L 16 Kr 98/94

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 Kr 170/93
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 Kr 98/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln vom 28. Februar 1994 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligen streiten, ob die Klägerin in nicht nur geringfügigem Umfang (§ 8 des Sozialgesetzbuches (SGB IV) eine selbständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt, die nicht als künstlerische oder publizistische Arbeit iS von § 2 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) aufzufassen ist.

Die Klägerin ist am 00.00.1956 geboren; ihr wird bescheinigt, daß sie an der Universität U ein Studium der Kunstgeschichte absolviert hat, das dem hiesigen Magisterstudiengang entspricht, und daß sie seit 1991 beim Verkehrsamt der Stadt L als freie Mitarbeiterin (Fremdenführerin) auf Honorarbasis tätig ist. Unter Beifügung von Unterlagen teilte die Klägerin der Beklagten KSK beginnend mit Schreiben vom 02.06.1992 mit: Sie arbeite seit dem 15.04.1992 freiberuflich als Übersetzerin im Bereich der Kunst sowie als Fremdenführerin für die Stadt L, das X- und das Museum M (nach Vordruck der Beklagten: "B 15 Kunst- und Museumspädagogin im Rahmen von Museums- und Stadtführungen, W 09 Übersetzungen und redaktionelle Bearbeitungen im Bereich Kunst"); ihr Jahreseinkommen aus künstlerischer und publizistischer Tätigkeit schätze sie für das Jahr 1992 auf 13.400,-DM: 10.000,- DM aus in der Woche 9-stündiger Tätigkeit als Fremdenführerin und 3.400,- DM aus je Woche 3 Stunden Arbeit im Bereich Übersetzung/redaktionelle Bearbeitung; neben ihrer selbständigen künstlerischen/publizistischen Arbeit betreibe sie in selbständiger Tätigkeit seit dem 30.06.1992 einen Veranstaltungsservice; daraus erwarte sie bei 40 Arbeitstagen pro Jahr ca. 5.000,- DM; für 1993 rechne sie mit Einkünften je zur Hälfte aus Führungen und Übersetzung in Höhe von 16.000,- DM; sie wolle nicht der AOK, sondern HEK angehören, bei der sie freiwillig versichert sei.

Die Beklagte setzte Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten fest und entschied: Ab dem 03.06.1992 bestehe Versicherungspflicht nach § 1 KSVG, aber Sicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach § 5 Nr. 5 KSVG, weil es sich bei der von der Klägerin mehr als nur geringfügig ausgeübten Arbeit als Fremdenführerin nicht um eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit handle (Bescheid vom 04.01.1993 in der Fassung des Bescheides vom 29.03.1993 und des den Widerspruch der Klägerin im übrigen in der Sache zurückweisenden, ihr nicht vor August 1993 zugestellten Widerspruchsbescheides vom 16.07.1993).

Die Klägerin hat am 31.08.1993 Klage erhoben. Sie hat Zeitungsberichte über vom L Frauengeschichtsverein durchgeführte Führungen zu den Akten gereicht und in erster Instanz durch ihre Bevollmächtigte vorgetragen: Ihre Fremdenführertätigkeit sei sehr wohl als künstlerisch zu betrachten; so "liege iS von § 18 Abs. 1 S 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) eine künstlerische Tätigkeit des Steuerpflichtigen -neben anderen Voraussetzungen- nur vor, wenn er eine eigenschöpferische Leistung vollbringe, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck komme und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreiche" (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 11.07.1991 in NJW 92, 1343); ebenso verhalte es sich bei ihren Führungen; sie stimme ihren Vortrag auf den jeweiligen Zuhörerkreis individuell ab und sie sei auch im Rahmen von kulturellen Rahmenprogrammen anläßlich von Geschäftseinladungen gefragt; sie und ihre 80 Kollegen in L unterlägen folgerichtig auch nicht der Gewerbesteuer, sondern würden steuerrechtlich wie andere Freiberufler behandelt; schließlich würden auch Kunstpädagogen, sowie Sprecher und Moderatoren steuerrechtlich den freiberuflichen Künstlern zugerechnet; bei ihrer Arbeit als Fremdenführerin mischten sich diese Bereiche.

Die Klägerin, vom SG zu ihrer Tätigkeit gehört, hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 04.01.1993 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 29.03.1993 zu verpflichten, ihre Krankenversicherungspflicht nach den Bestimmungen des KSVG seit dem 03.06.1992 festzustellen.

Die Beklagte hat vor dem SG beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt: Die Arbeit der Klägerin als Fremdenführerin sei keine publizistische Tätigkeit, weil die Wortgestaltung nicht das Schwergewicht der Tätigkeit ausmache (Hinweis auf LSG Berlin, Urt. v. 05.09.90 L 9 Kr 149/89); der Begriff des Publizisten erfasse auch nicht Lehr- u. Referententätigkeiten (Hinweis auf LSG NW, Urt. v. 29.05.91 L 11 Kr 6/91).

Das SG Köln hat die Klage mit Urteil vom 28. Februar 1994 abgewiesen. Auf die Gründe des Urteils wird Bezug genommmen.

Die Klägerin hat gegen das Urteil - ihrer Bevollmächtigten zugestellt am 08.04.1994 - am 09.05.94 Berufung eingelegt. Sie macht unter Vorlage weiterer Presseverlautbarungen geltend: Das SG habe mit Leugnung des Schöpferischen den Kern ihrer Tätigkeit nicht erfaßt; falsch sei die Annahme des SG, das Publikum erwarte von einem normalen Stadtführer die Darstellung der Stadt und nehme künstlerische Glanzlichter als Beigabe; das Gegenteil sei der Fall, das Publikum wünsche den individuellen Künstler als Fremdenführer; im Jahre 1994 habe sie aus Übersetzer- und Fremdenführertätigkeit einen Gewinn in Höhe von 36.000,- DM erzielt; davon entfalle ein Anteil von ca. 25 v.H. auf die Übersetzungen; sie schätze, daß die Dinge sich 1995 ähnlich verhielten; den Veranstaltungsservice habe sie ausschließlich im Jahre 1992 betrieben.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Antrag erster Instanz zu erkennen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie hält die Ausführungen des SG für überzeugend, insbesondere insoweit als es bei Stadtführungen gerade nicht erwünscht sei, daß über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgegangen werde.

Für die beigeladene Ersatzkasse ist zur mündlichen Verhandlung am 22.06.1995 niemand erschienen. Die Benachrichtigung vom Termin ist ihr ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 13.06.1995 zugestellt worden. Mit der Terminsnachricht ist darauf hingewiesen worden, daß auch im Falle der Abwesenheit der Beigeladenen verhandelt und entschieden werden könne.

Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen.

Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Obgleich für die Beigeladene niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beteiligte ist - unter Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 22.06.1995 geladen worden (vgl. § 153 Abs. 1 iVm § 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 126 SGG; BSG in SozR Nr. 5 zu § 110 SGG). Es bestand kein Anlaß, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Keiner der Beteiligten hat darum ersucht.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Sie ist seit Beginn einer Versicherung als Künstlerin und/oder Publizistin (§ 1 KSVG) in der GKV und nunmehr auch in der sozialen Pflegeversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei, weil sie- diese Feststellung der Beklagten hat das SG zu Recht bestätigt - mit ihrer Arbeit als Fremdenführerin eine nicht unter § 2 KSVG fallende selbständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt,die nicht geringfügig iS von § 8 SGB IV ist.

Selbständige Künstler und Publizisten werden bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen in der Rentenversicherung der Angestellten, in der GKV und neuerlich (aufgrund des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.05.1994 - BGBl 1014) in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben (§ 1 KSVG). Künstler iS des KSVG ist nach § 2 S 1 KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt; Publizist iS des KSVG ist nach § 2 S 2 KSVG, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist.

Wenn denn die Klägerin mit ihrer Tätigkeit als Übersetzerin eine publizistische Tätigkeit iS von § 2 KSVG ausübt, wie die Beklagte dies zugunsten der Klägerin annimmt, ist die Klägerin gleichwohl nicht in der GKV und nicht in der sozialen Pflegeversicherung versichert,sondern in diesen Zweigenversicherungsfrei, denn sie übt mit ihrer Arbeit als Fremdenführerin/Museumsführerin eine nicht unter § 2 fallende selbständige Tätigkeit erwerbsmäßig aus, die nicht geringfügig iS von § 8 des SGB IV ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Nr. 1 KSVG).

I.

Der Senat geht dabei - zugunsten der Klägerin - von dem Tätigkeitsbild aus, das sie vor dem SG gezeichnet hat. Die Klägerin hat dort erklärt: Die schlichte und simple Stadtführung, bei der den Zuhörern lediglich die geschichtliche Einordnung vermittelt werde, möglicherweise auch die Einordnung in bestimmte Kunstrichtungen sei nicht schöpferisch; über diese reine Wissensvermittlung gehe sie hinaus; sie versuche, ihre kritische Sicht der Dinge an die Leute zu bringen; dies geschehe durch die Einordnung in die entsprechende Zeit, die Transponierung in die gegenwärtige Zeit, schlicht ihre Sicht der Dinge; sie habe keinen vorgestanzten Text im Kopf, sondern fasse Auffassungen neu, stelle Zusammenhänge her, die nicht auf der Hand lägen und offenkundig seien, sondern erst durch ihre Phantasie geschaffen würden; gleiches gelte für die Museumsführungen; dort wähle sie Kunstwerke aus, zwischen denen sie einen nicht vorgegebenen, überwiegend ihrer Phantasie entspringenden Zusammenhang herstelle; Diskussionen mit den Teilnehmern könne es nur deshalb geben, weil es zu unterschiedlichen Interpretationsansätzen komme, etwa daß man mit ihrer Auffassung nicht einverstanden sei; was die Stadtführungen anbetreffe, so bekämen die Teilnehmer nicht weniger als das, was sie von einer üblichen Stadtführung erwarteten, nämlich etwa die Angabe, wann ein Gebäude entstanden sei, unter welchen Umständen, in welchem Kontext und in welchem Baustil; sie ziehe (vielmehr) Fäden, wie sie nach moderner Auffassung jeder Stadtführer ziehen sollte; das herkömmliche Bild des Stadtführers, der lediglich Daten vermittle oder Stil und Kunstrichtungen den Zuhörern um die Ohren schlage, sollte endgültig vorbei sein.

II.

1. Künstlerische Tätigkeit iS von § 2 KSVG umfaßt nach Satz 1 der Vorschrift - unter Ausschluß des Bereiches "Wort" - allein die Bereiche der Musik, der darstellenden und bildenden Kunst. Von jenen Bereichen nimmt die Klägerin allein den der Musik für ihre Arbeit als Fremdenführerin nicht in Anspruch. In der Tat ist diese Arbeit aber auch frei von der in § 2 S 1 KSVG angesprochenen Berührung mit darstellender und bildender Kunst.

Insbesondere liegt die weitere Einlassung der Klägerin vor dem SG neben der Sache, sie sei dabei auch geradezu schauspielerisch - soll wohl heißen im Bereich der darstellenden Kunst - tätig, indem sie durch Mimik, Gebärden u.ä. ihre Sicht der Dinge unterstreiche, denn mit Mimik, Gebärden und was auch immer ähnlichem seiner Meinung Ausdruck zu verleihen, ist allgemein menschlich und, wie gelungen im Falle der Klägerin auch ausgefallen, weder für sich besehen schon Zeichen der A u s ü b u n g darstellender Kunst noch im Zusammenhang der Tätigkeit betrachtet als solche zu werten. Es ist hier nämlich mit dem SG durchaus zu unterscheiden, ob jemand "schauspielert" oder als Darsteller im R a h m e n eines Schauspiels tätig wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) spricht in anderem Zusammenhang - in seiner Rechtsprechung zur Freiheitsverbürgung im Bereich der Kunst (Art. 5 Abs. 3 S. 1 des Grundgesetzes (GG)) - von dem Werkbereichder künstlerischen Betätigung und dem Wirkbereich, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu einem Kunstwerk verschafft wird (vgl. Beschl. v. 24.02.1971 1 BvR 435/68 = BVerfGE 30, 173, 189 "Mephisto, Roman einer Karriere"). Selbst wenn die Klägerin bei ihren Führungen nun nicht nur schauspielert, sondern sich in der Art eines Schauspielers künstlerisch betätigt, so verläßt sie damit den Wirkbereich, den Rahmen dieser darstellenden Kunst so weit, daß das nicht mehr als Ausübung darstellender Kunst iS von § 2 S. 1 KSVG aufgefaßt werden kann, so daß sich die Frage nicht stellt, ob insoweit einmal im Einzelfall der Inhalt gegenüber dem Rahmen durchschlagen könnte, und an dieser Betrachtung ändert sich auch dann nichts, wenn man unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Talente, die die Klägerin sich zuspricht, von einer darstellenden Kunstnicht als Schauspielerin, sondern als Moderatorin, Kleinkünstlerin, Varietéstar o.ä. ausgeht.

Eher schon mag angenommen werden, daß die Klägerin mit ihrer Tätigkeit als Fremdenführerin den Bereich der bildenden Kunst berührt, wenn sie Führungen in den genannten Kunstmuseen unternimmt oder auch die Architektur der Stadt ins rechte Licht zu rücken sucht. Damit, daß die Klägerin das Genre der bildenden Kunst betreffende Führungen durchführt, schafft sie aber keine bildende Kunst, übt sie bildende Kunst nicht aus und lehrt sie auch keine bildende Kunst (§ 2 S 1 KSVG). Allein letzteres konnte überhaupt ernsthaft in Erwägung gezogen werden, muß aber verworfen werden. Ihrer Ausbildung nach könnte die Klägerin bestenfalls Kunstgeschichtelehren. Insoweit unterscheidet sie sich - hier wesentlich - von dem von ihr angeführten Kunstpädagogen, der im Einzelfall auchKunstgeschichte vermitteln mag. Selbst wenn sich die Klägerin aber zugutehalten sollte, auch bildende Kunst zu lehren befähigt zu sein, so lehrt sie nicht bildende Kunst iS von § 2 S 1 KSVG, weil ihr - auch wenn der individuelle Vortrag gewünscht ist - als Adressatenkreis nicht Personen gegenüberstehen, die in bildender Kunst unterrichtet zu werden wünschen, sondern Personen, die "schlicht" Erläuterung zu Werken der Kunst suchen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Führungen der Klägerin von der Stadt L vermittelt werden (nur auf diese kam es hier, wie noch zu erörtern, an) oder ob sie im Bereich des L Frauengeschichtsvereins tätig wird. Der Stadt L und ihrer Klientel geht es um Präsentation bzw. Kenntnis im Besitz der Stadt befindlicher Kunstwerke, dem Frauengeschichtsverein nach dem Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Presseberichte und wie es der Name des Vereins nahelegt, um die Vermittlung von Geschichte, beiden also nicht um die Lehre bildender Kunst. Auch insoweit verläßt die Klägerin, soweit sie sich anheischig macht, andere Kunst zu lehren, den Rahmen der Lehre von bildender Kunst so weit, daß sich eine Eröterung erübrigt, ob im Einzelfall eine andere Betrachtung gerechtfertigt sein mag.

2. So hat sich die Klägerin bis zu ihrer Einlassung vom 15.02.1993 auch keineswegs als Künstlerin betrachtet, sondern ihre Arbeit als Fremdenführerin als einer Publizistentätigkeit ähnlich klassifiziert und dies damit begründet, daß sie ihre Ansicht einbringe und sprachlich kreativ sei. Publizist iS des KSVG ist, wie dargelegt, nach § 2 S. 2 KSVG, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. Wenngleich das Bundessozialgericht (BSG) aus dieser Formulierung mit Recht den Schluß zieht, der Begriff des Publizisten sei nicht eng zu verstehen (SozR 5425 § 2 Nr. 1), kann es wiederum zu der Annahme, daß die Klägerin als Fremdenführerin, "in anderer Weise" publizistisch tätig wäre, nicht genügen, daß sie, wie sie es von sich annimmt, kreativ im gedanklichen und/oder sprachlichen Bereich ist. Dies wird bei einer solchen Vielzahl von Erwerbstätigkeiten erwartet (und hier mehr und dort minder verwirklicht), daß solcher Art Kreativität nur da, wo sie nicht erwartet wird, den Schluß erlaubt, daß es sich dabei nicht um eine publizistische Tätigkeit "in anderer Weise" handelt. Es bestand daher kein Anlaß, der Frage der Kreativität der Klägerin weiter nachzugehen: In den zu den Akten gegebenen Presseveröffentlichungen ist wohl der Frauengeschichtsverein, nicht aber die Klägerin erwähnt; die Übersetzungen betreffen nur diesen Bereich der Arbeit der Klägerin und geben in erster Linie Hinweis auf das schöpferische Potential der Autoren der von der Klägerin übersetzten Aufsätze.

Wenn aber die Kreativität nicht schon den Publizisten ausmacht, so muß auch hier gelten: In anderer Weisepublizistisch wird nicht schon der tätig, dessen Werkbereich wortgeprägt ausgestaltet ist, wie der des im Gesetz aufgeführten Schriftstellers oder Journalisten; erforderlich ist vielmehr, daß auch der Wirkbereich hinreichende Entsprechungen mit den Rahmen aufweist, innerhalb derer Schriftsteller und Journalisten tätig werden, wiewohl darauf hinzuweisen ist, daß der Gesetzgeber Ähnlichkeiten hier jedenfalls nicht ausdrücklich verlangt hat. Insoweit ist die Abgrenzung, ob die Tätigkeit der Klägerin als Führerin "in anderer Weise" publizistisch ausgeübt wird, freilich schwieriger. Sicherlich wird man, gestützt wohl auf Ziebeil (KSVG 89, S. 35, 38), mit der Beklagten und dem o.a. von ihr vorgelegten Urteil des LSG Berlin vom 05.09.1990 darauf abstellen können, ob das "Schwergewicht" der Tätigkeit bei der Wortgestaltung oder der Führung als solcher liegt. Dieser Ansatz greift aber vielfach zu kurz. Die Frage nach dem Schwergewicht, die Geprägefrage beantwortet sich vorliegend jedenfalls eben nach dem Rahmen, innerhalb dessen die Tätigkeit ausgeübt wird:

Würde die Klägerin das X-Museum oder Teile des Museums mieten, um in diesen Räumen unter dem Eindruck eben derselben Bilder dieselben Worte zu sprechen, so würde man ihr schwerlich bestreiten können, daß sie "in anderer Weise" publizistisch tätig wäre, auch wenn sie nur das unternimmt, was sie vor dem SG geschildert hat und so neu nicht erscheint, sich einbringen und "einmischen". Der von ihr selbst gewählte und vom Museum und dem Publikum akzeptierte Rahmen wäre dann der der Selbstdarstellung. So verhält es sich aber - das hat die Klägerin vor dem Senat ausdrücklich eingeräumt - bei dem weitaus überwiegenden Teil ihrer selbständigen, erwerbsmäßig ausgeübten Arbeit als Fremdenführerin nicht. Dieser überwiegende Teil wird ihr von der Stadt L vermittelt, und die Klägerin und das Publikum akzeptieren diesen Rahmen: Das Interesse der Stadt L, die Stadt und die Museen angemessen gewürdigt zu sehen. Das SG trifft insoweit den Nagel auf den Kopf: Wenn die Klägerin den Führungen künstlerische Glanzlichter aufsetzen würde, würde das vom Publikum - und sicherlich auch von der Stadt - als Beigabe geschätzt, die Klägerin wird aber dadurch noch nicht zur Publizistin iS von § 2 S. 2 KSVG.

Die der Klägerin von der Stadt L vermittelten Aufträge sind ihre größte Einnahmequelle. Diese von der Stadt L vermittelte Tätigkeit der Klägerin hat - auch dies hat sie vor dem Senat ausdrücklich eingeräumt - stets den Umfang einer geringfügigen Beschäftigung iS von § 8 SGB IV überschritten. Ihre Ausübung allein hat schon dazu geführt, daß Versicherungsfreiheit in der GKV und in der sozialen Pflegeversicherung eingetreten ist, und es kam daher nicht mehr darauf an, ob die Arbeit der Klägerin für den L Frauengeschichtsverein oder aus anderem Anlaß insgesamt oder in Teilen als Publizistentätigkeit iS von § 2 S 2 KSVG zu werten ist.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen. Das Urteil des Senats weicht nicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Der Rechtssache kommt auch eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); insbesondere war hier die Frage, ob und inwieweit dem Begriff der Kunst im Verfassungsrecht, im Steuerrecht, im Urheberrecht und im Recht der KSV unterschiedliche Bedeutung zukommt, ohne Belang.
Rechtskraft
Aus
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