Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AL 74/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 21/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Zahlbetrags des Arbeitslosengeldes (Alg). Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung des täglichen Leistungssatzes von 62,32 Euro auf 61,30 Euro in der Zeit ab 01.01.2005.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger war zuletzt vom 01.06.2002 bis 31.05.2004 bei der Q Personalentwicklungs- und Arbeitsmarktagentur GmbH in E als Projektleiter mit einem monatlichen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.100 Euro beschäftigt. Im Zeitraum vom 01.06.2003 bis 31.05.2004 erzielte er ein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt i.H.v. 61.200 Euro brutto. Er meldete sich am 11.02.2004 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg.
Mit Bescheid vom 19.05.2004 bewilligte die Beklagte Alg ab 01.06.2004 i.H.v. 436,24 Euro wöchentlich bzw. 62,32 Euro täglich für eine Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen. Dabei legte sie ein gerundetes wöchentliches Bemessungsentgelt i.H.v. 1.175 Euro (ungerundet 1.176,92 Euro) zugrunde und berücksichtigte bei der Ermittlung des Leistungsentgelts nach der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2004 die Leistungsgruppe C und den allgemeinen Leistungssatz (60 v.H.). Seit dem 17.05.2004 bezog der Kläger Alg unter erleichterten Voraussetzungen nach § 428 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III).
Mit Änderungsbescheid vom 02.01.2005 bewilligte die Beklagte ab 01.01.2005 Alg in geringerer Höhe von 61,30 Euro täglich. Als Berechnungsfaktoren berücksichtigte sie ein Arbeitsentgelt i.H.v. 168,13 Euro täglich, von dem sie als pauschalierte Abzüge eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 35,31 Euro, einen Solidaritätszuschlag i.H.v. 1,59 Euro sowie einen Lohnsteuerabzug nach der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 (Lohnsteuerklasse III) i.H.v. 29,07 Euro absetzte. Sie berücksichtigte den allgemeinen Leistungssatz von 60 v.H. des Leistungsentgelts. Mit seinem hiergegen am 24.01.2005 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der tägliche Zahlbetrag sei um 1,02 Euro reduziert worden. Weiter sei eine Verminderung des Auszahlungsbetrages auf das 30-fache des täglichen Zahlbetrages je Monat vorgenommen worden. Hieraus ergebe sich eine jährliche Verminderung des Alg um 311,60 Euro.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005 als unbegründet zurück. Durch das Inkrafttreten des § 134 SGB III ab 01.01.2005 ohne Bestandsschutzregelung sei das Alg für Kalendertage zu berechnen und zu leisten. Soweit das Alg für einen vollen Kalendermonat zu zahlen sei, sei dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Bei einer Restanspruchsdauer von 746 Tagen ende ein Anspruch des Klägers auf Alg nicht bereits mit Ablauf des 16.01.2007, sondern nach der "30-Tage-Regelung" mit Ablauf des 26.01.2007.
Der Kläger hat mit seiner am 06.04.2005 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage geltend gemacht, der Änderungsbescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 sei aufzuheben, da er den Bestandsschutz des Bescheides vom 19.05.2004 nicht beachte.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.12.2005 abgewiesen und sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005 bezogen. § 134 SGB III ersetze § 139 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, wonach Alg für die Woche berechnet und für Kalendertage geleistet werde. Mangels Übergangsvorschrift sei diese Neuregelung ab 01.01.2005 auf den Kläger anzuwenden. Aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG) ergebe sich kein Anspruch auf die weitere Anwendung des alten Rechts. Für Eingriffe in bestehende Anwartschaften und Leistungsansprüche komme dem Gesetzgeber eine Gestaltungsfreiheit zu, solange für den Eingriff legitimierende Gründe vorlägen. Solche Gründe seien bei allen Regelungen gegeben, die dazu dienten, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung zu gewährleisten, zu verbessern oder sie veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Ein derartiger Grund sei hier gegeben, da die Neuregelung des § 134 SGB III im Wesentlichen der Verwaltungsvereinfachung und damit der Funktionsfähigkeit der Sozialverwaltung diene (Hinweis auf BT-Drucksache 15/1515 S. 86). § 428 SGB III enthalte keinen allgemeinen Bestandsschutz für alle zum Zeitpunkt der Entstehung des Alg-Anspruchs einschlägigen Regelungen.
Gegen das am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.02.2006 Berufung eingelegt. Er macht geltend, ihm sei kein rechtliches Gehör im Sinne des § 24 Sozialgesetzbuchs - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X gewährt worden. Eine Ausnahme nach § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X liege nicht vor. Zwar möge eine große Zahl von Verwaltungsakten erlassen werden. Hierbei seien jedoch individuelle Faktoren zu berücksichtigen. Der Änderungsbescheid vom 02.01.2006 belasse die Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen. Diese müsse um 10 Tage verlängert werden. Im übrigen sei nicht verständlich, wieso sich bei einer geringen Erhöhung des täglichen Bemessungsentgelts eine Reduzierung des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) ergebe.
Auf der Grundlage eines Zugangs des Bescheides vom 02.01.2005 bis zum 04.01.2005 hat sich die Beklagte in dem Verhandlungstermin des Senats vom 31.08.2006 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 04.01.2005 noch Leistungen unter Anwendung der bis zum 31.12.2004 geltenden Rechtsgrundlagen zu zahlen. Der Kläger hat dieses Angebot angenommen.
Im übrigen hat der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.12.2005 abzuändern und den Bescheid vom 02.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus, eine Anhörung des Klägers vor Erlass des Änderungsbescheides sei nicht erforderlich. Dies ergebe sich aus § 24 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB X. Der Erlass des Änderungsbescheides vom 2.1.2005 sei nicht mit individuellen Ermittlungen, sondern nur mit individuellen Berechnungen verbunden gewesen. Erforderlich seien keine Nachforschungen, sondern lediglich ein Blick auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid, der die notwendigen Angaben zur Ermittlung der Leistungshöhe beinhalte. Die Anspruchs-dauer bleibe unverändert. Nach neuerer Rechtslage seien der monatlichen Auszahlung 30 Tage zugrunde zu legen, weshalb die bewilligten 960 Tage im Vergleich zu der alten Rechtslage lediglich langsamer "verbraucht" würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Höhe des Zahlbetrags des Alg ab 05.01.2005, nachdem die Beklagte den Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 in der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2006 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 04.01.2005 aufgehoben hat. Die Beklagte hat mit diesem Teilanerkenntnis dem Umstand Rechnung getragen, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des bindenden Bewilligungsbescheides vom 19.05.2004 für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vorliegen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 12.12.2005 ist im Übrigen nicht begründet, da die Beklagte den täglichen Zahlbetrag für das Alg mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 zu Recht von 62,32 Euro täglich auf 61, 30 Euro täglich herabgesetzt hat. Diese Bescheide, deren Überprüfung der Kläger mit seiner zulässigen isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt, sind rechtmäßig.
Entgegen dem Berufungsvortrag des Klägers ist die (teilweise) Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 19.05.2004 durch den angefochtenen Bescheid vom 02.01.2005 nicht schon deshalb (formell) rechtswidrig, weil es an einer Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X fehlt. Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem nach § 24 Abs. 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen. Solche sind (nur) zu erlassen, wenn ein und derselbe Verwaltungsträger aufgrund einer ihn bindenden Rechtsvorschrift gegenüber einer Vielzahl von Normadressaten (möglichst) zur selben Zeit Regelungen (i.S. des § 31 Satz 1 SGB X) treffen muss, welche die Rechtsstellung der Betroffenen nach einem für alle identischen Maßstab verändern. Hierunter fallen - unter weiteren Voraussetzungen (größere Anzahl, Gleichzeitigkeit des Erlasses) - nur sogenannte schematische Entscheidungen, also Verwaltungsakte, die ausschließlich eine in einer Rechtsnorm vorgegebene Rechtsänderungsformel (Schema, Maßstab) für die davon Betroffenen konkretisieren (BSG, Urt. v. 26.09.1991 - 4 RK 4/91 - SozR 3-1300 § 24 Nr. 4). Der angefochtene Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 gehört zu einer solchen Gruppe von "gleichartigen Verwaltungsakten in größerer Zahl". Es sind keine individuellen Ermittlungen zur Leistungshöhe erforderlich, da lediglich das in dem bisherigen Bewilligungsbescheid ausgewiesene Bemessungsentgelt in einen täglichen Betrag umzurechnen war und die Abzüge nach den pauschalen Vorgaben des § 133 Abs. 1 SGB III ermittelt werden mussten.
Der Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 19.05.2004, mit dem die Beklagte Alg für die Zeit ab 01.06.2004 für eine Dauer von 960 Kalendertagen bewilligte, ist durch die grundlegende Änderung der Vorschriften über die Bemessung des Alg durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) ab 01.01.2005 eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Die bisherigen Regelungen des Bemessungsrechts in den §§ 129 bis 139 SGB III aF fasste der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2005 in den §§ 130 bis 134 SGB III mit dem Ziel einer durchgreifenden Vereinfachung und transparenten Gestaltung des Leistungsrechts (BT-Drucks 15/1515 S 71) zusammen. Bei der Berechnung des Alg für die Zeit ab 01.01.2005 hat die Beklagte die gesetzlichen Vorschriften zutreffend angewandt, wobei der Senat sämtliche für die Höhe des Alg bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte in die Prüfung einbezogen hat (BSG, Urt. v. 01.06.1994 - 7 RAr 40/93 - SozR 3-4100 § 59 Nr 5; BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - mwN). Die der Berechnung des Alg zugrunde liegenden Regelungen des SGB III sind nicht verfassungswidrig.
Mit dem Bescheid vom 02.01.2005 ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger in der Zeit ab 01.01.2005 Anspruch auf Alg in geringerer Höhe von 61,30 Euro täglich hat. Im Falle des Klägers, bei dem keine Kinder im Sinne des § 32 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind, beträgt das Alg 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Leistungsentgelt ist das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt (§ 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Abzüge sind eine pauschalierte Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 Prozent des Bemessungsentgelts (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III), die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) und der Solidaritätszuschlag (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III). § 134 SGB III bestimmt, dass das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet wird. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Diese Regelungen finden ohne Übergangsvorschriften Anwendung auch auf einen laufenden Anspruch auf Alg.
Lediglich für die Ermittlung des bei der Berechnung des täglichen Alg-Betrags zu berücksichtigenden Bemessungsentgelts sieht die Übergangsregelung des § 434j Abs. 5 SGB III vor, dass das Bemessungsentgelt ab 01.01.2005 nur insoweit neu festzusetzen ist, als dies auf Grund eines nach dem 31.12.2004 eingetretenen Sachverhalts erforderlich ist. Da hier eine neue Sachlage nicht eingetreten ist, verbleibt es bei dem bisher in dem Bescheid vom 19.05.2004 festgesetzten wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 1.175 Euro. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob § 434j Abs. 5 SGB III eine bindende Feststellungswirkung mit der Rechtsfolge anordnet, dass für das Alg ab 01.01.2005 - unab-hängig von dessen inhaltlicher Richtigkeit - das in diesem Bescheid aufgeführte wöchentliche Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist, solange dieser Bescheid bindend ist (vgl BSG, Urt. v. 19.03.1998 - B 7 AL 86/96 R - SozR 3 - 4100 § 112 Nr. 29). Jedenfalls ergibt sich unter Berücksichtigung des hier maßgebenden Bemessungszeitraums nach § 130 Abs. 1 SGB III aF und - entsprechend dem Inhalt der Arbeitsbescheinigung vom 19.04.2004 - einem erzielten Arbeitsentgelt i.H.v. 61.200 Euro in dem Bemessungszeitraum vom 01.06.2003 bis 31.05.2004 - ein auf die Woche entfallendes ungerundetes Bemessungsentgelt i.H.v. 1.176,92 Euro, das die Beklagte unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 132 Abs. 3 SGB III aF auf 1.175 Euro gerundet hat. Der Kläger ist nicht dadurch beschwert, dass die Beklagte bei der Ermittlung des täglichen Bemessungsentgelts - in wohl unzutreffender Nichtberücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 132 Abs. 3 SGB III aF (vgl § 434j Abs. 5 SGB III) - bei der Festlegung des ab 01.01.2005 zugrunde zu legenden täglichen Bemessungsentgelts von dem ungerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 1.176,92 und nicht von dem im Bescheid vom 19.05.2004 aufgeführten niedrigeren gerundeten Bemessungsentgelt in Höhe von 1.175 Euro ausgegangen ist.
Da die Rundungsvorschrift des § 132 Abs. 3 SGB III aF als Berechnungsschritt bei der Festlegung des Bemessungsentgelts anzusehen ist, der nicht nach § 434j Abs. 5 SGB III rückgängig gemacht werden soll, ist als wöchentliches Bemessungsentgelt der in dem Bescheid vom 19.05.2004 ausgewiesene Betrag i.H.v. 1.175 Euro zu berücksichtigen. Aus diesem wöchentlichen Bemessungsentgelt hat die Beklagte zutreffend das tägliche Bemessungsentgelt im Wege der Division durch 7 ermittelt. Die Notwendigkeit der Umrechnung folgt aus § 134 Satz 1 SGB III. Hiernach wird das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet. Diese in § 134 Satz 1 SGB III enthaltene Berechnungsvorschrift bezieht sich nicht nur auf die Ermittlung des Bemessungsentgelts (§ 131 Abs 1 SGB III), sondern auch auf die Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 133 Abs 1 SGB III) und des Leistungssatzes (§ 129 SGB III). Trotz der Übergangsregelung des § 434 j Abs. 5 SGB III findet sie daher Anwendung, da diese Vorschrift nur einer neuen Festsetzung des Bemessungsentgelts, nicht jedoch des Leistungsentgelts entgegensteht. Die Feststellung des täglichen Bemessungs- und Leistungsentgelts erfolgt nach den allgemeinen Berechnungsregeln des § 134 Satz 1 SGB III i.V.m. § 339 Satz 1 SGB III. In § 339 Satz 1 SGB III ist festgelegt, dass für die Berechnung von Leistungen eine Woche mit sieben Tagen zugrunde gelegt wird. Diese Vorschrift ist bei der Ermittlung des täglichen Bemessungs- und Leistungsentgelts ergänzend heranzuziehen, weil sich in den §§ 129ff SGB III und der Übergangsvorschrift des § 434j SGB III keine Regelung dazu findet, in welcher Weise bei laufendem Bezug von Alg und Umstellung auf die nunmehr vereinfachte Ermittlung des Leistungsentgelts ab 01.01.2005 eine Umrechnung des wöchentlichen Bemessungsentgelts in ein tägliches Bemessungs- und Leistungsentgelt erfolgen kann. § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III kann zur Frage der Umrechnung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in ein tägliches Bemessungsentgelt nichts entnommen werden, da diese Regelung die Bemessung nur bei ab 01.01.2005 neu entstehenden Ansprüchen auf Alg regelt.
Ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt i.H.v. 167,86 Euro (1.175 geteilt durch sieben) führen die auf den laufenden Alg-Anspruch des Klägers anzuwendenden Regelungen zur Ermittlung des Leistungsentgelts in § 133 Abs. 1 SGB III zu einer Verringerung des täglichen Anspruchs auf Alg. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind von dem Bemessungsentgelt eine Sozialversicherungspauschale i.H.v. 21 Prozent des Bemessungsentgelts (35,25 Euro täglich), die Lohnsteuer i.H.v. 28,96 Euro täglich sowie der Solidaritätszuschlag i.H.v. 1,59 Euro täglich abzuziehen. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 434j Abs. 5a SGB III berücksichtigt der Senat dabei als Lohnsteuer die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplans bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 EStG ergibt. Den Abzugsbetrag i.H.v. 28,96 Euro täglich hat der Senat dem interaktiven Abgabenrechner des Bundesministeriums der Finanzen auf der Grundlage des Programmablaufplans 2004 (www.bundesfinanzministerium.de) entnommen. Es ergibt sich ein tägliches Leistungsentgelt i.H.v. 102,06 Euro, das unterhalb des von der Beklagten ermittelten Betrags i.H.v. 102,16 Euro täglich liegt, da die Beklagte - hier zugunsten des Klägers - von dem ungerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 1.176,92 Euro ausgegangen ist.
Die ab 01.01.2005 geltenden Vorschriften zur Ermittlung des Bemessungs- und Leistungsentgelts begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Maßstab für die Zulässigkeit der Absenkung bindend festgestellter Leistungen bei Arbeitslosigkeit ist die Eigentumsgarantie des Art 14 GG. Dabei ergibt sich die Reichweite des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die dem Gesetzgeber nach Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG auferlegt ist (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1987 - 1 BvR 488/86, 1 BvR 1220/86 ua - SozR 4100 § 242b Nr 3). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterliegt Grenzen insofern, als der Eingriff in die Rechtsposition Betroffener durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des zum Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gehörenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt sein muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Eingriff zur Erreichung des angestrebten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und die Betroffenen dadurch nicht übermäßig und in für sie unzumutbarer Weise belastet werden (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1987 - 1 BvR 488/86, 1 BvR 1220/86 ua - SozR 4100 § 242b Nr 3 mwN).
Der Umfang eines Eingriffs in die Rechte des Klägers relativiert sich vor dem Hintergrund, dass § 129 SGB III mit seiner Bezugnahme auf das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt) lediglich eine Nettolohnersatzquote in dem Sinne festschreibt, dass nur dasjenige Arbeitsentgelt ersetzt wird, das der Arbeitslose während einer Erwerbstätigkeit im Leistungszeitraum hätte verdienen können (BSG, Urt. v. 09.05.1996 - 7 RAr 66/95 - SozR 3-4100 § 111 Nr 13). Der Anspruch des Klägers auf Alg ist nach dem Inhalt der gesetzlichen Regelungen also von vornherein mit der Einschränkung behaftet, dass sich die pauschalierten Abzüge vom Brutto-Arbeitsentgelt verändern können. Zu prüfen ist daher nur, ob diese nach sachgerechten Kriterien festgelegt worden und hiermit ggf im Zusammenhang stehende Kürzungen verhältnismäßig sind. Insofern bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Zusammenfassung der Sozialversicherungsabgaben zu einer Sozialversicherungspauschale (§ 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III) in Höhe von 21 Prozent dient dem gesetzgeberischen Ziel der Vereinfachung des Bemessungsrechts zur Reduzierung des hohen Personal-, Sach- und Zeitaufwandes der Bundesagentur für Arbeit bei der Bewilligung und Festlegung des Umfangs des Alg (BT-Drucks 15/1515 S 71). Sie verändert den Alg-Anspruch des Klägers nicht, der lediglich eine Nettolohnersatzquote in dem Sinne beinhaltet, dass nur das Arbeitsentgelt ersetzt wird, das der Arbeitslose bei einer Beschäftigung im Leistungszeitraum hätte verdienen können (vgl BSG, Urt. v. 08.02.1996 - 11 RAr 63/95 - SozR 3- 4100 § 111 Nr 12).
Die Ermittlung des für die Lohnsteuer in Abzug zu bringenden Betrages wird durch den Rückgriff auf den vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan erheblich vereinfacht, indem die jährliche Bestimmung der für die Bemessung des Alg maßgeblichen Leistungsentgelte durch die bisherigen SGB III - Leistungsentgeltverordnungen mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgehoben wird (§ 151 Nr. 2 SGB III aF) und die bis zum 31.12.2004 notwendige Neufestlegung der Zahlbeträge des Alg zu Beginn jedes Kalenderjahres (§ 137 Abs. 2 Satz 1 SGB IIIaF) ersatzlos entfällt. Die Empfänger von Alg werden nicht unverhältnis-mäßig belastet, da sie auch in der Vergangenheit bei der jeweils zum Jahreswechsel vorgenommenen Anpassung der Leistungssätze damit rechnen mussten, dass bei der regelmäßigen jährlichen Neuberechnung der Abzüge vom Bruttolohn, die bei Arbeit-nehmern gewöhnlich anfallen (Sozialversicherungsbeiträge, Steuern etc), nachteilige Veränderungen eintraten. Der Umfang des Lohnsteuerabzugs kann direkt der Lohn-steuertabelle entnommen werden. Sowohl die Bezugnahme auf eine Sozialversicherungs-pauschale in Höhe von 21 Prozent als auch die Ermittlung des Abzugs für die Lohnsteuer in Anlehnung an den Programmablaufplan des Bundesministeriums der Finanzen dient dem gesetzgeberischen Ziel der deutlichen und nachhaltigen Vereinfachung des Bemessungsrechts (BT-Drucks 15/1515 S 71). Im Falle des Klägers stimmt zudem die Heranziehung der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 (§ 434j Abs. 5a SGB III) mit der Grundregel des § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III überein, nach der sich die Feststellung der Lohnsteuer für die gesamte Dauer des Anspruchs nach der Lohnsteuerklasse richtet, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war.
Im Übrigen hat das BVerfG die Ermittlung des Leistungsentgelts unter Berücksichtigung pauschaler Abzüge sowie die Anknüpfung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuer system als typisierende Regelungen bei der Ordnung von Massenerscheinungen verfassungsrechtlich nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 15.12.1993 - 1 BvR 1754/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 2, S 7). Die Orientierung des Abzugs für die Lohnsteuer unmittelbar an dem vom Bundesfinanzministerium der Finanzen erstellten Programmablaufplan entspricht der Lohnersatzfunktion des Alg, wonach die Bemessung des Alg grundsätzlich an den Nettolohn anknüpft, den der Arbeitslose zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielt hat (vgl BSG, Urt. v. 29.8.2002 - B 11 AL 87/01 R - SozR 3-4300 § 137 Nr 3, S 15). Auch ist der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums nicht verpflichtet, individuelle lohnsteuerrechtliche Begünstigungen im Rahmen der Alg-Bemessung wirksam werden zu lassen (BSG, Urt. v. 27.6.1996 - 11 RAr 77/95 - SozR 3-4100 § 111 Nr 14, S 55 zur Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge des Steuerrechts bei der Bestimmung des für die Höhe des Alg maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts). Entsprechend der bis-herigen Rechtslage werden auch nach dem ab 01.01.2005 geltenden Bemessungsrecht Freibeträge und Pauschalen, die nicht bereits in den Programmablaufplan eingearbeitet sind, nicht berücksichtigt (vgl § 133 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Die Neuregelungen des Bemessungsrechts, die ohne Übergangsvorschriften auf laufende Ansprüche auf Alg anzuwenden sind, verstoßen nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Die veränderte Festlegung der pauschalierten Abzüge im Sinne des § 133 Abs. 1 SGB III und der geänderte Auszahlungsmodus des Alg nach § 134 SGB III wirken auf noch nicht abgeschlossene Ansprüche auf Alg für die Zukunft ein und können die betroffene Rechtsposition nachträglich verschlechtern. Eine solche unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergeben sich Grenzen der Zulässigkeit, die überschritten sind, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen des Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl z.B. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00 ua mwN). Wie bereits ausgeführt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bemessung des Alg die Festlegung der pauschalierten Abzüge verändert hat.
Auch im Hinblick auf die geänderte Zahlung des Alg für nur noch 30 Tage im Monat liegen ausreichende Rechtfertigungsgründe vor, zumal die Anspruchsdauer als solche nicht verändert wird. Ist Alg für einen vollen Kalendermonat zu zahlen (§ 134 Satz 2 SGB III), wird der Anspruch nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nur für 30 Tage erfüllt. Die Veränderung der Zahlweise wirkt sich daher nicht aus, wenn der Leistungsanspruch ausgeschöpft wird. Im übrigen bedeutet die Umstellung der Zahlungsweise auf 30 Tage eine Gleichstellung mit der Regelung zur Anspruchsdauer. Die Leistungsempfänger können im Hinblick auf monatlich gleich bleibende Belastungen mit einem Alg in monatlich gleicher Höhe rechnen. Der in § 134 Satz 2 SGB III festgeschriebene Ansatz eines Monats mit 30 Tagen bewirkt einen monatlich in gleicher Höhe anfallenden Zahlbetrag unabhängig davon, ob der konkrete Monat, für den ein Anspruch auf Alg besteht, 28 oder 29 Tage (Februar), 30 Tage (April, Juni, September, November) oder 31 Tage (Januar, März, Mai, Juli, August, Oktober, Dezember) umfasst. Diese Neuregelung dient der Verwaltungsvereinfachung, weil zB monatliche Neuberechnungen von Zahlbeträgen aus dem Alg an den Leistungsempfänger und an Dritte (z.B Gläubiger) aufgrund von Monat zu Monat unterschiedlicher Zahlbeträge überflüssig werden (vgl BT-Drucks 15/1515 S 86). Da § 134 SGB III nunmehr den Berechnungs- und Zahlungsvorschriften für das Krankengeld (§ 47 Abs 1 Sätze 6 und 7 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) sowie das Übergangsgeld, Versorgungskrankengeld und Verletztengeld (§ 45 Abs 8 SGB V) entspricht, werden der innerhalb eines Kalendermonats stattfindende Wechsel zu einer anderen Sozialleistung erleichtert und die Ermittlung von Erstattungsbeträgen bei einer Zahlung für volle Kalendermonate vereinfacht. Es liegen damit auch hinsichtlich der Regelung des § 134 SGB III ausreichende Gründe des Gesetzgebers für den Eingriff in die Rechtsposition des Klägers vor (insgesamt auch LSG NRW, Urteile vom 28.03.2006 - L 1 AL 68/05 - und 06.04.2006 - L 19 AL 161/05 -, anhängig beim BSG B 11a AL 37/06 R und B 7a AL 38/06 R-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Zahlbetrags des Arbeitslosengeldes (Alg). Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung des täglichen Leistungssatzes von 62,32 Euro auf 61,30 Euro in der Zeit ab 01.01.2005.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger war zuletzt vom 01.06.2002 bis 31.05.2004 bei der Q Personalentwicklungs- und Arbeitsmarktagentur GmbH in E als Projektleiter mit einem monatlichen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.100 Euro beschäftigt. Im Zeitraum vom 01.06.2003 bis 31.05.2004 erzielte er ein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt i.H.v. 61.200 Euro brutto. Er meldete sich am 11.02.2004 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg.
Mit Bescheid vom 19.05.2004 bewilligte die Beklagte Alg ab 01.06.2004 i.H.v. 436,24 Euro wöchentlich bzw. 62,32 Euro täglich für eine Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen. Dabei legte sie ein gerundetes wöchentliches Bemessungsentgelt i.H.v. 1.175 Euro (ungerundet 1.176,92 Euro) zugrunde und berücksichtigte bei der Ermittlung des Leistungsentgelts nach der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2004 die Leistungsgruppe C und den allgemeinen Leistungssatz (60 v.H.). Seit dem 17.05.2004 bezog der Kläger Alg unter erleichterten Voraussetzungen nach § 428 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III).
Mit Änderungsbescheid vom 02.01.2005 bewilligte die Beklagte ab 01.01.2005 Alg in geringerer Höhe von 61,30 Euro täglich. Als Berechnungsfaktoren berücksichtigte sie ein Arbeitsentgelt i.H.v. 168,13 Euro täglich, von dem sie als pauschalierte Abzüge eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 35,31 Euro, einen Solidaritätszuschlag i.H.v. 1,59 Euro sowie einen Lohnsteuerabzug nach der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 (Lohnsteuerklasse III) i.H.v. 29,07 Euro absetzte. Sie berücksichtigte den allgemeinen Leistungssatz von 60 v.H. des Leistungsentgelts. Mit seinem hiergegen am 24.01.2005 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der tägliche Zahlbetrag sei um 1,02 Euro reduziert worden. Weiter sei eine Verminderung des Auszahlungsbetrages auf das 30-fache des täglichen Zahlbetrages je Monat vorgenommen worden. Hieraus ergebe sich eine jährliche Verminderung des Alg um 311,60 Euro.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005 als unbegründet zurück. Durch das Inkrafttreten des § 134 SGB III ab 01.01.2005 ohne Bestandsschutzregelung sei das Alg für Kalendertage zu berechnen und zu leisten. Soweit das Alg für einen vollen Kalendermonat zu zahlen sei, sei dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Bei einer Restanspruchsdauer von 746 Tagen ende ein Anspruch des Klägers auf Alg nicht bereits mit Ablauf des 16.01.2007, sondern nach der "30-Tage-Regelung" mit Ablauf des 26.01.2007.
Der Kläger hat mit seiner am 06.04.2005 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage geltend gemacht, der Änderungsbescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 sei aufzuheben, da er den Bestandsschutz des Bescheides vom 19.05.2004 nicht beachte.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.12.2005 abgewiesen und sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005 bezogen. § 134 SGB III ersetze § 139 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, wonach Alg für die Woche berechnet und für Kalendertage geleistet werde. Mangels Übergangsvorschrift sei diese Neuregelung ab 01.01.2005 auf den Kläger anzuwenden. Aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG) ergebe sich kein Anspruch auf die weitere Anwendung des alten Rechts. Für Eingriffe in bestehende Anwartschaften und Leistungsansprüche komme dem Gesetzgeber eine Gestaltungsfreiheit zu, solange für den Eingriff legitimierende Gründe vorlägen. Solche Gründe seien bei allen Regelungen gegeben, die dazu dienten, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung zu gewährleisten, zu verbessern oder sie veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Ein derartiger Grund sei hier gegeben, da die Neuregelung des § 134 SGB III im Wesentlichen der Verwaltungsvereinfachung und damit der Funktionsfähigkeit der Sozialverwaltung diene (Hinweis auf BT-Drucksache 15/1515 S. 86). § 428 SGB III enthalte keinen allgemeinen Bestandsschutz für alle zum Zeitpunkt der Entstehung des Alg-Anspruchs einschlägigen Regelungen.
Gegen das am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.02.2006 Berufung eingelegt. Er macht geltend, ihm sei kein rechtliches Gehör im Sinne des § 24 Sozialgesetzbuchs - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X gewährt worden. Eine Ausnahme nach § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X liege nicht vor. Zwar möge eine große Zahl von Verwaltungsakten erlassen werden. Hierbei seien jedoch individuelle Faktoren zu berücksichtigen. Der Änderungsbescheid vom 02.01.2006 belasse die Anspruchsdauer von 960 Kalendertagen. Diese müsse um 10 Tage verlängert werden. Im übrigen sei nicht verständlich, wieso sich bei einer geringen Erhöhung des täglichen Bemessungsentgelts eine Reduzierung des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) ergebe.
Auf der Grundlage eines Zugangs des Bescheides vom 02.01.2005 bis zum 04.01.2005 hat sich die Beklagte in dem Verhandlungstermin des Senats vom 31.08.2006 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 04.01.2005 noch Leistungen unter Anwendung der bis zum 31.12.2004 geltenden Rechtsgrundlagen zu zahlen. Der Kläger hat dieses Angebot angenommen.
Im übrigen hat der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.12.2005 abzuändern und den Bescheid vom 02.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus, eine Anhörung des Klägers vor Erlass des Änderungsbescheides sei nicht erforderlich. Dies ergebe sich aus § 24 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB X. Der Erlass des Änderungsbescheides vom 2.1.2005 sei nicht mit individuellen Ermittlungen, sondern nur mit individuellen Berechnungen verbunden gewesen. Erforderlich seien keine Nachforschungen, sondern lediglich ein Blick auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid, der die notwendigen Angaben zur Ermittlung der Leistungshöhe beinhalte. Die Anspruchs-dauer bleibe unverändert. Nach neuerer Rechtslage seien der monatlichen Auszahlung 30 Tage zugrunde zu legen, weshalb die bewilligten 960 Tage im Vergleich zu der alten Rechtslage lediglich langsamer "verbraucht" würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Höhe des Zahlbetrags des Alg ab 05.01.2005, nachdem die Beklagte den Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 in der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2006 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 04.01.2005 aufgehoben hat. Die Beklagte hat mit diesem Teilanerkenntnis dem Umstand Rechnung getragen, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des bindenden Bewilligungsbescheides vom 19.05.2004 für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vorliegen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 12.12.2005 ist im Übrigen nicht begründet, da die Beklagte den täglichen Zahlbetrag für das Alg mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 zu Recht von 62,32 Euro täglich auf 61, 30 Euro täglich herabgesetzt hat. Diese Bescheide, deren Überprüfung der Kläger mit seiner zulässigen isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt, sind rechtmäßig.
Entgegen dem Berufungsvortrag des Klägers ist die (teilweise) Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 19.05.2004 durch den angefochtenen Bescheid vom 02.01.2005 nicht schon deshalb (formell) rechtswidrig, weil es an einer Anhörung des Klägers nach § 24 SGB X fehlt. Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem nach § 24 Abs. 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen. Solche sind (nur) zu erlassen, wenn ein und derselbe Verwaltungsträger aufgrund einer ihn bindenden Rechtsvorschrift gegenüber einer Vielzahl von Normadressaten (möglichst) zur selben Zeit Regelungen (i.S. des § 31 Satz 1 SGB X) treffen muss, welche die Rechtsstellung der Betroffenen nach einem für alle identischen Maßstab verändern. Hierunter fallen - unter weiteren Voraussetzungen (größere Anzahl, Gleichzeitigkeit des Erlasses) - nur sogenannte schematische Entscheidungen, also Verwaltungsakte, die ausschließlich eine in einer Rechtsnorm vorgegebene Rechtsänderungsformel (Schema, Maßstab) für die davon Betroffenen konkretisieren (BSG, Urt. v. 26.09.1991 - 4 RK 4/91 - SozR 3-1300 § 24 Nr. 4). Der angefochtene Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 gehört zu einer solchen Gruppe von "gleichartigen Verwaltungsakten in größerer Zahl". Es sind keine individuellen Ermittlungen zur Leistungshöhe erforderlich, da lediglich das in dem bisherigen Bewilligungsbescheid ausgewiesene Bemessungsentgelt in einen täglichen Betrag umzurechnen war und die Abzüge nach den pauschalen Vorgaben des § 133 Abs. 1 SGB III ermittelt werden mussten.
Der Bescheid vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 19.05.2004, mit dem die Beklagte Alg für die Zeit ab 01.06.2004 für eine Dauer von 960 Kalendertagen bewilligte, ist durch die grundlegende Änderung der Vorschriften über die Bemessung des Alg durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) ab 01.01.2005 eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Die bisherigen Regelungen des Bemessungsrechts in den §§ 129 bis 139 SGB III aF fasste der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2005 in den §§ 130 bis 134 SGB III mit dem Ziel einer durchgreifenden Vereinfachung und transparenten Gestaltung des Leistungsrechts (BT-Drucks 15/1515 S 71) zusammen. Bei der Berechnung des Alg für die Zeit ab 01.01.2005 hat die Beklagte die gesetzlichen Vorschriften zutreffend angewandt, wobei der Senat sämtliche für die Höhe des Alg bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte in die Prüfung einbezogen hat (BSG, Urt. v. 01.06.1994 - 7 RAr 40/93 - SozR 3-4100 § 59 Nr 5; BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - mwN). Die der Berechnung des Alg zugrunde liegenden Regelungen des SGB III sind nicht verfassungswidrig.
Mit dem Bescheid vom 02.01.2005 ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger in der Zeit ab 01.01.2005 Anspruch auf Alg in geringerer Höhe von 61,30 Euro täglich hat. Im Falle des Klägers, bei dem keine Kinder im Sinne des § 32 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind, beträgt das Alg 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Leistungsentgelt ist das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt (§ 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Abzüge sind eine pauschalierte Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 Prozent des Bemessungsentgelts (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III), die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) und der Solidaritätszuschlag (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III). § 134 SGB III bestimmt, dass das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet wird. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Diese Regelungen finden ohne Übergangsvorschriften Anwendung auch auf einen laufenden Anspruch auf Alg.
Lediglich für die Ermittlung des bei der Berechnung des täglichen Alg-Betrags zu berücksichtigenden Bemessungsentgelts sieht die Übergangsregelung des § 434j Abs. 5 SGB III vor, dass das Bemessungsentgelt ab 01.01.2005 nur insoweit neu festzusetzen ist, als dies auf Grund eines nach dem 31.12.2004 eingetretenen Sachverhalts erforderlich ist. Da hier eine neue Sachlage nicht eingetreten ist, verbleibt es bei dem bisher in dem Bescheid vom 19.05.2004 festgesetzten wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 1.175 Euro. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob § 434j Abs. 5 SGB III eine bindende Feststellungswirkung mit der Rechtsfolge anordnet, dass für das Alg ab 01.01.2005 - unab-hängig von dessen inhaltlicher Richtigkeit - das in diesem Bescheid aufgeführte wöchentliche Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist, solange dieser Bescheid bindend ist (vgl BSG, Urt. v. 19.03.1998 - B 7 AL 86/96 R - SozR 3 - 4100 § 112 Nr. 29). Jedenfalls ergibt sich unter Berücksichtigung des hier maßgebenden Bemessungszeitraums nach § 130 Abs. 1 SGB III aF und - entsprechend dem Inhalt der Arbeitsbescheinigung vom 19.04.2004 - einem erzielten Arbeitsentgelt i.H.v. 61.200 Euro in dem Bemessungszeitraum vom 01.06.2003 bis 31.05.2004 - ein auf die Woche entfallendes ungerundetes Bemessungsentgelt i.H.v. 1.176,92 Euro, das die Beklagte unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 132 Abs. 3 SGB III aF auf 1.175 Euro gerundet hat. Der Kläger ist nicht dadurch beschwert, dass die Beklagte bei der Ermittlung des täglichen Bemessungsentgelts - in wohl unzutreffender Nichtberücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 132 Abs. 3 SGB III aF (vgl § 434j Abs. 5 SGB III) - bei der Festlegung des ab 01.01.2005 zugrunde zu legenden täglichen Bemessungsentgelts von dem ungerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 1.176,92 und nicht von dem im Bescheid vom 19.05.2004 aufgeführten niedrigeren gerundeten Bemessungsentgelt in Höhe von 1.175 Euro ausgegangen ist.
Da die Rundungsvorschrift des § 132 Abs. 3 SGB III aF als Berechnungsschritt bei der Festlegung des Bemessungsentgelts anzusehen ist, der nicht nach § 434j Abs. 5 SGB III rückgängig gemacht werden soll, ist als wöchentliches Bemessungsentgelt der in dem Bescheid vom 19.05.2004 ausgewiesene Betrag i.H.v. 1.175 Euro zu berücksichtigen. Aus diesem wöchentlichen Bemessungsentgelt hat die Beklagte zutreffend das tägliche Bemessungsentgelt im Wege der Division durch 7 ermittelt. Die Notwendigkeit der Umrechnung folgt aus § 134 Satz 1 SGB III. Hiernach wird das Alg für Kalendertage berechnet und geleistet. Diese in § 134 Satz 1 SGB III enthaltene Berechnungsvorschrift bezieht sich nicht nur auf die Ermittlung des Bemessungsentgelts (§ 131 Abs 1 SGB III), sondern auch auf die Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 133 Abs 1 SGB III) und des Leistungssatzes (§ 129 SGB III). Trotz der Übergangsregelung des § 434 j Abs. 5 SGB III findet sie daher Anwendung, da diese Vorschrift nur einer neuen Festsetzung des Bemessungsentgelts, nicht jedoch des Leistungsentgelts entgegensteht. Die Feststellung des täglichen Bemessungs- und Leistungsentgelts erfolgt nach den allgemeinen Berechnungsregeln des § 134 Satz 1 SGB III i.V.m. § 339 Satz 1 SGB III. In § 339 Satz 1 SGB III ist festgelegt, dass für die Berechnung von Leistungen eine Woche mit sieben Tagen zugrunde gelegt wird. Diese Vorschrift ist bei der Ermittlung des täglichen Bemessungs- und Leistungsentgelts ergänzend heranzuziehen, weil sich in den §§ 129ff SGB III und der Übergangsvorschrift des § 434j SGB III keine Regelung dazu findet, in welcher Weise bei laufendem Bezug von Alg und Umstellung auf die nunmehr vereinfachte Ermittlung des Leistungsentgelts ab 01.01.2005 eine Umrechnung des wöchentlichen Bemessungsentgelts in ein tägliches Bemessungs- und Leistungsentgelt erfolgen kann. § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III kann zur Frage der Umrechnung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in ein tägliches Bemessungsentgelt nichts entnommen werden, da diese Regelung die Bemessung nur bei ab 01.01.2005 neu entstehenden Ansprüchen auf Alg regelt.
Ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt i.H.v. 167,86 Euro (1.175 geteilt durch sieben) führen die auf den laufenden Alg-Anspruch des Klägers anzuwendenden Regelungen zur Ermittlung des Leistungsentgelts in § 133 Abs. 1 SGB III zu einer Verringerung des täglichen Anspruchs auf Alg. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind von dem Bemessungsentgelt eine Sozialversicherungspauschale i.H.v. 21 Prozent des Bemessungsentgelts (35,25 Euro täglich), die Lohnsteuer i.H.v. 28,96 Euro täglich sowie der Solidaritätszuschlag i.H.v. 1,59 Euro täglich abzuziehen. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 434j Abs. 5a SGB III berücksichtigt der Senat dabei als Lohnsteuer die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplans bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 EStG ergibt. Den Abzugsbetrag i.H.v. 28,96 Euro täglich hat der Senat dem interaktiven Abgabenrechner des Bundesministeriums der Finanzen auf der Grundlage des Programmablaufplans 2004 (www.bundesfinanzministerium.de) entnommen. Es ergibt sich ein tägliches Leistungsentgelt i.H.v. 102,06 Euro, das unterhalb des von der Beklagten ermittelten Betrags i.H.v. 102,16 Euro täglich liegt, da die Beklagte - hier zugunsten des Klägers - von dem ungerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt i.H.v. 1.176,92 Euro ausgegangen ist.
Die ab 01.01.2005 geltenden Vorschriften zur Ermittlung des Bemessungs- und Leistungsentgelts begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Maßstab für die Zulässigkeit der Absenkung bindend festgestellter Leistungen bei Arbeitslosigkeit ist die Eigentumsgarantie des Art 14 GG. Dabei ergibt sich die Reichweite des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die dem Gesetzgeber nach Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG auferlegt ist (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1987 - 1 BvR 488/86, 1 BvR 1220/86 ua - SozR 4100 § 242b Nr 3). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unterliegt Grenzen insofern, als der Eingriff in die Rechtsposition Betroffener durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des zum Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gehörenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt sein muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Eingriff zur Erreichung des angestrebten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und die Betroffenen dadurch nicht übermäßig und in für sie unzumutbarer Weise belastet werden (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1987 - 1 BvR 488/86, 1 BvR 1220/86 ua - SozR 4100 § 242b Nr 3 mwN).
Der Umfang eines Eingriffs in die Rechte des Klägers relativiert sich vor dem Hintergrund, dass § 129 SGB III mit seiner Bezugnahme auf das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt) lediglich eine Nettolohnersatzquote in dem Sinne festschreibt, dass nur dasjenige Arbeitsentgelt ersetzt wird, das der Arbeitslose während einer Erwerbstätigkeit im Leistungszeitraum hätte verdienen können (BSG, Urt. v. 09.05.1996 - 7 RAr 66/95 - SozR 3-4100 § 111 Nr 13). Der Anspruch des Klägers auf Alg ist nach dem Inhalt der gesetzlichen Regelungen also von vornherein mit der Einschränkung behaftet, dass sich die pauschalierten Abzüge vom Brutto-Arbeitsentgelt verändern können. Zu prüfen ist daher nur, ob diese nach sachgerechten Kriterien festgelegt worden und hiermit ggf im Zusammenhang stehende Kürzungen verhältnismäßig sind. Insofern bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Zusammenfassung der Sozialversicherungsabgaben zu einer Sozialversicherungspauschale (§ 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III) in Höhe von 21 Prozent dient dem gesetzgeberischen Ziel der Vereinfachung des Bemessungsrechts zur Reduzierung des hohen Personal-, Sach- und Zeitaufwandes der Bundesagentur für Arbeit bei der Bewilligung und Festlegung des Umfangs des Alg (BT-Drucks 15/1515 S 71). Sie verändert den Alg-Anspruch des Klägers nicht, der lediglich eine Nettolohnersatzquote in dem Sinne beinhaltet, dass nur das Arbeitsentgelt ersetzt wird, das der Arbeitslose bei einer Beschäftigung im Leistungszeitraum hätte verdienen können (vgl BSG, Urt. v. 08.02.1996 - 11 RAr 63/95 - SozR 3- 4100 § 111 Nr 12).
Die Ermittlung des für die Lohnsteuer in Abzug zu bringenden Betrages wird durch den Rückgriff auf den vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan erheblich vereinfacht, indem die jährliche Bestimmung der für die Bemessung des Alg maßgeblichen Leistungsentgelte durch die bisherigen SGB III - Leistungsentgeltverordnungen mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgehoben wird (§ 151 Nr. 2 SGB III aF) und die bis zum 31.12.2004 notwendige Neufestlegung der Zahlbeträge des Alg zu Beginn jedes Kalenderjahres (§ 137 Abs. 2 Satz 1 SGB IIIaF) ersatzlos entfällt. Die Empfänger von Alg werden nicht unverhältnis-mäßig belastet, da sie auch in der Vergangenheit bei der jeweils zum Jahreswechsel vorgenommenen Anpassung der Leistungssätze damit rechnen mussten, dass bei der regelmäßigen jährlichen Neuberechnung der Abzüge vom Bruttolohn, die bei Arbeit-nehmern gewöhnlich anfallen (Sozialversicherungsbeiträge, Steuern etc), nachteilige Veränderungen eintraten. Der Umfang des Lohnsteuerabzugs kann direkt der Lohn-steuertabelle entnommen werden. Sowohl die Bezugnahme auf eine Sozialversicherungs-pauschale in Höhe von 21 Prozent als auch die Ermittlung des Abzugs für die Lohnsteuer in Anlehnung an den Programmablaufplan des Bundesministeriums der Finanzen dient dem gesetzgeberischen Ziel der deutlichen und nachhaltigen Vereinfachung des Bemessungsrechts (BT-Drucks 15/1515 S 71). Im Falle des Klägers stimmt zudem die Heranziehung der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 (§ 434j Abs. 5a SGB III) mit der Grundregel des § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III überein, nach der sich die Feststellung der Lohnsteuer für die gesamte Dauer des Anspruchs nach der Lohnsteuerklasse richtet, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war.
Im Übrigen hat das BVerfG die Ermittlung des Leistungsentgelts unter Berücksichtigung pauschaler Abzüge sowie die Anknüpfung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuer system als typisierende Regelungen bei der Ordnung von Massenerscheinungen verfassungsrechtlich nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 15.12.1993 - 1 BvR 1754/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 2, S 7). Die Orientierung des Abzugs für die Lohnsteuer unmittelbar an dem vom Bundesfinanzministerium der Finanzen erstellten Programmablaufplan entspricht der Lohnersatzfunktion des Alg, wonach die Bemessung des Alg grundsätzlich an den Nettolohn anknüpft, den der Arbeitslose zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielt hat (vgl BSG, Urt. v. 29.8.2002 - B 11 AL 87/01 R - SozR 3-4300 § 137 Nr 3, S 15). Auch ist der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums nicht verpflichtet, individuelle lohnsteuerrechtliche Begünstigungen im Rahmen der Alg-Bemessung wirksam werden zu lassen (BSG, Urt. v. 27.6.1996 - 11 RAr 77/95 - SozR 3-4100 § 111 Nr 14, S 55 zur Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge des Steuerrechts bei der Bestimmung des für die Höhe des Alg maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts). Entsprechend der bis-herigen Rechtslage werden auch nach dem ab 01.01.2005 geltenden Bemessungsrecht Freibeträge und Pauschalen, die nicht bereits in den Programmablaufplan eingearbeitet sind, nicht berücksichtigt (vgl § 133 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Die Neuregelungen des Bemessungsrechts, die ohne Übergangsvorschriften auf laufende Ansprüche auf Alg anzuwenden sind, verstoßen nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Die veränderte Festlegung der pauschalierten Abzüge im Sinne des § 133 Abs. 1 SGB III und der geänderte Auszahlungsmodus des Alg nach § 134 SGB III wirken auf noch nicht abgeschlossene Ansprüche auf Alg für die Zukunft ein und können die betroffene Rechtsposition nachträglich verschlechtern. Eine solche unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergeben sich Grenzen der Zulässigkeit, die überschritten sind, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen des Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl z.B. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00 ua mwN). Wie bereits ausgeführt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bemessung des Alg die Festlegung der pauschalierten Abzüge verändert hat.
Auch im Hinblick auf die geänderte Zahlung des Alg für nur noch 30 Tage im Monat liegen ausreichende Rechtfertigungsgründe vor, zumal die Anspruchsdauer als solche nicht verändert wird. Ist Alg für einen vollen Kalendermonat zu zahlen (§ 134 Satz 2 SGB III), wird der Anspruch nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nur für 30 Tage erfüllt. Die Veränderung der Zahlweise wirkt sich daher nicht aus, wenn der Leistungsanspruch ausgeschöpft wird. Im übrigen bedeutet die Umstellung der Zahlungsweise auf 30 Tage eine Gleichstellung mit der Regelung zur Anspruchsdauer. Die Leistungsempfänger können im Hinblick auf monatlich gleich bleibende Belastungen mit einem Alg in monatlich gleicher Höhe rechnen. Der in § 134 Satz 2 SGB III festgeschriebene Ansatz eines Monats mit 30 Tagen bewirkt einen monatlich in gleicher Höhe anfallenden Zahlbetrag unabhängig davon, ob der konkrete Monat, für den ein Anspruch auf Alg besteht, 28 oder 29 Tage (Februar), 30 Tage (April, Juni, September, November) oder 31 Tage (Januar, März, Mai, Juli, August, Oktober, Dezember) umfasst. Diese Neuregelung dient der Verwaltungsvereinfachung, weil zB monatliche Neuberechnungen von Zahlbeträgen aus dem Alg an den Leistungsempfänger und an Dritte (z.B Gläubiger) aufgrund von Monat zu Monat unterschiedlicher Zahlbeträge überflüssig werden (vgl BT-Drucks 15/1515 S 86). Da § 134 SGB III nunmehr den Berechnungs- und Zahlungsvorschriften für das Krankengeld (§ 47 Abs 1 Sätze 6 und 7 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) sowie das Übergangsgeld, Versorgungskrankengeld und Verletztengeld (§ 45 Abs 8 SGB V) entspricht, werden der innerhalb eines Kalendermonats stattfindende Wechsel zu einer anderen Sozialleistung erleichtert und die Ermittlung von Erstattungsbeträgen bei einer Zahlung für volle Kalendermonate vereinfacht. Es liegen damit auch hinsichtlich der Regelung des § 134 SGB III ausreichende Gründe des Gesetzgebers für den Eingriff in die Rechtsposition des Klägers vor (insgesamt auch LSG NRW, Urteile vom 28.03.2006 - L 1 AL 68/05 - und 06.04.2006 - L 19 AL 161/05 -, anhängig beim BSG B 11a AL 37/06 R und B 7a AL 38/06 R-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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