Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (12) Kr 30/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 118/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 18/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. der Beklagten zurückgenommen!
Das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10. September 1997 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.735,35 DM zu zahlen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten einer medizinischen Rehabilitation, die der klagende Rentenversicherungsträger für einen bei der Beklagten gegen Krankheit Versicherten aufgewendet hat.
Der 1941 geborene Wxxxxx Fxxx (F.) war vom 01.04.1956 bis zum 31.12.1980 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 01.01.1981 war er als selbständiger Lebensmittelkaufmann tätig. Nach 1989 und im August 1995 durchgeführten Coronarangiographien erfolgte am 26.07.1995 eine operative Revascularisation und am 27.10.1995 wurde ein 3-facher aortocoronarer Venenbypass in der Klinik für Herzchirurgie des Klinikums der P.-Universität M. gelegt.
Vom 03.11.1995 bis zum 08.12.1995 erfolgte eine Anschlußheilbehandlung in der Herz- und Kreislauf-Klinik Bad B. Die Beklagte zahlte für diesen Zeitraum Krankengeld. Den Antrag des F. auf Übernahme der Kosten für letztere Behandlung, den die BfA zuständigkeitshalber wegen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung der Klägerin übersandt hatte, lehnte letztere mit Bescheid vom 19.03.1996 ab, weil F. seit dem 01.01.1981 nicht mehr rentenversicherungspflichtig tätig gewesen sei und auch keine freiwilligen Beiträge entrichtet habe; die Rehabilitation durch die Rentenversicherung könne aber nur zu dem Zweck erfolgen, den Versicherten in das Arbeitsleben als Rentenbeitragszahler wieder einzugliedern. F. legte am 02.04.1996 Widerspruch ein.
Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, daß die Anspruchsvoraussetzungen für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen und für die Gewährung von Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit nicht identisch seien und daher die Zuständigkeit der Klägerin gegeben sei.
Mit Bescheid vom 12.06.1996 bewilligte die Klägerin F. für die Zeit vom 03.11. bis 08.12.1995 eine stationäre Behandlung in der Rehabilitationseinrichtung der Herz-Kreislauf-Klinik Bad B. ohne Zuzahlung unter Rücknahme des Bescheides vom 19.03.1996. Eine Durchschrift dieses Bescheides übersandte sie der Beklagten, versehen mit einem Aufkleber "Vorleistung", und meldete am 20.11.1996 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.735,35 DM (221,01 DM tägliche Pflegekosten für 35 Tage) bei der Beklagten an.
Am 10.03.1997 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht - SG - Dortmund Klage auf diesen Betrag erhoben.
Mit Urteil vom 10.09.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 20.10.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.11.1997 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Sie hat es als eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage angesehen, ob Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger zu gewähren ist, unabhängig von dem Anspruch des Versicherten auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin ist der Auffassung, daß ihre Einstandspflicht nur in Betracht kommt, wenn der Eintritt von Berufs- oder Erwerbsfähigkeit drohe, was aber bei einem selbständigen, Nichtversicherten nicht der Fall sein könnte.
Nachdem der Senat mit Beschluss vom 26.08.1998 die Berufung zugelassen hat, beantragt die Klägerin,
das Urteil des SG Dortmund vom 10.09.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.735,35 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Berufung müsse schon deshalb zurückgewiesen werden, weil die Klägerin den Widerspruch des F. stattgegeben und damit ihre Leistungspflicht anerkannt habe, was eine Vorleistung ausschließe. Im übrigen hält sie die Rechtsauffassung der Beklagten als für unvereinbar mit den gesetzlichen Bestimmungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist begründet.
Das SG hat die zulässigerweise als reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobene Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch gemäß § 102 SGB X zu.
Hat ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, so ist nach § 102 Abs. 1 SGB X der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 RehaAnglG hat bei ungeklärter Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers in Fällen medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, bei dem der Behinderte versichert ist, im übrigen die nach dem Wohnsitz des Behinderten zuständige Landesversicherungsanstalt vorläufig Leistungen zu erbringen. Allerdings entrichtete F. im Zeitpunkt der Durchführung der Anschlußheilbehandlung keine Beiträge zur Klägerin; gleichwohl ist sie als zuständiger Rentenversicherungsträger und F. als bei ihr versichert im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 1 RehaAnglG anzusehen, weil in Fällen ungeklärter Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger vorleisten soll, dessen Leistungspflicht in Betracht kommt (vgl. Verbandskommentar, Anm. 5.2 zu § 6 RehaAnglG). Einstandspflichtig konnten hier aber nur die Klägerin oder die Beklagte sein.
Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten keine endgültigen Leistungen an F. erbringen wollen, auch wenn eine entsprechende Beschränkung unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Leistung in dem F. erteilten Abhilfebescheid vom 12.06.1996 nicht enthalten gewesen ist. Durch die gleichzeitige Übersendung einer Abschrift des Bescheides an die Beklagte, versehen mit dem Aufkleber "Vorleistung", hat sie aber hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie weiter an der Leistungspflicht der Beklagten festhalte und im Verhältnis zu ihr in Vorleistung trete. Eine Verpflichtung der Klägerin, diesen Hinweis auch dem Leistungsempfänger zu erteilen, besteht nicht - wenn es auch üblich sein mag -, da dieser ohnehin unabhängig vom Streit der Beteiligten einem Erstattungsanspruch selbst nicht ausgesetzt werden konnte und sich für ihn je nach Zuständigkeit des Versicherungsträgers auch keine unterschiedlichen Leistungsfolgen ergeben konnten, zumal die Beklagte in dem betreffenden Zeitraum Krankengeld gezahlt hatte.
Die Klägerin ist nicht der für die streitige Leistung zuständige Rehabilitations-Träger gewesen. Allerdings hatte F. die versicherungsrechtliche Voraussetzung der Wartezeit nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von 15 Jahren im Antragszeitpunkt zurückgelegt. Für Leistungen zur Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI erfüllt,
1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2. bei denen voraussichtlich durch die Leistungen a) bei erheblicher Gefährdung der Erwebsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder der Eintritt von Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit abgewendet werden kann. Hieraus ergibt sich jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, in jedem Fall drohender oder bereits eingetretener Erwerbsminderung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Diese Aufgabe hat sie nur in dem Umfang zu übernehmen, soweit ihr eigener Zuständigkeitsbereich reicht (BSG SozR 3-5765 § 1 Nr. 1 S. 3). Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung des § 10 SGB VI i.V.m. den Bestimmungen der §§ 7 RehaAnglG und 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI folgt, dass der Rentenversicherungsträger Rehabilitationsleistungen mit dem Ziel zu erbringen hat, seine sonstige Einstandspflicht - Rentenzahlung - abzuwenden (BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr. 1 S. 5; BSG, Urt.v. 12.09.1990 - 5 RJ 42/89 - Umdr. S. 7).
Als selbständiger Unternehmer genießt F. keinen Schutz gegen den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit (BSG SozR 3-5765 § 1 Nr. 1 S. 3). Der Eintritt des Versicherungsfalls der Berufsunfähigkeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 45 SGB VI) kommt mangels Erfüllung der Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor der durchgeführten Heilbehandlungsmaßnahme ebenfalls nicht mehr in Betracht (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI); schließlich hat F. auch die Wartezeit bezüglich einer Rente für Bergleute mit Vollendung des 50. Lebensjahres (§ 45 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI) nicht erfüllt.
§ 10 Nr. 2 SGB VI verknüpft allerdings den Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht in allen Fällen mit der Abwendung der Rentenzahlungspflicht wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, sondern sieht solche Leistungen auch für den Fall der Abwendung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit (§ 10 Nr. 2a) sowie der wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung bei bereits geminderter Erwerbsfähigkeit (§ 10 Nr. 2b 1. Alt.) vor. Diese Regelungen müssen jedoch einschränkend dahin ausgelegt werden, dass nur solchen Erwerbsminderungen begegnet werden soll, die der zukünftigen Ausübung einer versicherten Tätigkeit entgegenstehen und mit diesem Ziel vom Rehabilitanden in Anspruch genommen werden, nicht aber für den hier vorliegenden Fall der ausschließlich beabsichtigten Fortsetzung der unversicherten selbständigen Tätigkeit.
Allerdings hat der Gesetzgeber nach entsprechender Diskussion im Gesetzgebungsverfahren zur Verabschiedung des SGB VI davon Abstand genommen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsleistungen und Rente wegen Erwerbsminderung einheitlich zu gestalten (vgl. Tiedt, DRV 1990, 313, 325).
Dies ist aber gerade im Hinblick auf den Personenkreis unterblieben, der noch nicht lange im (Versicherten)Erwerbsleben steht und daher nicht von Rehabilitationsleistungen ausgegrenzt werden sollte (BT-Drucks. 12/3423 S. 60/61; Tiedt a.a.O.). Dieser Personenkreis gehört aber anders als selbständige, nichtversicherte Unternehmer grundsätzlich dem Versicherungssystem an und dessen Rehabilitation liegt gerade auch im Hinblick auf künftige Beitragszahlungen im Interesse der Versichertengemeinschaft. Demgegenüber steht der nichtversicherte Selbständige, der Rehabilitationsleistungen ausschließlich dazu benötigt, seine selbständige Tätigkeit fortzusetzen, außerhalb dieses Systems und der Einsatz von Leistungen zur Rehabilitation bewirkt weder die Vermeidung der zukünftigen Einstandspflicht des Rentenversicherungsträgers noch die Ermöglichung weiterer Beitragsleistungen. Unter diesen Umständen gleichwohl zu Lasten des Rentenversicherungsträgers die Rehabilitation des Unternehmers zu bewirken, verstieße daher gegen den schon seit 1957 das Rehabilitationsrecht beherrschenden Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" wie später auch in § 7 RehaAnglG nochmals seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. dazu auch Verbandskommentar, Anm. 2.2 zu § 1236 RVO).
Da vorliegend keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass F. wieder die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit und Wiedereingliederung in das versicherte Erwerbsleben anstrebte, war vorliegend nicht die Zuständigkeit der Klägerin sondern der Beklagten nach § 40 Abs. 2 SGB V gegeben.
Dass die Gewährung der durchgefühten Anschlußheilbehandlungsmaßnahme nach dieser Vorschrift im Ermessen der Beklagten stand, ist für deren Einstandspflicht unbeachtlich, da die Beklagte jedenfalls keine Gesichtspunkte aufgezeigt hat, die eine Versagung der Maßnahme hätte rechtfertigen können (vgl. BSG, SozR 1300 § 105 Nr. 1).
Dies gilt ebenso hinsichtlich der Dauer der Maßnahme, die die nach § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V (ebenso § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) bestimmte Regelzeit von drei Wochen überschritten hat. Nach den gemäß § 102 Abs. 2 SGB X maßgeblichen Bestimmungen des Erstattungsberechtigten können medizinische Rehaleistungen für einen längeren Zeitraum erbracht werden, wenn dies erforderlich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen (§ 15 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Es sind nach den Befunden, der Schwere des operativen Eingriffs sowie des Entlassungsberichts der Herz-Kreislauf-Klinik Bad B. keine Hinweise dafür gegeben, dass die Verlängerung der Anschlußheilbehandlung um 14 Tage nicht in diesem Sinne notwendig gewesen ist, was auch von der Beklagten nicht geltend gemacht worden ist.
Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin F. zu Unrecht von der Zuzahlungspflicht (§ 32 SGB VI) befreit hat.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X angemeldet worden, da die hier streitige Leistung eine einheitliche darstellt und der Lauf der Jahresfrist daher erst mit Ende der Maßnahme im Dezember 1995 beginnen konnte (zum Problem des maßgeblichen Ereignisses für den Fristbeginn vgl. BSG, Urt. v. 23.02.1999 - B 1 Kr 6/97 R -).
Das Urteil des SG war demnach abzuändern und die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung der durch die Anschlußheilbehandlungsmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 7.735,35 DM zu verpflichten.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheiten die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten einer medizinischen Rehabilitation, die der klagende Rentenversicherungsträger für einen bei der Beklagten gegen Krankheit Versicherten aufgewendet hat.
Der 1941 geborene Wxxxxx Fxxx (F.) war vom 01.04.1956 bis zum 31.12.1980 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 01.01.1981 war er als selbständiger Lebensmittelkaufmann tätig. Nach 1989 und im August 1995 durchgeführten Coronarangiographien erfolgte am 26.07.1995 eine operative Revascularisation und am 27.10.1995 wurde ein 3-facher aortocoronarer Venenbypass in der Klinik für Herzchirurgie des Klinikums der P.-Universität M. gelegt.
Vom 03.11.1995 bis zum 08.12.1995 erfolgte eine Anschlußheilbehandlung in der Herz- und Kreislauf-Klinik Bad B. Die Beklagte zahlte für diesen Zeitraum Krankengeld. Den Antrag des F. auf Übernahme der Kosten für letztere Behandlung, den die BfA zuständigkeitshalber wegen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung der Klägerin übersandt hatte, lehnte letztere mit Bescheid vom 19.03.1996 ab, weil F. seit dem 01.01.1981 nicht mehr rentenversicherungspflichtig tätig gewesen sei und auch keine freiwilligen Beiträge entrichtet habe; die Rehabilitation durch die Rentenversicherung könne aber nur zu dem Zweck erfolgen, den Versicherten in das Arbeitsleben als Rentenbeitragszahler wieder einzugliedern. F. legte am 02.04.1996 Widerspruch ein.
Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, daß die Anspruchsvoraussetzungen für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen und für die Gewährung von Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit nicht identisch seien und daher die Zuständigkeit der Klägerin gegeben sei.
Mit Bescheid vom 12.06.1996 bewilligte die Klägerin F. für die Zeit vom 03.11. bis 08.12.1995 eine stationäre Behandlung in der Rehabilitationseinrichtung der Herz-Kreislauf-Klinik Bad B. ohne Zuzahlung unter Rücknahme des Bescheides vom 19.03.1996. Eine Durchschrift dieses Bescheides übersandte sie der Beklagten, versehen mit einem Aufkleber "Vorleistung", und meldete am 20.11.1996 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.735,35 DM (221,01 DM tägliche Pflegekosten für 35 Tage) bei der Beklagten an.
Am 10.03.1997 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht - SG - Dortmund Klage auf diesen Betrag erhoben.
Mit Urteil vom 10.09.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 20.10.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.11.1997 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Sie hat es als eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage angesehen, ob Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger zu gewähren ist, unabhängig von dem Anspruch des Versicherten auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin ist der Auffassung, daß ihre Einstandspflicht nur in Betracht kommt, wenn der Eintritt von Berufs- oder Erwerbsfähigkeit drohe, was aber bei einem selbständigen, Nichtversicherten nicht der Fall sein könnte.
Nachdem der Senat mit Beschluss vom 26.08.1998 die Berufung zugelassen hat, beantragt die Klägerin,
das Urteil des SG Dortmund vom 10.09.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.735,35 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Berufung müsse schon deshalb zurückgewiesen werden, weil die Klägerin den Widerspruch des F. stattgegeben und damit ihre Leistungspflicht anerkannt habe, was eine Vorleistung ausschließe. Im übrigen hält sie die Rechtsauffassung der Beklagten als für unvereinbar mit den gesetzlichen Bestimmungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist begründet.
Das SG hat die zulässigerweise als reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobene Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch gemäß § 102 SGB X zu.
Hat ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, so ist nach § 102 Abs. 1 SGB X der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 RehaAnglG hat bei ungeklärter Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers in Fällen medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, bei dem der Behinderte versichert ist, im übrigen die nach dem Wohnsitz des Behinderten zuständige Landesversicherungsanstalt vorläufig Leistungen zu erbringen. Allerdings entrichtete F. im Zeitpunkt der Durchführung der Anschlußheilbehandlung keine Beiträge zur Klägerin; gleichwohl ist sie als zuständiger Rentenversicherungsträger und F. als bei ihr versichert im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 1 RehaAnglG anzusehen, weil in Fällen ungeklärter Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger vorleisten soll, dessen Leistungspflicht in Betracht kommt (vgl. Verbandskommentar, Anm. 5.2 zu § 6 RehaAnglG). Einstandspflichtig konnten hier aber nur die Klägerin oder die Beklagte sein.
Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten keine endgültigen Leistungen an F. erbringen wollen, auch wenn eine entsprechende Beschränkung unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Leistung in dem F. erteilten Abhilfebescheid vom 12.06.1996 nicht enthalten gewesen ist. Durch die gleichzeitige Übersendung einer Abschrift des Bescheides an die Beklagte, versehen mit dem Aufkleber "Vorleistung", hat sie aber hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie weiter an der Leistungspflicht der Beklagten festhalte und im Verhältnis zu ihr in Vorleistung trete. Eine Verpflichtung der Klägerin, diesen Hinweis auch dem Leistungsempfänger zu erteilen, besteht nicht - wenn es auch üblich sein mag -, da dieser ohnehin unabhängig vom Streit der Beteiligten einem Erstattungsanspruch selbst nicht ausgesetzt werden konnte und sich für ihn je nach Zuständigkeit des Versicherungsträgers auch keine unterschiedlichen Leistungsfolgen ergeben konnten, zumal die Beklagte in dem betreffenden Zeitraum Krankengeld gezahlt hatte.
Die Klägerin ist nicht der für die streitige Leistung zuständige Rehabilitations-Träger gewesen. Allerdings hatte F. die versicherungsrechtliche Voraussetzung der Wartezeit nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von 15 Jahren im Antragszeitpunkt zurückgelegt. Für Leistungen zur Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI erfüllt,
1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2. bei denen voraussichtlich durch die Leistungen a) bei erheblicher Gefährdung der Erwebsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder der Eintritt von Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit abgewendet werden kann. Hieraus ergibt sich jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, in jedem Fall drohender oder bereits eingetretener Erwerbsminderung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Diese Aufgabe hat sie nur in dem Umfang zu übernehmen, soweit ihr eigener Zuständigkeitsbereich reicht (BSG SozR 3-5765 § 1 Nr. 1 S. 3). Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung des § 10 SGB VI i.V.m. den Bestimmungen der §§ 7 RehaAnglG und 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI folgt, dass der Rentenversicherungsträger Rehabilitationsleistungen mit dem Ziel zu erbringen hat, seine sonstige Einstandspflicht - Rentenzahlung - abzuwenden (BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr. 1 S. 5; BSG, Urt.v. 12.09.1990 - 5 RJ 42/89 - Umdr. S. 7).
Als selbständiger Unternehmer genießt F. keinen Schutz gegen den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit (BSG SozR 3-5765 § 1 Nr. 1 S. 3). Der Eintritt des Versicherungsfalls der Berufsunfähigkeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 45 SGB VI) kommt mangels Erfüllung der Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor der durchgeführten Heilbehandlungsmaßnahme ebenfalls nicht mehr in Betracht (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI); schließlich hat F. auch die Wartezeit bezüglich einer Rente für Bergleute mit Vollendung des 50. Lebensjahres (§ 45 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI) nicht erfüllt.
§ 10 Nr. 2 SGB VI verknüpft allerdings den Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht in allen Fällen mit der Abwendung der Rentenzahlungspflicht wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, sondern sieht solche Leistungen auch für den Fall der Abwendung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit (§ 10 Nr. 2a) sowie der wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung bei bereits geminderter Erwerbsfähigkeit (§ 10 Nr. 2b 1. Alt.) vor. Diese Regelungen müssen jedoch einschränkend dahin ausgelegt werden, dass nur solchen Erwerbsminderungen begegnet werden soll, die der zukünftigen Ausübung einer versicherten Tätigkeit entgegenstehen und mit diesem Ziel vom Rehabilitanden in Anspruch genommen werden, nicht aber für den hier vorliegenden Fall der ausschließlich beabsichtigten Fortsetzung der unversicherten selbständigen Tätigkeit.
Allerdings hat der Gesetzgeber nach entsprechender Diskussion im Gesetzgebungsverfahren zur Verabschiedung des SGB VI davon Abstand genommen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Rehabilitationsleistungen und Rente wegen Erwerbsminderung einheitlich zu gestalten (vgl. Tiedt, DRV 1990, 313, 325).
Dies ist aber gerade im Hinblick auf den Personenkreis unterblieben, der noch nicht lange im (Versicherten)Erwerbsleben steht und daher nicht von Rehabilitationsleistungen ausgegrenzt werden sollte (BT-Drucks. 12/3423 S. 60/61; Tiedt a.a.O.). Dieser Personenkreis gehört aber anders als selbständige, nichtversicherte Unternehmer grundsätzlich dem Versicherungssystem an und dessen Rehabilitation liegt gerade auch im Hinblick auf künftige Beitragszahlungen im Interesse der Versichertengemeinschaft. Demgegenüber steht der nichtversicherte Selbständige, der Rehabilitationsleistungen ausschließlich dazu benötigt, seine selbständige Tätigkeit fortzusetzen, außerhalb dieses Systems und der Einsatz von Leistungen zur Rehabilitation bewirkt weder die Vermeidung der zukünftigen Einstandspflicht des Rentenversicherungsträgers noch die Ermöglichung weiterer Beitragsleistungen. Unter diesen Umständen gleichwohl zu Lasten des Rentenversicherungsträgers die Rehabilitation des Unternehmers zu bewirken, verstieße daher gegen den schon seit 1957 das Rehabilitationsrecht beherrschenden Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" wie später auch in § 7 RehaAnglG nochmals seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. dazu auch Verbandskommentar, Anm. 2.2 zu § 1236 RVO).
Da vorliegend keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass F. wieder die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit und Wiedereingliederung in das versicherte Erwerbsleben anstrebte, war vorliegend nicht die Zuständigkeit der Klägerin sondern der Beklagten nach § 40 Abs. 2 SGB V gegeben.
Dass die Gewährung der durchgefühten Anschlußheilbehandlungsmaßnahme nach dieser Vorschrift im Ermessen der Beklagten stand, ist für deren Einstandspflicht unbeachtlich, da die Beklagte jedenfalls keine Gesichtspunkte aufgezeigt hat, die eine Versagung der Maßnahme hätte rechtfertigen können (vgl. BSG, SozR 1300 § 105 Nr. 1).
Dies gilt ebenso hinsichtlich der Dauer der Maßnahme, die die nach § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V (ebenso § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) bestimmte Regelzeit von drei Wochen überschritten hat. Nach den gemäß § 102 Abs. 2 SGB X maßgeblichen Bestimmungen des Erstattungsberechtigten können medizinische Rehaleistungen für einen längeren Zeitraum erbracht werden, wenn dies erforderlich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen (§ 15 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Es sind nach den Befunden, der Schwere des operativen Eingriffs sowie des Entlassungsberichts der Herz-Kreislauf-Klinik Bad B. keine Hinweise dafür gegeben, dass die Verlängerung der Anschlußheilbehandlung um 14 Tage nicht in diesem Sinne notwendig gewesen ist, was auch von der Beklagten nicht geltend gemacht worden ist.
Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin F. zu Unrecht von der Zuzahlungspflicht (§ 32 SGB VI) befreit hat.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X angemeldet worden, da die hier streitige Leistung eine einheitliche darstellt und der Lauf der Jahresfrist daher erst mit Ende der Maßnahme im Dezember 1995 beginnen konnte (zum Problem des maßgeblichen Ereignisses für den Fristbeginn vgl. BSG, Urt. v. 23.02.1999 - B 1 Kr 6/97 R -).
Das Urteil des SG war demnach abzuändern und die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung der durch die Anschlußheilbehandlungsmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 7.735,35 DM zu verpflichten.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheiten die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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