Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 R 34/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 79/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2005 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob ein bei der Beigeladenen gestellter Rehabilitationsantrag (Rehaantrag) als Rentenantrag gilt und dem Kläger deshalb ab einem früheren Zeitpunkt Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.
Der 1945 geborene und als Schriftsetzer und Drucker versicherungspflichtig tätige Kläger erlitt am 11.06.2003 einen Schlaganfall mit Hirnblutung. Nach Primärversorgung in der neurologischen Universitätsklinik M beantragte diese bei der Beigeladenen für den Kläger am 17.06.2003 eine neurologische Frührehabilitation. Die Beigeladene bewilligte für den nur im Rollstuhl teilmobilisierten und nicht AHB-fähigen Kläger am 18.06.2003 antragsgemäß die Kostenübernahme für die Frührehabilitation Phase C in der Klinik am O in Bad O1. Nach Antritt der Maßnahme am 23.06.2003 erfolgte am 30.06.2003 wegen einer zusätzlichen Beinvenenthrombose und doppelseitigen Lungenembolie die Verlegung des Klägers in das Zweckverbands-Krankenhaus Bad O1. Von dort aus befand sich der Kläger vom 23.07. bis zum 22.10. 2003 ebenfalls auf Kosten der Beigeladenen zur weiteren Frührehabilitation in den J-Ordenshäusern in Bad O1. Ziel der Frührehabilitation war es nach den Inhalten der jeweiligen Kostenzusagen der Beigeladenen, die Kurfähigkeit des Klägers für eine Maßnahme der Anschlussheilbehandlung herzustellen.
Der Kläger bezog nach Beginn der Erkrankung zunächst Entgeltfortzahlung und ab dem 23.07.2003 von der Beigeladenen Krankengeld (50,63 EUR tgl.). Die Pflegekasse der Beigeladenen stellte beim Kläger ferner die Pflegestufe II nach dem SGB XI fest. Mit Schreiben vom 08.12.2003 und 16.12.2003 forderte die Beigeladene den Kläger zur Stellung eines Rehaantrages bei der Beklagten bis zum 25.12.2003 bzw. 27.02.2004 auf, verbunden mit dem Hinweis, dass anderenfalls der Anspruch auf Krankengeld entfalle. Am 25.02.2004 beantragte der Kläger über die Beigeladene bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen ließ die Beklagte den Kläger durch Dr. I untersuchen, der in seinem Gutachten vom 03.05.2004 von Erwerbsunfähigkeit des Klägers auf Dauer ausging. Die Aussichten auf eine medizinische Rehabilitation seien bei nahezu kompletter linksseitiger Hemiparese extrem gering. Der Versicherte sei in seinem Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus medizinischen Gründen sicher nicht mehr vermittelbar. Daraufhin deutete die Beklagte den Rehaantrag vom 25.02.2004 in einen Rentenantrag um und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 03.08.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2004. Dabei ging sie von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ab dem 11.06.2003 aus.
Der Kläger erhob noch im August Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Rentenhöhe habe sich durch eine falsche Anwendung des § 116 Abs. 2 SGB VI minimiert. Die Rente stehe ihm bereits ab dem Eintritt der Erwerbsminderung im Juni 2003 zu. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 als unbegründet zurück. Die Rentenantragsfiktion komme nur zur Anwendung, wenn ein an den Rentenversicherungsträger gerichteter Antrag auf Reha-Leistungen vorliege. Ein bei anderen Trägern gestellter Antrag könne ohne Weiterleitung nicht in einen Rentenantrag umgedeutet werden.
Am 24.02.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen, auch der nicht bei einem Rentenversicherungsträger gestellte Reha-Antrag löse die Rentenantragsfiktion aus.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2005 zu verurteilen, an ihn unter Berücksichtigung der ersten Rehabilitationsmaßnahme (ab 23.06.2003) die Rentenleistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen beginnend ab dem 01.07.2003 zu gewähren.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat sich dem Vortrag des Klägers angeschlossen und mit Schriftsatz vom 29.03.2005 auf Anfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, dass die durchgeführte Frührehabilitation Phase C im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB V mit der Maßnahme einer stationären Rehabilitation nach § 15 SGB VI im Rentenversicherungsrecht vergleichbar sei. Der Antrag habe auch bei der Beklagten gestellt werden können und sei – wie regelmäßig – von dem behandelnden Klinikum gestellt worden. Dem Versicherten sei es in einer Situation schwerwiegender Erkrankung nicht aufzubürden, sich über die jeweils zuständige Stelle zu informieren.
Mit Urteil vom 08.04.2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Rentengewährung ab Juli 2003 verurteilt. Der Antrag auf Frührehabilitation gelte als Rentenantrag nach § 116 Abs. 2 SGB VI. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut sowie dem Normzweck der Vorschrift. Sinn der Antragsfiktion sei es, dass sich die Rehabilitationsbereitschaft des Versicherten rentenrechtlich nicht nachteilig auswirken solle. Der gegenteiligen Auffassung der Beklagten sei nicht zuzustimmen. Sie übersehe, dass die Zuständigkeitsverschiebung auf andere Rehaträger nicht zu Lasten des Versicherten gehen dürfe. Entscheidend sei die Vergleichbarkeit der beantragten Maßnahme mit einer solchen nach den §§ 15, 16 SGB VI, die vorliegend gegeben und bereits kraft Gesetzes subsidiär sei ( § 40 Abs. 4 SGB V). Ferner folge aus § 16 Abs. 2 SGB I eine Pflicht zur Weiterleitung von Anträgen durch an sich unzuständige Leistungsträger sowie die Fiktion der rechtzeitigen Antragstellung beim zuständigen Leistungsträger. Diese Auslegung vermeide zudem zufällige Ergebnisse und Rechtsunklarheiten gerade bei gravierend gesundheitlich beeinträchtigten Versicherten wie dem Kläger.
Am 29.04.2005 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren und trägt ergänzend vor, die Antragsfiktion setze eine Verfahrensbeteiligung des Rentenversicherungsträgers im engeren Sinne voraus. Er müsse zumindest teilweise mit der Sache selbst befasst gewesen oder nach Durchführung der Maßnahme erstattungspflichtig nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX sein. Das Sozialgericht verkenne, dass sich die Vorschrift des § 116 SGB VI in ihrer Wirkung nur auf den Rechtsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung erstrecken könne. Folglich könne der darin genannte Rehaantrag nur ein solcher sein, der ihr zu irgendeinem Zeitpunkt zum Zwecke der Bearbeitung vorgelegen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat schriftsätzlich –gestützt auf das angefochtene Urteil- beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und verweist auf den Grundsatz "Reha vor Rente", der in § 8 SGB IX trägerübergreifend aufgestellt sei. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 116 GB VI ergebe sich nicht aus dem Wortlaut. Nach § 2 Abs. 2 SGB I seien ferner bei der Auslegung von Gesetzen die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend zu verwirklichen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene erklärt, dass wegen der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht worden sei. Es habe sich um Maßnahmen der Rehabilitationsphase C gehandelt. Hierfür sei die Krankenkasse der Kostenträger gewesen. Ein Erstattungsanspruch sei auch nicht in Betracht gekommen. Ein Rentenanspruch des Klägers sei aus damaliger Sicht noch nicht abzusehen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akte der Beigeladenen Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Bevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und eine Entscheidung treffen, weil der Bevollmächtigte durch die ihm am 20.12.2005 zugestellte Terminsmitteilung rechtzeitig geladen worden ist und keine Hinderungsgründe mitgeteilt hat (§§ 124, 126, 127 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet, so dass das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Der Kläger hat für die Zeit ab dem 01.07.2003 keinen Anspruch auf Leistungen der Beklagten, denn der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2004 mit dem Rentenbeginn ab 01.02.2004 ist rechtmäßig. Der Leistungsbezug kann nicht mit Hilfe der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI vorverlegt werden.
Nach § 116 Abs. 2 SGB VI gilt der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und 1.ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder 2.Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben. Die Vorschrift korrespondiert – ebenso wie § 115 Abs. 4 SGB VI - mit § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI und § 8 Abs. 2 SGB IX, wonach der Rehabilitation Vorrang vor der Rente wegen Erwerbsminderung zu geben ist. Dabei stellt § 116 Abs. 2 SGB VI sicher, dass die vom Rentenversicherungsträger angenommene Rehabillitationsfähigkeit bzw. die Rehabereitschaft des Versicherten sich nicht nachteilig auf den Rentenbeginn auswirken kann, weil die Umdeutungsfähigkeit ggfls. einen früheren Rentenbeginn gewährleistet. Der bei der Beigeladenen gestellte Rehaantrag läßt sich jedoch nicht als Antrag auf Rehabilitation in diesem Sinne qualifizieren oder umdeuten.
Umdeutungsfähig sind nur solche Anträge, die sich gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung richten und auf Leistungen nach den Vorschriften der §§ 9 ff., 15, 16 und 31 Abs. 1 SGB VI zielen. ( so LSG Niedersachsen, Urteil vom 27.02.2002 –L 2 RJ 238/01-; Störmann in SGB Sozialversicherung RVO, Gesamtkommentar; § 116, Stand Aug. 2002, Anm. 13 f.; Lueg/ von Maydell/ Ruland GK-SGB VI, Band 4, April 2005, § 116 Anm. 27 ff; Hartmann in: Brackmann / Löcher; Handbuch der Sozialversicherung, 12. Auflage, Stand Nov. 2005, § 116 Rdn. 40-42). Demgegenüber fallen unter § 116 Abs. 2 SGB VI keine Anträge, die auf Leistungen anderer Rehaträger zielen und von diesen zu erbringen sind. Hieran hat sich durch das SGB IX gegenüber der vor dem 01.01.2001 geltenden Rechtslage nichts geändert. Der bis zum 30.01.2001 in § 116 Abs. 1 SGB VI enthaltene Grundsatz der Rehabilitation vor Rente ist lediglich in § 8 SGB IX übernommen worden.
Die Leistungen zur Teilhabe müssen beim Rentenversicherungsträger beantragt werden, wenn die Antragsfiktion ausgelöst werden soll. Zwar können Anträge nach § 16 SGB I auch beim unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, der dann verpflichtet ist, den Antrag unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten oder bei eigener Leistungserbringung vom Rentenversicherungsträger die Kostenerstattung verlangen kann. Auch in diesen Fällen ist die Antragsfiktion nach § 116 Abs. 2 SGB VI zu prüfen. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei den (beim zuständigen oder unzuständigen Leistungsträger) beantragten Leistungen materiell-rechtlich um Leistungen des Rentenversicherungsträgers nach den §§ 9 ff. SGB VI handeln muss (a.A. Niesel, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band I, § 116 SGB VI Rdn. 7). Die entgegenstehende – von Niesel und auch dem Sozialgericht vertretene - Auffassung kann sich nicht auf die hierzu zitierte Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 28.11.1978 (–4 RJ 61/77-, BSGE 47/ 176 ff) oder im Urteil vom 19.05.1983 (–1 RJ 72/82-, SozR 2200 § 1241 e RVO Nr.14) stützen. In beiden vom BSG entschiedenen Fällen, in denen (Zwischen-) Übergangsgeld aufgrund beantragter Leistungen zur Berufsförderung ab Antragstellung streitig war, hatte der Versicherte entweder unmittelbar oder über das Arbeitsamt die Leistungen beim (hierfür auch materiell-rechtlich zuständigen) Rentenversicherungsträger beantragt. In beiden Fällen hatte sich der Rentenversicherungsträger "als zuständiger Rehaträger" an das Arbeitsamt zur Erstellung eines Eingliederungsvorschlages gewandt. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte war zu keinem Zeitpunkt vor der Antragstellung im Februar 2004 mit dem Rehaantrag des Klägers befasst, auch nicht im Nachhinein im Wege einer Erstattungsforderung. Die Beigeladene ist auch nicht als subsidiär zuständiger Träger (§ 40 Abs. 4 SGB V) für die Beklagte tätig geworden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB IX waren die Beklagte (nach § 15 SGB VI) und die Beigeladene (nach § 40 SGB V) für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 5 Nr. 1 SGB IX zuständig. Hätte die Beigeladene ihre eigene Zuständigkeit trotz des bei ihr gestellten Antrages nicht begründen wollen, wäre sie nach § 14 SGB IX zur unverzüglichen Weiterleitung an die Beklagte verpflichtet gewesen. Dabei umfasst die Prüfung der eigenen Zuständigkeit der Krankenkasse nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V. Die Beigeladene hat auch nicht nachträglich die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte angenommen ( § 14 Abs. 4 SGB IX). Insoweit kann dahinstehen, ob die konkret durchgeführte Frührehabilitation noch einer Leistung der Krankenversicherungsträger zuzuordnen ist oder ob sie selbst dann, wenn sie -wie hier- erst der Herbeiführung der Rehafähigkeit des Versicherten dienen soll, auch in den Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers fällt.
Darüberhinaus ist nach § 7 SGB IX zu beachten, dass die Vorschriften des SGB IX unter dem Vorbehalt der für den jeweiligen Rehaträger geltenden Leistungsgesetze stehen, nach denen sich die Zuständigkeit und Voraussetzungen der Leistungen zur Teilhabe richten. Voraussetzung für Leistungen nach dem SGB VI ist es jedoch –was sich schon aus dem allgemeinen Antragserfordernis für Sozialleistungen nach § 19 Satz 1 SGB IV ergibt-, dass nach § 115 Abs. 1 SGB VI Leistungen nach dem SGB VI beantragt oder Teilhabeleistungen vom Rentenversicherungsträger mit Zustimmung des Versicherten von Amts wegen erbracht werden (§ 115 Abs. 4 SGB VI). Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Beklagte eine Teilhabeleistung erbracht noch hat der Kläger eine solche bei ihr beantragt. Der Kläger, dem es wie jedem Versicherten freistand, ob er überhaupt (Teilhabe-)Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen wollte, hat von seinem Wahlrecht, bei der Beigeladenen Leistungen nach § 40 SGB V oder bei der Beklagten Leistungen nach § 15 SGB VI zu beantragen, Gebrauch gemacht und die Beigeladene in Anspruch genommen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Antrag wegen der gesundheitlichen Akutsituation von der Klinik gestellt worden ist. Denn der Kläger hat auch nach Wegfall der Akutsituation trotz zweifacher Aufforderung der Beigeladenen, bei der Beklagten einen AHB-Antrag oder einen Rentenantrag zu stellen, zunächst keinen Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Der Antrag wurde erst am 25.04.2004 wegen des Hinweises der Beigeladenen auf den möglichen Wegfall des Krankengeldes (§ 51 Abs. 3 SGB V) gestellt. Macht aber der Versicherte von seinem Dispositionsrecht, sei es aus Gründen des Bezuges höherer Entgeltersatzleistungen, sei es aus anderen Gründen Gebrauch, besteht kein Bedürfnis, die Wirkungen seiner Entscheidung nachträglich und einseitig zu seinen Gunsten, etwa weil die Rente neben der sechswöchigen Lohnfortzahlung bezogen werden kann, durch eine erweiterte Antragsfiktion im Rahmen des § 116 Abs. 2 SGB VI zu beseitigen.
Dies würde auch der Systematik des gegliederten Systems der Kranken- und Rentenversicherung widersprechen, die jeweils im SGB V bzw. SGB VI einem geschlossenen Regelsystem unterstehen. Nicht zuletzt zeigt sich dies an der Vorschrift des § 51 SGB V. Danach kann die Krankenkasse zur Stellung eines Reha- oder Rentenantrages beim Rentenversicherungsträger auffordern oder bei einem bereits beim Rentenversicherungsträger gestellten Antrag das Dispositionsrecht des Versicherten zur Rücknahme beschränken. Nur insoweit kann Einfluss auf die Rentenantragsfiktion des § 116 SGB VI genommen werden, nicht aber durch einen bei ihr selbst oder anderen Leistungsträgern gestellten Rehaantrag. Die Vorschriften der §§ 50, 51 SGB V und § 116 Abs. 2 SGB VI stehen insoweit im Zusammenhang. Würde die Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI auf Teilhabeanträge ausgedehnt, die bei der Krankenkasse gestellt werden, für die sich die Krankenkasse zuständig erklärt und allein und endgültig ohne Kenntnis des Rentenversicherungsträgers Leistungen erbringt, ließe sich eine sachgerechte Abgrenzung der Leistungszuständigkeit zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung nicht mehr vornehmen. Denn ohne Kenntnis des Leistungsantrages kann der Rentenversicherungsträger weder Einfluss auf die Art der Rehabilitation, die Einrichtung oder überhaupt die Frage der Bewilligungsvoraussetzungen nehmen. Er kann auch keine Entscheidung darüber treffen, ob seine eigene Zuständigkeit ausgeschlossen ist, z.B. weil es sich um eine Akutbehandlung im Sinne einer Krankenhausbehandlung handelt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers bei einem Teilhabeantrag gegeben ist und der bei einem anderen Leistungsträger gestellte Antrag von diesem pflichtwidrig nicht an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet wird. Ein in solchen Fällen zu prüfender sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Beigeladene hat keine Pflichtverletzung begangen, denn sie hat die bei ihr beantragte Leistung bewilligt und wegen des Akutereignisses und der nicht von vornherein ausgeschlossenen Rehamöglichkeit zunächst keine Veranlassung gehabt, den Kläger auf die Möglichkeit eines Rentenantrages oder bei der Beklagten zu stellenden Teilhabeantrages hinzuweisen. Nach der Entlassung des Klägers aus der stationären Behandlung hat sie den Hinweis nach vorheriger Beratung des Klägers erteilt. Der Kläger hat in Ausübung seines Dispositionsrechtes gleichwohl keinen Antrag bzw. diesen erst später gestellt. Die Beklagte konnte keinen Beratungsfehler begehen, weil sie keine Kenntnis von dem Leistungsfall hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob ein bei der Beigeladenen gestellter Rehabilitationsantrag (Rehaantrag) als Rentenantrag gilt und dem Kläger deshalb ab einem früheren Zeitpunkt Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.
Der 1945 geborene und als Schriftsetzer und Drucker versicherungspflichtig tätige Kläger erlitt am 11.06.2003 einen Schlaganfall mit Hirnblutung. Nach Primärversorgung in der neurologischen Universitätsklinik M beantragte diese bei der Beigeladenen für den Kläger am 17.06.2003 eine neurologische Frührehabilitation. Die Beigeladene bewilligte für den nur im Rollstuhl teilmobilisierten und nicht AHB-fähigen Kläger am 18.06.2003 antragsgemäß die Kostenübernahme für die Frührehabilitation Phase C in der Klinik am O in Bad O1. Nach Antritt der Maßnahme am 23.06.2003 erfolgte am 30.06.2003 wegen einer zusätzlichen Beinvenenthrombose und doppelseitigen Lungenembolie die Verlegung des Klägers in das Zweckverbands-Krankenhaus Bad O1. Von dort aus befand sich der Kläger vom 23.07. bis zum 22.10. 2003 ebenfalls auf Kosten der Beigeladenen zur weiteren Frührehabilitation in den J-Ordenshäusern in Bad O1. Ziel der Frührehabilitation war es nach den Inhalten der jeweiligen Kostenzusagen der Beigeladenen, die Kurfähigkeit des Klägers für eine Maßnahme der Anschlussheilbehandlung herzustellen.
Der Kläger bezog nach Beginn der Erkrankung zunächst Entgeltfortzahlung und ab dem 23.07.2003 von der Beigeladenen Krankengeld (50,63 EUR tgl.). Die Pflegekasse der Beigeladenen stellte beim Kläger ferner die Pflegestufe II nach dem SGB XI fest. Mit Schreiben vom 08.12.2003 und 16.12.2003 forderte die Beigeladene den Kläger zur Stellung eines Rehaantrages bei der Beklagten bis zum 25.12.2003 bzw. 27.02.2004 auf, verbunden mit dem Hinweis, dass anderenfalls der Anspruch auf Krankengeld entfalle. Am 25.02.2004 beantragte der Kläger über die Beigeladene bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen ließ die Beklagte den Kläger durch Dr. I untersuchen, der in seinem Gutachten vom 03.05.2004 von Erwerbsunfähigkeit des Klägers auf Dauer ausging. Die Aussichten auf eine medizinische Rehabilitation seien bei nahezu kompletter linksseitiger Hemiparese extrem gering. Der Versicherte sei in seinem Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus medizinischen Gründen sicher nicht mehr vermittelbar. Daraufhin deutete die Beklagte den Rehaantrag vom 25.02.2004 in einen Rentenantrag um und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 03.08.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2004. Dabei ging sie von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ab dem 11.06.2003 aus.
Der Kläger erhob noch im August Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Rentenhöhe habe sich durch eine falsche Anwendung des § 116 Abs. 2 SGB VI minimiert. Die Rente stehe ihm bereits ab dem Eintritt der Erwerbsminderung im Juni 2003 zu. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 als unbegründet zurück. Die Rentenantragsfiktion komme nur zur Anwendung, wenn ein an den Rentenversicherungsträger gerichteter Antrag auf Reha-Leistungen vorliege. Ein bei anderen Trägern gestellter Antrag könne ohne Weiterleitung nicht in einen Rentenantrag umgedeutet werden.
Am 24.02.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen, auch der nicht bei einem Rentenversicherungsträger gestellte Reha-Antrag löse die Rentenantragsfiktion aus.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2005 zu verurteilen, an ihn unter Berücksichtigung der ersten Rehabilitationsmaßnahme (ab 23.06.2003) die Rentenleistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen beginnend ab dem 01.07.2003 zu gewähren.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat sich dem Vortrag des Klägers angeschlossen und mit Schriftsatz vom 29.03.2005 auf Anfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, dass die durchgeführte Frührehabilitation Phase C im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB V mit der Maßnahme einer stationären Rehabilitation nach § 15 SGB VI im Rentenversicherungsrecht vergleichbar sei. Der Antrag habe auch bei der Beklagten gestellt werden können und sei – wie regelmäßig – von dem behandelnden Klinikum gestellt worden. Dem Versicherten sei es in einer Situation schwerwiegender Erkrankung nicht aufzubürden, sich über die jeweils zuständige Stelle zu informieren.
Mit Urteil vom 08.04.2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Rentengewährung ab Juli 2003 verurteilt. Der Antrag auf Frührehabilitation gelte als Rentenantrag nach § 116 Abs. 2 SGB VI. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut sowie dem Normzweck der Vorschrift. Sinn der Antragsfiktion sei es, dass sich die Rehabilitationsbereitschaft des Versicherten rentenrechtlich nicht nachteilig auswirken solle. Der gegenteiligen Auffassung der Beklagten sei nicht zuzustimmen. Sie übersehe, dass die Zuständigkeitsverschiebung auf andere Rehaträger nicht zu Lasten des Versicherten gehen dürfe. Entscheidend sei die Vergleichbarkeit der beantragten Maßnahme mit einer solchen nach den §§ 15, 16 SGB VI, die vorliegend gegeben und bereits kraft Gesetzes subsidiär sei ( § 40 Abs. 4 SGB V). Ferner folge aus § 16 Abs. 2 SGB I eine Pflicht zur Weiterleitung von Anträgen durch an sich unzuständige Leistungsträger sowie die Fiktion der rechtzeitigen Antragstellung beim zuständigen Leistungsträger. Diese Auslegung vermeide zudem zufällige Ergebnisse und Rechtsunklarheiten gerade bei gravierend gesundheitlich beeinträchtigten Versicherten wie dem Kläger.
Am 29.04.2005 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren und trägt ergänzend vor, die Antragsfiktion setze eine Verfahrensbeteiligung des Rentenversicherungsträgers im engeren Sinne voraus. Er müsse zumindest teilweise mit der Sache selbst befasst gewesen oder nach Durchführung der Maßnahme erstattungspflichtig nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX sein. Das Sozialgericht verkenne, dass sich die Vorschrift des § 116 SGB VI in ihrer Wirkung nur auf den Rechtsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung erstrecken könne. Folglich könne der darin genannte Rehaantrag nur ein solcher sein, der ihr zu irgendeinem Zeitpunkt zum Zwecke der Bearbeitung vorgelegen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat schriftsätzlich –gestützt auf das angefochtene Urteil- beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und verweist auf den Grundsatz "Reha vor Rente", der in § 8 SGB IX trägerübergreifend aufgestellt sei. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 116 GB VI ergebe sich nicht aus dem Wortlaut. Nach § 2 Abs. 2 SGB I seien ferner bei der Auslegung von Gesetzen die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend zu verwirklichen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene erklärt, dass wegen der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht worden sei. Es habe sich um Maßnahmen der Rehabilitationsphase C gehandelt. Hierfür sei die Krankenkasse der Kostenträger gewesen. Ein Erstattungsanspruch sei auch nicht in Betracht gekommen. Ein Rentenanspruch des Klägers sei aus damaliger Sicht noch nicht abzusehen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akte der Beigeladenen Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Bevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und eine Entscheidung treffen, weil der Bevollmächtigte durch die ihm am 20.12.2005 zugestellte Terminsmitteilung rechtzeitig geladen worden ist und keine Hinderungsgründe mitgeteilt hat (§§ 124, 126, 127 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet, so dass das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Der Kläger hat für die Zeit ab dem 01.07.2003 keinen Anspruch auf Leistungen der Beklagten, denn der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2004 mit dem Rentenbeginn ab 01.02.2004 ist rechtmäßig. Der Leistungsbezug kann nicht mit Hilfe der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI vorverlegt werden.
Nach § 116 Abs. 2 SGB VI gilt der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und 1.ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder 2.Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben. Die Vorschrift korrespondiert – ebenso wie § 115 Abs. 4 SGB VI - mit § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI und § 8 Abs. 2 SGB IX, wonach der Rehabilitation Vorrang vor der Rente wegen Erwerbsminderung zu geben ist. Dabei stellt § 116 Abs. 2 SGB VI sicher, dass die vom Rentenversicherungsträger angenommene Rehabillitationsfähigkeit bzw. die Rehabereitschaft des Versicherten sich nicht nachteilig auf den Rentenbeginn auswirken kann, weil die Umdeutungsfähigkeit ggfls. einen früheren Rentenbeginn gewährleistet. Der bei der Beigeladenen gestellte Rehaantrag läßt sich jedoch nicht als Antrag auf Rehabilitation in diesem Sinne qualifizieren oder umdeuten.
Umdeutungsfähig sind nur solche Anträge, die sich gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung richten und auf Leistungen nach den Vorschriften der §§ 9 ff., 15, 16 und 31 Abs. 1 SGB VI zielen. ( so LSG Niedersachsen, Urteil vom 27.02.2002 –L 2 RJ 238/01-; Störmann in SGB Sozialversicherung RVO, Gesamtkommentar; § 116, Stand Aug. 2002, Anm. 13 f.; Lueg/ von Maydell/ Ruland GK-SGB VI, Band 4, April 2005, § 116 Anm. 27 ff; Hartmann in: Brackmann / Löcher; Handbuch der Sozialversicherung, 12. Auflage, Stand Nov. 2005, § 116 Rdn. 40-42). Demgegenüber fallen unter § 116 Abs. 2 SGB VI keine Anträge, die auf Leistungen anderer Rehaträger zielen und von diesen zu erbringen sind. Hieran hat sich durch das SGB IX gegenüber der vor dem 01.01.2001 geltenden Rechtslage nichts geändert. Der bis zum 30.01.2001 in § 116 Abs. 1 SGB VI enthaltene Grundsatz der Rehabilitation vor Rente ist lediglich in § 8 SGB IX übernommen worden.
Die Leistungen zur Teilhabe müssen beim Rentenversicherungsträger beantragt werden, wenn die Antragsfiktion ausgelöst werden soll. Zwar können Anträge nach § 16 SGB I auch beim unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, der dann verpflichtet ist, den Antrag unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten oder bei eigener Leistungserbringung vom Rentenversicherungsträger die Kostenerstattung verlangen kann. Auch in diesen Fällen ist die Antragsfiktion nach § 116 Abs. 2 SGB VI zu prüfen. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei den (beim zuständigen oder unzuständigen Leistungsträger) beantragten Leistungen materiell-rechtlich um Leistungen des Rentenversicherungsträgers nach den §§ 9 ff. SGB VI handeln muss (a.A. Niesel, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band I, § 116 SGB VI Rdn. 7). Die entgegenstehende – von Niesel und auch dem Sozialgericht vertretene - Auffassung kann sich nicht auf die hierzu zitierte Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 28.11.1978 (–4 RJ 61/77-, BSGE 47/ 176 ff) oder im Urteil vom 19.05.1983 (–1 RJ 72/82-, SozR 2200 § 1241 e RVO Nr.14) stützen. In beiden vom BSG entschiedenen Fällen, in denen (Zwischen-) Übergangsgeld aufgrund beantragter Leistungen zur Berufsförderung ab Antragstellung streitig war, hatte der Versicherte entweder unmittelbar oder über das Arbeitsamt die Leistungen beim (hierfür auch materiell-rechtlich zuständigen) Rentenversicherungsträger beantragt. In beiden Fällen hatte sich der Rentenversicherungsträger "als zuständiger Rehaträger" an das Arbeitsamt zur Erstellung eines Eingliederungsvorschlages gewandt. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte war zu keinem Zeitpunkt vor der Antragstellung im Februar 2004 mit dem Rehaantrag des Klägers befasst, auch nicht im Nachhinein im Wege einer Erstattungsforderung. Die Beigeladene ist auch nicht als subsidiär zuständiger Träger (§ 40 Abs. 4 SGB V) für die Beklagte tätig geworden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB IX waren die Beklagte (nach § 15 SGB VI) und die Beigeladene (nach § 40 SGB V) für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 5 Nr. 1 SGB IX zuständig. Hätte die Beigeladene ihre eigene Zuständigkeit trotz des bei ihr gestellten Antrages nicht begründen wollen, wäre sie nach § 14 SGB IX zur unverzüglichen Weiterleitung an die Beklagte verpflichtet gewesen. Dabei umfasst die Prüfung der eigenen Zuständigkeit der Krankenkasse nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V. Die Beigeladene hat auch nicht nachträglich die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte angenommen ( § 14 Abs. 4 SGB IX). Insoweit kann dahinstehen, ob die konkret durchgeführte Frührehabilitation noch einer Leistung der Krankenversicherungsträger zuzuordnen ist oder ob sie selbst dann, wenn sie -wie hier- erst der Herbeiführung der Rehafähigkeit des Versicherten dienen soll, auch in den Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers fällt.
Darüberhinaus ist nach § 7 SGB IX zu beachten, dass die Vorschriften des SGB IX unter dem Vorbehalt der für den jeweiligen Rehaträger geltenden Leistungsgesetze stehen, nach denen sich die Zuständigkeit und Voraussetzungen der Leistungen zur Teilhabe richten. Voraussetzung für Leistungen nach dem SGB VI ist es jedoch –was sich schon aus dem allgemeinen Antragserfordernis für Sozialleistungen nach § 19 Satz 1 SGB IV ergibt-, dass nach § 115 Abs. 1 SGB VI Leistungen nach dem SGB VI beantragt oder Teilhabeleistungen vom Rentenversicherungsträger mit Zustimmung des Versicherten von Amts wegen erbracht werden (§ 115 Abs. 4 SGB VI). Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Weder hat die Beklagte eine Teilhabeleistung erbracht noch hat der Kläger eine solche bei ihr beantragt. Der Kläger, dem es wie jedem Versicherten freistand, ob er überhaupt (Teilhabe-)Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen wollte, hat von seinem Wahlrecht, bei der Beigeladenen Leistungen nach § 40 SGB V oder bei der Beklagten Leistungen nach § 15 SGB VI zu beantragen, Gebrauch gemacht und die Beigeladene in Anspruch genommen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Antrag wegen der gesundheitlichen Akutsituation von der Klinik gestellt worden ist. Denn der Kläger hat auch nach Wegfall der Akutsituation trotz zweifacher Aufforderung der Beigeladenen, bei der Beklagten einen AHB-Antrag oder einen Rentenantrag zu stellen, zunächst keinen Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Der Antrag wurde erst am 25.04.2004 wegen des Hinweises der Beigeladenen auf den möglichen Wegfall des Krankengeldes (§ 51 Abs. 3 SGB V) gestellt. Macht aber der Versicherte von seinem Dispositionsrecht, sei es aus Gründen des Bezuges höherer Entgeltersatzleistungen, sei es aus anderen Gründen Gebrauch, besteht kein Bedürfnis, die Wirkungen seiner Entscheidung nachträglich und einseitig zu seinen Gunsten, etwa weil die Rente neben der sechswöchigen Lohnfortzahlung bezogen werden kann, durch eine erweiterte Antragsfiktion im Rahmen des § 116 Abs. 2 SGB VI zu beseitigen.
Dies würde auch der Systematik des gegliederten Systems der Kranken- und Rentenversicherung widersprechen, die jeweils im SGB V bzw. SGB VI einem geschlossenen Regelsystem unterstehen. Nicht zuletzt zeigt sich dies an der Vorschrift des § 51 SGB V. Danach kann die Krankenkasse zur Stellung eines Reha- oder Rentenantrages beim Rentenversicherungsträger auffordern oder bei einem bereits beim Rentenversicherungsträger gestellten Antrag das Dispositionsrecht des Versicherten zur Rücknahme beschränken. Nur insoweit kann Einfluss auf die Rentenantragsfiktion des § 116 SGB VI genommen werden, nicht aber durch einen bei ihr selbst oder anderen Leistungsträgern gestellten Rehaantrag. Die Vorschriften der §§ 50, 51 SGB V und § 116 Abs. 2 SGB VI stehen insoweit im Zusammenhang. Würde die Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI auf Teilhabeanträge ausgedehnt, die bei der Krankenkasse gestellt werden, für die sich die Krankenkasse zuständig erklärt und allein und endgültig ohne Kenntnis des Rentenversicherungsträgers Leistungen erbringt, ließe sich eine sachgerechte Abgrenzung der Leistungszuständigkeit zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung nicht mehr vornehmen. Denn ohne Kenntnis des Leistungsantrages kann der Rentenversicherungsträger weder Einfluss auf die Art der Rehabilitation, die Einrichtung oder überhaupt die Frage der Bewilligungsvoraussetzungen nehmen. Er kann auch keine Entscheidung darüber treffen, ob seine eigene Zuständigkeit ausgeschlossen ist, z.B. weil es sich um eine Akutbehandlung im Sinne einer Krankenhausbehandlung handelt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers bei einem Teilhabeantrag gegeben ist und der bei einem anderen Leistungsträger gestellte Antrag von diesem pflichtwidrig nicht an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet wird. Ein in solchen Fällen zu prüfender sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Beigeladene hat keine Pflichtverletzung begangen, denn sie hat die bei ihr beantragte Leistung bewilligt und wegen des Akutereignisses und der nicht von vornherein ausgeschlossenen Rehamöglichkeit zunächst keine Veranlassung gehabt, den Kläger auf die Möglichkeit eines Rentenantrages oder bei der Beklagten zu stellenden Teilhabeantrages hinzuweisen. Nach der Entlassung des Klägers aus der stationären Behandlung hat sie den Hinweis nach vorheriger Beratung des Klägers erteilt. Der Kläger hat in Ausübung seines Dispositionsrechtes gleichwohl keinen Antrag bzw. diesen erst später gestellt. Die Beklagte konnte keinen Beratungsfehler begehen, weil sie keine Kenntnis von dem Leistungsfall hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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