Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 90/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 189/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02. November 2006 wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006 verurteilt,
1. dem Kläger die für die Beschaffung des Rehabilitationssports/Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27. Oktober 2005 entstandenen Kosten in Höhe von 405,- Euro zu erstatten,
2. dem Kläger die weiteren Leistungen des Rehabilitationssports/Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27. Oktober 2005 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Kosten für Rehabilitationssport/ Funktionstraining.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist an Morbus Bechterew mit fortgeschrittener Bewegungseinschränkung und Osteoporose erkrankt. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt. Bereits in der Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2006 förderte die Beklagte für die Dauer von 36 Monaten die Teilnahme des Klägers an einem von der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. (DVMB), Gruppe S, angebotenen Rehabilitationssportkurs/Funktionstraining. Nach Auskunft der DVMB, Landesverband NRW e.V., vom 09.05.2007 werden - abgestimmt auf die Bedürfnisse der Erkrankungen - in den Bechterew-Gruppen sowohl Rehabilitationssport als auch Funktionstraining durchgeführt. Die Patienten benötigten gezielte Übungen, um ihre Beweglichkeit zu erhalten und möglichst noch vorhandene Bewegungsreserven zu aktivieren, wobei bei fortschreitendem Verlauf der Erkrankung die ständige Kontrolle bei der Ausübung der Übungen erforderlich sei. Die Konzeption der Übungsstunden umfasse eine gezielte Bechterew-Gymnastik und auf die Erkrankung abgestimmte Sportarten. Hierbei sei auch die Bewegung im warmen Wasser eines Schwimmbades wichtig.
Der Allgemeinmediziner Dr. C stellte am 27.10.2005 eine erneute ärztliche Verordnung für die Teilnahme des Klägers an dem Rehabilitationssport, Kurs "IK 500 552 199" bei der DVMB aus, der 120 Übungseinheiten á jeweils 5,- Euro, also Gesamtkosten in Höhe von 600,- Euro, umfasste. Er gab an, der Kläger benötige die Rehabilitationssportarten "Gymnastik und Bewegungsspiele in Gruppen" zur Vermeidung irreparabler Bewegungseinschränkungen. Aufgrund seiner Funktionseinbußen und fortgeschrittenen Bewegungseinschränkungen sei eine Überwachung und ständige qualifizierte Kontrolle erforderlich. Notwendig seien 120 Übungseinheiten in 36 Monaten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.11.2005 ab, da der Leistungsumfang für die Durchführung des Rehabilitationssports zu Lasten der Krankenkassen nach dem Inhalt der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.04.2003 auf höchstens 120 Übungseinheiten in 36 Monaten begrenzt sei. Mit seinem Widerspruch vom 15.11.2005 machte der Kläger geltend, die Rahmenvereinbarung könne den sich aus § 43 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - ergebenden gesetzlichen Anspruch nicht zeitlich begrenzen. Mangels anderer Therapiemöglichkeiten seien die Morbus Bechterew-Patienten essentiell auf die Durchführung des speziellen Rehabilitationssports durch eigens geschulte Therapeuten angewiesen. Wegen des fortgeschrittenen Krankheitsbildes mit erheblichen Bewegungseinschränkungen sei eine regelmäßige Überwachung bei den Übungen erforderlich.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Sozialmedizinische Dienst (Dr. O) in seinem Gutachten vom 05.12.2005 mit, aus medizinischer Sicht könne eine weitergehende Kostenübernahme für die beantragte Rehabilitationsleistung nicht begründet werden. Die sportliche Betätigung könne auf eigene Kosten fortgeführt werden. Eine Motivationseinschränkung werde nicht beschrieben. Die ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation seien durch Heilmittel (insb. Krankengymnastik) zu ergänzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine weitere Beteiligung an den Kosten für die Teilnahme des Klägers am Rehabilitationssport sei nicht möglich, da Ziff. 4.4.2 der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.10.2003 vorsehe, dass der Leistungsumfang des Rehabilitationssports bei Morbus Bechterew 120 Übungseinheiten betrage, die in einem Zeitraum von 36 Monaten in Anspruch genommen werden könnten. Eine längere Leistungsdauer sei nach Ziff. 4.4.1 der Rahmenvereinbarung nur möglich, wenn die Motivation zur langfristigen Durchführung des Übungsprogramms in Eigenverantwortung krankheits- oder behinderungsbedingt nicht oder noch nicht gegeben sei und eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorgelegt werde. § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX legten fest, dass die Rehabilitationsleistungen der Krankenkassen durch den Rehabilitationssport ergänzt würden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten die Regelungen nur den Anknüpfungspunkt für die Fortführung der bisherigen Rahmenvereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkasse bilden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.11.2006 abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Leistungen zum Rehabilitationssport nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V werde unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung (§ 1 Satz 2 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) durch die hierzu geschlossene Rahmenvereinbarung konkretisiert und es sei mit "lebenslangen" Leistungen zur Förderung des Rehabilitationssports nicht vereinbar. Ziel und Zweck des Rehabilitationssports sei es, die Eigenverantwortlichkeit des Behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen für seine Gesundheit zu stärken und ihn zu einem langfristigen, selbständigen und eigenverantwortlichen Bewegungstraining zu motivieren. Nach einem Förderzeitraum von 36 Monaten müsse der Kläger in der Lage sein, die erforderliche Gymnastik in Eigenregie durchzuführen. Unerheblich sei, dass ihm in häuslicher Umgebung nicht alle Möglichkeiten (z.B. Wassergymnastik) zur Verfügung stünden.
Gegen das ihm am 29.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.12.2006 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Rahmenvereinbarung könne nur als Auslegungshilfe ohne Rechtsnormcharakter herangezogen werden. Bei der Festlegung der Dauer des Anspruchs auf Rehabilitationssport und Funktionstraining müsse auf die individuellen Bedürfnisse und die konkrete Situation des jeweiligen Versicherten abgestellt werden. Dies ergebe sich aus § 26 SGB IX. Insofern sei zu berücksichtigen, dass Dr. C seine Bewegungseinschränkungen als fortgeschritten beurteilt habe und eine Notwendigkeit von Bewegungsübungen zur Vermeidung irreparabler Einschränkungen der Beweglichkeit sehe. Unter Berücksichtigung seines Krankheitsbildes müsse bei einer Gymnastik in Eigenregie die Schmerzgrenze überschritten sowie die Schwierigkeit der konkreten Ausführung der Bewegungsübungen beachtet werden. Die gegebenen Bewegungseinschränkungen und die drohenden irreversiblen Schäden rechtfertigten es, über den als Orientierungszeitraum vorgegebenen Rahmen von 36 Monaten hinaus der Beklagten die Kosten für den Rehabilitationssport/das Funktionstraining aufzuerlegen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2007 hat der Kläger im Einzelnen dargelegt, dass ihm für die Zeit ab April 2006 bereits Kosten für den Rehabilitationssport/das Funk-tionstraining in Höhe von 405,- Euro entstanden seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.11.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 zu verurteilen,
1. ihm die für die Beschaffung des Rehabilitationssports/ Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27.10.2005 entstandenen Kosten in Höhe von 405,- Euro zu erstatten,
2. ihm die weiteren Leistungen des Rehabilitationssports/ Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27.10.2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, durch den Rehabilitationssport und das Funktionstraining solle der Betroffene für ein tägliches Training gefördert und motiviert werden, die erlernten Übungen in Eigenregie durchzuführen und sich einer fachlich geleiteten Gruppe in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten anzuschließen. Das Funktionstraining stelle eine ergänzende Leistung der Rehabilitation dar und solle nicht eine an sich angezeigte Verordnung von individuell auf das Krankheitsbild abgestimmten Heilmitteln ersetzen.
Der Senat hat einen Befund- und Behandlungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers wegen Morbus Bechterew in dem Zeitraum vom 27.04.2006 bis 18.05.2006 in der Q/Bad I beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung des Klägers ist das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen zu ändern. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 ist rechtswidrig, da der Kläger einen Anspruch auf den Rehabilitationssportkurs "IK 500 552 199" hat, der entsprechend dem Schreiben der DVMB, Landesverband NRW e.V. vom 09.05.2007, auch Elemente des Funktionstrainings enthält. Streitgegenstand ist ausschließlich dieser auf weitere 120 Übungseinheiten beschränkte konkrete Kurs, für den eine ärztliche Verordnung vorliegt, nicht eine von medizinischen Erfordernissen unabhängige unbegrenzte Förderung des Rehabilitationssports.
Soweit der Kläger bereits Zahlungen in Höhe von 405,- Euro geleistet hat, ergibt sich sein Anspruch auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V. Die Norm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil dem Kläger erstattungsfähige Kosten entstanden sind und die Beklagte die beantragte Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern oder auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern. Die Leistungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V). § 43 Abs. 1 SGB V sieht vor, dass die Krankenkasse neben den Leistungen, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB IX sowie nach §§ 53 und 54 SGB IX als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, weitere Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder fördern kann. Aufgrund dieser Verweisung gelten die Regelungen des SGB IX zur Ausführung der Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unmittelbar, weil das SGB V für den Rehabilitationssport (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) und das Funktionstraining (§ 44 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V und § 7 SGB IX nichts Abweichendes bestimmt (KassKomm-Höfler, Stand 3/2007, § 11 SGB V Rdnr. 9h; BT-Drucks. 14/5074 S. 117). Da sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Reha-bilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen richten (§ 7 Satz 2 SGB IX), müssen auch die ergänzenden Leistungen nach § 43 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB IX nicht nur notwendig i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V sein. Sie unterliegen auch dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V, d.h. sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht über-schreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Wie sich aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 SGB V ergibt ("zu erbringen ... sind"), besteht ein Rechtsanspruch auf die hier streitigen ergän-zenden Leistungen zum Rehabilitationssport und Funktionstraining nach § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB IX (Schmidt in Peters, Gesetzliche Krankenversicherung, Stand 2/2007, § 43 SGB V Rdn. 15, 19).
Nach diesen gesetzlichen Regelungen hat der Kläger trotz der vorangehenden Förderung seiner Teilnahme an einem von der DVMB angebotenen Rehabilitationssportkurs bzw. Funktionstraining in der Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2006 auch ab 01.04.2006 Anspruch auf Förderung einer derartigen Maßnahme als ergänzender Leistung zur Rehabilitation. Mit der ärztlichen Verordnung vom 27.10.2005 hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C unter Bezugnahme auf den Kurs der DVMB "IK 500 552 199" und dem Hinweis auf eine Überwachung und ständige qualifizierte Kontrolle bei der verordneten Gymnastik und den Bewegungsspielen in Gruppen zum Ausdruck gebracht, dass weiterhin medizinische Gründe für die Notwendigkeit von ergänzenden Leistungen vorliegen. Zu berücksichtigen ist, dass bei dem Kläger - wie durch den Grad der Behinderung (GdB) von 70 v.H. dokumentiert - bereits eine fortge-schrittene Bewegungseinschränkung bei Morbus Bechterew mit Osteoporose vorliegt, die - neben häuslichen Übungen - einen speziellen Rehabilitationssport bzw. ein spezielles Funktionstraining in Bechterew-Gruppen unter fachkundiger Kontrolle erfordert. Dies ist auch von den Ärzten Dr. S und Dr. S1 auf der Grundlage einer stationären Rehabilitationsmaßnahme des Klägers in der Q-Klinik in Bad I in der Zeit vom 27.04.2006 bis 18.05.2006 bestätigt worden. Aufgrund einer längeren Beoachtung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers haben sie in ihrem Bericht vom 18.02.2007 wegen der Art der Erkrankung des Klägers und zur Vermeidung einer zunehmenden Einsteifung die Notwendigkeit einer weiteren Teilnahme an dem Rehabilitationssport bejaht, eine regelmäßige Kontrolle bei den Übungen für erforderlich gehalten und auf die medizinische Notwendigkeit einer durch qualifiziertes Personal überwachten Wasser-gymnastik hingewiesen. Da der individuelle Gesundheitszustand des Klägers eine besondere Trainingsumgebung (Warmwasserbecken) und die Besonderheiten seines Krankheitsbildes eine gezielte fortlaufende Anpassung der Übungen erfordern, fehlt die Fähigkeit zur (ausschließlich) selbständigen Durchführung der notwendigen Bewegungsformen.
Soweit in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 05.12.2005 davon ausgegangen wird, dass eine Anleitung zur Durchführung von Übungen und deren Überwachung zunächst durch krankengymnastische Maßnahmen erfolgen solle, steht dies einem Anspruch des Klägers auf Rehabilitationssport nicht entgegen. Den gesetzlichen Vorschriften kann kein Vorrang der ambulanten Krankengymnastik vor dem Rehabilitationssport bzw. Funktionstraining als ergänzender Leistung zur Rehabilitation nach § 43 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB IX entnommen werden.
Die auch von der Beklagten nicht bestrittene medizinische Notwendigkeit der beantragten ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation bestimmt den Umfang der von der Beklagten zu erbringenden Leistung. Die Regelungen der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.10.2003 zum Leistungsumfang stehen einer erneuten Gewährung nicht entgegen. Neben der Bestimmung von Ziel, Zweck und Inhalt des Rehabilitationssports bzw. des Funktionstrainings enthält die Rahmenvereinbarung auch Vorschriften zum Leistungsumfang des Rehabilitationssports, der u.a. bei schwerer Beeinträchtigung der Beweglichkeit/Mobilität und Morbus Bechterew 120 Übungseinheiten umfassen soll, die in einem Zeitraum von 36 Monaten in Anspruch genommen werden können (Ziff. 4.4.2). Zweifelhaft ist hier schon, ob nicht wegen der durch den Aufenthalt des Klägers in der Q dokumentierten Veränderungen seiner gesundheitlichen Verhältnisse die zeitliche Begrenzung von vornherein nicht eingreifen kann.
Unabhängig hiervon kann die Rahmenvereinbarung eine medizinisch notwendige Kostenübernahme im Einzelfall nicht ausschließen, da sich der Anspruch des Klägers vor dem Hintergrund seiner individuellen gesundheitlichen Verhältnisse unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt. Die Vereinbarung soll sicherstellen, dass der Rehabilitations-sport und das Funktionstraining als ergänzende Leistungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX im Rahmen der für die einzelnen Rehabilitationsträger geltenden Vorschriften nach einheitlichen Grundsätzen erbracht bzw. gefördert werden. Die als Empfehlung nach § 13 SGB IX einzuordnende Rahmenvereinbarung dient als solche der Koordination und der Kooperation der Rehabilitationsträger (BT-Drucks. 14/5074 S. 101). Mit der Vereinbarung von Empfehlungen nach § 13 SGB IX können die Rehabilitationsträger zur Konkretisierung der medizinischen Notwendigkeit und des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 SGB V für Regelfälle des Rehabilitationssports und des Funktionstrainings die Inhalte und den regelmäßigen Leistungsumfang dieser Maßnahmen festlegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.08.2005 - L 4 KR 5250/03 -), nicht jedoch eine für alle Einzelfälle verbindliche Begrenzung der gesetzlichen Leistungen vorsehen (vgl. auch BSG, Urteil vom 26.01.2006 - B 3 KR 4/05 R - SozR 4-2500 § 37 Nr. 7 zur häuslichen Krankenpflege). Weder das SGB IX noch das SGB V enthalten oder schaffen eine derartige Regelungskompetenz der Rehabilitationsträger. Die gesetzlichen Vorschriften bestimmen für die hier streitigen ergänzenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auch keine konkrete Selbstbeteiligung der Versicherten, etwa nach Ablauf eines bestimmten Leistungsumfangs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006 verurteilt,
1. dem Kläger die für die Beschaffung des Rehabilitationssports/Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27. Oktober 2005 entstandenen Kosten in Höhe von 405,- Euro zu erstatten,
2. dem Kläger die weiteren Leistungen des Rehabilitationssports/Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27. Oktober 2005 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Kosten für Rehabilitationssport/ Funktionstraining.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist an Morbus Bechterew mit fortgeschrittener Bewegungseinschränkung und Osteoporose erkrankt. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt. Bereits in der Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2006 förderte die Beklagte für die Dauer von 36 Monaten die Teilnahme des Klägers an einem von der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. (DVMB), Gruppe S, angebotenen Rehabilitationssportkurs/Funktionstraining. Nach Auskunft der DVMB, Landesverband NRW e.V., vom 09.05.2007 werden - abgestimmt auf die Bedürfnisse der Erkrankungen - in den Bechterew-Gruppen sowohl Rehabilitationssport als auch Funktionstraining durchgeführt. Die Patienten benötigten gezielte Übungen, um ihre Beweglichkeit zu erhalten und möglichst noch vorhandene Bewegungsreserven zu aktivieren, wobei bei fortschreitendem Verlauf der Erkrankung die ständige Kontrolle bei der Ausübung der Übungen erforderlich sei. Die Konzeption der Übungsstunden umfasse eine gezielte Bechterew-Gymnastik und auf die Erkrankung abgestimmte Sportarten. Hierbei sei auch die Bewegung im warmen Wasser eines Schwimmbades wichtig.
Der Allgemeinmediziner Dr. C stellte am 27.10.2005 eine erneute ärztliche Verordnung für die Teilnahme des Klägers an dem Rehabilitationssport, Kurs "IK 500 552 199" bei der DVMB aus, der 120 Übungseinheiten á jeweils 5,- Euro, also Gesamtkosten in Höhe von 600,- Euro, umfasste. Er gab an, der Kläger benötige die Rehabilitationssportarten "Gymnastik und Bewegungsspiele in Gruppen" zur Vermeidung irreparabler Bewegungseinschränkungen. Aufgrund seiner Funktionseinbußen und fortgeschrittenen Bewegungseinschränkungen sei eine Überwachung und ständige qualifizierte Kontrolle erforderlich. Notwendig seien 120 Übungseinheiten in 36 Monaten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.11.2005 ab, da der Leistungsumfang für die Durchführung des Rehabilitationssports zu Lasten der Krankenkassen nach dem Inhalt der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.04.2003 auf höchstens 120 Übungseinheiten in 36 Monaten begrenzt sei. Mit seinem Widerspruch vom 15.11.2005 machte der Kläger geltend, die Rahmenvereinbarung könne den sich aus § 43 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - ergebenden gesetzlichen Anspruch nicht zeitlich begrenzen. Mangels anderer Therapiemöglichkeiten seien die Morbus Bechterew-Patienten essentiell auf die Durchführung des speziellen Rehabilitationssports durch eigens geschulte Therapeuten angewiesen. Wegen des fortgeschrittenen Krankheitsbildes mit erheblichen Bewegungseinschränkungen sei eine regelmäßige Überwachung bei den Übungen erforderlich.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Sozialmedizinische Dienst (Dr. O) in seinem Gutachten vom 05.12.2005 mit, aus medizinischer Sicht könne eine weitergehende Kostenübernahme für die beantragte Rehabilitationsleistung nicht begründet werden. Die sportliche Betätigung könne auf eigene Kosten fortgeführt werden. Eine Motivationseinschränkung werde nicht beschrieben. Die ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation seien durch Heilmittel (insb. Krankengymnastik) zu ergänzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine weitere Beteiligung an den Kosten für die Teilnahme des Klägers am Rehabilitationssport sei nicht möglich, da Ziff. 4.4.2 der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.10.2003 vorsehe, dass der Leistungsumfang des Rehabilitationssports bei Morbus Bechterew 120 Übungseinheiten betrage, die in einem Zeitraum von 36 Monaten in Anspruch genommen werden könnten. Eine längere Leistungsdauer sei nach Ziff. 4.4.1 der Rahmenvereinbarung nur möglich, wenn die Motivation zur langfristigen Durchführung des Übungsprogramms in Eigenverantwortung krankheits- oder behinderungsbedingt nicht oder noch nicht gegeben sei und eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorgelegt werde. § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX legten fest, dass die Rehabilitationsleistungen der Krankenkassen durch den Rehabilitationssport ergänzt würden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten die Regelungen nur den Anknüpfungspunkt für die Fortführung der bisherigen Rahmenvereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkasse bilden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.11.2006 abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Leistungen zum Rehabilitationssport nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V werde unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung (§ 1 Satz 2 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) durch die hierzu geschlossene Rahmenvereinbarung konkretisiert und es sei mit "lebenslangen" Leistungen zur Förderung des Rehabilitationssports nicht vereinbar. Ziel und Zweck des Rehabilitationssports sei es, die Eigenverantwortlichkeit des Behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen für seine Gesundheit zu stärken und ihn zu einem langfristigen, selbständigen und eigenverantwortlichen Bewegungstraining zu motivieren. Nach einem Förderzeitraum von 36 Monaten müsse der Kläger in der Lage sein, die erforderliche Gymnastik in Eigenregie durchzuführen. Unerheblich sei, dass ihm in häuslicher Umgebung nicht alle Möglichkeiten (z.B. Wassergymnastik) zur Verfügung stünden.
Gegen das ihm am 29.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.12.2006 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Rahmenvereinbarung könne nur als Auslegungshilfe ohne Rechtsnormcharakter herangezogen werden. Bei der Festlegung der Dauer des Anspruchs auf Rehabilitationssport und Funktionstraining müsse auf die individuellen Bedürfnisse und die konkrete Situation des jeweiligen Versicherten abgestellt werden. Dies ergebe sich aus § 26 SGB IX. Insofern sei zu berücksichtigen, dass Dr. C seine Bewegungseinschränkungen als fortgeschritten beurteilt habe und eine Notwendigkeit von Bewegungsübungen zur Vermeidung irreparabler Einschränkungen der Beweglichkeit sehe. Unter Berücksichtigung seines Krankheitsbildes müsse bei einer Gymnastik in Eigenregie die Schmerzgrenze überschritten sowie die Schwierigkeit der konkreten Ausführung der Bewegungsübungen beachtet werden. Die gegebenen Bewegungseinschränkungen und die drohenden irreversiblen Schäden rechtfertigten es, über den als Orientierungszeitraum vorgegebenen Rahmen von 36 Monaten hinaus der Beklagten die Kosten für den Rehabilitationssport/das Funktionstraining aufzuerlegen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2007 hat der Kläger im Einzelnen dargelegt, dass ihm für die Zeit ab April 2006 bereits Kosten für den Rehabilitationssport/das Funk-tionstraining in Höhe von 405,- Euro entstanden seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.11.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 zu verurteilen,
1. ihm die für die Beschaffung des Rehabilitationssports/ Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27.10.2005 entstandenen Kosten in Höhe von 405,- Euro zu erstatten,
2. ihm die weiteren Leistungen des Rehabilitationssports/ Funktionstrainings nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung vom 27.10.2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, durch den Rehabilitationssport und das Funktionstraining solle der Betroffene für ein tägliches Training gefördert und motiviert werden, die erlernten Übungen in Eigenregie durchzuführen und sich einer fachlich geleiteten Gruppe in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten anzuschließen. Das Funktionstraining stelle eine ergänzende Leistung der Rehabilitation dar und solle nicht eine an sich angezeigte Verordnung von individuell auf das Krankheitsbild abgestimmten Heilmitteln ersetzen.
Der Senat hat einen Befund- und Behandlungsbericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers wegen Morbus Bechterew in dem Zeitraum vom 27.04.2006 bis 18.05.2006 in der Q/Bad I beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung des Klägers ist das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen zu ändern. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 ist rechtswidrig, da der Kläger einen Anspruch auf den Rehabilitationssportkurs "IK 500 552 199" hat, der entsprechend dem Schreiben der DVMB, Landesverband NRW e.V. vom 09.05.2007, auch Elemente des Funktionstrainings enthält. Streitgegenstand ist ausschließlich dieser auf weitere 120 Übungseinheiten beschränkte konkrete Kurs, für den eine ärztliche Verordnung vorliegt, nicht eine von medizinischen Erfordernissen unabhängige unbegrenzte Förderung des Rehabilitationssports.
Soweit der Kläger bereits Zahlungen in Höhe von 405,- Euro geleistet hat, ergibt sich sein Anspruch auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V. Die Norm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil dem Kläger erstattungsfähige Kosten entstanden sind und die Beklagte die beantragte Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern oder auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern. Die Leistungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V). § 43 Abs. 1 SGB V sieht vor, dass die Krankenkasse neben den Leistungen, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB IX sowie nach §§ 53 und 54 SGB IX als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, weitere Leistungen zur Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder fördern kann. Aufgrund dieser Verweisung gelten die Regelungen des SGB IX zur Ausführung der Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unmittelbar, weil das SGB V für den Rehabilitationssport (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) und das Funktionstraining (§ 44 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V und § 7 SGB IX nichts Abweichendes bestimmt (KassKomm-Höfler, Stand 3/2007, § 11 SGB V Rdnr. 9h; BT-Drucks. 14/5074 S. 117). Da sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Reha-bilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen richten (§ 7 Satz 2 SGB IX), müssen auch die ergänzenden Leistungen nach § 43 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB IX nicht nur notwendig i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V sein. Sie unterliegen auch dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V, d.h. sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht über-schreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Wie sich aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 SGB V ergibt ("zu erbringen ... sind"), besteht ein Rechtsanspruch auf die hier streitigen ergän-zenden Leistungen zum Rehabilitationssport und Funktionstraining nach § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB IX (Schmidt in Peters, Gesetzliche Krankenversicherung, Stand 2/2007, § 43 SGB V Rdn. 15, 19).
Nach diesen gesetzlichen Regelungen hat der Kläger trotz der vorangehenden Förderung seiner Teilnahme an einem von der DVMB angebotenen Rehabilitationssportkurs bzw. Funktionstraining in der Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2006 auch ab 01.04.2006 Anspruch auf Förderung einer derartigen Maßnahme als ergänzender Leistung zur Rehabilitation. Mit der ärztlichen Verordnung vom 27.10.2005 hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C unter Bezugnahme auf den Kurs der DVMB "IK 500 552 199" und dem Hinweis auf eine Überwachung und ständige qualifizierte Kontrolle bei der verordneten Gymnastik und den Bewegungsspielen in Gruppen zum Ausdruck gebracht, dass weiterhin medizinische Gründe für die Notwendigkeit von ergänzenden Leistungen vorliegen. Zu berücksichtigen ist, dass bei dem Kläger - wie durch den Grad der Behinderung (GdB) von 70 v.H. dokumentiert - bereits eine fortge-schrittene Bewegungseinschränkung bei Morbus Bechterew mit Osteoporose vorliegt, die - neben häuslichen Übungen - einen speziellen Rehabilitationssport bzw. ein spezielles Funktionstraining in Bechterew-Gruppen unter fachkundiger Kontrolle erfordert. Dies ist auch von den Ärzten Dr. S und Dr. S1 auf der Grundlage einer stationären Rehabilitationsmaßnahme des Klägers in der Q-Klinik in Bad I in der Zeit vom 27.04.2006 bis 18.05.2006 bestätigt worden. Aufgrund einer längeren Beoachtung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers haben sie in ihrem Bericht vom 18.02.2007 wegen der Art der Erkrankung des Klägers und zur Vermeidung einer zunehmenden Einsteifung die Notwendigkeit einer weiteren Teilnahme an dem Rehabilitationssport bejaht, eine regelmäßige Kontrolle bei den Übungen für erforderlich gehalten und auf die medizinische Notwendigkeit einer durch qualifiziertes Personal überwachten Wasser-gymnastik hingewiesen. Da der individuelle Gesundheitszustand des Klägers eine besondere Trainingsumgebung (Warmwasserbecken) und die Besonderheiten seines Krankheitsbildes eine gezielte fortlaufende Anpassung der Übungen erfordern, fehlt die Fähigkeit zur (ausschließlich) selbständigen Durchführung der notwendigen Bewegungsformen.
Soweit in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 05.12.2005 davon ausgegangen wird, dass eine Anleitung zur Durchführung von Übungen und deren Überwachung zunächst durch krankengymnastische Maßnahmen erfolgen solle, steht dies einem Anspruch des Klägers auf Rehabilitationssport nicht entgegen. Den gesetzlichen Vorschriften kann kein Vorrang der ambulanten Krankengymnastik vor dem Rehabilitationssport bzw. Funktionstraining als ergänzender Leistung zur Rehabilitation nach § 43 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 44 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB IX entnommen werden.
Die auch von der Beklagten nicht bestrittene medizinische Notwendigkeit der beantragten ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation bestimmt den Umfang der von der Beklagten zu erbringenden Leistung. Die Regelungen der Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.10.2003 zum Leistungsumfang stehen einer erneuten Gewährung nicht entgegen. Neben der Bestimmung von Ziel, Zweck und Inhalt des Rehabilitationssports bzw. des Funktionstrainings enthält die Rahmenvereinbarung auch Vorschriften zum Leistungsumfang des Rehabilitationssports, der u.a. bei schwerer Beeinträchtigung der Beweglichkeit/Mobilität und Morbus Bechterew 120 Übungseinheiten umfassen soll, die in einem Zeitraum von 36 Monaten in Anspruch genommen werden können (Ziff. 4.4.2). Zweifelhaft ist hier schon, ob nicht wegen der durch den Aufenthalt des Klägers in der Q dokumentierten Veränderungen seiner gesundheitlichen Verhältnisse die zeitliche Begrenzung von vornherein nicht eingreifen kann.
Unabhängig hiervon kann die Rahmenvereinbarung eine medizinisch notwendige Kostenübernahme im Einzelfall nicht ausschließen, da sich der Anspruch des Klägers vor dem Hintergrund seiner individuellen gesundheitlichen Verhältnisse unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt. Die Vereinbarung soll sicherstellen, dass der Rehabilitations-sport und das Funktionstraining als ergänzende Leistungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX im Rahmen der für die einzelnen Rehabilitationsträger geltenden Vorschriften nach einheitlichen Grundsätzen erbracht bzw. gefördert werden. Die als Empfehlung nach § 13 SGB IX einzuordnende Rahmenvereinbarung dient als solche der Koordination und der Kooperation der Rehabilitationsträger (BT-Drucks. 14/5074 S. 101). Mit der Vereinbarung von Empfehlungen nach § 13 SGB IX können die Rehabilitationsträger zur Konkretisierung der medizinischen Notwendigkeit und des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 SGB V für Regelfälle des Rehabilitationssports und des Funktionstrainings die Inhalte und den regelmäßigen Leistungsumfang dieser Maßnahmen festlegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.08.2005 - L 4 KR 5250/03 -), nicht jedoch eine für alle Einzelfälle verbindliche Begrenzung der gesetzlichen Leistungen vorsehen (vgl. auch BSG, Urteil vom 26.01.2006 - B 3 KR 4/05 R - SozR 4-2500 § 37 Nr. 7 zur häuslichen Krankenpflege). Weder das SGB IX noch das SGB V enthalten oder schaffen eine derartige Regelungskompetenz der Rehabilitationsträger. Die gesetzlichen Vorschriften bestimmen für die hier streitigen ergänzenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auch keine konkrete Selbstbeteiligung der Versicherten, etwa nach Ablauf eines bestimmten Leistungsumfangs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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