Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AL 165/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 73/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 15/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1978 geborene Kläger begehrt (originäre) Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000.
Er leistete vom 01.03. bis 31.12.1998 den Grundwehrdienst und erwarb hierdurch mit seiner Arbeitslosmeldung am 07.01.1999 einen Anspruch auf die sogenannte originäre Alhi nach den §§ 190, 191 Abs. 2 Nr. 2 des 3. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung. Vom 01.06.1999 bis 31.01.2000 war er versicherungspflichtig beschäftigt. Am 31.01.2000 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos. Den Antrag auf Alhi für die Zeit ab 01.02.2000 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2000 mit der Begründung ab, der allein in Betracht kommende Anspruch auf originäre Alhi sei durch das 3. Gesetz zur Änderung des 3. Buches des Sozialgesetzbuchs (3. SGB III - Änderungsgesetz) vom 22.12.1999 (BGBl I 2624) mit Wirkung ab 01.01.2000 entfallen. Die (nur) achtmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers sei daher nicht anwartschaftsbegründend.
Die dagegen gerichtete Klage vom 21.06.2000 hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 13.10.2000 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 25.10.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.11.2000 Berufung eingelegt. Er macht geltend, mit der von ihm ab 01.06.1999 ausgeübten achtmonatigen versicherungspflichtigen Beschäftigung habe er nach § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung die Vorfrist für den Anspruch auf originäre Alhi erfüllt. Der Wegfall dieser Anwartschaft durch das 3. SGB III - Änderungsgesetz vom 22.12.1999 sei wegen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und das Rückwirkungsverbot des Artikel 20 Abs. 3 GG verfassungswidrig.
Der Kläger, der seit dem 01.08.2000 in einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis steht, beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Düsseldorf vom 13.10.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21.02.2000 und des Widerspruchbescheides vom 16.06.2000 zu verurteilen, ihm Alhi für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000 zu bewilligen, hilfsweise den Rechtsstreit nach Artikel 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Kläger hat dem Senat auf Befragen versichert, er sei in der streitigen Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000 mittellos gewesen. Er habe bei seiner Mutter gewohnt, die ihn unterstützt und deshalb einen Kredit aufgenommen habe. Er sei nicht erwerbstätig gewesen. Der Vertreter der Beklagten hat erklärt, nach den Unterlagen des Arbeitsvermittlers sei davon auszugehen, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum ununterbrochen arbeitslos gewesen sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn der geltend gemachte Anspruch auf Alhi steht dem Kläger nicht zu.
Die Voraussetzungen der für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000 beanspruchten Leistungen bestimmen sich nach § 190 Abs. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2000 gültigen Fassung des 3. SGB III - Änderungsgesetzes vom 22.12.1999. Danach haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die
1. arbeitslos sind,
2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben,
3. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben,
4. in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und
5. bedürftig sind.
Der Kläger erfüllte nach den Feststellungen des Senats im genannten Zeitraum zwar die Tatbestandsmerkmale der Ziffern 1, 2, 3 und 5. Nicht gegeben ist hingegen die in Ziffer 4 genannte Voraussetzung, denn der Kläger bezog in der einjährigen Vorfrist (§ 192 Satz 1 SGB III) kein Arbeitslosengeld. Seine achtmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung vom 01.06.1999 bis 31.04.2000 begründet den Anspruch auf (originäre) Alhi seit dem 01.01.2000 nicht mehr. Die entsprechenden Vorschriften der §§ 190 Abs. 1 Nr. 4, 191 Abs. 2 Nr. 2 SGB III sind mit dem Inkrafttreten des 3. SGB III - Änderungsgesetzes entfallen. Die Novellierung bezieht sich nicht nur auf versicherungspflichtige Beschäftigungen nach dem 01.01.2000. Sie erfasst vielmehr auch Anwartschaften, die bis zum 31.12.1999 erworben worden sind. Lediglich den Arbeitslosen, die bereits in den letzten drei Monaten vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung mindestens für einen Tag die originäre Alhi bezogen hatten, sollte diese Leistung aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine dreimonatige Übergangszeit weiter gezahlt werden (§ 434 b Abs. 1 SGB III). Weitergehende Übergangsvorschriften hat der Gesetzgeber nicht erlassen.
Der Kläger kann auch nicht die Wiederbewilligung des am 07.01.1999 entstandenen Anspruchs auf originäre Alhi verlangen. Er hatte zwar zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 01.06.1999 die Anspruchsdauer von einem Jahr (§ 197 SGB III in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung) noch nicht ausgeschöpft. Auch die auf Zeiten des Wehrdienstes beruhende originäre Alhi nach §§ 190, 191 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a. F. ist aber mit dem Inkrafttreten des 3. SGB III - Änderungsgesetzes am 01.01.2000 entfallen. Die Voraussetzungen der bereits genannten Übergangsvorschrift des § 434 b Abs. 1 SGB III erfüllt der Kläger nicht, weil er in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.1999 keinen Anspruch auf Alhi hatte.
Die dargelegten Bestimmungen des 3. SGB III - Änderungsgesetzes sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 GG ist nicht berührt, weil die Alhi - anders als das Arbeitslosengeld - nicht aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, sondern aus Steuermitteln finanziert wird (Bundessozialgericht - BSG -, Urteile vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr. 29 -, vom 12.06.1992 - 11 RAr 75/91, SozR 3-4100 § 138 Nr. 7 -, vom 08.07.1993 - 7 RAr 64/92, SozR 3-4100 § 118 Nr. 4 -, vom 25.06.1998 - B 7 AL 128/97 R und 2/98 R, SozR 3-4100 § 242 Nr. 1 - sowie vom 05.11.1998 - B 11 AL 7/98 R -; ebenso Urteil des Senats vom 12.12.2002 - L 1 (9) AL 243/01 -; offen geblieben im Urteil des BSG vom 29.01.1997 - 11 RAr 43/96, SozR 3-4100 § 242 q Nr. 1 - und im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2001 - 1 BvR 2402/97, SozR 3-4100 § 242 q Nr. 2). Dies galt auch für den Anspruch auf originäre Alhi nach §§ 190 Abs. 1, 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung. Er knüpfte zwar an eine mindestens fünfmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung an.
Gleichwohl ging auch diese Art von Alhi nicht - wie für den Eigentumsschutz sozialrechtlicher Rechtspositionen vorausgesetzt - unmittelbar auf eine eigene Beitragsleistung des Betroffenen zurück, sondern wurde ausschließlich aus Steuermitteln finanziert.
Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers ist an den Schranken des Rechts- und Sozialstaatsprinzips (Artikel 20 GG) zu messen, die der Gesetzgeber hier aber nicht verletzt hat. Die Alhi enthält Elemente einer Fürsorgeleistung, so dass beim Wegfall dieses Anspruchs das dem sodann Bedürftigen zustehende Recht auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen angemessenen Ausgleich gewährleistet (BSG a.a.O.). Der Bezieher von Alhi muss daher mit entwertenden Eingriffen des Gesetzgebers nicht nur in die Höhe, sondern auch in den Bestand seines Anspruchs rechnen, die aus übergeordneten öffentlichen Interessen erfolgen (BSG a.a.O.). Letzteres ist hier der Fall. Das 3. SGB III - Änderungsgesetz stellt den zweiten Teil des ursprünglich in einem einzigen Gesetzesentwurf (Haushaltssanierungsgesetz, BT-Drs. 14/1523) zusammengefassten "Sparpakets" dar, dessen Ziel es war, der defizitären Finanzlage des Bundes bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Hierzu heißt es in den Materialien (a.a.O. Seite 205 zu Artikel 27 - Allgemeines -, Seite 206 zu Artikel 27 Nrn. 8 - § 190 - und 9 - § 191 - sowie Seite 207 zu Artikel 27 Nr. 19 - § 434 a Abs. 2 -), die unumgängliche Sanierung des Bundeshaushalts erfordere die solidarische Kraftanstrengung der ganzen Gesellschaft. Zu den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen müssten daher auch die sozialen Sicherungssysteme Arbeitslosenversicherung und Alhi einen Beitrag leisten. Ziel sei es weiterhin, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Deshalb werde auf Eingriffe bei den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung verzichtet und stattdessen vorgeschlagen, lediglich begrenzte Eingriffe bei den Entgeltersatzleistungen vorzunehmen. Unter anderem werde die Alhi für Personen, die bislang entweder überhaupt nicht oder nur kurze Zeit als Arbeitnehmer tätig gewesen seien, abgeschafft. Es erscheine nicht mehr vertretbar, Arbeitslosen, die vorher keinen oder nur einen kurzzeitigen Bezug zur Arbeitslosenversicherung gehabt hätten, Alhi und damit den vollen Zugang zu den beitragsfinanzierten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu gewähren. Bei Bedürftigkeit der von der Abschaffung der originären Alhi betroffenen Personen werde, soweit keine besonderen Regelungen bestünden, künftig der Lebensunterhalt durch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sicher gestellt. Anspruch auf Alhi solle nur noch Arbeitslosen zustehen, die in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hätten. Der Anspruch auf Alhi aufgrund einer Beschäftigung von mindestens fünf Monaten, einer gleichgestellten Zeit insbesondere als Beamter, Richter oder Soldat und des Bezugs bestimmter Sozialleistungen, insbesondere einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, solle entfallen. Lediglich Arbeitslosen, die in den letzten drei Monaten vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung mindestens für einen Tag Anspruch auf originäre Alhi gehabt hätten, solle diese Leistung aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine dreimonatige Übergangszeit weitergezahlt werden. Damit solle es den Betroffenen ermöglicht werden, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.
Die übergeordneten öffentlichen Interessen für den Wegfall der originären Alhi sind damit ausreichend dargelegt. Sie rechtfertigen auch die (hier nur "unechte") Rückwirkung der Neuregelung, die ein möglichst rasches Greifen der Maßnahmen gewährleistet. Ob gerade die vom Gesetzgeber gewählten Sparmaßnah men erforderlich waren oder das Sparziel durch Einsparungen bzw. Kürzungen in anderen Bereichen hätte verwirklicht werden können, ist nicht zu prüfen, denn Entscheidungen dieser Art liegen in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.07.1987 - 1 BvR 488/86, SozR 4100 § 242 b Nr. 3 -). Ähnliche rechtliche Überlegungen haben das Bundesverfassungsgericht veranlasst, die zeitliche Anspruchsbegrenzung der bis dahin unbefristeten originären Alhi auf ein Jahr durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21.12.1993 als verfassungsgemäß anzusehen (Beschluss vom 14.03.2001 a.a.O.).
Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG, dass die Alhi im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld - anders als die originäre Alhi - unangetastet geblieben ist. Die Bevorzugung der Empfänger der Anschluss-Alhi ist sachlich gerechtfertigt, weil deren Leistungsanspruch an eine Versicherungsleistung anschließt, die eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens zwölf Monaten voraussetzt. Dem gegenüber knüpft die originäre Alhi an Beschäftigungszeiten an, die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ausreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage der Vereinbarkeit der Abschaffung der originären Alhi mit dem Grundgesetz ist bereits Gegenstand der Revisionsverfahren B 11 AL 63/02 und 73/02.
Tatbestand:
Der 1978 geborene Kläger begehrt (originäre) Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000.
Er leistete vom 01.03. bis 31.12.1998 den Grundwehrdienst und erwarb hierdurch mit seiner Arbeitslosmeldung am 07.01.1999 einen Anspruch auf die sogenannte originäre Alhi nach den §§ 190, 191 Abs. 2 Nr. 2 des 3. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung. Vom 01.06.1999 bis 31.01.2000 war er versicherungspflichtig beschäftigt. Am 31.01.2000 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos. Den Antrag auf Alhi für die Zeit ab 01.02.2000 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2000 mit der Begründung ab, der allein in Betracht kommende Anspruch auf originäre Alhi sei durch das 3. Gesetz zur Änderung des 3. Buches des Sozialgesetzbuchs (3. SGB III - Änderungsgesetz) vom 22.12.1999 (BGBl I 2624) mit Wirkung ab 01.01.2000 entfallen. Die (nur) achtmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers sei daher nicht anwartschaftsbegründend.
Die dagegen gerichtete Klage vom 21.06.2000 hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 13.10.2000 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 25.10.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.11.2000 Berufung eingelegt. Er macht geltend, mit der von ihm ab 01.06.1999 ausgeübten achtmonatigen versicherungspflichtigen Beschäftigung habe er nach § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung die Vorfrist für den Anspruch auf originäre Alhi erfüllt. Der Wegfall dieser Anwartschaft durch das 3. SGB III - Änderungsgesetz vom 22.12.1999 sei wegen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und das Rückwirkungsverbot des Artikel 20 Abs. 3 GG verfassungswidrig.
Der Kläger, der seit dem 01.08.2000 in einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis steht, beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Düsseldorf vom 13.10.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21.02.2000 und des Widerspruchbescheides vom 16.06.2000 zu verurteilen, ihm Alhi für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000 zu bewilligen, hilfsweise den Rechtsstreit nach Artikel 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Kläger hat dem Senat auf Befragen versichert, er sei in der streitigen Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000 mittellos gewesen. Er habe bei seiner Mutter gewohnt, die ihn unterstützt und deshalb einen Kredit aufgenommen habe. Er sei nicht erwerbstätig gewesen. Der Vertreter der Beklagten hat erklärt, nach den Unterlagen des Arbeitsvermittlers sei davon auszugehen, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum ununterbrochen arbeitslos gewesen sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn der geltend gemachte Anspruch auf Alhi steht dem Kläger nicht zu.
Die Voraussetzungen der für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2000 beanspruchten Leistungen bestimmen sich nach § 190 Abs. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2000 gültigen Fassung des 3. SGB III - Änderungsgesetzes vom 22.12.1999. Danach haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die
1. arbeitslos sind,
2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben,
3. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben,
4. in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und
5. bedürftig sind.
Der Kläger erfüllte nach den Feststellungen des Senats im genannten Zeitraum zwar die Tatbestandsmerkmale der Ziffern 1, 2, 3 und 5. Nicht gegeben ist hingegen die in Ziffer 4 genannte Voraussetzung, denn der Kläger bezog in der einjährigen Vorfrist (§ 192 Satz 1 SGB III) kein Arbeitslosengeld. Seine achtmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung vom 01.06.1999 bis 31.04.2000 begründet den Anspruch auf (originäre) Alhi seit dem 01.01.2000 nicht mehr. Die entsprechenden Vorschriften der §§ 190 Abs. 1 Nr. 4, 191 Abs. 2 Nr. 2 SGB III sind mit dem Inkrafttreten des 3. SGB III - Änderungsgesetzes entfallen. Die Novellierung bezieht sich nicht nur auf versicherungspflichtige Beschäftigungen nach dem 01.01.2000. Sie erfasst vielmehr auch Anwartschaften, die bis zum 31.12.1999 erworben worden sind. Lediglich den Arbeitslosen, die bereits in den letzten drei Monaten vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung mindestens für einen Tag die originäre Alhi bezogen hatten, sollte diese Leistung aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine dreimonatige Übergangszeit weiter gezahlt werden (§ 434 b Abs. 1 SGB III). Weitergehende Übergangsvorschriften hat der Gesetzgeber nicht erlassen.
Der Kläger kann auch nicht die Wiederbewilligung des am 07.01.1999 entstandenen Anspruchs auf originäre Alhi verlangen. Er hatte zwar zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 01.06.1999 die Anspruchsdauer von einem Jahr (§ 197 SGB III in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung) noch nicht ausgeschöpft. Auch die auf Zeiten des Wehrdienstes beruhende originäre Alhi nach §§ 190, 191 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a. F. ist aber mit dem Inkrafttreten des 3. SGB III - Änderungsgesetzes am 01.01.2000 entfallen. Die Voraussetzungen der bereits genannten Übergangsvorschrift des § 434 b Abs. 1 SGB III erfüllt der Kläger nicht, weil er in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.1999 keinen Anspruch auf Alhi hatte.
Die dargelegten Bestimmungen des 3. SGB III - Änderungsgesetzes sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 GG ist nicht berührt, weil die Alhi - anders als das Arbeitslosengeld - nicht aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, sondern aus Steuermitteln finanziert wird (Bundessozialgericht - BSG -, Urteile vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr. 29 -, vom 12.06.1992 - 11 RAr 75/91, SozR 3-4100 § 138 Nr. 7 -, vom 08.07.1993 - 7 RAr 64/92, SozR 3-4100 § 118 Nr. 4 -, vom 25.06.1998 - B 7 AL 128/97 R und 2/98 R, SozR 3-4100 § 242 Nr. 1 - sowie vom 05.11.1998 - B 11 AL 7/98 R -; ebenso Urteil des Senats vom 12.12.2002 - L 1 (9) AL 243/01 -; offen geblieben im Urteil des BSG vom 29.01.1997 - 11 RAr 43/96, SozR 3-4100 § 242 q Nr. 1 - und im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2001 - 1 BvR 2402/97, SozR 3-4100 § 242 q Nr. 2). Dies galt auch für den Anspruch auf originäre Alhi nach §§ 190 Abs. 1, 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.12.1999 gültigen Fassung. Er knüpfte zwar an eine mindestens fünfmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung an.
Gleichwohl ging auch diese Art von Alhi nicht - wie für den Eigentumsschutz sozialrechtlicher Rechtspositionen vorausgesetzt - unmittelbar auf eine eigene Beitragsleistung des Betroffenen zurück, sondern wurde ausschließlich aus Steuermitteln finanziert.
Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers ist an den Schranken des Rechts- und Sozialstaatsprinzips (Artikel 20 GG) zu messen, die der Gesetzgeber hier aber nicht verletzt hat. Die Alhi enthält Elemente einer Fürsorgeleistung, so dass beim Wegfall dieses Anspruchs das dem sodann Bedürftigen zustehende Recht auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen angemessenen Ausgleich gewährleistet (BSG a.a.O.). Der Bezieher von Alhi muss daher mit entwertenden Eingriffen des Gesetzgebers nicht nur in die Höhe, sondern auch in den Bestand seines Anspruchs rechnen, die aus übergeordneten öffentlichen Interessen erfolgen (BSG a.a.O.). Letzteres ist hier der Fall. Das 3. SGB III - Änderungsgesetz stellt den zweiten Teil des ursprünglich in einem einzigen Gesetzesentwurf (Haushaltssanierungsgesetz, BT-Drs. 14/1523) zusammengefassten "Sparpakets" dar, dessen Ziel es war, der defizitären Finanzlage des Bundes bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Hierzu heißt es in den Materialien (a.a.O. Seite 205 zu Artikel 27 - Allgemeines -, Seite 206 zu Artikel 27 Nrn. 8 - § 190 - und 9 - § 191 - sowie Seite 207 zu Artikel 27 Nr. 19 - § 434 a Abs. 2 -), die unumgängliche Sanierung des Bundeshaushalts erfordere die solidarische Kraftanstrengung der ganzen Gesellschaft. Zu den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen müssten daher auch die sozialen Sicherungssysteme Arbeitslosenversicherung und Alhi einen Beitrag leisten. Ziel sei es weiterhin, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Deshalb werde auf Eingriffe bei den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung verzichtet und stattdessen vorgeschlagen, lediglich begrenzte Eingriffe bei den Entgeltersatzleistungen vorzunehmen. Unter anderem werde die Alhi für Personen, die bislang entweder überhaupt nicht oder nur kurze Zeit als Arbeitnehmer tätig gewesen seien, abgeschafft. Es erscheine nicht mehr vertretbar, Arbeitslosen, die vorher keinen oder nur einen kurzzeitigen Bezug zur Arbeitslosenversicherung gehabt hätten, Alhi und damit den vollen Zugang zu den beitragsfinanzierten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu gewähren. Bei Bedürftigkeit der von der Abschaffung der originären Alhi betroffenen Personen werde, soweit keine besonderen Regelungen bestünden, künftig der Lebensunterhalt durch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sicher gestellt. Anspruch auf Alhi solle nur noch Arbeitslosen zustehen, die in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hätten. Der Anspruch auf Alhi aufgrund einer Beschäftigung von mindestens fünf Monaten, einer gleichgestellten Zeit insbesondere als Beamter, Richter oder Soldat und des Bezugs bestimmter Sozialleistungen, insbesondere einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, solle entfallen. Lediglich Arbeitslosen, die in den letzten drei Monaten vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung mindestens für einen Tag Anspruch auf originäre Alhi gehabt hätten, solle diese Leistung aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine dreimonatige Übergangszeit weitergezahlt werden. Damit solle es den Betroffenen ermöglicht werden, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.
Die übergeordneten öffentlichen Interessen für den Wegfall der originären Alhi sind damit ausreichend dargelegt. Sie rechtfertigen auch die (hier nur "unechte") Rückwirkung der Neuregelung, die ein möglichst rasches Greifen der Maßnahmen gewährleistet. Ob gerade die vom Gesetzgeber gewählten Sparmaßnah men erforderlich waren oder das Sparziel durch Einsparungen bzw. Kürzungen in anderen Bereichen hätte verwirklicht werden können, ist nicht zu prüfen, denn Entscheidungen dieser Art liegen in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.07.1987 - 1 BvR 488/86, SozR 4100 § 242 b Nr. 3 -). Ähnliche rechtliche Überlegungen haben das Bundesverfassungsgericht veranlasst, die zeitliche Anspruchsbegrenzung der bis dahin unbefristeten originären Alhi auf ein Jahr durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21.12.1993 als verfassungsgemäß anzusehen (Beschluss vom 14.03.2001 a.a.O.).
Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG, dass die Alhi im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld - anders als die originäre Alhi - unangetastet geblieben ist. Die Bevorzugung der Empfänger der Anschluss-Alhi ist sachlich gerechtfertigt, weil deren Leistungsanspruch an eine Versicherungsleistung anschließt, die eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens zwölf Monaten voraussetzt. Dem gegenüber knüpft die originäre Alhi an Beschäftigungszeiten an, die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ausreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage der Vereinbarkeit der Abschaffung der originären Alhi mit dem Grundgesetz ist bereits Gegenstand der Revisionsverfahren B 11 AL 63/02 und 73/02.
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