L 13 RJ 50/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 3 RJ 386/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 RJ 50/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17. Oktober 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtlche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme für eine Beratung anlässlich einer Vorbereitung auf eine stationäre Entwöhnungsbehandlung.

Der Kläger ist bei der Beklagten rentenversichert. Der Beigeladene betreibt in Gestalt eines Psychosozialen Dienstes eine Sucht- und Drogenberatungsstelle, welche von der öffentlichen Hand, insbesondere dem Land NRW, finanziell gefördert wird (vgl. u.a. Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Sucht- und Drogenberatungsstellen, Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 08.12.1992 - VA 0392.3.1). Er arbeitet regelmässig mit der Rheinischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (gemeinsame Leistungsbearbeitung der Rheinischen Krankenkassen und der Beklagten) zusammen.

Der Kläger suchte im Mai 1996 diesen Dienst auf. Er liess sich bezüglich einer Entwöhnungsbehandlung beraten und beantragte sodann über den Beigeladenen mit einem am 28.05.1996 eingegangenen Formantrag eine medizinische Leistung zur Rehabilitation in Gestalt einer Entwöhnungsbehandlung. Dem Antrag lag u.a. ein von dem Beigeladenen erstellter sogenannter Sozialbericht bei, der insbesondere Hinweise zur Behandlungsbereitschaft des Klägers sowie eine zusammenfassende Stellungnahme enthält.

Mit Bescheid vom 12.07.1996 bewilligte die Beklagte wegen einer Alkoholabhängigkeit eine stationäre Heilbehandlung für die Dauer von vier Monaten.

Der Beigeladene beantragte mit einem am 24.07.1996 eingegangenen Schreiben die Erstattung der Kosten, die ihm durch die "Vorbereitung eines Herrn S auf eine stationäre Maßnahme zur Rehabilitation" entstanden seien. Er führte aus, es seien u.a. folgende Leistungen erbracht worden: Klärung der Motivation, Erarbeiten von Möglichkeiten zur Unterstützung der Abstinenz, Beratung; der hierzu erforderliche Zeitaufwand habe fünf Stunden betragen. Nach der tatsächlichen Kostenstruktur des Dienstes ergebe sich eine Stundensatz in Höhe von 87 DM, so dass sich die Gesamtkosten auf 435 DM beliefen. Zugleich legte der Beigeladene eine schriftliche Vollmacht sowie eine Vereinbarung mit dem Kläger vor, mit welcher dessen Anspruch auf Kostenersatz abgetreten wurde.

Die Beklagte teilte dem Beigeladenen mit, sie sehe keine Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung. Dem widersprach der Kläger: Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch sei § 15 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Die Leistungen, die der Beigeladene erbracht habe, gehörten bereits zur medizinischen Rehabilitation im Sinne dieser Vorschrift.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und führte aus, es könne dahinstehen, ob der Kläger den geltend gemachten Anspruch überhaupt haben könne. Dieser sei jedenfalls an den Beigeladenen abgetreten.

Hiergegen richtete sich das Verfahren S 7 RJ 76/98, Sozialgericht (SG) Köln, in welchem der Beigeladene den Anspruch des Klägers ausdrücklich an diesen zurück abtrat. Die Beklagte erklärte sich bereit, den Antrag des Klägers auf Kostenerstattung durch Verwaltungsakt förmlich zu bescheiden.

In Ausführung dieser Selbstverpflichtung erteilte die Beklagte unter dem 10.07.2000 folgenden Bescheid: "Ihrem Antrag auf Übernahme der Kosten in Höhe von 435 DM, die anlässlich der Vorbereitung auf die stationäre Entwöhnungsbehandlung durch den SKM diesem entstanden sind, kann nicht entsprochen werden." Zur Begründung führte sie aus, ein Rechtsschutzinteresse des Klägers sei nicht zu erkennen, weil die genannten Kosten weder von ihm getragen worden seien, noch seitens des Beigeladenen von ihm gefordert werden könnten. Im Übrigen handele es sich bei der Vorbereitung auf eine Entwöhnungsbehandlung nicht um eine medizinische Leistung zur Rehabilitation im Sinne von § 15 SGB VI. Die Beratung durch den Beigeladenen sei vielmehr eine Tätigkeit, wie sie auch von anderen Beratungsstellen erbracht werde. Die Kosten hierfür seien von der öffentlichen Hand zu tragen.

Den vom Kläger am 25.07.2000 eingelegten Widerspruch, zur dessen Begründung er im wesentlichen ausführte, aus den Vorschriften des SGB VI folge gerade nicht, dass ein Anspruch auf Leistungen nur bestehe, sofern bei einem zuständigen Leistungsträger zuvor ein entsprechender Antrag gestellt worden sei, wies die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2000 zurück.

Der Kläger hat am 29.12.2000 Klage zum SG Köln erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Das SG hat mit Urteil vom 17.10.2001 die Klage abgewiesen:

Bei der Vorbereitung einer Rehabilitationsmaßnahme handele es sich gerade nicht um die Maßnahme oder einen Teil derselben. Eine Rehabilitationsleistung müsse beim zuständigen Träger beantragt werden, bevor sie in Anspruch genommen werde. Das SG hat die Rechtsmittelbelehrung erteilt, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.

Der Kläger hat gegen das ihm am 31.10.2001 zugestellte Urteil am 25.01.2002 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, auf die das SG mit Beschluss vom 20.03.2002 die Berufung zugelassen hat. Der Kläger hat insbesondere vorgetragen, der geltend gemachte Klageanspruch ergebe sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Die Vorbereitung auf die stationäre Rehabilitation sei notwendiger Bestandteil der Gesamtmaßnahme, denn er, der Kläger, habe ohne diese vorbereitende Beratung die stationäre Rehabilitation nicht durchführen können. Auf das Fehlen einer vorherigen Antragsstellung könne nicht abgestellt werden, weil die Betreuung durch den Beigeladenen unaufschiebbar gewesen sei. Als er, der Kläger, Kontakt zur Drogenberatungsstelle aufgenommen habe, sei er erst seit drei Wochen abstinent gewesen und habe sich als extrem rückfallgefährdet empfunden. Ein möglichst umgehender Beginn der Therapie sei deshalb erforderlich gewesen.

Der Kläger und der Beigeladene beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17. Oktober 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2000 zu verpflichten, die Kosten einer ambulanten Betreuung zur Vorbereitung auf eine stationäre Entwöhnungsbehandlung in Höhe von DM 435 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt dabei, dass der Kläger kein Rechtsschutzinteresse geltend machen können. Von ihm seien Kosten weder erbracht noch gefordert worden. Das Unterbleiben der vorherigen Antragstellung sei auch nicht auf eine besondere Eilbedürftigkeit, sondern darauf zurückzuführen, dass ein solcher Antrag im Falle der Beratung durch eine Beratungsstelle nie gestellt werde. Die Beratung und Betreuung durch Einrichtungen wie den Psychosozialen Dienst des Beigeladenen finde im Vorfeld der Rehabilitation statt und könne durchaus zu dem Ergebnis führen, dass solche nicht durchgeführt werde. Dies erweise, dass die beantragte Leistung gerade keine Maßnahme der Rehabilitation sein könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Vorprozessakte S 7 RJ 76/98, SG Köln, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist zwar zulässig. Es mangelt insbesondere nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Dieser ist durch die angegriffenen Bescheide bereits deshalb beschwert, weil mit ihnen sein Kostenübernahmeantrag abgelehnt wurde.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung durch den Beigeladenen in Höhe von 435 DM.

Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften des Rehabilitationsangleichungsgesetzes - RehaAnglG - (gültig bis zum 30. Juni 2001), weil er sich auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation bezieht, die vor dem Inkrafttreten des neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) am 01.07.2001 bereits in Anspruch genommen worden waren. Desweiteren sind maßgeblich für die Durchführung medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen zu Lasten der Beklagten die Vorschriften des SGB VI.

Hieraus ergibt sich kein Kostenerstattungsanspruch für die bezüglich der Beratungstätigkeit des Beigeladenen. Weder im SGB VI noch im RehaAnglG gibt es hierfür eine Rechtsgrundlage.

Grundsätzlich richten sich Ansprüche auf Leistungen zur Rehabilitation gegen die Rentenversicherungsträger nach den §§ 9 ff. SGB VI. Hierbei grenzt § 9 Abs. 2 SGB VI die Leistungszuständigkeit ein. Bezüglich der Voraussetzungen für einen Rehabilitationsanspruch verweist er auf die §§ 10 und 11 SGB VI. § 10 SGB VI normiert die persönlichen und § 11 SGB VI die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung einer Rehabilitationsleistung. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, folgt hieraus allerdings noch nicht ein Anspruch eine bestimmte Rehabilitationsleistung. Vielmehr ist das "Wie" der Rehabilitation, also Art und Durchführung der Leistungen, in das pflichtgemässe Ermessen des Rentenversicherungsträgers gestellt.

Nach § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemässem Ermessen. Ein unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch gegen einen Rentenversicherungsträger ist damit in der Regel nicht gegeben. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Rehabilitationsleistungen im Rentenversicherungsrecht. Danach kann ein Rehabilitationsbedarf, der bereits vor Eingang des Antrags/der Zustimmung beim Rentenversicherungsträger durch eigene Bemühungen des Versicherten oder durch Leistungen anderer befriedigt worden ist, nicht Gegenstand einer Ermessensentscheidung über Leistungen zur Rehabilitation sein. Der Rentenversicherungsträger ist kein bloßer Kostenträger, sondern das verantwortliche Rechtssubjekt, welches die Leistungen mit eigenen Mitteln oder durch Vertragseinrichtungen erbringt (vgl. insbesondere Urteil des BSG vom 16.11.1993, 4 RA 22/93 in SozR 3-576 § 10 Nr. 1).

Eine Kostenerstattung kann unter Berücksichtigung dieser Grundsätze allenfalls unter den Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 des fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) analog beansprucht werden. Weitere Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip sind erst mit Inkrafttreten des SGB IX über dessen § 15 normiert worden; diese Vorschrift findet jedoch auf den hier streitigen Sachverhalt noch keine Anwendung.

Die Voraussetzungen des möglicherweise entsprechend anwendbaren § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht gegeben. Danach kommt eine Kostenerstattung hinsichtlich einer selbst beschafften Leistung nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger 1. eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder er 2. eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Keine dieser alternativ zu erfüllenden Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor.

Die Beklagte hat jedenfalls keine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Sie hat vielmehr mit Bescheid vom 12.07.1996 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme bewilligt. Sie hatte auch vor der Beratung des Klägers durch den Psychosozialen Dienst des Beigeladenen eine Leistungspflicht nicht verneint, was bereits deshalb nicht möglich war, weil der Kläger sich nicht mit einem entsprechenden Ersuchen oder Antrag an sie gewandt hatte.

Der Kläger hat auch keine unaufschiebbare Leistung in Anspruch genommen.
Selbst wenn der Senat zu seinen Gunsten unterstellt, dass er zum Zeitpunkt
der Beratung durch den Beigeladenen extrem rückfallgefährdet war, so begründet dies nicht die Notwendigkeit, die Beratung des Beigeladenen in Anspruch zu nehmen, ohne sich zuvor mit der Beklagten ins Benehmen zu setzen.

Bereits unter Berücksichtigung des vom Kläger genannten Zeitraums seiner Abstinenz - drei Wochen - ist nicht erkennbar, warum es nicht möglich gewesen sein sollte, weiter zuzuwarten, um zuvor Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Der Kläger hat auch erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen, es habe sich bei der Betreuung durch den Beigeladenen um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Die Sachlage stellt sich tatsächlich vielmehr so dar, dass der Kläger den Beigeladenen vor Antragstellung aufsuchte, weil es sich hierbei um den "üblichen Lauf der Dinge" handelte und nicht deshalb, weil er aus zeitlichen Gründen keine andere Möglichkeit hatte. Erste Anlaufstelle für Drogenabhängige und Suchtgefährdete ist in der Regel der behandelnde Arzt oder eine Drogen- und Suchtberatungsstelle, nicht aber ein Rentenversicherungsträger. Für die Beratungstätigkeit zugunsten Drogenabhängiger und Suchtgefährdeter wird der Beigeladene auch durch die öffentliche Hand gefördert.

Soweit der Kläger vorträgt, ein möglichst umgehender Beginn der Therapie sei unbedingt erforderlich gewesen, ist dies nicht schlüssig. Die Beratung durch den Beigeladenen stellt gerade noch nicht den Beginn der Therapie dar. Wenn der Kläger aber in der Lage war, zunächst diese Beratung in Anspruch zu nehmen, so hätte er auch zuvor Kontakt zu der Beklagten aufnehmen können.

Der Kläger hat sich nach allem nicht eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig selbst beschafft, sondern vielmehr eine Leistung des Beigeladenen selbst ausgewählt und ohne Absprache mit der Beklagten in Anspruch genommen. Damit muss es bei dem Antragserfordernis als Leistungsvoraussetzung verbleiben; an einem solchen Antrag fehlt es vorliegend.

Schließlich scheitert ein Anspruch des Klägers auch bereits daran, dass die durch den Beigeladenen durchgeführte Beratung keine medizinische Leistung zur Rehabilitation im Sinne des SGB VI sowie des RehaAnglG darstellt. Nach § 15 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 30.06.2001 geltenden alten Fassung i.V.m. § 10 RehaAnglG umfassen die medizinischen Leistungen zur Rehabilitation insbesondere die Behandlung durch Ärzte sowie nur weitere konkret aufgeführte Leistungen (wie Arznei- und Verbandsmittel). Bei der Beratung durch den Beigeladenen handelte es sich auch nicht um eine ärztliche Behandlung im Sinne der gesetzlichen Vorschriften. Die Leistung wurde schließlich nicht durch eine von der Beklagten beauftragte Rehabilitionseinrichtung erbracht, wie von § 13 Abs. 1 SGB VI gefordert. Ein Anspruch des Klägers lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf den vor der Beklagten geforderten Sozialbericht rechfertigen.

Die Kostenentschiedung foglt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Es besteht keine Veranlassung, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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