L 4 (3) RJ 169/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RJ 59/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 (3) RJ 169/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.11.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung im Insolvenzverfahren.

Die Klägerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) Bielefeld vom 28.07.1999 (Az.: 00 JL 000/99) zur Treuhänderin des Vermögens des X O (Versicherter) ernannt worden, der seit dem 01.07.1999 eine Altersrente von der Beklagten in Höhe von monatlich netto 2.106,46 DM zuzüglich Zuschuss zur Krankenversicherung von 110,25 DM und zur Pflegeversicherung von 17,91 DM (insgesamt: 2.234,62 DM) erhält. Aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des AG Halle/Westfalen vom 21.09.1983 (Geschäfts-Nr. 0 D 000/83) schuldet X O der beigeladenen Innungskrankenkasse (IKK) Ostwestfalen-Lippe einen Betrag von 3.155,28 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 11.08.1983. Zur Erfüllung dieser Forderung hatte die Beigeladene die Beklagte mit Schreiben vom 06.11.1984 um Verrechnung mit einer möglichen Leistung ersucht. Das Verrechnungsersuchen wurde im Versicherungskonto des X O vorgemerkt. Nachdem die Beklagte dem Versicherten mit Schreiben vom 22.07.1999 Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, teilte sie ihm durch Bescheid vom 20.08.1999 mit, dass der Anspruch der Beigeladenen in Höhe von 3.155,28 DM vom 01.09.1999 an in Höhe von 151,50 DM und ab 01.10.1999 in Höhe von monatlich 141,50 DM bis zur Tilgung der Forderung nach § 52 Sozialgesetzbuch I (SGB I) in Verbindung mit (i.V.m.) § 51 Abs. 2 SGB I mit der Rente verrechnet werde. Nach Kenntnis über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherten X O und Bestellung der Klägerin zur Treuhänderin gemäß § 313 Insolvenzordnung (InsO) erklärte die Beklagte mit Bescheid an die Klägerin vom 10.11.1999, dass sie die mit der Rente des Versicherten begonnene Verrechnung weiterhin in Höhe des pfändbaren Betrages von monatlich 141,50 DM zur Tilgung der Forderung der Beigeladenen verrechne, so dass lediglich ein Betrag von 1.964,96 DM/Monat ausgezahlt werde. Da es sich bei der Altersrente um eine Lohnersatzleistung handele, dürfe gemäß § 114 Abs. 2 InsO auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Aufrechnung (Verrechnung) für die Zeit von bis zu drei Jahren ab Beginn des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden.

Mit dem am 19.11.1999 eingelegten Widerspruch wandte die Klägerin ein, dass § 114 Abs. 2 InsO hier nicht anwendbar sei. Denn wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergebe, sei die Aufrechnung (Verrechnung) nur gestattet, wenn der Verpflichtete eine Forderung gegenüber dem Schuldner habe (Personenidentität). Im konkreten Fall habe aber nicht die Beklagte eine Forderung gegenüber dem Versicherten; vielmehr treibe sie lediglich einen Anspruch der Beigeladenen ein. Deshalb müsse der Pfändungsbetrag weiterhin an sie (die Klägerin) ausgezahlt werden; sie werde auch den bereits überwiesenen pfändbaren Anteil der Rente nicht zurückzahlen.

Durch Bescheid vom 22.03.2000 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die gemäß § 80 InsO zur Beschlagnahme des massezugehörigen Schuldnervermögens führe, habe unter den Voraussetzungen des § 114 InsO keinen Einfluss auf die Zulässigkeit einer bereits begonnen Verrechnung. Da es sich bei der Altersrente des Versicherten um eine Lohnersatzleistung handele, unterliege sie der besonderen Regelung des § 114 Abs. 2 InsO. Danach sei eine Aufrechnung (Verrechnung) mit der Rente zulässig, soweit sie sich auf künftige Leistungen für die Zeit vor Ablauf von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehe. Die hier streitige Verrechnung im Sinne des § 52 SGB I setze als eine besondere Form der im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelten Aufrechnung keine Personenidentität zwischen dem Schuldner der Sozialleistungen (Hauptforderung) und dem Gläubiger der Gegenforderung voraus. Dieser aus dem Gedanken der Einheit der Sozialleistungsträger abgeleitete Rechtsgrundsatz beinhalte eine erweiterte Aufrechnungsbefugnis für den Fall, dass ein anderer Sozialleistungsträger als derjenige, der die Leistung erbringt, im Besitz einer Forderung gegen den Leistungsberechtigten ist. Der in der InsO verwendete Rechtsbegriff "Aufrechnung" schließe die Verrechnung nach § 52 SGB I ein. Hiergegen hat die Klägerin am 11.04.2000 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sich die Beklagte zu Unrecht auf die Vorschrift des § 52 SGB I berufe. Denn wie das Bundessozialgericht (BSG) entschieden habe, richte sich die Aufrechnung im Insolvenzverfahren ausschließlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1994, 12 RK 69/93). In der Insolvenz werde die Gläubigergleichbehandlung allein durch das Insolvenzrecht bestimmt. Da die Beklagte keine Forderung gegen den Versicherten (Schuldner) habe (§ 96 InsO), und da keine Personenidentität zwischen dem Versicherten und der Beklagten bestehe (§ 114 Abs. 2 InsO), dürfe sie nicht mit dessen Altersrente verrechnen. Die Beklagte übersehe, dass die neue Insolvenzordnung keine Bevorzugung der Sozialleistungsträger und Finanzämter mehr enthalte. Vielmehr müssten alle Insolvenzforderungen, die nicht Masseverbindlichkeiten seien, im Rahmen nach § 38 InsO angemeldet und befriedigt werden. Die Auffassung der Beklagten würde im Ergebnis zu einer Wiederherstellung der Vorrechtsnormen der Konkursverordnung führen und damit die von der Insolvenzordnung neu geschaffene Gleichbehandlung aller Gläubiger in den Fällen des § 52 SGB I umgehen. Darüber hinaus stehe § 94 InsO der Ansicht der Beklagten entgegen. Denn danach könne ein berechtigter Insolvenzgläubiger eine Vereinbarung über die Aufrechnung schließen, die ihrerseits anfechtbar sei. Dieses Anfechtungsrecht würde aber durch die Anerkennung einer Verrechnungsmöglichkeit nach § 52 SGB I ausgehebelt.

Durch Beschluss vom 26.10.2000 hat das Sozialgericht die IKK Ostwestfalen-Lippe gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2000 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat weiterhin die Ansicht vertreten, dass ihre Verrechnung rechtmäßig sei.

Mit Urteil vom 15.11.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Da über die Forderung der Beigeladenen bereits rechtskräftig durch Urteil des AG Halle/Westfalen entschieden sei, werde nur noch über die Rechtmäßigkeit der Verrechnung gemäß § 52 SGB I gestritten, für deren Entscheidung die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sei.

Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte habe die Verrechnung rechtswirksam durchgeführt. Zwar werde die in § 52 SGB I vorgesehene sozialrechtliche Möglichkeit der Verrechnung von Ansprüchen zwischen Sozialleistungsträgern ohne Gegenseitigkeit von Schuldner und Gläubiger in der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich erwähnt. Doch ergebe sich durch Auslegung, dass das Insolvenzrecht nicht nur die Aufrechnung im Zwei-Personen-Verhältnis, sondern auch die Verrechnung im Dreiecksverhältnis zulasse.

Wie die Klägerin darlege, sei § 114 InsO hier nicht einschlägig. Denn danach werde vorausgesetzt, dass der Gemeinschuldner und ein Einzelgläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Vereinbarung über die Abtretung oder Verpfändung von Lohn- oder Lohnersatzansprüchen getroffen haben. Dagegen regele die Insolvenzordnung nicht den Fall, dass zwei Gläubiger ohne Beteiligung des Schuldners Vereinbarungen über Abtretungen oder Verrechnungsersuchen von Gegenforderungen treffen. Tragende Rechtsgrundlage sei jedoch § 94 InsO, wonach ein Insolvenzgläubiger weiterhin zur Aufrechnung berechtigt sein solle, wenn diese bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes bestanden oder wirksam vereinbart worden sei. Daraus folge, dass auch solche Aufrechnungen zulässig sein sollen, bei denen das Gegenseitigkeitsverhältnis auf einem Rechtsgeschäft oder auf gesetzlicher Grundlage beruhe. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber eine großzügige Aufrechnung im Insolvenzverfahren zulassen wollen, wobei er in den §§ 95, 96 Fälle aufzähle, in denen ausnahmsweise nicht aufgerechnet werden dürfe. Da es sich bei § 52 SGB I um eine Verrechnungsnorm aufgrund vorheriger rechtsgeschäftlicher Abrede und darüber hinaus sogar aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung handele, werde er von § 94 InsO erfasst, der das strenge Gegenseitigkeitsverhältnis zu Gunsten eines Dreiecksverhältnisses mit zwei verschiedenen Sozialleistungsträgern aufgebe. Die Ermächtigung zur Verrechnung sei der Beklagten schon lange vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren von der Beigeladenen mitgeteilt worden. Für eine missbräuchliche Ermächtigung lägen keine Anhaltspunkte vor.

Demgegenüber könne sich die Klägerin nicht erfolgreich auf die Entscheidung des BSG vom 15.12.1994 (Az.: 12 RK 69/93) berufen. Denn nach dieser Entscheidung sei eine Aufrechnung gemäß § 51 SGB I nicht zugelassen worden, weil es sich bei der Hauptforderung um eine zurückzuerstattende Beitragsleistung gehandelt habe, die nach der Rechtsprechung des BSG nicht zu den aufrechnungsfähigen Sozialleistungen des § 51 SGB I gehöre. Das BSG habe in dieser Entscheidung zwar festgestellt, dass eine Aufrechnung nach den allgemeinen Grundsätzen über die Aufrechnung im Zivilrecht möglich sei. Doch könne daraus nicht gefolgert werden, dass die §§ 51, 52 SGB I im Insolvenzrecht nicht anwendbar sein sollten.

Dieses ihr am 14.12.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit der am 21.12.2000 eingelegten Berufung angefochten. Es sei zwar unstreitig, dass der Versicherte der Beigeladenen einen Betrag von 3.155,28 DM zuzüglich Zinsen schulde. Doch dürfe die Beklagte das aus seiner Monatsrente von insgesamt 2.234,62 DM resultierende pfändbare Einkommen in Höhe von monatlich 141,50 DM nicht gemäß § 52 SGB I gegen diese Forderung verrechnen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bestimme sich die im § 94 InsO vorgesehene Aufrechnung allein nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, wonach die Forderungen fällig, gegenseitig und gleichartig sein müssten. Außerdem verlange § 388 BGB eine rechtsgeschäftliche und empfangsbedürftige Willenserklärung der Aufrechnung. Im vorliegenden Fall fehle es sowohl an der Gegenseitigkeit der Forderungen als auch an einer wirksamen Aufrechnungserklärung. Diese Voraussetzungen müssten im Insolvenzverfahren aber auch bei der Verrechnung nach § 52 SGB I erfüllt sein. Denn der Gesetzgeber habe mit der neuen Insolvenzordnung keine besseren Aufrechnungsmöglichkeiten schaffen wollen, sondern die Aufrechnung im Interesse des Masseerhalts sogar im Vergleich zur früheren Konkursordnung eingeengt. Es sei das Ziel der Insolvenzordnung, das gesamte Vermögen des Schuldners zu beschlagnahmen und alle Gläubiger gleich zu behandeln. Eine Anwendung des § 52 SGB I würde aber zu einer Bevorzugung der Sozialversicherungsträger führen. Sofern der Gleichbehandlungsgrundsatz aller Insolvenzgläubiger durch Sonderrechte einzelner durchbrochen werden solle, müsse sich dies aus dem Gesetz ergeben. Eine solche Sonderregelung, z. B. im Sinne einer Gläubigergesamtheit der Sozialversicherungsträger, sei aber für § 52 SGB I nicht getroffen worden.Zwar sei eine Aufrechnung auch in einem Dreiecksverhältnis möglich. Doch setze dies eine Forderungsabtretung zwischen Schuldner und Gläubiger voraus. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass eine Abtretung durch § 51 SGB I ersetzt werden könne, müsste § 114 InsO beachtet werden, wonach eine solche Verfügung auf den Ablauf von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begrenzt sei. Im Übrigen stelle sich die Frage, warum die Beklagte der schon 1984 erteilten Ermächtigung zur Verrechnung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahren im Jahre 1999 nachgekommen ist, obwohl der Versicherte schon seit 1995 Leistungen beziehe. Infolge dieses Hinauszögerns käme es zu einer Schädigung der Insolvenzgläubiger, falls die jetzige Verrechnung zugelassen würde. Außerdem handele es sich bei der Rentenverpflichtung der Beklagten um eine monatlich neu entstehende Schuld, mit der gemäß § 96 InsO eine Aufrechnung (Verrechnung) nicht zulässig sei.

Die Klägerin wurde am 03.01.2002 durch Postzustellungsurkunde zur mündlichen Verhandlung geladen. Für sie ist niemand zum Termin erschienen.

Sie beantragt schriftlich,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15. November 2000 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 10. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15. November 2000 zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass sie die streitige Verrechnung in analoger Anwendung des § 114 Abs. 2 InsO vornehmen dürfe. Das bedeute allerdings, dass lediglich zeitlich befristet für drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahren verrechnet werden könne.

Die Beigeladene macht geltend, dass es sich bei den Aufrechnungsvorschriften des Sozialgesetzes, zu denen auch die §§ 51, 52 SGB I gehörten, um Aufrechnungen kraft Gesetzes handele, die unter § 94 InsO fielen. Im Verhältnis der Sozialversicherungsträger untereinander gelte der Grundsatz der Gesamtheit, der in § 52 SGB I festgelegt sei. Dadurch werde die Aufrechnungslage bei Sozialleistungen dahin modifiziert, dass die Notwendigkeit des strengen Gegenseitigkeitsverhältnisses zu Gunsten eines Dreiecksverhältnisses mit zwei formal unterschiedlichen Leistungsträgern aufgegeben werde. Da die Krankenkassen auch Einzugsstellen für Rentenversicherungsbeiträge seien, handele es sich bei der Forderung gegen den Versicherten O unter anderem auch um Beiträge für die Beklagte, die ordnungsgemäß zur Verrechnung ermächtigt worden sei und die die Verrechnung auch wirksam gegenüber dem Versicherten erklärt habe. Da keine Bedenken gegen eine Aufrechnung nach § 94 InsO beständen, müsse auch eine Verrechnung als spezielle Form der Aufrechnung im Verhältnis der Sozialleistungsträger untereinander zulässig sein.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Streitsache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis mit den Beteiligten durfte der Rechtsstreit nach § 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter entschieden werden.

Einer Entscheidung stand auch nicht entgegen, dass für die Klägerin niemand zum Termin erschienen ist; denn sie ist in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, weil die Klage einen Streit um die Verrechnung von Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beinhaltet, für den die Sozialgerichte gemäß § 51 Abs. 1 SGG zuständig sind.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat die angefochtene Verrechnung rechtmäßig durchgeführt.

Ob der Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Verrechnungsbescheides der Beklagten vom 10.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2000 begründet ist, richtet sich nach § 52 SGB I in Verbindung mit den Vorschriften der InsO. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit die Aufrechnung gemäß § 51 SGB I zulässig ist.

Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass die Beklagte zuständiger Leistungsträger für die den Versicherten X O ab 01.07.1999 gewährte Altersrente ist, und dass sie von der beigeladenen IKK Ostwestfalen-Lippe ermächtigt wurde, deren rechtskräftig festgestellten Anspruch in Höhe von 3.155,28 DM nebst 4 % Zinsen zu verrechnen.

Außerdem bestehen keine Bedenken gegen die Höhe der Verrechnung von monatlich 141,50 DM.

Da dem Versicherten Gelegenheit gegeben wurde, sich zur beabsichtigten Verrechnung zu äußern, und da die Verrechnung ordnungsgemäß durch Bescheid vom 10.11.1999 gegenüber der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Zahlungsgläubigerin gewordenen Klägerin als Treuhänderin erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.1990, 4 RA 47/88), liegen dem Grunde nach alle Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 SGB I vor. Zwischen den Beteiligten besteht aber Streit darüber, ob auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherten X O noch eine Verrechnung gemäß § 52 SGB I zulässig ist. Insbesondere wendet die Klägerin ein, dass die Insolvenzordnung keine Vorschriften über die Verrechnung von Forderungen enthalte, sondern lediglich über deren Aufrechnung. Schon daraus ergebe sich, dass die Kraft spezialgesetzlicher Regelung des § 52 SGB I einer Aufrechnung (§ 51 SGB I) gleichgestellte Verrechnung alle Erfordernisse der Aufrechnung erfüllen müsse. Dazu gehörten neben der Fälligkeit, Gleichartigkeit und Gültigkeit der Forderung auch die Gegenseitigkeit. Es müsse also eine Personenidentität zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger der Insolvenzforderung bestehen. Das sei bei der hier zur Verrechnung gestellten Altersrente nicht der Fall. Die Beklagte sei zwar Schuldnerin dieser Rente, aber nicht gleichzeitig auch Gläubigerin der titulierten Beitragsforderung der Beigeladenen.

Dieser Argumentation der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Wie das Sozialgericht nämlich im Ergebnis zutreffend entschieden hat, erscheint die streitige Verrechnung gemäß § 94 InsO rechtmäßig. Denn danach ist ein Insolvenzgläubiger berechtigt, eine zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung erworbene Möglichkeit zur Aufrechnung auch noch nachher aufzurechnen.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Beklagte im konkreten Fall zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes nur zur Verrechnung und nicht ausdrücklich auch zur Aufrechnung berechtigt war. Doch stellt § 52 SGB I insofern die Verrechnung einer Aufrechnung gleich. Es ist nämlich gerade Zweck des am 01.01.1976 in Kraft getretenen § 52 SGB I, den Sozialleistungsträgern die Möglichkeit zu geben, untereinander Ansprüche eines Berechtigten auf Geldleistungen (hier der Altersrente des Versicherten) mit Ansprüchen gegen den Berechtigten (hier die Beitragsforderung der Beigeladenen) zu verrechnen. Der Vorschrift liegt die Überlegung zugrunde, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Sozialleistungsträger zur engeren Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufzurechnenden Forderungen (§ 387 BGB) verzichtet werden kann (vgl. BT-Drucksache 7/88 S. 32). Die Verrechnung stellt sich damit als eine "Aufrechnung" unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit von Schuldner und Gläubiger dar (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.1990, a.a.O.). Mit ihr wird der gleiche Zweck wie mit einer Aufrechnung erreicht. Das bedeutet, dass die Vorschriften der §§ 387 ff. BGB über die Aufrechnung entsprechend auch für die Verrechnung gelten; im konkreten Fall, dass die kraft Gesetzes erworbene "Verrechnungslage" wie eine "Aufrechnungslage" zu behandeln ist. Aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung des § 52 SGB I steht die Verrechnung auch im Insolvenzverfahren der Aufrechnung, z. B. des § 51 SGB I, gleich. Wegen der weiteren Begründung wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Allerdings kann dem Sozialgericht nicht darin gefolgt werden, dass § 114 Abs. 2 InsO hier nicht zur Anwendung komme. Denn bei der verrechnenden Altersrente handelt es sich durchaus um eine Lohn-Ersatzleistung im Sinne dieser Vorschrift, so dass gegen sie aufgerechnet bzw. verrechnet werden darf. Die Verrechnung ist jedoch nur insoweit zulässig, wie sie sich auf künftige Rentenbeträge für die Zeit vor Ablauf von drei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Insolvenzeröffnung laufenden Kalendermonats bezieht.

Gegenüber dieser Entscheidung kann die Klägerin nicht erfolgreich einwenden, dass § 94 InsO hier schon deswegen nicht angewandt werden dürfe, weil die danach mögliche Vereinbarung einer Aufrechnung angefochten werden dürfe, was bei der Verrechnung nach § 52 SGB I nicht möglich sei. Insoweit übersieht die Klägerin nämlich, dass § 94 InsO als weitere Alternative der Aufrechnung auch eine kraft Gesetzes erworbene und damit nicht anfechtbare Aufrechnung vorsieht.

Desgleichen kann die Klägerin keinen Erfolg mit ihrem Argument haben, dass die Zulässigkeit einer Verrechnung gemäß § 52 SGB I zu einer Bevorzugung der Sozialleistungsträger im Insolvenzverfahren führen würde. Wie das Sozialgericht nämlich dargelegt hat, wollte der Gesetzgeber - entgegen dem im § 1 InsO geregelten allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger im Insolvenzverfahren - mit § 94 InsO ausdrücklich eine solche Bevorzugung zulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der Zivilgerichtsbarkeit teilweise anders entschieden worden ist (vgl. z.B. Bay 0LG München, Urteil vom 10.04.2001, 4 Z BR 23/00; LG Göttingen, Urteil vom 16.01.2000, 10 T 166/99) wurde die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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