L 16 KR 137/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 79/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 137/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. April 2004 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer operativen Brustkorrektur sowie Durchführung einer Bauchdeckenplastik zur Behebung von Operationsnarben. Bei der 1976 geborenen Klägerin wurde infolge eines Morbus Crohn eine Laparotomie durchgeführt. Infolgedessen verblieb eine längliche hypertrophe Narbe im Bauchbereich. Zur plastischen Versorgung dieser Narbe sowie einer Korrektur der linken Brust stellte sich die Klägerin bei dem Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie der L Diakonie, Prof. Dr. P, vor und beantragte bei der Beklagten die Übernahme der Kosten. Prof. Dr. P bescheinigte der Klägerin eine tubuläre Brustfehlbildung beiderseits sowie hypertrophe Narben im Bereich der Bauchdecke, weswegen die Einlage von Silikon-Gel-Prothesen beidseits bei möglicherweise zusätzlicher Einlage einer Expander-Prothese links und zusätzlich einer angleichenden periareoläre Pexie links geplant sei. Mit Bescheid vom 26.07.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil es sich um kosmetische Eingriffe handele. Auf den Widerspruch der Klägerin veranlasste die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) - Dr. P1 -, der ebenfalls zu dem Ergebnis gelangte, dass es sich um eine kosmetische Operation handele, wobei allerdings zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin psychisch unter der Entstellung ihres Abdomens durch ausgedehnte Narbenbildung leide und selbst anführe, dass sie an der linken Brust ein Polster zur Stützung tragen müsse. Die Klägerin trat dem mit einem Attest der Allgemeinmedizinerin Dr. U vom 23.01.2003 entgegen, wonach die Klägerin unter einer ausgeprägten Dystrophie der linken Brust mit erheblicher Unterentwicklung des Brustdrüsengewebes der beiden Quadranten leide. Infolge dieses Mangels leide sie an schwersten Minderwertigkeitskomplexen und psychischen Störungen mit ausgeprägten Beziehungsstörungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 28.04.2003 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, sie leide unter einer ausgeprägten Dystrophie der linken Brust mit erheblicher Unterentwicklung des Brustdrüsengewebes der beiden Quadranten, so dass eine Korrektur medizinisch indiziert sei. Letzteres gelte auch für die Beseitigung der Operationsnarben.

Das SG, das der Klägerin mit Beschluss vom 14.04.2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist gewährt hat, hat die Klage mit Urteil vom 14.04.2004 abgewiesen, weil weder aus der Brustbeschaffenheit noch aus den Narben pathologische Befunde i.S. einer körperlichen Funktionsbeeinträchtigung resultierten. Auch sei keine körperliche Anomalie mit Krankheitswert insoweit anzunehmen. Wegen der Gründe im Einzelnen wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen das ihr am 21.04.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.05.2004 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, auch Dr. P1 habe entsprechende körperliche Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund ihrer Brustform festgestellt. Auch gehe von den Narben wie auch der Fehlbildung der Brust eine entstellende Wirkung aus, weil sie sich weder mit bauchfreier Kleidung, wie sie heute im Sommer üblicherweise getragen werde, noch in Badebekleidung zeigen könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Düsseldorf vom 14.04.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer Bauchdeckenplastikoperation zur Beseitigung von Operationsnarben sowie einer operativen Brustkorrektur zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Da die Berufsrichter des Senats übereinstimmend dieser Auffassung sind und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachten, macht der Senat nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit Gebrauch, das Rechtsmittel durch Beschluss zurückzuweisen (§ 153 Abs. 4 SGG).

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf die begehrte operative Versorgung zusteht.

Die Beklagte schuldet der Klägerin die begehrte Operation nicht als Krankenbehandlung. Krankheit ist i.S.d. gesetzlichen Krankenversicherung ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Rdn. 4 zu § 27 SGB V). Diese Voraussetzungen sind weder hinsichtlich der Brustform noch der Narbenbildungen gegeben. Weder Dr. U noch Prof. Dr. P haben aufgrund dieser Gegebenheiten Beschwerden somatischer Natur beschrieben. Das gilt entgegen der Auffassung der Klägerin auch für Dr. P1, der die gewünschte Operation lediglich aus kosmetischen Gründen für angezeigt erachtet und nur insoweit die Voraussetzungen i.S.d. Fragestellung der Beklagten als erfüllt angesehen hat, nicht aber einen Anspruch der Klägerin auf eine Krankenbehandlung bestätigt hat.

Es liegen auch keine körperlichen Entstellungen von Krankheitswert vor, die eine operative Versorgung der Klägerin notwendig machten. Solche sind in der Regel nur dann anzunehmen, wenn die körperlichen Veränderungen ständig dem Blick der Allgemeinheit ausgesetzt sein können und infolgedessen eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erschwert oder unmöglich gemacht wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 S. 254 - Kahlköpfigkeit der Frau -; BSG SozR 2200 § 182 Nr. 11 - angeborene schwere Gesichtsmißbildung -). Dies gilt aber nicht für körperliche Erscheinungen, die, wie hier, ohne Weiteres durch geeignete Kleidung verdeckt werden können und nur in besonderen Situationen den Blicken anderer ausgesetzt sind (so auch LSG NRW, Urt. vom 03.05.2001 - L 5 KR 221/00 -; Urt. vom 28.11.2001 - L 5 KR 5/01 -). Dabei ist zu beachten, dass für die weibliche Brust keine Normgröße oder Normalform festzustellen ist, sondern vielfältige Ausprägungen typisch sind (vgl. dazu auch BSG Pressemitteilung 57/04 vom 20.10.2004 zu den Verfahren B 1 KR 3/03 R, B 1 KR 23/03 R und B 1 KR 9/04 R). Ebenso weisen zahlreiche Menschen auch größere Narben nach Operationen auf, so dass solche Erscheinungen nicht als Besonderheiten gewertet werden können, die eine (kosmetische) Nachbehandlung regelmäßig erforderlich machten. Auch wenn eine junge Frau wie die Klägerin angesichts der Größe der Narbenbildung hierdurch mehr beeinträchtigt sein mag als andere Menschen, reicht dies allein nicht aus, eine behandlungspflichtige Krankheit oder Verletzung anzunehmen.

Soweit Dr. U schließlich die Brustoperation infolge psychogener Störungen (Minderwertigkeitskomplexe, Angst- und Beziehungsstörungen) für erforderlich erachtet hat, vermag dies die Einstandspflicht der Beklagten nicht zu begründen, weil sie nur solche Krankenbehandlungsmaßnahmen schuldet, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 5; SozR 3-2200 § 182 Nr. 14; jetzt bestätigt gemäß Pressemitteilung Nr. 57/04 vom 20.10.2004). Psychische Störungen sind danach in der Regel nur mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln (BSG wie vor). Dies gilt selbst dann, wenn die psychogenen Störungen der Klägerin allein mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie nicht heilbar wären, weil andernfalls bei psychischer Fixierung auf gewünschte äußere Veränderungen eine Grenzziehung hinsichtlich der Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme kostspieliger Schönheitsoperationen kaum möglich wäre und zum anderen unabsehbare Folgekosten auf die Krankenkassen zukommen könnten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14).

Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage bestand kein Anlass zu weiteren Ermittlungen; vielmehr musste die Berufung mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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