorbehaltlich ihrer Billigkeit der Höhe nach – stets dann als erstattungsfähig anzusehen ist, wenn der Rechtsanwalt diese dem Grunde nach von Rechts wegen vom Mandanten fordern kann. Sofern die Gebührenforderung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten verjährt sein sollte, kann der Rechtsanwalt diese dennoch jedenfalls dann fordern, wenn sich der Mandant auf die eingetretene Verjährung nicht berufen hat. Denn in diesem Fall bedingt der Einredecharakter der Verjährung, dass die Gebührenforderung weiterhin vollwirksam bestehen bleibt und auch durchsetzbar ist (vgl. BGH v. 02.10.2003 – Az. V ZB 22/03 sowie ausführlich BGH v. 27.01.2010 – Az. VIII ZR 58/09 mwN.).
Verjährung der Gebührenforderung des Rechtsanwalts tritt ein, wenn nach Ablauf des Jahres, in dem die Forderung im Sinne des § 8 Abs. 1 RVG nach Abschluss des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällig wurde, drei Jahre vergangen sind, §§ 199 Abs. 1, 195 BGB. Im vorliegenden Fall wurde die Angelegenheit "Widerspruchsverfahren W 4322/09" mit Bescheid des Beklagten vom 12.01.2010 beendet. Mithin begann die Verjährung der Gebührenforderung – vorbehaltlich eventuell abweichender Vereinbarungen im Innenverhältnis von Mandant und Rechtsanwalt – mit Ablauf des Jahres 2010, sodass die Gebührenforderung mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt sein dürfte. Damit spricht vieles dafür, dass die Klägerin gegen die zur Kostenfestsetzung beantragte Gebührenforderung tatsächlich die Einrede der Verjährung erheben konnte. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Klägerin gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten auch auf die Verjährung berufen hat. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte schriftsätzlich erklärt, dass ihm gegenüber die entsprechende Einrede nicht erhoben wurde. Mithin ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach wie vor einer vollwirksamen und durchsetzbaren Gebührenforderung des Prozessbevollmächtigten ausgesetzt ist, die einzig noch von der Rechnungslegung nach § 10 RVG abhinge. Eine solche vollwirksame und bei Rechnungslegung auch durchsetzbare Gebührenforderung des Rechtsanwalts zählt aber grundsätzlich zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X. Auch liegt hier kein Fall eines Verstoßes der Klägerin gegen die Kostenminderungspflicht vor, der dazu führte, dass die zur Festsetzung beantragten Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr als "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig" zu erstatten wären (a.A. SG Berlin v. 20.08.2014 – Az. S 204 AS 14829/13; SG Nordhausen v. 26.10.2015 – Az. S 31 AS 818/14 und v. 16.01.2017 – Az. S 31 AS 2363/14).
Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass jeder Beteiligte eines Gerichtsver-fahrens gehalten ist, die Kosten der Prozessführung so gering als möglich zu halten, widrigenfalls die Kosten nicht als "notwendig" angesehen werden (siehe Kopp/Ramsauer, § 80 VwVfG Rn. 50 mwN aus der Rspr.; ebenso Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 13). Hiermit ist jedoch nach Überzeugung der Kammer lediglich gemeint, dass im Zeitpunkt der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung keine Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die für die Zwecke der Rechtsverfolgung nutzlos und offenbar nur dazu angetan sind, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen bzw. der Maximierung des Honorars des Prozessbevollmächtigten zu dienen (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg v. 19.01.2012 – Az. L 29 SF 552/11). Soweit ersichtlich, ist auch in der Rechtsprechung abgesehen von den zitierten Entscheidungen des SG Nordhausen und des SG Berlin weitgehend nur dann von einem für die Kostenerstattung relevanten Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht ausgegangen worden, wenn bei der Prozessführung bzw. Rechtsverfolgung selbst Maßnahmen ergriffen wurden, die mit den Grundsätzen der wirtschaftlichen Prozessführung nicht vereinbar sind (vgl. VGH Mannheim v. 28.02.1991 - Az. NC 9 S 98/90 - NVwZ-RR 1992, 388; OVG Berlin v. 07.02.2001 - Az. 3 K 17/00 - NVwZ-RR 2001, 613; LSG Berlin-Brandenburg v. 19.01.2012 – Az. L 29 SF 552/11; SG Berlin v. 26.03.2012 - Az. S 91 AS 13629/11). Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Kostenminderungspflicht darauf, dass nur innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zur Festsetzung beantragte Kosten "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig" gewesen seien, erscheint vor diesem Hintergrund nicht angezeigt. Vielmehr spricht nach Ansicht der Kammer bereits der Wortlaut der Vorschrift dafür, den Begriff der Notwendigkeit im Rahmen des § 63 SGB X nur auf die exante-Beurteilung der Rechtsverfolgungs- bzw. Rechtsverteidigungsmaßnahmen selbst zu beziehen (in diese Richtung deutend BVerwG v. 16.10.1980 – Az. 8 C 10.80; in diese Richtung interpretierbar auch BSG v. 01.07.2009 - Az. B 4 AS 21/09 R, wonach sich die Notwendig-keit auf die Höhe der Kosten bezieht; ausdrücklich auch Kopp/Ramsauer, § 80 VwVfG Rn. 50 und Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 13: keine ex-post-Beurteilung der Notwen-digkeit durch die Behörde oder das Gericht). Dafür, die Frage der Geltendmachung der Erstattung vor Verjährung der Gebührenforderung in den Begriff der Notwendigkeit einzubeziehen, besteht überdies schon deshalb kein Bedürfnis, weil auch der Kostenerstattungsanspruch selbst einer Verjährung unterliegt (siehe unten unter III.).
Darüber hinaus begegnet es rechtssystematisch durchgreifenden Bedenken, allein aus der Möglichkeit der Erhebung einer Einrede gegen die Gebührenforderung die Schlussfolgerung zu ziehen, dass keine Erstattung mehr nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erfolgen habe. Denn aus dem Einredecharakter folgt gerade auch die Dispositionsfreiheit dessen, dem die Einrede zusteht, darüber, ob diese geltend gemacht werden soll oder nicht – tut er dies nicht, so hat allein die Tatsache, dass Verjährung eingetreten ist, keinerlei Auswirkungen auf das Bestehen oder die Durchsetzbarkeit des Anspruchs (siehe BGH v. 02.10.2003 – Az. V ZB 22/03 sowie ausführlich BGH v. 27.01.2010 – Az. VIII ZR 58/09 mwN.). Hieraus folgt, dass grundsätzlich ein verjährter Anspruch bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede der Verjährung ebenso zu behandeln ist wie ein nicht verjährter Anspruch. Somit hat auch ein zur Erstattung verpflichteter Dritter auf einen verjährten Anspruch grundsätzlich zu leisten, solange durch den Berechtigten die Einrede der Verjährung nicht erhoben ist (So für den Fall des prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Verfahren nach § 164 VwGO: BayVGH v. 14.07.2003 – Az. 15 C 03.947; OVG Sachsen v. 08.02.2012 – Az. 5 E 56/10; für den Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO OLG Naumburg v. 29.08.2001 – Az. 13 W 439/11; OLG Frankfurt/Main v. 29.07.2010 – Az. 15 W 18/10; OLG Koblenz v. 28.07.2008 – Az. 14 W 374/08). Wollte man den Kostenerstattungsanspruch bereits aufgrund der Möglichkeit der Erhebung einer Einrede verneinen, würde dem Erstattungsberechtigten gleichsam "durch die Hintertür" jene Dispositionsbefugnis genommen, die ihm die Rechtsnatur der Einrede gerade einräumt. Das Gesetz räumt diese Dispositionsbefugnis dem Erstattungsberechtigten gerade deshalb ein, weil eine Vielzahl billigenswerter Gründe denkbar sind, aus denen heraus der Erstattungsberechtigte auch eine einredebehaftete Forderung erfüllt sehen will. Zu denken ist hier beispielsweise an den Wunsch, auch zukünftig die geschäftliche Beziehung aufrecht zu erhalten, oder schlicht den Wunsch, die erbrachte Leistung trotz des Zeitablaufs vergütet zu sehen (vgl. nur die Erwägungen von OLG Koblenz v. 28.07.2008 – Az. 14 W 374/08 für Vergütungsansprüche eines Sachverständigen).
Auch aus dem Rechtsgedanken des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB folgt nicht, dass im Rahmen des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X schon bei Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Erstattungsberechtigten keine notwendigen Kosten mehr vorlägen (a.A. SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 22). Denn § 768 Abs. 1 S. 1 BGB ist gerade nicht Folge eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, wonach zur Erstattung verpflichtete Dritte sich auf Einreden des Erstattungsberechtigten berufen können. Vielmehr ist es so, dass selbst bei der akzessorisch ausgestalteten Kreditsicherheit der Bürgschaft, der Gesetzgeber es für notwendig befunden hat, gesondert zu regeln, dass dem Bürgen die Einreden des Hauptschuldners zustehen. Insoweit ist § 768 Abs. 1 S. 1 BGB gerade eine Durchbrechung des zivilrechtlichen Grundsatzes, dass Einreden nur von dem geltend gemacht werden können, dem sie zustehen, und mithin eine Ausnahmevorschrift. Darüber hinaus lässt es selbst diese Ausnahmevorschrift nicht zu, dass allein die Möglichkeit der Erhebung einer Einrede die Eintrittspflicht des Dritten (hier: Bürgen) entfallen lässt.
Die Kammer sieht sich in ihrer Auffassung, dass allein die Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Erstattungsberechtigten nicht dazu führen kann, dass keine notwendigen Kosten im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X mehr vorliegen, auch durch die Entscheidung des BSG v. 02.12.2014 – Az. B 14 AS 60/13 R – bestätigt. In dieser Entscheidung hat das BSG klargestellt, dass die Frage der Rechnungslegung nach § 10 RVG allein das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt betrifft, nicht aber die Erstattungspflicht gemäß § 63 SGB X berührt. Nichts anderes kann für die Frage der Verjährung des Gebührenanspruchs gelten.
II.
Die im Klageweg zuletzt noch geltend gemachte Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 166,60 EUR entspricht auch der Höhe nach der Billigkeit, die Kosten sind daher in der geltend gemachten Höhe festzusetzen, siehe § 14 Abs. 1 S. 4 RVG.
Die Kammer ist hierbei entgegen der Ansicht der Klägerin der Auffassung, dass sie zu einer umfassenden Prüfung der Billigkeit der anwaltlichen Gebührenrechnung auch dann befugt ist, wenn der Beklagte – wie vorliegend – der Gebührenrechnung nicht substantiiert und unter Bezifferung der seiner Auffassung nach billigen Gebühren entgegen getreten ist (vgl. dazu etwa SG Nordhausen v. 23.04.2015 – Az. S 12 SF 507/12 E, zurückgehend auf BGH v. 20.01.2011 – Az. V ZB 216/10). Denn der Grundsatz, dass das Gericht eine geltend gemachte Gebühr im Falle des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nur dann auf ihre Billigkeit zu prüfen hat, wenn der Erstattungspflichtige entsprechend substantiierte Einwendungen erhoben hat, entstammt der Rechtsprechung zu den gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 91 ZPO bzw. § 193 SGG und ist auf die Kostenerstattung im Rahmen des § 63 SGB X nicht übertragbar. Das gerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren, das dem Urkundsbeamten bzw. dem Rechtspfleger übertragen ist, ist auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts beschränkt und überdies stark formalisiert (vgl. BGH v. 20.01.2011 – Az. V ZB 216/10). Insoweit ist es konsequent, § 14 Abs. 1 S. 4 RVG in diesem Zusammenhang so zu lesen, dass bei fehlendem substantiierten Gegenvortrag durch den Urkundsbeamten bzw. den Rechtspfleger schlicht die Gebühr in beantragter Höhe festzusetzen ist. Demgegenüber ist die Kostenerstattung nach § 63 SGB X jedoch als normales Hauptsacheverfahren (Bescheid mit Widerspruchsmöglichkeit, Widerspruchsbescheid mit Klagemöglichkeit) ausgestaltet, in dem sowohl die Behörde als auch das Gericht den Sachverhalt im Wege der Amtsermittlung aufzuklären haben und in dem insbesondere auch das Gericht eine uneingeschränkte Rechtsprüfung vorzunehmen hat. Hierbei ist das Gericht befugt, selbst über die Angemessenheit der anwaltlichen Gebührenrechnung zu befinden, ohne dabei durch die benannten Darlegungslastgrundsätze oder einen Beurteilungsspielraum der Behörde eingeschränkt zu sein (vgl. auch Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 47 mwN. aus der Rspr.). Ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 RVG war durch das Gericht nicht einzuholen (BSG v. 01.07.2009 - Az. B 4 AS 21/09 R mwN.)
Die im Klagewege zuletzt begehrte Freistellung von Kosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist dabei nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht auch die Geschäftsgebühr in der geltend gemachten Höhe der Billigkeit.
Anzuwenden ist hierbei das RVG in der bis zum 28.10.2010 geltenden Fassung, da der unbe-dingte Auftrag, das Widerspruchsverfahren W 4322/09 zu führen, vor diesem Zeitpunkt erteilt wurde, § 60 Abs. 1 S. 1 RVG. In der seinerzeit geltenden Fassung des Vergütungsverzeichnisses (VV) Anlage 1 RVG war die Geschäftsgebühr Nr. 2400 mit einem Betrag zwischen 40,00 EUR und 520,00 EUR festzusetzen. Die Mittelgebühr, die dabei für Fälle von durchschnittlicher Bedeutung und durchschnittlichem Umfang sowie Schwierigkeit festzusetzen ist, betrug 280,00 EUR. Gemäß Nr. 2400 VV RVG konnte eine Festsetzung oberhalb der sogenannten Schwellengebühr von 240,00 EUR nur erfolgen, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Höhe dieser Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R mwN.; ständige Rechtsprechung des LSG Thüringen, vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. De-zember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 73a SGG Rn. 13 f.; Mayer, in: Gerold/Schmidt, § 14 RVG Rn. 12).
Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Geschäftsgebühr jedenfalls im Klageverfahren nur noch in Höhe von 120,00 EUR geltend gemacht zuzüglich der Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer von 26,60 EUR, insgesamt 166,60 EUR. Dies ist vor dem Hintergrund von Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung des Wi-derspruchsverfahrens angemessen.
Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit im Widerspruchsverfahren waren deutlich unter-durchschnittlich. Es wurde lediglich ein inhaltlich nicht begründeter Widerspruch erhoben und um Akteneinsicht ersucht. Dass der Prozessbevollmächtigte einen weitergehenden Arbeitsaufwand mit dem Widerspruchsverfahren gehabt hätte, ist den dem Gericht vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Ebenso waren zumindest die Einkommensverhältnisse der Klägerin unterdurchschnittlich. Jedoch wird dies kompensiert durch eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin. Denn vorliegend ging es zwar nur um darlehensweise Bewilligung einer Beihilfe zur Anschaffung einer Brille, dennoch handelte es sich um eine erhebliche Summe zwischen 265 EUR und 342,10 EUR, die dem Regelbedarf der Klägerin zuzuordnen ist. Auch wenn die Bewilligung nur als rückzahlbares Darlehen erfolgt, kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund der knappen finanziellen Situation eines Leistungsempfängers nach dem SGB II die Bedeutung der Angelegenheit überdurchschnittlich ist. Hinzu kommt, dass der Klägerin damit die Anschaffung eines medizinisch notwendigen Hilfsmittels erst ermöglicht wurde.
Mithin erscheint trotz des sehr geringen Aufwandes, den der Prozessbevollmächtigte in dem Widerspruchsverfahren hat erkennen lassen, eine Festsetzung von mehr als der doppelten Mindestgebühr berechtigt. Das Gericht hält insoweit eine Festsetzung in Höhe der halben Schwellengebühr (120 EUR Geschäftsgebühr) für angemessen. Dem entspricht die klageweise geltend gemachte Forderung.
III.
Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X unterliegt der Verjährung und wäre, wenn er verjährt ist und sich der Erstattungspflichtige hierauf beruft, nicht durchsetzbar (so im Ergebnis auch SG Nordhausen v. 16.01.2017 – Az. S 31 AS 2363/14). Unklar ist insoweit, welcher Verjährungsfrist der Anspruch nach § 63 SGB X unterliegt. § 52 Abs. 2 SGB X ist nicht anwendbar, weil kein Verwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X vor-liegt: Es werden keine Ansprüche eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers festgestellt (so auch zutreffend SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 15). SG Berlin v. 20.08.2014 – Az. S 204 AS 14829/13, juris Rn. 15 – vertritt hierzu die Ansicht, dass die Regelung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB Anwendung fände. Indes spricht diese Regelung von "rechtskräftiger" Feststellung, wodurch klar wird, dass § 197 Abs. 1 Nr. 3 auf eine Feststellung von Ansprüchen durch Gerichte und nicht durch Verwaltungsbehörden abstellt (ebenso SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 16). Allenfalls käme daher eine analoge Anwendung in Betracht. Ebenfalls nicht direkt anwendbar ist § 45 Abs. 1 SGB I, da es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X nicht um eine Sozialleistung im Sinne des § 11 SGB I handelt. Gegenüber der Anwendung von § 195 BGB (so SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 17) hält die erkennende Kammer aber eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 1 SGB I für naheliegend. Hierfür spricht, dass § 45 Abs. 1 SGB I letztlich als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens des Sozialgesetzbuchs gelesen werden kann und zudem der Kostenerstattungsanspruch jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht einem Sozialleistungsanspruch vergleichbar ist.
Diese Rechtsfrage muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden, weil sich der Beklagte nicht auf die Verjährung des Anspruchs nach § 63 SGB X berufen und damit die entsprechende Einrede nicht erhoben hat. Seine schriftsätzlichen Erklärungen und die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung nehmen sämtlich ausdrücklich Bezug auf die Gebührenforderung zwischen Prozessbevollmächtigtem und Klägerin. Stets wird ausschließlich die Verjährung innerhalb dieses Rechtsverhältnisses eingewandt. Die Kammer sieht sich außer Stande, diese Einlassungen angesichts ihres klaren Wortlautes dahingehend erweiternd auszulegen, dass auch die Verjährung des Anspruchs nach § 63 SGB X selbst geltend gemacht wird. Beim Beklagten muss hinreichende Rechtskundigkeit dahingehend unterstellt werden, dass die Rechtsverhältnisse betreffend die Klägerin und den Beklagten (Erstattungsanspruch nach § 63 SGB X) und betreffend die Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten (zivilrechtliche Gebührenforderung) zutreffend auseinandergehalten werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Hierbei wurde berücksichtigt, dass mit der Klage zunächst eine Geschäftsgebühr in Höhe von 180 EUR, mithin insgesamt eine Kostenerstattung in Höhe von 238 EUR, begehrt wurde. Die Beschränkung der Klage in der mündlichen Verhandlung ist erst auf gerichtlichen Hinweis erfolgt.
Die Berufung war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Frage, ob sich der Erstattungspflichtige auf die Verjährung der Gebührenforderung im Verhältnis Rechtsanwalt-Mandant berufen kann, ist obergerichtlich nicht geklärt. Zudem gibt es hierzu divergierende Auffassungen der Kammern des SG Nordhausen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte die Klägerin von außergerichtlichen Rechts-anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 freizustellen hat.
Die Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II befand, beantragte am 13.10.2009 beim Beklagten ein Darlehen für die Anschaffung einer Brille. Hierzu legte sie mehrere Kostenvoranschläge zwischen 265 EUR und 342,10 EUR vor. Die Bewilligung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2009 ab, da die Anschaffung einer Brille vom Regelbedarf umfasst sei.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 07.12.2009, der nicht inhaltlich begründet wurde. Mit Bescheid vom 06.01.2010 half der Beklagte dem Widerspruch in der Sache ab und mit Bescheid vom 12.01.2010 erklärte er sich zur Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach bereit.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 04.12.2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung der für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 entstandenen Rechts-anwaltsgebühren wie folgt:
Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 180,00 EUR Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 38,00 EUR - 238,00 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 05.06.2015 lehnte der Beklagte die Kostenfestsetzung für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 ab, da der Anspruch des Prozessbevollmächtigten gegenüber der Klägerin aus dem Mandatsverhältnis verjährt sei und insoweit keine notwendigen Kosten im Sinne des § 63 SGB X vorlägen.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 05.07.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2015 als unbegründet zurückwies.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese am 20.08.2015 Klage erhoben.
Der Beklagte könne sich schon deswegen nicht auf eine Verjährung der Gebührenforderung im Verhältnis des Prozessbevollmächtigten zur Klägerin berufen, weil dies eine Frage des Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach sei, während im Kostenfestsetzungsverfahren nur über die Höhe zu entscheiden sei. Für die Frage, ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, könne es nur auf den Zeitpunkt der Veranlassung und Durchführung der Maßnahme ankommen. Überdies könne sich der Beklagte allenfalls dann auf eine Verjährung der Gebührenforderung berufen, wenn dies der Kostenerstattungsberechtigte, also die Klägerin, tun wolle und auch getan habe. Ihm, dem Prozessbevollmächtigten, gegenüber habe sich die Klägerin nicht auf Verjährung berufen.
Die Klägerin hat zuletzt noch beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 05.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 166,60 EUR freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, notwendige Kosten im Sinne des § 63 SGB X lägen nicht vor, wenn sich die Klägerseite gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten dem Grunde nach auf die Einrede der Verjährung berufen könne. Hilfsweise beruft er sich darauf, dass die Kostenfestsetzung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Höhe nach unbillig sei.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte ergänzend verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2017 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg, denn sie ist zulässig und begründet.
Zutreffend verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), gerichtet auf die Freistellung von dem Vergütungs-anspruch ihres Bevollmächtigten (vgl. BSG v. 21.12.2009 – Az. B 14 AS 83/08 R; für das Zivilrecht auch BGH v. 22.03.2011 – Az. VI ZR 63/10).
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X einen Anspruch darauf, von Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchsverfahren W 4322/09 freigestellt zu werden. Die Rechtsanwaltskosten sind als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X vom Beklagten zu erstatten, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Klägerin im Innenverhältnis zu ihrem Prozessbevollmächtigten auf Verjährung berufen könnte (dazu unter I.).
Die im Klageweg zuletzt geltend gemachte Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 166,60 EUR entspricht auch der Höhe nach der Billigkeit und sind daher in der geltend gemachten Höhe festzusetzen (dazu unter II.).
Der Anspruch auf Freistellung nach § 63 SGB X ist auch durchsetzbar, weil sich der Beklagte vorliegend jedenfalls nicht auf dessen Verjährung berufen hat (dazu unter III.).
I.
Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Wi-derspruch erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Anerkannt ist insoweit auch, dass eine zuvor erfolgte Rechnungslegung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht erforderlich ist, sondern dass auch vor Rechnungslegung entsprechend § 257 BGB eine Freistellung von dem Gebührenanspruch über § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X begehrt werden kann (siehe nur BSG v. 02.12.2014 – Az. B 14 AS 60/13 R, SG Nordhausen v. 26.10.2015 – Az. S 31 AS 818/14). Notwendig im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist dabei alles, was ein verständiger Beteiligter im Hinblick auf die Bedeutung sowie die sachliche oder rechtliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 13 mwN.). Grundsätzlich sind dabei die vom Rechtsanwalt nach dem RVG zu fordernden Gebühren und Auslagen als vernünftige Ausgabe in diesem Sinn zu verstehen. Hieraus folgt, dass die Gebührenrechnung des Rechtsanwalts – vorbehaltlich ihrer Billigkeit der Höhe nach – stets dann als erstattungsfähig anzusehen ist, wenn der Rechtsanwalt diese dem Grunde nach von Rechts wegen vom Mandanten fordern kann. Sofern die Gebührenforderung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten verjährt sein sollte, kann der Rechtsanwalt diese dennoch jedenfalls dann fordern, wenn sich der Mandant auf die eingetretene Verjährung nicht berufen hat. Denn in diesem Fall bedingt der Einredecharakter der Verjährung, dass die Gebührenforderung weiterhin vollwirksam bestehen bleibt und auch durchsetzbar ist (vgl. BGH v. 02.10.2003 – Az. V ZB 22/03 sowie ausführlich BGH v. 27.01.2010 – Az. VIII ZR 58/09 mwN.).
Verjährung der Gebührenforderung des Rechtsanwalts tritt ein, wenn nach Ablauf des Jahres, in dem die Forderung im Sinne des § 8 Abs. 1 RVG nach Abschluss des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällig wurde, drei Jahre vergangen sind, §§ 199 Abs. 1, 195 BGB. Im vorliegenden Fall wurde die Angelegenheit "Widerspruchsverfahren W 4322/09" mit Bescheid des Beklagten vom 12.01.2010 beendet. Mithin begann die Verjährung der Gebührenforderung – vorbehaltlich eventuell abweichender Vereinbarungen im Innenverhältnis von Mandant und Rechtsanwalt – mit Ablauf des Jahres 2010, sodass die Gebührenforderung mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt sein dürfte. Damit spricht vieles dafür, dass die Klägerin gegen die zur Kostenfestsetzung beantragte Gebührenforderung tatsächlich die Einrede der Verjährung erheben konnte. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Klägerin gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten auch auf die Verjährung berufen hat. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte schriftsätzlich erklärt, dass ihm gegenüber die entsprechende Einrede nicht erhoben wurde. Mithin ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach wie vor einer vollwirksamen und durchsetzbaren Gebührenforderung des Prozessbevollmächtigten ausgesetzt ist, die einzig noch von der Rechnungslegung nach § 10 RVG abhinge. Eine solche vollwirksame und bei Rechnungslegung auch durchsetzbare Gebührenforderung des Rechtsanwalts zählt aber grundsätzlich zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X. Auch liegt hier kein Fall eines Verstoßes der Klägerin gegen die Kostenminderungspflicht vor, der dazu führte, dass die zur Festsetzung beantragten Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr als "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig" zu erstatten wären (a.A. SG Berlin v. 20.08.2014 – Az. S 204 AS 14829/13; SG Nordhausen v. 26.10.2015 – Az. S 31 AS 818/14 und v. 16.01.2017 – Az. S 31 AS 2363/14).
Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass jeder Beteiligte eines Gerichtsver-fahrens gehalten ist, die Kosten der Prozessführung so gering als möglich zu halten, widrigenfalls die Kosten nicht als "notwendig" angesehen werden (siehe Kopp/Ramsauer, § 80 VwVfG Rn. 50 mwN aus der Rspr.; ebenso Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 13). Hiermit ist jedoch nach Überzeugung der Kammer lediglich gemeint, dass im Zeitpunkt der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung keine Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die für die Zwecke der Rechtsverfolgung nutzlos und offenbar nur dazu angetan sind, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen bzw. der Maximierung des Honorars des Prozessbevollmächtigten zu dienen (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg v. 19.01.2012 – Az. L 29 SF 552/11). Soweit ersichtlich, ist auch in der Rechtsprechung abgesehen von den zitierten Entscheidungen des SG Nordhausen und des SG Berlin weitgehend nur dann von einem für die Kostenerstattung relevanten Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht ausgegangen worden, wenn bei der Prozessführung bzw. Rechtsverfolgung selbst Maßnahmen ergriffen wurden, die mit den Grundsätzen der wirtschaftlichen Prozessführung nicht vereinbar sind (vgl. VGH Mannheim v. 28.02.1991 - Az. NC 9 S 98/90 - NVwZ-RR 1992, 388; OVG Berlin v. 07.02.2001 - Az. 3 K 17/00 - NVwZ-RR 2001, 613; LSG Berlin-Brandenburg v. 19.01.2012 – Az. L 29 SF 552/11; SG Berlin v. 26.03.2012 - Az. S 91 AS 13629/11). Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Kostenminderungspflicht darauf, dass nur innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zur Festsetzung beantragte Kosten "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig" gewesen seien, erscheint vor diesem Hintergrund nicht angezeigt. Vielmehr spricht nach Ansicht der Kammer bereits der Wortlaut der Vorschrift dafür, den Begriff der Notwendigkeit im Rahmen des § 63 SGB X nur auf die exante-Beurteilung der Rechtsverfolgungs- bzw. Rechtsverteidigungsmaßnahmen selbst zu beziehen (in diese Richtung deutend BVerwG v. 16.10.1980 – Az. 8 C 10.80; in diese Richtung interpretierbar auch BSG v. 01.07.2009 - Az. B 4 AS 21/09 R, wonach sich die Notwendig-keit auf die Höhe der Kosten bezieht; ausdrücklich auch Kopp/Ramsauer, § 80 VwVfG Rn. 50 und Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 13: keine ex-post-Beurteilung der Notwen-digkeit durch die Behörde oder das Gericht). Dafür, die Frage der Geltendmachung der Erstattung vor Verjährung der Gebührenforderung in den Begriff der Notwendigkeit einzubeziehen, besteht überdies schon deshalb kein Bedürfnis, weil auch der Kostenerstattungsanspruch selbst einer Verjährung unterliegt (siehe unten unter III.).
Darüber hinaus begegnet es rechtssystematisch durchgreifenden Bedenken, allein aus der Möglichkeit der Erhebung einer Einrede gegen die Gebührenforderung die Schlussfolgerung zu ziehen, dass keine Erstattung mehr nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erfolgen habe. Denn aus dem Einredecharakter folgt gerade auch die Dispositionsfreiheit dessen, dem die Einrede zusteht, darüber, ob diese geltend gemacht werden soll oder nicht – tut er dies nicht, so hat allein die Tatsache, dass Verjährung eingetreten ist, keinerlei Auswirkungen auf das Bestehen oder die Durchsetzbarkeit des Anspruchs (siehe BGH v. 02.10.2003 – Az. V ZB 22/03 sowie ausführlich BGH v. 27.01.2010 – Az. VIII ZR 58/09 mwN.). Hieraus folgt, dass grundsätzlich ein verjährter Anspruch bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede der Verjährung ebenso zu behandeln ist wie ein nicht verjährter Anspruch. Somit hat auch ein zur Erstattung verpflichteter Dritter auf einen verjährten Anspruch grundsätzlich zu leisten, solange durch den Berechtigten die Einrede der Verjährung nicht erhoben ist (So für den Fall des prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Verfahren nach § 164 VwGO: BayVGH v. 14.07.2003 – Az. 15 C 03.947; OVG Sachsen v. 08.02.2012 – Az. 5 E 56/10; für den Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO OLG Naumburg v. 29.08.2001 – Az. 13 W 439/11; OLG Frankfurt/Main v. 29.07.2010 – Az. 15 W 18/10; OLG Koblenz v. 28.07.2008 – Az. 14 W 374/08). Wollte man den Kostenerstattungsanspruch bereits aufgrund der Möglichkeit der Erhebung einer Einrede verneinen, würde dem Erstattungsberechtigten gleichsam "durch die Hintertür" jene Dispositionsbefugnis genommen, die ihm die Rechtsnatur der Einrede gerade einräumt. Das Gesetz räumt diese Dispositionsbefugnis dem Erstattungsberechtigten gerade deshalb ein, weil eine Vielzahl billigenswerter Gründe denkbar sind, aus denen heraus der Erstattungsberechtigte auch eine einredebehaftete Forderung erfüllt sehen will. Zu denken ist hier beispielsweise an den Wunsch, auch zukünftig die geschäftliche Beziehung aufrecht zu erhalten, oder schlicht den Wunsch, die erbrachte Leistung trotz des Zeitablaufs vergütet zu sehen (vgl. nur die Erwägungen von OLG Koblenz v. 28.07.2008 – Az. 14 W 374/08 für Vergütungsansprüche eines Sachverständigen).
Auch aus dem Rechtsgedanken des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB folgt nicht, dass im Rahmen des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X schon bei Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Erstattungsberechtigten keine notwendigen Kosten mehr vorlägen (a.A. SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 22). Denn § 768 Abs. 1 S. 1 BGB ist gerade nicht Folge eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, wonach zur Erstattung verpflichtete Dritte sich auf Einreden des Erstattungsberechtigten berufen können. Vielmehr ist es so, dass selbst bei der akzessorisch ausgestalteten Kreditsicherheit der Bürgschaft, der Gesetzgeber es für notwendig befunden hat, gesondert zu regeln, dass dem Bürgen die Einreden des Hauptschuldners zustehen. Insoweit ist § 768 Abs. 1 S. 1 BGB gerade eine Durchbrechung des zivilrechtlichen Grundsatzes, dass Einreden nur von dem geltend gemacht werden können, dem sie zustehen, und mithin eine Ausnahmevorschrift. Darüber hinaus lässt es selbst diese Ausnahmevorschrift nicht zu, dass allein die Möglichkeit der Erhebung einer Einrede die Eintrittspflicht des Dritten (hier: Bürgen) entfallen lässt.
Die Kammer sieht sich in ihrer Auffassung, dass allein die Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Erstattungsberechtigten nicht dazu führen kann, dass keine notwendigen Kosten im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X mehr vorliegen, auch durch die Entscheidung des BSG v. 02.12.2014 – Az. B 14 AS 60/13 R – bestätigt. In dieser Entscheidung hat das BSG klargestellt, dass die Frage der Rechnungslegung nach § 10 RVG allein das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt betrifft, nicht aber die Erstattungspflicht gemäß § 63 SGB X berührt. Nichts anderes kann für die Frage der Verjährung des Gebührenanspruchs gelten.
II.
Die im Klageweg zuletzt noch geltend gemachte Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 166,60 EUR entspricht auch der Höhe nach der Billigkeit, die Kosten sind daher in der geltend gemachten Höhe festzusetzen, siehe § 14 Abs. 1 S. 4 RVG.
Die Kammer ist hierbei entgegen der Ansicht der Klägerin der Auffassung, dass sie zu einer umfassenden Prüfung der Billigkeit der anwaltlichen Gebührenrechnung auch dann befugt ist, wenn der Beklagte – wie vorliegend – der Gebührenrechnung nicht substantiiert und unter Bezifferung der seiner Auffassung nach billigen Gebühren entgegen getreten ist (vgl. dazu etwa SG Nordhausen v. 23.04.2015 – Az. S 12 SF 507/12 E, zurückgehend auf BGH v. 20.01.2011 – Az. V ZB 216/10). Denn der Grundsatz, dass das Gericht eine geltend gemachte Gebühr im Falle des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nur dann auf ihre Billigkeit zu prüfen hat, wenn der Erstattungspflichtige entsprechend substantiierte Einwendungen erhoben hat, entstammt der Rechtsprechung zu den gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 91 ZPO bzw. § 193 SGG und ist auf die Kostenerstattung im Rahmen des § 63 SGB X nicht übertragbar. Das gerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren, das dem Urkundsbeamten bzw. dem Rechtspfleger übertragen ist, ist auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts beschränkt und überdies stark formalisiert (vgl. BGH v. 20.01.2011 – Az. V ZB 216/10). Insoweit ist es konsequent, § 14 Abs. 1 S. 4 RVG in diesem Zusammenhang so zu lesen, dass bei fehlendem substantiierten Gegenvortrag durch den Urkundsbeamten bzw. den Rechtspfleger schlicht die Gebühr in beantragter Höhe festzusetzen ist. Demgegenüber ist die Kostenerstattung nach § 63 SGB X jedoch als normales Hauptsacheverfahren (Bescheid mit Widerspruchsmöglichkeit, Widerspruchsbescheid mit Klagemöglichkeit) ausgestaltet, in dem sowohl die Behörde als auch das Gericht den Sachverhalt im Wege der Amtsermittlung aufzuklären haben und in dem insbesondere auch das Gericht eine uneingeschränkte Rechtsprüfung vorzunehmen hat. Hierbei ist das Gericht befugt, selbst über die Angemessenheit der anwaltlichen Gebührenrechnung zu befinden, ohne dabei durch die benannten Darlegungslastgrundsätze oder einen Beurteilungsspielraum der Behörde eingeschränkt zu sein (vgl. auch Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn. 47 mwN. aus der Rspr.). Ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 RVG war durch das Gericht nicht einzuholen (BSG v. 01.07.2009 - Az. B 4 AS 21/09 R mwN.)
Die im Klagewege zuletzt begehrte Freistellung von Kosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist dabei nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht auch die Geschäftsgebühr in der geltend gemachten Höhe der Billigkeit.
Anzuwenden ist hierbei das RVG in der bis zum 28.10.2010 geltenden Fassung, da der unbe-dingte Auftrag, das Widerspruchsverfahren W 4322/09 zu führen, vor diesem Zeitpunkt erteilt wurde, § 60 Abs. 1 S. 1 RVG. In der seinerzeit geltenden Fassung des Vergütungsverzeichnisses (VV) Anlage 1 RVG war die Geschäftsgebühr Nr. 2400 mit einem Betrag zwischen 40,00 EUR und 520,00 EUR festzusetzen. Die Mittelgebühr, die dabei für Fälle von durchschnittlicher Bedeutung und durchschnittlichem Umfang sowie Schwierigkeit festzusetzen ist, betrug 280,00 EUR. Gemäß Nr. 2400 VV RVG konnte eine Festsetzung oberhalb der sogenannten Schwellengebühr von 240,00 EUR nur erfolgen, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Höhe dieser Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R mwN.; ständige Rechtsprechung des LSG Thüringen, vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. De-zember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 73a SGG Rn. 13 f.; Mayer, in: Gerold/Schmidt, § 14 RVG Rn. 12).
Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Geschäftsgebühr jedenfalls im Klageverfahren nur noch in Höhe von 120,00 EUR geltend gemacht zuzüglich der Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer von 26,60 EUR, insgesamt 166,60 EUR. Dies ist vor dem Hintergrund von Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung des Wi-derspruchsverfahrens angemessen.
Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit im Widerspruchsverfahren waren deutlich unter-durchschnittlich. Es wurde lediglich ein inhaltlich nicht begründeter Widerspruch erhoben und um Akteneinsicht ersucht. Dass der Prozessbevollmächtigte einen weitergehenden Arbeitsaufwand mit dem Widerspruchsverfahren gehabt hätte, ist den dem Gericht vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Ebenso waren zumindest die Einkommensverhältnisse der Klägerin unterdurchschnittlich. Jedoch wird dies kompensiert durch eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin. Denn vorliegend ging es zwar nur um darlehensweise Bewilligung einer Beihilfe zur Anschaffung einer Brille, dennoch handelte es sich um eine erhebliche Summe zwischen 265 EUR und 342,10 EUR, die dem Regelbedarf der Klägerin zuzuordnen ist. Auch wenn die Bewilligung nur als rückzahlbares Darlehen erfolgt, kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund der knappen finanziellen Situation eines Leistungsempfängers nach dem SGB II die Bedeutung der Angelegenheit überdurchschnittlich ist. Hinzu kommt, dass der Klägerin damit die Anschaffung eines medizinisch notwendigen Hilfsmittels erst ermöglicht wurde.
Mithin erscheint trotz des sehr geringen Aufwandes, den der Prozessbevollmächtigte in dem Widerspruchsverfahren hat erkennen lassen, eine Festsetzung von mehr als der doppelten Mindestgebühr berechtigt. Das Gericht hält insoweit eine Festsetzung in Höhe der halben Schwellengebühr (120 EUR Geschäftsgebühr) für angemessen. Dem entspricht die klageweise geltend gemachte Forderung.
III.
Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X unterliegt der Verjährung und wäre, wenn er verjährt ist und sich der Erstattungspflichtige hierauf beruft, nicht durchsetzbar (so im Ergebnis auch SG Nordhausen v. 16.01.2017 – Az. S 31 AS 2363/14). Unklar ist insoweit, welcher Verjährungsfrist der Anspruch nach § 63 SGB X unterliegt. § 52 Abs. 2 SGB X ist nicht anwendbar, weil kein Verwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X vor-liegt: Es werden keine Ansprüche eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers festgestellt (so auch zutreffend SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 15). SG Berlin v. 20.08.2014 – Az. S 204 AS 14829/13, juris Rn. 15 – vertritt hierzu die Ansicht, dass die Regelung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB Anwendung fände. Indes spricht diese Regelung von "rechtskräftiger" Feststellung, wodurch klar wird, dass § 197 Abs. 1 Nr. 3 auf eine Feststellung von Ansprüchen durch Gerichte und nicht durch Verwaltungsbehörden abstellt (ebenso SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 16). Allenfalls käme daher eine analoge Anwendung in Betracht. Ebenfalls nicht direkt anwendbar ist § 45 Abs. 1 SGB I, da es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X nicht um eine Sozialleistung im Sinne des § 11 SGB I handelt. Gegenüber der Anwendung von § 195 BGB (so SG Nordhausen v. 16.01.2017 – S 31 AS 2363/14, juris Rn. 17) hält die erkennende Kammer aber eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 1 SGB I für naheliegend. Hierfür spricht, dass § 45 Abs. 1 SGB I letztlich als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens des Sozialgesetzbuchs gelesen werden kann und zudem der Kostenerstattungsanspruch jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht einem Sozialleistungsanspruch vergleichbar ist.
Diese Rechtsfrage muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden, weil sich der Beklagte nicht auf die Verjährung des Anspruchs nach § 63 SGB X berufen und damit die entsprechende Einrede nicht erhoben hat. Seine schriftsätzlichen Erklärungen und die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung nehmen sämtlich ausdrücklich Bezug auf die Gebührenforderung zwischen Prozessbevollmächtigtem und Klägerin. Stets wird ausschließlich die Verjährung innerhalb dieses Rechtsverhältnisses eingewandt. Die Kammer sieht sich außer Stande, diese Einlassungen angesichts ihres klaren Wortlautes dahingehend erweiternd auszulegen, dass auch die Verjährung des Anspruchs nach § 63 SGB X selbst geltend gemacht wird. Beim Beklagten muss hinreichende Rechtskundigkeit dahingehend unterstellt werden, dass die Rechtsverhältnisse betreffend die Klägerin und den Beklagten (Erstattungsanspruch nach § 63 SGB X) und betreffend die Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten (zivilrechtliche Gebührenforderung) zutreffend auseinandergehalten werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Hierbei wurde berücksichtigt, dass mit der Klage zunächst eine Geschäftsgebühr in Höhe von 180 EUR, mithin insgesamt eine Kostenerstattung in Höhe von 238 EUR, begehrt wurde. Die Beschränkung der Klage in der mündlichen Verhandlung ist erst auf gerichtlichen Hinweis erfolgt.
Die Berufung war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Frage, ob sich der Erstattungspflichtige auf die Verjährung der Gebührenforderung im Verhältnis Rechtsanwalt-Mandant berufen kann, ist obergerichtlich nicht geklärt. Zudem gibt es hierzu divergierende Auffassungen der Kammern des SG Nordhausen.
Rechtskraft
Aus
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FST
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