Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 15 RJ 64/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 (8) RJ 231/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 33/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. Oktober 1993 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente; streitig ist dabei, ob die gem. § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung vorgenommene Absenkung der nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte um 40 % verfassungsmäßig ist.
Die am 00.00.1938 in Rumänien geborene Klägerin siedelte 1984 in die Bundesrepublik über. Sie ist im Besitz eines Vertriebenenausweises A.
Auf den Antrag der Klägerin vom 17.10.1997 bewilligte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 28.11.1997 ab 01.02.1998 Altersrente für Frauen bei Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 39 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in Höhe von monatlich 1.080,76 DM. Die Entgeltpunkte für die in Rumänien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom 07.08.1959 bis zum 09.10.1984 wurden dabei mit dem Faktor 0,6 multipliziert.
Dagegen legte die Klägerin am 24.12.1997 Widerspruch mit der Begründung ein, die Absenkung der nach dem Fremdrentenrecht zu berücksichtigenden Zeiten um 40 % sei u.a. wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des Vertrauensschutzes verfassungswidrig. Die Beklagte wies durch Bescheid vom 02.06.1998 den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, maßgeblich für die Rentenhöhe sei das zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltende Recht. Hinsichtlich der in Rumänien zurückgelegten Zeiten sei die Rente nach dem FRG festzustellen gewesen. Nach § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) seien die für diese Zeiten zu ermittelnden Entgeltpunkte um 40 % zu mindern gewesen. Die Regelung sei am 07.05.1986 in Kraft getreten und finde auf Renten mit Beginn ab 01.10.1996 Anwendung.
Mit der zum Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat ausgeführt, § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG und § 4 Abs. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) stelle eine unzulässige unechte Rückwirkung dar und sei deshalb verfassungswidrig. Ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips sei die Rechtssicherheit, die den Bürgern einen Vertrauensschutz garantiere. Das Verhalten der Organe der Bundesrepublik Deutschland habe in der Vergangenheit eine völlige Gleichstellung der Aussiedler mit bundesdeutschen Versicherten zum Inhalt gehabt. Dies habe bei den Betroffenen einen Vertrauensschutz dahingehend begründet, dass diese Gleichstellung auch zukünftig beibehalten werde. Die vorgenommene Kürzung der Fremdrentenansprüche um 40 % verletze diesen Vertrauensschutz erheblich. Dieser Eingriff sei nicht vorhersehbar gewesen. Ferner verletze die gesetzliche Regelung den Schutzbereich des Art. 14 des Grundgesetzes (GG), der jedenfalls auch Anwartschaften erfasse. Eine Halbierung der Ansprüche überschreite die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.10.1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe bei der Rentenberechnung das Recht richtig angewandt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin seien nicht zu teilen. Die von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten und nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten unterfielen zwar dem Schutz des Eigentums des Art. 14 Abs. 1 GG, sodass durch die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG der Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen sei. Bei der Neuregelung handele es sich jedoch um eine verfassungsmäßig zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG bzw. des § 4 Abs. 5 FANG verletze auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht und auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde insbesondere durch die Stichtagsregelung nicht verletzt. Die Neuregelung begegne schließlich auch keinen Bedenken im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG. Es handele sich um eine unechte Rückwirkung. Diese sei immer dann gegeben, wenn der Gesetzgeber an in der Vergangenheit liegende Tatbestände rückwirkend belastende Folgen anknüpfe. Die Notwendigkeit derartiger Regelungen ergebe sich aber in weiten Teilen, um geänderten gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Daher müsse es dem Gesetzgeber grundsätzlich möglich sein, Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anzuknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen auf veränderte Gegebenheiten mit einer Anpassung seines Normenwerkes zu reagieren. Nur so könnten bestimmte soziale Gegebenheiten in einem gewissen Sinn beeinflußt werden. Diese gesetzgeberische Notwendigkeit werde durch den Vertrauensschutz des Einzelnen begrenzt. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz gehe jedoch nicht so weit, den Begünstigten vor jeder "Entäuschung" seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage bewahren. Vielmehr müßten auf seiner Seite gewichtige zusätzliche Interessen angeführt werden können, die den öffentlichen Interessen vorgehen. Andernfalls würde der zum Ausgleich zu bringende Widerstreit zwischen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf der einen Seite mit der unabweisbaren Notwendigkeit, die Rechtsordnung verändern zu können auf der anderen Seite, in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst. Damit würde der dem Gesamtwohl verpflichtete demokratische Gesetzgeber in wichtigen Bereichen durch Einzelinteressen gelähmt, das Gesamtwohl würde schwerwiegend gefährdet. Da vorliegend aufgrund der angespannten finanziellen Situation der Rentenkassen ein Einschnitt in die Leistungen der Rentenversicherungsträger in vielfältiger Weise - und auch durch die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG sowie des § 4 Abs. 5 FANG - vorgenommen worden sei, habe hier der Vertrauensschutz der Klägerin hinter dem öffentlichen Interesse an einer Anpassung der Versicherungsleistungen zurückzutreten.
Gegen das am 20.10.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.10.1998 Berufung eingelegt. Sie regt an, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Zur Berufungsbegründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und bezieht sich insbesondere auf das Rechtsgutachten von Podlech/Azzola/Dieners, Die Rentenversicherung 1998, 177 ff und führt ergänzend aus: Das Sozialgericht habe hauptsächlich darauf abgestellt, dass sie für die streitigen Zeiten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung erbracht habe. Dies liege bei dem Personenkreis, um den es hier gehe (Vertriebene und Aussiedler) in der Natur der Sache. Die Betroffenen hätten bis zur Aussiedlung auch gar keine Möglichkeit gehabt, Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zu entrichten. Es sei auch nicht so, dass die FRG-Rentenanwartschaften ohne eigene Leistung der Betroffenen erworben worden seien. Das FRG knüpfe an Beschäftigungs- und Beitragszeiten im Herkunftsland der Aussiedler an. Damit stellten die FRG-Rentenanwartschaften den rentenrechlichen Ausgleich für einen großen Teil der Lebensarbeitsleistung der Fremdrentenberechtigten dar. Aus Art. 116 GG folge, dass die anerkannten Vertriebenen und Spätaussiedler in angemessener Weise an den Sozialsystemen in der Bundesrepublik Deutschland partizipieren müßten. Dazu gehöre auch, dass sie eine angemessene, ihrer gesamten Lebensarbeitsleistung entsprechende Altersversorgung erhalten müßten. Die pauschale 40 %-Kürzung verletze diese Grundsätze. Sie selbst erhalte so für 39 Arbeitsjahre lediglich eine Rente von ca. 1.000,- DM, was vollkommen unangemessen sei.
Das angefochtene Urteil stelle nicht in Frage, dass es sich bei den angegriffenen Regelungen um eine sog. unechte Rückwirkung handelt, und dass die Belange des Vertrauensschutzes der betroffenen Versicherten mit den öffentlichen Belangen des Staates gegeneinander abzuwägen seien. Die vom Sozialgericht durchgeführte Abwägung sei jedoch unzureichend. Erörtert worden seien letztlich nur die fiskalischen Interessen, nicht jedoch ihre Belange des Vertrauensschutzes. Dazu gehöre einmal, dass sie mit einem derartigen Einschnitt in ihre Rentenanwartschaften schlechthin nicht habe rechnen können. Ihr könne nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber schon seit einer Reihe von Jahren Verschlechterungen in den Rechtspositionen der Aussiedler vorgenommen habe. Denn alle diese Neuregelungen hätten stets den Grundsatz beachtet, dass sie nur für den Personenkreis der Aussiedler gelten sollten, der neu in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuziehen würde. Sie selbst habe in keiner Weise damit rechnen können, dass der Gesetzgeber 1996 mit diesem Grundsatz brechen und die Neuregelung der 40 %-Kürzung auf sie anwendbar sein würde. Zum anderen wäre zu berücksichtigen gewesen, dass diese Vorschläge erstmals im Frühjahr 1996 in die politische Debatte eingeführt und dann "Knall auf Fall" innerhalb weniger Monate vom Bundestag beschlossen worden seien. Für die rentennahen Jahrgänge hätte keine Möglichkeit bestanden, die durch die Fremdrentenkürzungen eingetretene Minderung der Rentenanwartschaften durch persönliche Vorsorge auszugleichen. Der Gesetzgeber hätte hier zumindest längere Übergangszeiten vorsehen müssen.
Die verfassungsrechtliche Problematik im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG stelle sich hier nicht so sehr wegen der eingeführten Stichtage, sondern wegen einer eklatanten Ungleichbehandlung der verschiedenen Personengruppen. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die FRG-Berechtigten erheblich schlechter gestellt würden als diejenigen, die rentenrechtliche Zeiten im Beitragsgebiet zurückgelegt haben. Diese Ungleichbehandlung sei deshalb ungerechtfertigt, weil die wesentlichen Elemente der Sachverhalte jeweils gleich seien: In beiden Fällen handele es sich um Deutsche im Sinne des Art. 116 GG bzw. deutsche Staatsbürger, und in beiden Fällen seien keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung entrichtet worden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.10.1998 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.1998 zu verurteilen, ihr die Altersrente ohne die 40 %ige Kürzung der Entgeltpunkte für die nach dem FRG anerkannten Zeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig und verweist auf eine Stellungnahme des VDR vom 30.10.1998.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Sie entsprechen den nicht verfassungswidrigen Bestimmungen des § 22 Abs. 4 FRG. Es besteht daher auch keine Veranlassung, nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Auf der Grundlage von § 22 Abs. 4 FRG in der hier anzuwendenden Fassung vom 25.09.1996 ist die Rente der Klägerin mit dem Bescheid vom 28.11.1987 zutreffend berechnet worden. Dies bestreitet die Klägerin auch nicht. Sie rügt vielmehr, die getroffene Regelung verstoße gegen Art. 3, 14, 20 und 116 GG. Insbesondere sei mit der Übergangsregelung des Art. 6 § 4 c des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) der Vertrauensschutz "rentennaher Jahrgänge", zu denen sie gehöre, nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Geschützt ist eine Rentenanwartschaft, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist. Diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient (BVerfGE 69, 272, 300). Die vom FRG Betroffenen haben gegen den Versicherungsträger in der Bundesrepublik jedoch erst durch das FRG einen vermögenswerten Rechtsanspruch erhalten. Dieses neue Recht kann keinen "größeren" Inhalt haben, als das Gesetz selbst bestimmt. Da das Gesetz das Recht erst gewährt, das von Art. 14 GG geschützt sein soll, kann es (das Gesetz selbst) den Art. 14 nicht verletzt haben. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, daß der vom FRG gewährte Rentenanspruch jedenfalls - auch wenn es richtig sein sollte, daß ein Rentenanspruch im allgemeinen dem Privateigentum so nahe steht, daß er eigentumsähnlich ist, insbesondere dieselbe rechtliche Bestandsfestigkeit besitzt wie das privatrechtliche Eigentum - nicht, auch nicht teilweise auf eigenen Leistungen des Rentenempfängers an den Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik beruht und deshalb als öffentlich-rechtliche Leistung sozialen Charakters nicht den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG genießt (BVerfGE 29, 22 ff.). Anders als in dem vom BSG am 09.09.1998 - B 13 RJ 5/98 R - entschiedenen Fall ist die Klägerin bereits 1984 in das Bundesgebiet übergesiedelt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie durch das FRG eine vermögenswerte Rechtsposition erlangt, die durch die 40%ige Kürzung eingeschränkt worden ist. Dieser Gesichtspunkt kann aber nur als ein möglicher Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutsam sein (s. u.). Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, unterfallen grundsätzlich nicht dem Schutz des Art. 14 GG. Die Fremdrente ist aber gerade ein Anspruch, der sich ausschließlich auf staatliche Fürsorge zurückführen läßt. Arbeitsleistung an sich reicht zur Begründung von nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten nicht aus, weil der Trägern der Rentenversicherung in Deutschland keine Beiträge zugeflossen sind. Schließlich können Eigenleistungen auch nicht als durch Art. 116 Abs. 1 GG gezahlt angesehen werden; denn Art. 116 Abs. 1 GG trifft lediglich eine Aussage darüber, wer den Status eines Deutschen genießt (vgl. auch BSG vom 09.09.1998, Umdruck S. 11). Die Klägerin kann gerade nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie ihre gesamte Biographie in der Bundesrepublik zurückgelegt.
Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben. Bezüglich der angegriffenen Norm stand dem Gesetzgeber große Gestaltungsfreiheit zu. Die Grenze bildet insofern allein das Willkürverbot. Das BSG hat (a.a.O., Umdruck, S. 8) hierzu (zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993) ausgeführt, daß der Gesetzgeber bemüht sein durfte, bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Eingliederungsprinzipes des FRG eine Besserstellung gegenüber bundesdeutschen Versicherten zu vermeiden. Auch in der Literatur ist auf die nicht gerechtfertigte und verfassungsrechtlich bedenkliche Besserstellung von Aussiedlern gegenüber den Übersiedlern hingewiesen worden (vgl. Schulin, Empfiehlt es sich, die Zuweisung von Risiken und Lasten im Sozialrecht neu zu ordnen?, Gutachten für den 59. Deutschen Juristentag, 1992, E 124 f.).
Angreifbar ist die beanstandete Norm insoweit, als sie einmal unecht zurückwirkt und dabei auch keine die Klägerin schonende Übergangsregelung enthält. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 51, 356, 362). § 22 Abs. 4 FRG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung i. V. mit Art. 6 § 4 c FANG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung wirkt insoweit unecht zurück, als Berechtigte, die vor dem Stichtag 07.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland genommen haben, und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, eine 40%ige Kürzung hinzunehmen haben. Die Regelung hat auch die Konsequenz, daß Berechtigte, die vor dem 01.01.1991 zugezogen sind und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, erstmals von einer Kürzung erfaßt werden, und zwar dergestalt, daß die auf Grund der fremdrechtlichen Regelungen ermittelten Entgeltpunkte nicht mehr - wie bis dahin zu 100%, sondern ebenfalls nur noch zu 60% anerkannt werden (vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 30.10.1998, S. 15, zum Rechtsgutachten Podlech/Azzola/Dieners).
Von diesen Auswirkungen ist gerade auch die Klägerin betroffen.
In diesem Punkt besteht auch der sie benachteiligende Unterschied im Vergleich zu dem vom BSG am 09.09.1998 entschiedenen Fall. Ihrem Argument, sie habe gegen die Kürzung keine ausreichende private Vorsorge mehr treffen können, kommt daher Bedeutung zu.
Dennoch halten die angegriffenen Regelung auch insoweit einer verfassungsmäßigen Überprüfung stand. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunktes muß sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren. Zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen läßt (BVerfGE 80, 297, 311; 87, 1, 43). Als Anknüpfungspunkt sachlich rechtfertigen läßt sich der Stichtag 07.05.1996 auf Grund der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes und die entsprechende Unterrichtung der Öffentlichkeit am nächsten Tage (08.05.1996). Der Einzelne kann sich auch nicht auf den Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens, den der Betroffene erleidet, und der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Regelung zum Wohle der Allgemeinheit beimißt, muß abgewogen werden (BVerfGE 72, 141, 154 f.). Den Gesetzesmaterialien (BT- Drucks. 13/4610, S. 18 f.) ist zu entnehmen, daß die Absenkung der Tabellenwerte um 40% bei allen zukünftigen Rentenzugängen unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzuges gerade zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem FRG dienen sollte. Das mit der Fremdrentengesetzgebung verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler , die infolge der Auswirkungen des zweiten Weltkrieges ihre soziale Sicherheit verloren hatten, in das Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik einzugliedern, sei weitestgehend erreicht. Die ein relativ hohes Rentenniveau sichernden Leistungen seien nur für eine Übergangszeit konzipiert worden. Diese sei über 50 Jahre nach dem Ende des Krieges und nach der Wiedervereinigung bestimmt überschritten. Außerdem wurde die getroffene Regelung als ein nicht unerheblicher Beitrag zur Ausgabenbegrenzung und damit zur Stärkung der Rentenversicherung angesehen. Die seit dem zweiten Halbjahr 1995 ungünstig verlaufende wirtschaftliche Entwicklung diente allgemein zur Begründung des eingebrachten Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes, welches ein Bündel an Maßnahmen vorsah. Von diesen konnte die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausgeschlossen werden. Diese Gründe wiegen nach Auffassung des Senats schwerer als der Vertrauensschutz, welcher der Klägerin zuzubilligen ist. Sie wird sich entgegenhalten lassen müssen, daß bei dem gebotenen Sparzwang gerade dort angesetzt werden konnte, wo nur schwer verständliche Vergünstigungen (vgl. Schulin a.a.O.) vorlagen. Die Aussiedler, die wie die Klägerin von der Regelung betroffen sind, haben im maßgeblichen Zeitraum überhaupt keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung abgeführt. Es war auch gerechtfertigt, die Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten zu stärken.
Schließlich war es aus Sicht des Senats auch nicht geboten, eine schonendere Übergangsregelung für die sog. rentennahen Jahrgänge, zu denen die Klägerin zählt, zu treffen. Bei der Ausgestaltung einer Übergangsregelung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung durch das BVerfG unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 76, 256 (362) unter Hinweis auf BVerfGE 21, 173 (183); 43, 242 (288 f.); 51, 356 (368 f.); 67, 1 (15 f.)). Da die getroffene Regelung hier jedoch schnell greifen sollte, um die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung für alle zu erhalten und der Arbeitsmarktlage und der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, konnte der Gesetzgeber die getroffene Übergangsregelung wegen des ihm eingeräumten großen Gestaltungsspielraums auch wie geschehen treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente; streitig ist dabei, ob die gem. § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung vorgenommene Absenkung der nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte um 40 % verfassungsmäßig ist.
Die am 00.00.1938 in Rumänien geborene Klägerin siedelte 1984 in die Bundesrepublik über. Sie ist im Besitz eines Vertriebenenausweises A.
Auf den Antrag der Klägerin vom 17.10.1997 bewilligte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 28.11.1997 ab 01.02.1998 Altersrente für Frauen bei Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 39 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in Höhe von monatlich 1.080,76 DM. Die Entgeltpunkte für die in Rumänien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom 07.08.1959 bis zum 09.10.1984 wurden dabei mit dem Faktor 0,6 multipliziert.
Dagegen legte die Klägerin am 24.12.1997 Widerspruch mit der Begründung ein, die Absenkung der nach dem Fremdrentenrecht zu berücksichtigenden Zeiten um 40 % sei u.a. wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des Vertrauensschutzes verfassungswidrig. Die Beklagte wies durch Bescheid vom 02.06.1998 den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, maßgeblich für die Rentenhöhe sei das zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltende Recht. Hinsichtlich der in Rumänien zurückgelegten Zeiten sei die Rente nach dem FRG festzustellen gewesen. Nach § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) seien die für diese Zeiten zu ermittelnden Entgeltpunkte um 40 % zu mindern gewesen. Die Regelung sei am 07.05.1986 in Kraft getreten und finde auf Renten mit Beginn ab 01.10.1996 Anwendung.
Mit der zum Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat ausgeführt, § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG und § 4 Abs. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) stelle eine unzulässige unechte Rückwirkung dar und sei deshalb verfassungswidrig. Ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips sei die Rechtssicherheit, die den Bürgern einen Vertrauensschutz garantiere. Das Verhalten der Organe der Bundesrepublik Deutschland habe in der Vergangenheit eine völlige Gleichstellung der Aussiedler mit bundesdeutschen Versicherten zum Inhalt gehabt. Dies habe bei den Betroffenen einen Vertrauensschutz dahingehend begründet, dass diese Gleichstellung auch zukünftig beibehalten werde. Die vorgenommene Kürzung der Fremdrentenansprüche um 40 % verletze diesen Vertrauensschutz erheblich. Dieser Eingriff sei nicht vorhersehbar gewesen. Ferner verletze die gesetzliche Regelung den Schutzbereich des Art. 14 des Grundgesetzes (GG), der jedenfalls auch Anwartschaften erfasse. Eine Halbierung der Ansprüche überschreite die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.10.1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe bei der Rentenberechnung das Recht richtig angewandt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin seien nicht zu teilen. Die von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten und nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten unterfielen zwar dem Schutz des Eigentums des Art. 14 Abs. 1 GG, sodass durch die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG der Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen sei. Bei der Neuregelung handele es sich jedoch um eine verfassungsmäßig zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG bzw. des § 4 Abs. 5 FANG verletze auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht und auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde insbesondere durch die Stichtagsregelung nicht verletzt. Die Neuregelung begegne schließlich auch keinen Bedenken im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG. Es handele sich um eine unechte Rückwirkung. Diese sei immer dann gegeben, wenn der Gesetzgeber an in der Vergangenheit liegende Tatbestände rückwirkend belastende Folgen anknüpfe. Die Notwendigkeit derartiger Regelungen ergebe sich aber in weiten Teilen, um geänderten gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Daher müsse es dem Gesetzgeber grundsätzlich möglich sein, Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anzuknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen auf veränderte Gegebenheiten mit einer Anpassung seines Normenwerkes zu reagieren. Nur so könnten bestimmte soziale Gegebenheiten in einem gewissen Sinn beeinflußt werden. Diese gesetzgeberische Notwendigkeit werde durch den Vertrauensschutz des Einzelnen begrenzt. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz gehe jedoch nicht so weit, den Begünstigten vor jeder "Entäuschung" seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage bewahren. Vielmehr müßten auf seiner Seite gewichtige zusätzliche Interessen angeführt werden können, die den öffentlichen Interessen vorgehen. Andernfalls würde der zum Ausgleich zu bringende Widerstreit zwischen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf der einen Seite mit der unabweisbaren Notwendigkeit, die Rechtsordnung verändern zu können auf der anderen Seite, in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst. Damit würde der dem Gesamtwohl verpflichtete demokratische Gesetzgeber in wichtigen Bereichen durch Einzelinteressen gelähmt, das Gesamtwohl würde schwerwiegend gefährdet. Da vorliegend aufgrund der angespannten finanziellen Situation der Rentenkassen ein Einschnitt in die Leistungen der Rentenversicherungsträger in vielfältiger Weise - und auch durch die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG sowie des § 4 Abs. 5 FANG - vorgenommen worden sei, habe hier der Vertrauensschutz der Klägerin hinter dem öffentlichen Interesse an einer Anpassung der Versicherungsleistungen zurückzutreten.
Gegen das am 20.10.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.10.1998 Berufung eingelegt. Sie regt an, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Zur Berufungsbegründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und bezieht sich insbesondere auf das Rechtsgutachten von Podlech/Azzola/Dieners, Die Rentenversicherung 1998, 177 ff und führt ergänzend aus: Das Sozialgericht habe hauptsächlich darauf abgestellt, dass sie für die streitigen Zeiten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung erbracht habe. Dies liege bei dem Personenkreis, um den es hier gehe (Vertriebene und Aussiedler) in der Natur der Sache. Die Betroffenen hätten bis zur Aussiedlung auch gar keine Möglichkeit gehabt, Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zu entrichten. Es sei auch nicht so, dass die FRG-Rentenanwartschaften ohne eigene Leistung der Betroffenen erworben worden seien. Das FRG knüpfe an Beschäftigungs- und Beitragszeiten im Herkunftsland der Aussiedler an. Damit stellten die FRG-Rentenanwartschaften den rentenrechlichen Ausgleich für einen großen Teil der Lebensarbeitsleistung der Fremdrentenberechtigten dar. Aus Art. 116 GG folge, dass die anerkannten Vertriebenen und Spätaussiedler in angemessener Weise an den Sozialsystemen in der Bundesrepublik Deutschland partizipieren müßten. Dazu gehöre auch, dass sie eine angemessene, ihrer gesamten Lebensarbeitsleistung entsprechende Altersversorgung erhalten müßten. Die pauschale 40 %-Kürzung verletze diese Grundsätze. Sie selbst erhalte so für 39 Arbeitsjahre lediglich eine Rente von ca. 1.000,- DM, was vollkommen unangemessen sei.
Das angefochtene Urteil stelle nicht in Frage, dass es sich bei den angegriffenen Regelungen um eine sog. unechte Rückwirkung handelt, und dass die Belange des Vertrauensschutzes der betroffenen Versicherten mit den öffentlichen Belangen des Staates gegeneinander abzuwägen seien. Die vom Sozialgericht durchgeführte Abwägung sei jedoch unzureichend. Erörtert worden seien letztlich nur die fiskalischen Interessen, nicht jedoch ihre Belange des Vertrauensschutzes. Dazu gehöre einmal, dass sie mit einem derartigen Einschnitt in ihre Rentenanwartschaften schlechthin nicht habe rechnen können. Ihr könne nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber schon seit einer Reihe von Jahren Verschlechterungen in den Rechtspositionen der Aussiedler vorgenommen habe. Denn alle diese Neuregelungen hätten stets den Grundsatz beachtet, dass sie nur für den Personenkreis der Aussiedler gelten sollten, der neu in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuziehen würde. Sie selbst habe in keiner Weise damit rechnen können, dass der Gesetzgeber 1996 mit diesem Grundsatz brechen und die Neuregelung der 40 %-Kürzung auf sie anwendbar sein würde. Zum anderen wäre zu berücksichtigen gewesen, dass diese Vorschläge erstmals im Frühjahr 1996 in die politische Debatte eingeführt und dann "Knall auf Fall" innerhalb weniger Monate vom Bundestag beschlossen worden seien. Für die rentennahen Jahrgänge hätte keine Möglichkeit bestanden, die durch die Fremdrentenkürzungen eingetretene Minderung der Rentenanwartschaften durch persönliche Vorsorge auszugleichen. Der Gesetzgeber hätte hier zumindest längere Übergangszeiten vorsehen müssen.
Die verfassungsrechtliche Problematik im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG stelle sich hier nicht so sehr wegen der eingeführten Stichtage, sondern wegen einer eklatanten Ungleichbehandlung der verschiedenen Personengruppen. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die FRG-Berechtigten erheblich schlechter gestellt würden als diejenigen, die rentenrechtliche Zeiten im Beitragsgebiet zurückgelegt haben. Diese Ungleichbehandlung sei deshalb ungerechtfertigt, weil die wesentlichen Elemente der Sachverhalte jeweils gleich seien: In beiden Fällen handele es sich um Deutsche im Sinne des Art. 116 GG bzw. deutsche Staatsbürger, und in beiden Fällen seien keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung entrichtet worden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.10.1998 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.1998 zu verurteilen, ihr die Altersrente ohne die 40 %ige Kürzung der Entgeltpunkte für die nach dem FRG anerkannten Zeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig und verweist auf eine Stellungnahme des VDR vom 30.10.1998.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Sie entsprechen den nicht verfassungswidrigen Bestimmungen des § 22 Abs. 4 FRG. Es besteht daher auch keine Veranlassung, nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Auf der Grundlage von § 22 Abs. 4 FRG in der hier anzuwendenden Fassung vom 25.09.1996 ist die Rente der Klägerin mit dem Bescheid vom 28.11.1987 zutreffend berechnet worden. Dies bestreitet die Klägerin auch nicht. Sie rügt vielmehr, die getroffene Regelung verstoße gegen Art. 3, 14, 20 und 116 GG. Insbesondere sei mit der Übergangsregelung des Art. 6 § 4 c des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) der Vertrauensschutz "rentennaher Jahrgänge", zu denen sie gehöre, nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Geschützt ist eine Rentenanwartschaft, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist. Diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient (BVerfGE 69, 272, 300). Die vom FRG Betroffenen haben gegen den Versicherungsträger in der Bundesrepublik jedoch erst durch das FRG einen vermögenswerten Rechtsanspruch erhalten. Dieses neue Recht kann keinen "größeren" Inhalt haben, als das Gesetz selbst bestimmt. Da das Gesetz das Recht erst gewährt, das von Art. 14 GG geschützt sein soll, kann es (das Gesetz selbst) den Art. 14 nicht verletzt haben. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, daß der vom FRG gewährte Rentenanspruch jedenfalls - auch wenn es richtig sein sollte, daß ein Rentenanspruch im allgemeinen dem Privateigentum so nahe steht, daß er eigentumsähnlich ist, insbesondere dieselbe rechtliche Bestandsfestigkeit besitzt wie das privatrechtliche Eigentum - nicht, auch nicht teilweise auf eigenen Leistungen des Rentenempfängers an den Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik beruht und deshalb als öffentlich-rechtliche Leistung sozialen Charakters nicht den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG genießt (BVerfGE 29, 22 ff.). Anders als in dem vom BSG am 09.09.1998 - B 13 RJ 5/98 R - entschiedenen Fall ist die Klägerin bereits 1984 in das Bundesgebiet übergesiedelt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie durch das FRG eine vermögenswerte Rechtsposition erlangt, die durch die 40%ige Kürzung eingeschränkt worden ist. Dieser Gesichtspunkt kann aber nur als ein möglicher Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutsam sein (s. u.). Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, unterfallen grundsätzlich nicht dem Schutz des Art. 14 GG. Die Fremdrente ist aber gerade ein Anspruch, der sich ausschließlich auf staatliche Fürsorge zurückführen läßt. Arbeitsleistung an sich reicht zur Begründung von nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten nicht aus, weil der Trägern der Rentenversicherung in Deutschland keine Beiträge zugeflossen sind. Schließlich können Eigenleistungen auch nicht als durch Art. 116 Abs. 1 GG gezahlt angesehen werden; denn Art. 116 Abs. 1 GG trifft lediglich eine Aussage darüber, wer den Status eines Deutschen genießt (vgl. auch BSG vom 09.09.1998, Umdruck S. 11). Die Klägerin kann gerade nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie ihre gesamte Biographie in der Bundesrepublik zurückgelegt.
Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben. Bezüglich der angegriffenen Norm stand dem Gesetzgeber große Gestaltungsfreiheit zu. Die Grenze bildet insofern allein das Willkürverbot. Das BSG hat (a.a.O., Umdruck, S. 8) hierzu (zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993) ausgeführt, daß der Gesetzgeber bemüht sein durfte, bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Eingliederungsprinzipes des FRG eine Besserstellung gegenüber bundesdeutschen Versicherten zu vermeiden. Auch in der Literatur ist auf die nicht gerechtfertigte und verfassungsrechtlich bedenkliche Besserstellung von Aussiedlern gegenüber den Übersiedlern hingewiesen worden (vgl. Schulin, Empfiehlt es sich, die Zuweisung von Risiken und Lasten im Sozialrecht neu zu ordnen?, Gutachten für den 59. Deutschen Juristentag, 1992, E 124 f.).
Angreifbar ist die beanstandete Norm insoweit, als sie einmal unecht zurückwirkt und dabei auch keine die Klägerin schonende Übergangsregelung enthält. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 51, 356, 362). § 22 Abs. 4 FRG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung i. V. mit Art. 6 § 4 c FANG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung wirkt insoweit unecht zurück, als Berechtigte, die vor dem Stichtag 07.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland genommen haben, und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, eine 40%ige Kürzung hinzunehmen haben. Die Regelung hat auch die Konsequenz, daß Berechtigte, die vor dem 01.01.1991 zugezogen sind und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, erstmals von einer Kürzung erfaßt werden, und zwar dergestalt, daß die auf Grund der fremdrechtlichen Regelungen ermittelten Entgeltpunkte nicht mehr - wie bis dahin zu 100%, sondern ebenfalls nur noch zu 60% anerkannt werden (vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 30.10.1998, S. 15, zum Rechtsgutachten Podlech/Azzola/Dieners).
Von diesen Auswirkungen ist gerade auch die Klägerin betroffen.
In diesem Punkt besteht auch der sie benachteiligende Unterschied im Vergleich zu dem vom BSG am 09.09.1998 entschiedenen Fall. Ihrem Argument, sie habe gegen die Kürzung keine ausreichende private Vorsorge mehr treffen können, kommt daher Bedeutung zu.
Dennoch halten die angegriffenen Regelung auch insoweit einer verfassungsmäßigen Überprüfung stand. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunktes muß sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren. Zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen läßt (BVerfGE 80, 297, 311; 87, 1, 43). Als Anknüpfungspunkt sachlich rechtfertigen läßt sich der Stichtag 07.05.1996 auf Grund der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes und die entsprechende Unterrichtung der Öffentlichkeit am nächsten Tage (08.05.1996). Der Einzelne kann sich auch nicht auf den Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens, den der Betroffene erleidet, und der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Regelung zum Wohle der Allgemeinheit beimißt, muß abgewogen werden (BVerfGE 72, 141, 154 f.). Den Gesetzesmaterialien (BT- Drucks. 13/4610, S. 18 f.) ist zu entnehmen, daß die Absenkung der Tabellenwerte um 40% bei allen zukünftigen Rentenzugängen unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzuges gerade zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem FRG dienen sollte. Das mit der Fremdrentengesetzgebung verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler , die infolge der Auswirkungen des zweiten Weltkrieges ihre soziale Sicherheit verloren hatten, in das Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik einzugliedern, sei weitestgehend erreicht. Die ein relativ hohes Rentenniveau sichernden Leistungen seien nur für eine Übergangszeit konzipiert worden. Diese sei über 50 Jahre nach dem Ende des Krieges und nach der Wiedervereinigung bestimmt überschritten. Außerdem wurde die getroffene Regelung als ein nicht unerheblicher Beitrag zur Ausgabenbegrenzung und damit zur Stärkung der Rentenversicherung angesehen. Die seit dem zweiten Halbjahr 1995 ungünstig verlaufende wirtschaftliche Entwicklung diente allgemein zur Begründung des eingebrachten Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes, welches ein Bündel an Maßnahmen vorsah. Von diesen konnte die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausgeschlossen werden. Diese Gründe wiegen nach Auffassung des Senats schwerer als der Vertrauensschutz, welcher der Klägerin zuzubilligen ist. Sie wird sich entgegenhalten lassen müssen, daß bei dem gebotenen Sparzwang gerade dort angesetzt werden konnte, wo nur schwer verständliche Vergünstigungen (vgl. Schulin a.a.O.) vorlagen. Die Aussiedler, die wie die Klägerin von der Regelung betroffen sind, haben im maßgeblichen Zeitraum überhaupt keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung abgeführt. Es war auch gerechtfertigt, die Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten zu stärken.
Schließlich war es aus Sicht des Senats auch nicht geboten, eine schonendere Übergangsregelung für die sog. rentennahen Jahrgänge, zu denen die Klägerin zählt, zu treffen. Bei der Ausgestaltung einer Übergangsregelung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung durch das BVerfG unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 76, 256 (362) unter Hinweis auf BVerfGE 21, 173 (183); 43, 242 (288 f.); 51, 356 (368 f.); 67, 1 (15 f.)). Da die getroffene Regelung hier jedoch schnell greifen sollte, um die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung für alle zu erhalten und der Arbeitsmarktlage und der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, konnte der Gesetzgeber die getroffene Übergangsregelung wegen des ihm eingeräumten großen Gestaltungsspielraums auch wie geschehen treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved