Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 88/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 17/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 25.07.2005 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 01.07.2005 bis zum 18.02.2006 die Kosten von Unterkunft und Heizung in Höhe von 679,71 Euro monatlich zu übernehmen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der einstweiligen Anordnung.
Der im Jahre 1957 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden. Dort besitzt er ein Eigenheim, für das er monatliche Schuldzinsen in Höhe von 653,50 Euro aufbringen muss (489,10 Euro Zinsen und 167,40 Euro Tilgung). Seinen in Deutschland erlernten Beruf als Speditionskaufmann übte er nahezu ausschließlich in der Bundesrepublik aus. Bis Februar 2004 bezog er Arbeitslosengeld und anschließend bis zum 31.12.2004 Anschlussarbeitslosenhilfe von der Bundesagentur für Arbeit. Seit Januar 2005 bezieht er in den Niederlanden eine WAO-Rente in Höhe von 634,45 Euro monatlich sowie niederländisches Kindergeld für seine beiden Kinder in Höhe von insgesamt 107,75 Euro monatlich. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 05.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2005 mit der Begründung ab, der Antragsteller habe weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Bescheid vom 27.06.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen (Ehefrau und zwei Kinder) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 437,80 Euro (Januar 2005), 409,00 Euro (Februar 2005) bzw. 365,80 Euro (März bis Juni 2005). Berücksichtigt wurde dabei ein befristeter Zuschlag gemäß § 24 SGB II. Mit Bescheid vom 15.06.2004 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Gewährung der Kosten der Unterkunft ab, weil der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik habe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin zurück, das Klageverfahren wird bei dem Sozialgericht (SG) Aachen unter dem Aktenzeichen S 15 AS 118/05 geführt.
Am 01.07.2005 hat der Antragsteller beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass es sich aufgrund des gewährten befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II um eine Leistung bei Arbeitslosigkeit gemäß Art. 4 Absatz 1 g der Verordnung (EWG) 1408/71 handele, so dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den sogenannten "Miethe-Fällen" beachtlich seien. Dem Einsatz auf dem niederländischen Arbeitsmarkt stünden seine mangelnden Sprachkenntnisse entgegen, auch habe er sein persönliches Umfeld ausschließlich in Deutschland. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II nicht um eine Versicherungsleistung, sondern um eine aus Steuermitteln finanzierte Leistung handele, so dass das Arbeitslosengeld II als besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Anhang II a der Verordnung (EWG) 1408/71 eingetragen werden solle, wodurch der "Nichtexport" auch europarechtlich abgesichert werde. Soweit nach den Überlegungen der Europäischen Kommission der Nichtexport für Personen nicht gelten solle, die dem Grunde nach einen Anspruch auf den Zuschlag nach § 24 SGB II hätten, weil es sich insoweit um eine Mischleistung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenleistung handele, könne sich dies allenfalls auf die Bundesanteile beziehen. Mithin seien dem Antragsteller auch die Regelleistungen und der Zuschlag zuerkannt worden. Demgegenüber sei er bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung gehalten, Ansprüche auf ergänzende Sozialhilfe des Wohnstaates geltend zu machen. Dass in den Niederlanden im Falle der Bedürftigkeit sofort auf Vermögenswerte zurückgegriffen werde und eine Angemessenheitsprüfung wie im SGB II nicht vorgesehen sei, begründe kein Wahlrecht des Antragstellers zwischen den Leistungen nach dem SGB II und den Sozialhilfeleistungen in den Niederlanden.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 25.07.2005 abgelehnt. Es hat im Wesentlichen dargelegt, dass es sich bei den Leistungen gemäß § 19 SGB II um steuerfinanzierte, bedarfsorientierte und bedürftigkeitsabhängige Fürsorgeleistungen handele, die nach Art. 4 Absatz 4 der Verordnung (EWG) 1408/71 nicht exportierbar seien. An der Rechtsnatur der Leistungen ändere sich auch nichts aufgrund der Gewährung des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II. Zwar handele es sich hierbei um eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne des Art. 4 Absatz 2 a der Verordnung (VO), für die - sofern als Leistung im Anhang II a aufgeführt - ausschließlich der Wohnortstaat zuständig sei (Artikel 10 a VO). Da die Gewährung dieser Leistung aber nicht streitig sei, komme es auf die Anordnung nicht an. Im Übrigen fehle auch ein Anordnungsgrund, da künftige Zahlungen durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen in den Niederlanden sichergestellt würden.
Gegen den ihm am 29.07.2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 03.08.2005 Beschwerde eingelegt. Er bekräftigt seine Auffassung, wonach es sich bei den Leistungen des SGB II um typische Mischleistungen handele, die sowohl Elemente der Sozialhilfe als auch der Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 4 Absatz 2 a der VO enthielten. Die Beschränkung auf die Leistungen in dem Wohnmitgliedstaat griffen bei fehlender Aufführung der Leistungen in Anhang II a nicht. Dem Kläger sei auch nicht die Inanspruchnahme von Sozialhilfe in den Niederlanden zuzumuten, da in diesem Falle sowohl die gewährte WAO-Rente als auch das monatliche Kindergeld in Abzug gebracht würden. Da das Existenzminimum des Antragstellers nachhaltig nicht gedeckt sei, sei auch der Anordnungsgrund gegeben.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 25.07.2005 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Kosten für Unterkunft und Heizung ab Juli 2005 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie schließt sich den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss an und weist darauf hin, dass für den Erhalt der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Bedürftigkeit ausschlaggebend sei, die sich wiederum an der Definition der Hilfebedürftigkeit des bis zum 31.12.2004 gültigen Bundessozialhilfegesetzes orientiere.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.
Entgegen der Auffassung des SG war dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stattzugeben. Danach kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass eine einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren und ist jedenfalls dann gegeben, wenn diese wahrscheinlich ist. Davon ausgehend hat der Antragsteller sowohl den Anordnungsanspruch als auch den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung spricht mehr für als gegen einen Anspruch des Antragstellers sowie der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen auf Gewährung der Kosten von Unterkunft und Heizung jedenfalls während des Bezuges des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II. Gemäß § 19 Satz 1 SGB II erhalten Erwerbsfähige Hilfebedürftigkeit als Arbeitslosengeld II 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, 2. unter den Voraussetzungen des § 24 einen befristeten Zuschlag. Dass der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne der Vorschrift ist, wird von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen, zumal sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und den befristeten Zuschlag gewährt. Soweit sie bezogen auf die Kosten für Unterkunft und Heizung den Anspruch unter Hinweis auf § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 SGB II versagt hat, teilt der Senat diese Auffassung im Ergebnis nicht. Zwar ist es zutreffend, dass nach dieser Vorschrift zur Leistung berechtigt sind nur die Personen, die unter anderem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik, sondern in den Niederlanden hat, ist unbestritten.
Diese Regelung, die einen Leistungsexport ins Ausland verhindern will, steht jedoch zumindest zur Zeit im Widerspruch zu supranationalem Recht. Nach der VO (EWG) 1408/71 vom 14.06.1971 sind die vom Antragsteller begehrten Leistungen einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung als Leistungen der sozialen Sicherheit i.S.v. Art. 4 VO nicht vom Leistungsexport ausgeschlossen. Es spricht vieles dafür, dass es sich jedenfalls während des Bezugs des befristeten Zuschlags um Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach Art. 4 Absatz 1 Buchstabe g handelt, für die das Prinzip des Leistungsexportes gilt (Art. 10 Abs.1 VO) und deren Koordination durch die Art. 67 bis 71 der VO erfolgt. Wie die in § 14 SGB II formulierte Zwecksetzung des Ziels der Eingliederung in Arbeit sowie die Einbindung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Kanon der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den §§ 14 bis 18 SGB II beispielhaft verdeutlichen, ist die Überwindung der Arbeitslosigkeit und die Integration in den Arbeitsmarkt Richtlinie und Leitprinzip des SGB II. Entscheidend für eine Einordnung der begehrten Leistung im Sinne des Art. 4 Absatz 1 der Verordnung ist jedoch der Anspruch auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II. Danach erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige, der Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezieht, in diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag. Gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift beträgt der Zuschlag zwei Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld zuzüglich Wohngeld und dem gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Arbeitslosengeld II. Durch diesen Zuschlag soll Berücksichtigung finden, dass der ehemalige Arbeitslosengeldempfänger durch häufig langjährige Erwerbstätigkeit - im Unterschied zu solchen Empfängern der neuen Leistung, die nur jeweils kurzfristig bzw. noch nie erwerbstätig waren - vor dem Bezug der neuen Leistung einen Anspruch in der Arbeitslosenversicherung erworben hat. Er soll in vertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abfedern, die in der Regel beim Übertritt in die neue Leistung entstehen werden (BT-Drucks 15/1516, Seite 47). Damit hat der Gesetzgeber den Bezug zur früheren Arbeitslosenhilfe aufrechterhalten (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe Spellbrink, SGb 2000, 296 ff, Eicher/Spellbrink, SGB II - Kommentar - § 24 Rdnr. 1), die unzweifelhaft als Leistung im Sinne des Art. 4 Absatz 1 VO angesehen wurde (vgl. hierzu Fuchs, Europäisches Sozialrecht 4. Auflage Artikel 4 Rdnr. 39). Dass es sich bei den vom Antragsteller beanspruchten Leistungen um beitragsunabhängige Leistungen handelt, steht der Anwendung nicht entgegen. Nach Art. 4 Absatz 2 der VO besteht der sachliche Anwendungsbereich unabhängig davon, ob es sich um beitragsbezogene oder beitragsfreie Systeme oder solche handelt, deren Durchführung den Arbeitgebern obliegt (vgl. Fuchs a.a.O. Artikel 4 Rdnr. 3 m. w. N.). Als Koordinierungsvorschrift ist vorliegend Artikel 71 der VO anwendbar, da der Kläger während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des zuständigen Staates wohnte. Bei dem Antragsteller dürfte es nach dessen von der Antragsgegnerin nicht widersprochenen Angaben um einen Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b) der VO handeln. Nach der Rechtsprechung in dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Miethe (EuGH, Rs. 1/85) ist ein Grenzgänger, der aber im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält, dass er dort die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat, als "Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist" anzusehen, so dass er gemäß Artikel 71 Absatz 1 lit. b) ein Wahlrecht zwischen den Leistungen des Beschäftigungsstaates und des Wohnstaates hat (Fuchs a.a.O. Art.71 Rdnr.3).
Selbst wenn man jedoch die sozialhilferechtliche Ausrichtung und die Steuerfinanzierung der Leistungen nach dem SGB II einbezieht, handelt es sich jedenfalls um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne des Art. 4 Absatz 2 a der durch VO (EG) Nr.647/2005 vom 13.04.2005 geänderten VO (EWG) Nr.1408/71. Danach gilt die VO auch für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Abs.1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Dass es sich bei den Leistungen des SGB II ungeachtet der sozialhilferechtlichen Ausrichtung und der Steuerfinanzierung der Leistung nicht um Sozialhilfe im Sinne von Art. 2 Absatz 4 der Verordnung handelt, wurde bereits im Hinblick auf die Zwecksetzung des Ziels der Eingliederung in Arbeit dargelegt. Insoweit ist hier auch nicht die besondere Koordinierungsregel des § 10 a VO (EG) Nr.647/05 anwendbar, denn dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Danach erhalten die Personen, für die diese Verordnung gilt, die in Artikel 4 Absatz 2 a genannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen ausschließlich in dem Wohnmitgliedstaat nach dessen Rechtsvorschriften, sofern diese Leistungen in Anhang II a aufgeführt sind. Da im vorliegenden Fall die genannte Leistung bislang nicht im Anhang II a der Verordnung aufgenommen worden ist, fehlt eines der kumulativen Tatbestandsmerkmale des Artikel 10 a. Im Hinblick auf das Recht auf Freizügigkeit von Arbeitnehmern (Art.39 des EG-Vertrages) ist danach der Grundsatz der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit vorliegend nicht durchbrochen (vgl. hierzu Fuchs a.a.O. Artikel 4 Rdnr. 29 m. w. N.). An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn der nunmehr endgültige Vorschlag der Europäischen Kommission vom 04.01.2005 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 1408/71 zugrunde gelegt würde (vgl. Interinstitutionelles Dossier 2004/0284 (COD) des Rates der Europäischen Union). Danach wird der Nichtexport der Leistungen nach dem SGB II durch Aufnahme in den Anhang II a auch europarechtlich abgesichert, soweit nicht - wie im vorliegenden Fall - dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II erfüllt sind.
Der Senat geht sowohl bei der Anwendung von Art. 4 Absatz 1 g) als auch nach Art. 4 Absatz 2 a VO davon aus, dass die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II insgesamt zugrunde zulegen sind und nicht lediglich isoliert auf die hier konkret nicht gewährte Leistung von Unterkunft und Heizung abzustellen ist. Hierfür spricht zum einen schon der Wortlaut, denn der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II ist akzessorisch zum Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Satz 1 Nummer 1 SGB II ist (vgl. Eicher/Spellbrink a.a.O. § 24 Rdnr.3), die wiederum die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung einschließen. Auch die Berechnung des befristeten Zuschlags in § 24 Absatz 2 SGB II bestätigt dies, denn es wird auf die frühere einheitliche Leistung einerseits und die jetzige einheitliche Leistung (d. h. inklusive Unterkunft und Heizung) andererseits abgestellt. Insoweit überzeugt auch die Argumentation der Antragsgegnerin nicht, wonach die Kosten der Unterkunft aufgrund der kommunalen Trägerschaft nicht zu übernehmen sind. Hat der Kläger einen Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II, sind ihm diese unabhängig von der Frage der Kostenträgerschaft unter Beachtung des europäischen Gemeinschaftsrechts durch die als Arbeitsgemeinschaft zur einheitlichen Aufgabenwahrnehmung berufene Antragsgegnerin (vgl. § 44b SGB II) zu bewilligen. Auch der Hinweis auf die Gebietszonen des kommunalen Trägers überzeugt im Ergebnis nicht, da sich die Zuständigkeit aus dem letzten Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers ergibt (vgl. hierzu die Begriffsbestimmungen in Art. 1 Buchstabe o) ff der VO) und der Leistungsbezug insgesamt auf den Zeitraum des befristeten Zuschlages beschränkt sein dürfte.
Hinsichtlich der Höhe der im einstweiligen Rechtschutz gewähren Kosten für Unterkunft und Heizung hat sich der Senat an der Berechnung der Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren orientiert (vgl. Bl. 48 der Verwaltungsakte), die jedenfalls den vom Antragsteller auch zuletzt geltend gemachten Bedarf abdecken dürfte. Dabei hat der Senat es für sachgerecht gehalten, die monatlichen Tilgungsraten jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes auszunehmen (vgl. Eicher/Spellbrink a.a.O. § 22 Rdnr ...26 ff). Die endgültige Berechnung bleibt dann ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Leistungen der Grundsicherung dienen der Herstellung eines menschenwürdigen Lebens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BVR 569/05 -). Gewährt danach die Antragsgegnerin dem Antragsteller wegen dessen unstreitig vorhandener Bedürftigkeit Leistungen der Grundsicherung, kann die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf eine Teilleistung nicht in Frage stehen. Der Verweis auf die Inanspruchnahme ausländischer Sozialhilfeleistungen überzeugt schon im Hinblick auf die jedenfalls nach deutschem Recht bestehende Subsidiarität nicht. Der Antragsteller kann aber jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens mit den entsprechenden Unwägbarkeiten eines schnellen und durchsetzbaren Anspruchs - auf die beachtlichen Argumente des Antragstellers, die einer derartigen Durchsetzbarkeit entgegenstehen könnten, wird Bezug genommen - nicht auf die Inanspruchnahme ausländischer Leistungen verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der einstweiligen Anordnung.
Der im Jahre 1957 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden. Dort besitzt er ein Eigenheim, für das er monatliche Schuldzinsen in Höhe von 653,50 Euro aufbringen muss (489,10 Euro Zinsen und 167,40 Euro Tilgung). Seinen in Deutschland erlernten Beruf als Speditionskaufmann übte er nahezu ausschließlich in der Bundesrepublik aus. Bis Februar 2004 bezog er Arbeitslosengeld und anschließend bis zum 31.12.2004 Anschlussarbeitslosenhilfe von der Bundesagentur für Arbeit. Seit Januar 2005 bezieht er in den Niederlanden eine WAO-Rente in Höhe von 634,45 Euro monatlich sowie niederländisches Kindergeld für seine beiden Kinder in Höhe von insgesamt 107,75 Euro monatlich. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 05.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2005 mit der Begründung ab, der Antragsteller habe weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Bescheid vom 27.06.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen (Ehefrau und zwei Kinder) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 437,80 Euro (Januar 2005), 409,00 Euro (Februar 2005) bzw. 365,80 Euro (März bis Juni 2005). Berücksichtigt wurde dabei ein befristeter Zuschlag gemäß § 24 SGB II. Mit Bescheid vom 15.06.2004 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Gewährung der Kosten der Unterkunft ab, weil der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik habe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin zurück, das Klageverfahren wird bei dem Sozialgericht (SG) Aachen unter dem Aktenzeichen S 15 AS 118/05 geführt.
Am 01.07.2005 hat der Antragsteller beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass es sich aufgrund des gewährten befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II um eine Leistung bei Arbeitslosigkeit gemäß Art. 4 Absatz 1 g der Verordnung (EWG) 1408/71 handele, so dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den sogenannten "Miethe-Fällen" beachtlich seien. Dem Einsatz auf dem niederländischen Arbeitsmarkt stünden seine mangelnden Sprachkenntnisse entgegen, auch habe er sein persönliches Umfeld ausschließlich in Deutschland. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II nicht um eine Versicherungsleistung, sondern um eine aus Steuermitteln finanzierte Leistung handele, so dass das Arbeitslosengeld II als besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Anhang II a der Verordnung (EWG) 1408/71 eingetragen werden solle, wodurch der "Nichtexport" auch europarechtlich abgesichert werde. Soweit nach den Überlegungen der Europäischen Kommission der Nichtexport für Personen nicht gelten solle, die dem Grunde nach einen Anspruch auf den Zuschlag nach § 24 SGB II hätten, weil es sich insoweit um eine Mischleistung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenleistung handele, könne sich dies allenfalls auf die Bundesanteile beziehen. Mithin seien dem Antragsteller auch die Regelleistungen und der Zuschlag zuerkannt worden. Demgegenüber sei er bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung gehalten, Ansprüche auf ergänzende Sozialhilfe des Wohnstaates geltend zu machen. Dass in den Niederlanden im Falle der Bedürftigkeit sofort auf Vermögenswerte zurückgegriffen werde und eine Angemessenheitsprüfung wie im SGB II nicht vorgesehen sei, begründe kein Wahlrecht des Antragstellers zwischen den Leistungen nach dem SGB II und den Sozialhilfeleistungen in den Niederlanden.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 25.07.2005 abgelehnt. Es hat im Wesentlichen dargelegt, dass es sich bei den Leistungen gemäß § 19 SGB II um steuerfinanzierte, bedarfsorientierte und bedürftigkeitsabhängige Fürsorgeleistungen handele, die nach Art. 4 Absatz 4 der Verordnung (EWG) 1408/71 nicht exportierbar seien. An der Rechtsnatur der Leistungen ändere sich auch nichts aufgrund der Gewährung des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II. Zwar handele es sich hierbei um eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne des Art. 4 Absatz 2 a der Verordnung (VO), für die - sofern als Leistung im Anhang II a aufgeführt - ausschließlich der Wohnortstaat zuständig sei (Artikel 10 a VO). Da die Gewährung dieser Leistung aber nicht streitig sei, komme es auf die Anordnung nicht an. Im Übrigen fehle auch ein Anordnungsgrund, da künftige Zahlungen durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen in den Niederlanden sichergestellt würden.
Gegen den ihm am 29.07.2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 03.08.2005 Beschwerde eingelegt. Er bekräftigt seine Auffassung, wonach es sich bei den Leistungen des SGB II um typische Mischleistungen handele, die sowohl Elemente der Sozialhilfe als auch der Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 4 Absatz 2 a der VO enthielten. Die Beschränkung auf die Leistungen in dem Wohnmitgliedstaat griffen bei fehlender Aufführung der Leistungen in Anhang II a nicht. Dem Kläger sei auch nicht die Inanspruchnahme von Sozialhilfe in den Niederlanden zuzumuten, da in diesem Falle sowohl die gewährte WAO-Rente als auch das monatliche Kindergeld in Abzug gebracht würden. Da das Existenzminimum des Antragstellers nachhaltig nicht gedeckt sei, sei auch der Anordnungsgrund gegeben.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 25.07.2005 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Kosten für Unterkunft und Heizung ab Juli 2005 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie schließt sich den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss an und weist darauf hin, dass für den Erhalt der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Bedürftigkeit ausschlaggebend sei, die sich wiederum an der Definition der Hilfebedürftigkeit des bis zum 31.12.2004 gültigen Bundessozialhilfegesetzes orientiere.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.
Entgegen der Auffassung des SG war dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stattzugeben. Danach kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass eine einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren und ist jedenfalls dann gegeben, wenn diese wahrscheinlich ist. Davon ausgehend hat der Antragsteller sowohl den Anordnungsanspruch als auch den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung spricht mehr für als gegen einen Anspruch des Antragstellers sowie der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen auf Gewährung der Kosten von Unterkunft und Heizung jedenfalls während des Bezuges des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II. Gemäß § 19 Satz 1 SGB II erhalten Erwerbsfähige Hilfebedürftigkeit als Arbeitslosengeld II 1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, 2. unter den Voraussetzungen des § 24 einen befristeten Zuschlag. Dass der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne der Vorschrift ist, wird von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen, zumal sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und den befristeten Zuschlag gewährt. Soweit sie bezogen auf die Kosten für Unterkunft und Heizung den Anspruch unter Hinweis auf § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 SGB II versagt hat, teilt der Senat diese Auffassung im Ergebnis nicht. Zwar ist es zutreffend, dass nach dieser Vorschrift zur Leistung berechtigt sind nur die Personen, die unter anderem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik, sondern in den Niederlanden hat, ist unbestritten.
Diese Regelung, die einen Leistungsexport ins Ausland verhindern will, steht jedoch zumindest zur Zeit im Widerspruch zu supranationalem Recht. Nach der VO (EWG) 1408/71 vom 14.06.1971 sind die vom Antragsteller begehrten Leistungen einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung als Leistungen der sozialen Sicherheit i.S.v. Art. 4 VO nicht vom Leistungsexport ausgeschlossen. Es spricht vieles dafür, dass es sich jedenfalls während des Bezugs des befristeten Zuschlags um Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach Art. 4 Absatz 1 Buchstabe g handelt, für die das Prinzip des Leistungsexportes gilt (Art. 10 Abs.1 VO) und deren Koordination durch die Art. 67 bis 71 der VO erfolgt. Wie die in § 14 SGB II formulierte Zwecksetzung des Ziels der Eingliederung in Arbeit sowie die Einbindung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Kanon der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den §§ 14 bis 18 SGB II beispielhaft verdeutlichen, ist die Überwindung der Arbeitslosigkeit und die Integration in den Arbeitsmarkt Richtlinie und Leitprinzip des SGB II. Entscheidend für eine Einordnung der begehrten Leistung im Sinne des Art. 4 Absatz 1 der Verordnung ist jedoch der Anspruch auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II. Danach erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige, der Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezieht, in diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag. Gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift beträgt der Zuschlag zwei Drittel des Unterschiedsbetrages zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld zuzüglich Wohngeld und dem gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Arbeitslosengeld II. Durch diesen Zuschlag soll Berücksichtigung finden, dass der ehemalige Arbeitslosengeldempfänger durch häufig langjährige Erwerbstätigkeit - im Unterschied zu solchen Empfängern der neuen Leistung, die nur jeweils kurzfristig bzw. noch nie erwerbstätig waren - vor dem Bezug der neuen Leistung einen Anspruch in der Arbeitslosenversicherung erworben hat. Er soll in vertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abfedern, die in der Regel beim Übertritt in die neue Leistung entstehen werden (BT-Drucks 15/1516, Seite 47). Damit hat der Gesetzgeber den Bezug zur früheren Arbeitslosenhilfe aufrechterhalten (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe Spellbrink, SGb 2000, 296 ff, Eicher/Spellbrink, SGB II - Kommentar - § 24 Rdnr. 1), die unzweifelhaft als Leistung im Sinne des Art. 4 Absatz 1 VO angesehen wurde (vgl. hierzu Fuchs, Europäisches Sozialrecht 4. Auflage Artikel 4 Rdnr. 39). Dass es sich bei den vom Antragsteller beanspruchten Leistungen um beitragsunabhängige Leistungen handelt, steht der Anwendung nicht entgegen. Nach Art. 4 Absatz 2 der VO besteht der sachliche Anwendungsbereich unabhängig davon, ob es sich um beitragsbezogene oder beitragsfreie Systeme oder solche handelt, deren Durchführung den Arbeitgebern obliegt (vgl. Fuchs a.a.O. Artikel 4 Rdnr. 3 m. w. N.). Als Koordinierungsvorschrift ist vorliegend Artikel 71 der VO anwendbar, da der Kläger während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des zuständigen Staates wohnte. Bei dem Antragsteller dürfte es nach dessen von der Antragsgegnerin nicht widersprochenen Angaben um einen Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b) der VO handeln. Nach der Rechtsprechung in dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Miethe (EuGH, Rs. 1/85) ist ein Grenzgänger, der aber im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält, dass er dort die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat, als "Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist" anzusehen, so dass er gemäß Artikel 71 Absatz 1 lit. b) ein Wahlrecht zwischen den Leistungen des Beschäftigungsstaates und des Wohnstaates hat (Fuchs a.a.O. Art.71 Rdnr.3).
Selbst wenn man jedoch die sozialhilferechtliche Ausrichtung und die Steuerfinanzierung der Leistungen nach dem SGB II einbezieht, handelt es sich jedenfalls um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne des Art. 4 Absatz 2 a der durch VO (EG) Nr.647/2005 vom 13.04.2005 geänderten VO (EWG) Nr.1408/71. Danach gilt die VO auch für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Abs.1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Dass es sich bei den Leistungen des SGB II ungeachtet der sozialhilferechtlichen Ausrichtung und der Steuerfinanzierung der Leistung nicht um Sozialhilfe im Sinne von Art. 2 Absatz 4 der Verordnung handelt, wurde bereits im Hinblick auf die Zwecksetzung des Ziels der Eingliederung in Arbeit dargelegt. Insoweit ist hier auch nicht die besondere Koordinierungsregel des § 10 a VO (EG) Nr.647/05 anwendbar, denn dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Danach erhalten die Personen, für die diese Verordnung gilt, die in Artikel 4 Absatz 2 a genannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen ausschließlich in dem Wohnmitgliedstaat nach dessen Rechtsvorschriften, sofern diese Leistungen in Anhang II a aufgeführt sind. Da im vorliegenden Fall die genannte Leistung bislang nicht im Anhang II a der Verordnung aufgenommen worden ist, fehlt eines der kumulativen Tatbestandsmerkmale des Artikel 10 a. Im Hinblick auf das Recht auf Freizügigkeit von Arbeitnehmern (Art.39 des EG-Vertrages) ist danach der Grundsatz der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit vorliegend nicht durchbrochen (vgl. hierzu Fuchs a.a.O. Artikel 4 Rdnr. 29 m. w. N.). An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn der nunmehr endgültige Vorschlag der Europäischen Kommission vom 04.01.2005 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 1408/71 zugrunde gelegt würde (vgl. Interinstitutionelles Dossier 2004/0284 (COD) des Rates der Europäischen Union). Danach wird der Nichtexport der Leistungen nach dem SGB II durch Aufnahme in den Anhang II a auch europarechtlich abgesichert, soweit nicht - wie im vorliegenden Fall - dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II erfüllt sind.
Der Senat geht sowohl bei der Anwendung von Art. 4 Absatz 1 g) als auch nach Art. 4 Absatz 2 a VO davon aus, dass die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II insgesamt zugrunde zulegen sind und nicht lediglich isoliert auf die hier konkret nicht gewährte Leistung von Unterkunft und Heizung abzustellen ist. Hierfür spricht zum einen schon der Wortlaut, denn der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II ist akzessorisch zum Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Satz 1 Nummer 1 SGB II ist (vgl. Eicher/Spellbrink a.a.O. § 24 Rdnr.3), die wiederum die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung einschließen. Auch die Berechnung des befristeten Zuschlags in § 24 Absatz 2 SGB II bestätigt dies, denn es wird auf die frühere einheitliche Leistung einerseits und die jetzige einheitliche Leistung (d. h. inklusive Unterkunft und Heizung) andererseits abgestellt. Insoweit überzeugt auch die Argumentation der Antragsgegnerin nicht, wonach die Kosten der Unterkunft aufgrund der kommunalen Trägerschaft nicht zu übernehmen sind. Hat der Kläger einen Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II, sind ihm diese unabhängig von der Frage der Kostenträgerschaft unter Beachtung des europäischen Gemeinschaftsrechts durch die als Arbeitsgemeinschaft zur einheitlichen Aufgabenwahrnehmung berufene Antragsgegnerin (vgl. § 44b SGB II) zu bewilligen. Auch der Hinweis auf die Gebietszonen des kommunalen Trägers überzeugt im Ergebnis nicht, da sich die Zuständigkeit aus dem letzten Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers ergibt (vgl. hierzu die Begriffsbestimmungen in Art. 1 Buchstabe o) ff der VO) und der Leistungsbezug insgesamt auf den Zeitraum des befristeten Zuschlages beschränkt sein dürfte.
Hinsichtlich der Höhe der im einstweiligen Rechtschutz gewähren Kosten für Unterkunft und Heizung hat sich der Senat an der Berechnung der Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren orientiert (vgl. Bl. 48 der Verwaltungsakte), die jedenfalls den vom Antragsteller auch zuletzt geltend gemachten Bedarf abdecken dürfte. Dabei hat der Senat es für sachgerecht gehalten, die monatlichen Tilgungsraten jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes auszunehmen (vgl. Eicher/Spellbrink a.a.O. § 22 Rdnr ...26 ff). Die endgültige Berechnung bleibt dann ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Leistungen der Grundsicherung dienen der Herstellung eines menschenwürdigen Lebens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BVR 569/05 -). Gewährt danach die Antragsgegnerin dem Antragsteller wegen dessen unstreitig vorhandener Bedürftigkeit Leistungen der Grundsicherung, kann die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf eine Teilleistung nicht in Frage stehen. Der Verweis auf die Inanspruchnahme ausländischer Sozialhilfeleistungen überzeugt schon im Hinblick auf die jedenfalls nach deutschem Recht bestehende Subsidiarität nicht. Der Antragsteller kann aber jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens mit den entsprechenden Unwägbarkeiten eines schnellen und durchsetzbaren Anspruchs - auf die beachtlichen Argumente des Antragstellers, die einer derartigen Durchsetzbarkeit entgegenstehen könnten, wird Bezug genommen - nicht auf die Inanspruchnahme ausländischer Leistungen verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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