Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 EG 2/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 19/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24.9.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Teil (SGB X), ob die Klägerin Anspruch auf Erziehungsgeld für ihr am 00.00.1999 geborenes Kind H für den Zeitraum 15.8.1999 bis 11.12.2000 hat.
Die Klägerin reiste im Januar 1996 aus dem früheren Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seitdem ununterbrochen hier. Zunächst besaß sie eine aufenthaltsrechtliche Gestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Ab 10.08.1999 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis und seit dem 12.12.2000 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Seit dem 16.6.2003 ist sie deutsche Staatsangehörige.
Den Antrag der Klägerin auf Erziehungsgeld für H vom 17.9.1999 lehnte die Erziehungsgeldkasse mit Bescheid vom 29.12.1999 ab, weil sie nicht im Besitz des von § 1 Abs.1 a Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) geforderten Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Widerspruch der Klägerin, die sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention berief, wurde mit Bescheid vom 15.2. 2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der am 18.2.2000 beim Sozialgericht Aachen (SG) erhobenen Klage (S 8 EG 2/00) hat die Klägerin ihr Begehren unter Berufung auf Genfer Konvention, § 51 Ausländergesetz (AuslG) und die Rechtsprechung zum Bundeskindergeldgesetz (BKGG) weiterverfolgt. Im Erörterungstermin vom 12.5.2000 haben die Beteiligten folgende Erklärungen abgegeben:
" Der Ehemann der Klägerin erklärt weiter:
Ich beantrage im Hinblick auf das anhängige Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof (Vorlageentscheidung des BSG B 14 EG 7/97) die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 29.12.1999.
Der Vertreter des Beklagten erklärt:
der Beklagte verpflichtet sich, über diesen Antrag zu entscheiden, sobald die Entscheidung des EuGH ergangen ist.
Der Ehemann der Klägerin erklärt im Einvernehmen mit dieser:
"Wir nehmen die Klage zurück."
Die Klägerin erklärt auf Vorschlag des Vorsitzenden:
Unabhängig hiervon beantrage ich eine Überprüfung der Entscheidung im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 12.4.2000 B 14 KG 2/99 R."
Am 20.12.2000 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das zweite Lebensjahr von H. Der Beklagte bewilligte unter Bezugnahme auf diesen Antrag mit bestandkräftigen Bescheid vom 5.3.2001 Erziehungsgeld ab dem 12.12.2000; die Leistungen würden nicht bereits ab Beginn des 13. Lebensmonats gewährt, weil die Klägerin damals noch nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gewesen sei.
"Auf den Antrag vom 12.5.2000" erteilte der Beklagte unter dem 21.2.2002 einen Bescheid, mit dem er die "Rücknahme des Bescheides vom 5.3.2001" ablehnte. Zur Begründung führte er aus, dass eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 5.3.2001 nicht festgestellt werden könne. Bis zum 11.12.2000 habe die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 des BErzGG nicht erfüllt, da sie nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gewesen sei. Ein Anspruch lasse sich auch nicht aus Europäischem Recht im Sinne der EWG-Verordnung 1408/71 herleiten, da die Klägerin nicht über einen anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland eingereist sei.
Mit der nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 17.2.2003) am 10.3.2003 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin weiterhin Erziehungsgeld für Kind H für den Zeitraum 15.8.1999 bis 11.12.2000 begehrt. Sie hat insbesondere geltend gemacht, dass sie auf Grund des bestehenden Gleichstellungsgebotes so zu behandeln sei, wie deutsche Staatsangehörige und Ausländer, die unstreitig einen Leistungsanspruch hätten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.9.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe für den Zeitraum 15.8.1999 bis 11.12.2000 keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für H.
Nach § 1 Abs. 1 a Satz 1 des BErzGG in der für Geburten bis zum 31.12.2000 anwendbaren Fassung (§ 24 Abs. 1 BErzGG in der Fassung des 3. BErzGG-Änderungsgesetzes) sei für den Anspruch eines Ausländers auf Erziehungsgeld Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. An dem "Besitz" eines derartigen Aufenthaltstitels im streitigen Zeitraum vor dem 12.12.2000 fehle es hier (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-7833, § 1 Nrn. 7, 12, 14). Da die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum unzweifelhaft lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen sei, stehe ihr der geltend gemachte Anspruch daher nach innerstaatlichem Recht nicht zu. Die beanstandete Fassung des § 1 BErzGG sei mit dem Grundgesetz, insbesondere auch mit dem allgemeine Gleichheitsgrundsatzes Artikel 3 zu vereinbaren (BSG SozR 3-7833, § 1 Nr. 16). Sie verstoße auch nicht gegen vorrangiges zwischenstaatliches und überstaatliches Recht.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) durch Urteil vom 11.10.2001 entschieden habe, gelte die Verordnung EWG Nr. 1408/71 auch für Staatenlose und Flüchtlinge, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, sowie deren Familienangehörige; jedoch könnten diese Personen die von der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 gewährten Rechte nicht für sich in Anspruch nehmen, wenn sie sich in einer Situation befänden, die mit keinem Element über die Grenzen des Mitgliedsstaates hinausweise (Urteil des EuGH vom 11.10.2001: Verbundene Rechtssachen C-95/99, C-96/99, C-97/99, C 98/99, C-108/99). Dies sei der Fall, wenn Flüchtlinge - wie vorliegend die Klägerin - unmittelbar aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingereist und innerhalb der Gemeinschaft nicht gewandert seien.
Die Klägerin könne auch keinen Anspruch auf Erziehungsgeld aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.9.1974 ableiten. Dieses zwischenstaatliche Abkommen, das weiterhin Anwendung finde (vgl. Urteil des BSG vom 12.04.2000, B 14 KG 3/99 R), beziehe sich nach Artikel 2 Abs. 1 Buchst, d) sachlich nämlich nur auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer. Das Erziehungsgeld werde nicht erfasst.
Schließlich könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf das Vorläufige Europäische Abkommen von 1953 stützen, das bis heute gültig sei und auf Grund des Ratifikationsgesetzes vom 7.5.1956 (BGBI. 1956, S. 507 ff.) unmittelbare Rechtsansprüche begründe. Die Klägerin gehöre zwar zu dem Personenkreis, auf den das Vorläufige Europäische Abkommen Anwendung finde. Sachlich erstrecke sich dieses Abkommen jedoch nicht auf das Erziehungsgeld nach dem BErzGG. Allgemein finde das Abkommen gemäß Artikel 1 Anwendung auf alle Gesetze und Regelungen über soziale Sicherheit, die in jedem Teil des Gebietes der Vertragschließenden am Tage der Unterzeichnung Geltung haben oder in der Folge in Kraft treten und sich u. a. auf Familienbeihilfen(d) beziehen. Bei dem Erziehungsgeld handele es sich jedoch nicht um eine Familienbeihilfe in diesem Sinne. Familienbeihilfen seien regelmäßige Geldleistungen, die ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und ggfs. des Alters der Familienangehörigen gewährt werden. Für den Bezug des deutschen Erziehungsgeldes seien jedoch weitere Voraussetzungen zu erfüllen. So müsse der/die Berechtigte das mit ihm/ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebende Kind selbst betreuen und erziehen und dürfe während dieser Zeit keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 BErzGG a. F.).
Gegen das am 30.9.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2.11.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie zunächst geltend gemacht, sie erfülle den Status eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Konvention. Nach ihrer Auffassung sei das deutsche Erziehungsgeld auch eine Familienbeihilfe im Sinne des Abkommens.
Das Verfahren hat zunächst im Hinblick auf die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.7.2004 zu erwartende gesetzliche Neuregelung des BErzGG beruht.
Die Klägerin steht nun auf dem Standpunkt: Zu ihren Gunsten greife die Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG ein. Denn der Bescheid vom 29.12. 1999 sei nicht bindend geworden. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 12.5.2000 habe sie zuerst Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 29.12. 1999 beantragt und erst anschließend erklärt, die Klage zurückzunehmen. Als damals nicht anwaltlich vertretene Klägerin habe sie im Hinblick auf das zu erwartende Urteil des EuGH nur eine Klageaussetzung gewollt und damit auch beantragt. Nur so machten ihre verschiedenen Erklärungen und Anträge im Erörterungstermin vom 12.5.2000 Sinn. Da keine Klagerücknahme sondern die Fortführung des Klageziels gewollt gewesen sei und somit auch konkludent erklärt worden sei, sei das Protokoll diesbezüglich widersprüchlich, so dass ihm keine erhöhte Beweiskraft dahingehend zu komme, dass eine Klagerücknahme tatsächlich gewollt gewesen sei und stattgefunden habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 24.9.2004 und unter Abänderung bzw. Aufhebung des Bescheides vom 21.2.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2004 sowie unter entsprechender Zurücknahme der Bescheide vom 5.3.2001 und 29.12.1999 das beklagte Land zu verurteilen, ihr Klägerin Erziehungsgeld für ihr Kind H für den Zeitraum vom 15.8.1999 bis 11.12.2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum ursprünglichen Vorbringen der Klägerin verweist er auf das Urteil des BSG vom 23.9.2004 - B 10 EG 3/04 R. Die Rechtslage und die darauf aufbauende Weisungslage seien eindeutig und ließen keinen Raum für eine Entscheidung im Sinne der Klägerin. Selbstverständlich sei die Ausgangsentscheidung bestandskräftig geworden. Der Inhalt des Terminprotokolls lasse keinen anderen Schluss zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Vorprozessakten des SG Aachen S 8 EG 2/00, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide des beklagten Landes sind nicht rechtswidrig. Es hat zutreffend die Zurücknahme seiner bindend gewordenen Bescheide vom 5.3.2001 und (sinngemäß) vom 29.12.1999 gemäß § 44 SGB X abgelehnt. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für H.
Die Klägerin begehrt Erziehungsgeld für das gesamte 1. Lebensjahr sowie für die ersten Monate des 2. Lebensjahres ihres Kindes H. Dazu hat sie den Bescheid des Beklagten vom 21.2.2002 angefochten. Auch wenn dessen Verfügungssatz lautet, dass der Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 5.3.2001 abgelehnt werde und mit dem Bescheid vom 5.3.2001 über den Antrag auf Erziehungsgeld für das 2. Lebensjahr entschieden worden war, ist darin eine Entscheidung des Beklagten auch hinsichtlich einer Zurücknahme des Bescheides von 29.12.1999 und bezüglich des Erziehungsgeldanspruchs für das 1. Lebensjahr zu erblicken, denn hierauf hatten sich der ursprüngliche Überprüfungsantrag und die Überprüfungszusage bezogen und die Begründung des angefochtenen Bescheides verneint einen Anspruchsberechtigung für den gesamten streitigen Zeitraum vor dem 12.12.2000.
Ob richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist oder ob es einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf, mit der der Beklagte verpflichtet werden soll, seinen früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, kann der Senat hier dahin gestellt sein lassen (vgl. dazu einerseits BSG, B 2 U 24/05 R vom 5.9.2006; andererseits BSG (4. Senat) SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19 sowie unveröffentlichtes Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 62/02 R -; BSG (7. Senat) BSGE 76, 156, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; BSG (9. Senat) BSGE 81, 150, 152 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 44 SGB X RdNr 16; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 54 RdNr 20c). Die Klage kann nämlich in jedem Falle keinen Erfolg haben, weil sich die Ablehnung der Erziehungsgeldgewährung für den streitigen Zeitraum im Ergebnis als rechtmäßig erweist, denn die Klägerin erfüllt vor Aushändigung der Aufenthaltserlaubnis nicht die Voraussetzungen der hier noch anzuwendenden und von dem Beklagten wie auch dem SG geprüften Fassung des § 1 BErzGG.
Anzuwendende Fassung des § 1 Abs. 1a S. 1 BErzGG ist hier (mit Blick auf das Geburtsdatum des Kindes), wie unten noch näher dargelegt wird, die des FKPG vom 23.6.1993. Danach war für den Erziehungsgeldanspruch eines Ausländers Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Eine Aufenthaltsbefugnis, wie sie die Klägerin damals besessen hat, reichte damit, anders als noch nach dem BErzGG in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990, nicht mehr aus.
Inzwischen ist auch geklärt, dass die Versuche, den geforderten Aufenthaltstitel aus Gründen des Gemeinschaftsrechts oder des zwischenstaatlichen Rechts als entbehrlich anzusehen, wie sie im Laufe des Verfahrens unternommen und vom SG zutreffend geprüft worden sind, hier nicht weiter führen. Die Entscheidung des EuGH, auf die zunächst gewartet worden war, hilft nicht weiter, weil die Klägerin nicht innerhalb der EG gewandert ist. Das Abkommen mit dem ehemaligen Jugoslawien führt nicht zu einem Anspruch, weil es nur für Kindergeld Geltung hat, nicht aber für Erziehungsgeld. Auch das Vorläufige Europäische Abkommen vom 11.12.1953 kann zur Begründung eines Anspruchs auf Erziehungsgeld nicht herangezogen werden. Es ist zwar weiterhin gültig, bezieht aber ebenfalls das Erziehungsgeld nicht ein (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2004 -B 10 EG 3/04 R).
Allerdings hat das BVerfG zu der den bindend gewordenen wie auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Fassung das BErzGG mit Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 (u.a.) - entschieden, dass sie mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Das bedeutet indes nicht, dass damit wegen Nichtigkeit die Grundlage für die Entscheidung über den Erziehungsgeldanspruch der Klägerin entfallen wäre und die Entscheidungen des Beklagten im Sinne des § 44 SGB X rechtswidrig und aufzuheben wären.
Das BVerfG hat a.a.O. (Randziffern 43 und 44) nämlich weiter ausgeführt:
"Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit. Da dem Gesetzgeber aber im vorliegenden Fall mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Insbesondere kann er im Rahmen einer Neuregelung die Gewährung des Erziehungsgeldes an den Nachweis der Berechtigung zur Aufnahme und Fortführung einer Erwerbstätigkeit knüpfen.
Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1.1.2006 durch eine Neuregelung, ist auf noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren das bis zum 26.6.1993 geltende Recht anzuwenden."
Da der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1.1.2006 ersetzt hat (vgl. Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. 12. 2006), kam es nach der genannten Entscheidung des BVerfG darauf an, ob und inwieweit die Verfahren über den Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bereits bestands - oder rechtskräftig abgeschlossen waren, weil verneinendenfalls das für die Klägerin günstige Recht der Fassung von Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 anzuwenden gewesen wäre.
Im Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG waren jedoch die Verfahren über den Erziehungsgeldanspruch der Klägerin für H für das erste wie auch für das zweite Lebensjahr dieses Kindes bestandskräftig abgeschlossen, sodass weder das BErzGG in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 noch die von der Klägerin für einschlägig gehaltene Günstigkeitsregelung des Abs. 3 der Übergangsvorschrift des § 24 BErzGG Anwendung finden können.
Das Verfahren hinsichtlich des Anspruchs für das zweite Lebensjahr des Kindes H war bestandskräftig abgeschlossen, weil der Bescheid vom 5.3.2001 nicht innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 SGG) angefochten worden ist. Die Klägerin hat sich (möglicherweise in der (zutreffenden) Annahme, der Beklagte werde nach Vorliegen des Urteils des EuGH ohnehin alles neu entscheiden) erstmals mehrere Monate nach Bekanntgabe des Bescheides vom 5.3.2001 wieder an den Beklagten gewandt.
Auch der Bescheid vom 29.12.1999 war bereits bestandkräftig geworden.
Der Wortlaut der von der Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG abgegebenen und oben im Tatbestand wiedergegebenen Erklärung, die Klage werde zurückgenommen, ist nicht weiter interpretierbar oder im Sinne des klägerischen Vortrags umdeutbar. Auch wenn, wie der Klägerin zuzugeben ist, aus dem Wortlaut der Niederschrift der damaligen Sitzung deutlich wird, dass die Klägerin weiterhin Erziehungsgeld in Anspruch nehmen wollte, ist doch gleichwohl nicht zu verkennen, dass die Klägerin dieses Ziel über eine Neubescheidung seitens des Beklagten nach einer Entscheidung durch den EuGH hat erreichen wollen und nicht mehr gerichtlichen Rechtsschutz durch das SG beansprucht hat und deshalb die Rücknahme der Klage erklärt hat und diese auch erklären wollte. Dass eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens durch das SG, wie sie der Beklagte angeregt hatte, sachgerechter gewesen wäre, erlaubt nicht die Umdeutung der Klagerücknahme in eine Zustimmung zum Ruhen.
Durch diese Rücknahme der Klage hat sich gemäß § 102 Satz 2 SGG der damalige sozialgerichtliche Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Der angefochten gewesene Verwaltungsakt vom 29.12.1999 ist dadurch gemäß § 77 SGG in der Sache bindend geworden. Das Verfahren war damit im Sinne der Entscheidung des BVerfG bestandskräftig abgeschlossen. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin schon im Termin vom 29.12.1999 einen Überprüfungsantrag gestellt hatte. Unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X besteht zwar die Möglichkeit, bestandskräftige Verwaltungsakte zu überprüfen. Ein Antrag nach § 44 SGB X lässt aber weder die formelle noch die materielle Bestandskraft/Bindungswirkung entfallen, denn ein solcher Antrag ist die Geltendmachung eines behaupteten Anspruchs auf Zurücknahme eines Verwaltungsaktes, aber schlechthin kein Rechtsbehelf (Abwehranspruch) im Sinne des § 77 SGG ( vgl. BSG, SozR 3-2600 § 93 Nr.8; Humpert in: Jansen, SGG, 2. Aufl. 2005, § 141, Rz. 3).
Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Tatbestand:
Streitig ist im Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Teil (SGB X), ob die Klägerin Anspruch auf Erziehungsgeld für ihr am 00.00.1999 geborenes Kind H für den Zeitraum 15.8.1999 bis 11.12.2000 hat.
Die Klägerin reiste im Januar 1996 aus dem früheren Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seitdem ununterbrochen hier. Zunächst besaß sie eine aufenthaltsrechtliche Gestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Ab 10.08.1999 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis und seit dem 12.12.2000 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Seit dem 16.6.2003 ist sie deutsche Staatsangehörige.
Den Antrag der Klägerin auf Erziehungsgeld für H vom 17.9.1999 lehnte die Erziehungsgeldkasse mit Bescheid vom 29.12.1999 ab, weil sie nicht im Besitz des von § 1 Abs.1 a Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) geforderten Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Widerspruch der Klägerin, die sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention berief, wurde mit Bescheid vom 15.2. 2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der am 18.2.2000 beim Sozialgericht Aachen (SG) erhobenen Klage (S 8 EG 2/00) hat die Klägerin ihr Begehren unter Berufung auf Genfer Konvention, § 51 Ausländergesetz (AuslG) und die Rechtsprechung zum Bundeskindergeldgesetz (BKGG) weiterverfolgt. Im Erörterungstermin vom 12.5.2000 haben die Beteiligten folgende Erklärungen abgegeben:
" Der Ehemann der Klägerin erklärt weiter:
Ich beantrage im Hinblick auf das anhängige Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof (Vorlageentscheidung des BSG B 14 EG 7/97) die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 29.12.1999.
Der Vertreter des Beklagten erklärt:
der Beklagte verpflichtet sich, über diesen Antrag zu entscheiden, sobald die Entscheidung des EuGH ergangen ist.
Der Ehemann der Klägerin erklärt im Einvernehmen mit dieser:
"Wir nehmen die Klage zurück."
Die Klägerin erklärt auf Vorschlag des Vorsitzenden:
Unabhängig hiervon beantrage ich eine Überprüfung der Entscheidung im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 12.4.2000 B 14 KG 2/99 R."
Am 20.12.2000 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das zweite Lebensjahr von H. Der Beklagte bewilligte unter Bezugnahme auf diesen Antrag mit bestandkräftigen Bescheid vom 5.3.2001 Erziehungsgeld ab dem 12.12.2000; die Leistungen würden nicht bereits ab Beginn des 13. Lebensmonats gewährt, weil die Klägerin damals noch nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gewesen sei.
"Auf den Antrag vom 12.5.2000" erteilte der Beklagte unter dem 21.2.2002 einen Bescheid, mit dem er die "Rücknahme des Bescheides vom 5.3.2001" ablehnte. Zur Begründung führte er aus, dass eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 5.3.2001 nicht festgestellt werden könne. Bis zum 11.12.2000 habe die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 des BErzGG nicht erfüllt, da sie nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gewesen sei. Ein Anspruch lasse sich auch nicht aus Europäischem Recht im Sinne der EWG-Verordnung 1408/71 herleiten, da die Klägerin nicht über einen anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland eingereist sei.
Mit der nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 17.2.2003) am 10.3.2003 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin weiterhin Erziehungsgeld für Kind H für den Zeitraum 15.8.1999 bis 11.12.2000 begehrt. Sie hat insbesondere geltend gemacht, dass sie auf Grund des bestehenden Gleichstellungsgebotes so zu behandeln sei, wie deutsche Staatsangehörige und Ausländer, die unstreitig einen Leistungsanspruch hätten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.9.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe für den Zeitraum 15.8.1999 bis 11.12.2000 keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für H.
Nach § 1 Abs. 1 a Satz 1 des BErzGG in der für Geburten bis zum 31.12.2000 anwendbaren Fassung (§ 24 Abs. 1 BErzGG in der Fassung des 3. BErzGG-Änderungsgesetzes) sei für den Anspruch eines Ausländers auf Erziehungsgeld Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. An dem "Besitz" eines derartigen Aufenthaltstitels im streitigen Zeitraum vor dem 12.12.2000 fehle es hier (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-7833, § 1 Nrn. 7, 12, 14). Da die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum unzweifelhaft lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen sei, stehe ihr der geltend gemachte Anspruch daher nach innerstaatlichem Recht nicht zu. Die beanstandete Fassung des § 1 BErzGG sei mit dem Grundgesetz, insbesondere auch mit dem allgemeine Gleichheitsgrundsatzes Artikel 3 zu vereinbaren (BSG SozR 3-7833, § 1 Nr. 16). Sie verstoße auch nicht gegen vorrangiges zwischenstaatliches und überstaatliches Recht.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) durch Urteil vom 11.10.2001 entschieden habe, gelte die Verordnung EWG Nr. 1408/71 auch für Staatenlose und Flüchtlinge, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, sowie deren Familienangehörige; jedoch könnten diese Personen die von der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 gewährten Rechte nicht für sich in Anspruch nehmen, wenn sie sich in einer Situation befänden, die mit keinem Element über die Grenzen des Mitgliedsstaates hinausweise (Urteil des EuGH vom 11.10.2001: Verbundene Rechtssachen C-95/99, C-96/99, C-97/99, C 98/99, C-108/99). Dies sei der Fall, wenn Flüchtlinge - wie vorliegend die Klägerin - unmittelbar aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat eingereist und innerhalb der Gemeinschaft nicht gewandert seien.
Die Klägerin könne auch keinen Anspruch auf Erziehungsgeld aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.9.1974 ableiten. Dieses zwischenstaatliche Abkommen, das weiterhin Anwendung finde (vgl. Urteil des BSG vom 12.04.2000, B 14 KG 3/99 R), beziehe sich nach Artikel 2 Abs. 1 Buchst, d) sachlich nämlich nur auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer. Das Erziehungsgeld werde nicht erfasst.
Schließlich könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf das Vorläufige Europäische Abkommen von 1953 stützen, das bis heute gültig sei und auf Grund des Ratifikationsgesetzes vom 7.5.1956 (BGBI. 1956, S. 507 ff.) unmittelbare Rechtsansprüche begründe. Die Klägerin gehöre zwar zu dem Personenkreis, auf den das Vorläufige Europäische Abkommen Anwendung finde. Sachlich erstrecke sich dieses Abkommen jedoch nicht auf das Erziehungsgeld nach dem BErzGG. Allgemein finde das Abkommen gemäß Artikel 1 Anwendung auf alle Gesetze und Regelungen über soziale Sicherheit, die in jedem Teil des Gebietes der Vertragschließenden am Tage der Unterzeichnung Geltung haben oder in der Folge in Kraft treten und sich u. a. auf Familienbeihilfen(d) beziehen. Bei dem Erziehungsgeld handele es sich jedoch nicht um eine Familienbeihilfe in diesem Sinne. Familienbeihilfen seien regelmäßige Geldleistungen, die ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und ggfs. des Alters der Familienangehörigen gewährt werden. Für den Bezug des deutschen Erziehungsgeldes seien jedoch weitere Voraussetzungen zu erfüllen. So müsse der/die Berechtigte das mit ihm/ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebende Kind selbst betreuen und erziehen und dürfe während dieser Zeit keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 BErzGG a. F.).
Gegen das am 30.9.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2.11.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie zunächst geltend gemacht, sie erfülle den Status eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Konvention. Nach ihrer Auffassung sei das deutsche Erziehungsgeld auch eine Familienbeihilfe im Sinne des Abkommens.
Das Verfahren hat zunächst im Hinblick auf die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.7.2004 zu erwartende gesetzliche Neuregelung des BErzGG beruht.
Die Klägerin steht nun auf dem Standpunkt: Zu ihren Gunsten greife die Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG ein. Denn der Bescheid vom 29.12. 1999 sei nicht bindend geworden. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 12.5.2000 habe sie zuerst Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 29.12. 1999 beantragt und erst anschließend erklärt, die Klage zurückzunehmen. Als damals nicht anwaltlich vertretene Klägerin habe sie im Hinblick auf das zu erwartende Urteil des EuGH nur eine Klageaussetzung gewollt und damit auch beantragt. Nur so machten ihre verschiedenen Erklärungen und Anträge im Erörterungstermin vom 12.5.2000 Sinn. Da keine Klagerücknahme sondern die Fortführung des Klageziels gewollt gewesen sei und somit auch konkludent erklärt worden sei, sei das Protokoll diesbezüglich widersprüchlich, so dass ihm keine erhöhte Beweiskraft dahingehend zu komme, dass eine Klagerücknahme tatsächlich gewollt gewesen sei und stattgefunden habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 24.9.2004 und unter Abänderung bzw. Aufhebung des Bescheides vom 21.2.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2004 sowie unter entsprechender Zurücknahme der Bescheide vom 5.3.2001 und 29.12.1999 das beklagte Land zu verurteilen, ihr Klägerin Erziehungsgeld für ihr Kind H für den Zeitraum vom 15.8.1999 bis 11.12.2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum ursprünglichen Vorbringen der Klägerin verweist er auf das Urteil des BSG vom 23.9.2004 - B 10 EG 3/04 R. Die Rechtslage und die darauf aufbauende Weisungslage seien eindeutig und ließen keinen Raum für eine Entscheidung im Sinne der Klägerin. Selbstverständlich sei die Ausgangsentscheidung bestandskräftig geworden. Der Inhalt des Terminprotokolls lasse keinen anderen Schluss zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Vorprozessakten des SG Aachen S 8 EG 2/00, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide des beklagten Landes sind nicht rechtswidrig. Es hat zutreffend die Zurücknahme seiner bindend gewordenen Bescheide vom 5.3.2001 und (sinngemäß) vom 29.12.1999 gemäß § 44 SGB X abgelehnt. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für H.
Die Klägerin begehrt Erziehungsgeld für das gesamte 1. Lebensjahr sowie für die ersten Monate des 2. Lebensjahres ihres Kindes H. Dazu hat sie den Bescheid des Beklagten vom 21.2.2002 angefochten. Auch wenn dessen Verfügungssatz lautet, dass der Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 5.3.2001 abgelehnt werde und mit dem Bescheid vom 5.3.2001 über den Antrag auf Erziehungsgeld für das 2. Lebensjahr entschieden worden war, ist darin eine Entscheidung des Beklagten auch hinsichtlich einer Zurücknahme des Bescheides von 29.12.1999 und bezüglich des Erziehungsgeldanspruchs für das 1. Lebensjahr zu erblicken, denn hierauf hatten sich der ursprüngliche Überprüfungsantrag und die Überprüfungszusage bezogen und die Begründung des angefochtenen Bescheides verneint einen Anspruchsberechtigung für den gesamten streitigen Zeitraum vor dem 12.12.2000.
Ob richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist oder ob es einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf, mit der der Beklagte verpflichtet werden soll, seinen früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, kann der Senat hier dahin gestellt sein lassen (vgl. dazu einerseits BSG, B 2 U 24/05 R vom 5.9.2006; andererseits BSG (4. Senat) SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19 sowie unveröffentlichtes Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 62/02 R -; BSG (7. Senat) BSGE 76, 156, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; BSG (9. Senat) BSGE 81, 150, 152 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 44 SGB X RdNr 16; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 54 RdNr 20c). Die Klage kann nämlich in jedem Falle keinen Erfolg haben, weil sich die Ablehnung der Erziehungsgeldgewährung für den streitigen Zeitraum im Ergebnis als rechtmäßig erweist, denn die Klägerin erfüllt vor Aushändigung der Aufenthaltserlaubnis nicht die Voraussetzungen der hier noch anzuwendenden und von dem Beklagten wie auch dem SG geprüften Fassung des § 1 BErzGG.
Anzuwendende Fassung des § 1 Abs. 1a S. 1 BErzGG ist hier (mit Blick auf das Geburtsdatum des Kindes), wie unten noch näher dargelegt wird, die des FKPG vom 23.6.1993. Danach war für den Erziehungsgeldanspruch eines Ausländers Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Eine Aufenthaltsbefugnis, wie sie die Klägerin damals besessen hat, reichte damit, anders als noch nach dem BErzGG in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990, nicht mehr aus.
Inzwischen ist auch geklärt, dass die Versuche, den geforderten Aufenthaltstitel aus Gründen des Gemeinschaftsrechts oder des zwischenstaatlichen Rechts als entbehrlich anzusehen, wie sie im Laufe des Verfahrens unternommen und vom SG zutreffend geprüft worden sind, hier nicht weiter führen. Die Entscheidung des EuGH, auf die zunächst gewartet worden war, hilft nicht weiter, weil die Klägerin nicht innerhalb der EG gewandert ist. Das Abkommen mit dem ehemaligen Jugoslawien führt nicht zu einem Anspruch, weil es nur für Kindergeld Geltung hat, nicht aber für Erziehungsgeld. Auch das Vorläufige Europäische Abkommen vom 11.12.1953 kann zur Begründung eines Anspruchs auf Erziehungsgeld nicht herangezogen werden. Es ist zwar weiterhin gültig, bezieht aber ebenfalls das Erziehungsgeld nicht ein (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2004 -B 10 EG 3/04 R).
Allerdings hat das BVerfG zu der den bindend gewordenen wie auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Fassung das BErzGG mit Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 (u.a.) - entschieden, dass sie mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Das bedeutet indes nicht, dass damit wegen Nichtigkeit die Grundlage für die Entscheidung über den Erziehungsgeldanspruch der Klägerin entfallen wäre und die Entscheidungen des Beklagten im Sinne des § 44 SGB X rechtswidrig und aufzuheben wären.
Das BVerfG hat a.a.O. (Randziffern 43 und 44) nämlich weiter ausgeführt:
"Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit. Da dem Gesetzgeber aber im vorliegenden Fall mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Insbesondere kann er im Rahmen einer Neuregelung die Gewährung des Erziehungsgeldes an den Nachweis der Berechtigung zur Aufnahme und Fortführung einer Erwerbstätigkeit knüpfen.
Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1.1.2006 durch eine Neuregelung, ist auf noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren das bis zum 26.6.1993 geltende Recht anzuwenden."
Da der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1.1.2006 ersetzt hat (vgl. Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. 12. 2006), kam es nach der genannten Entscheidung des BVerfG darauf an, ob und inwieweit die Verfahren über den Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bereits bestands - oder rechtskräftig abgeschlossen waren, weil verneinendenfalls das für die Klägerin günstige Recht der Fassung von Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 anzuwenden gewesen wäre.
Im Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG waren jedoch die Verfahren über den Erziehungsgeldanspruch der Klägerin für H für das erste wie auch für das zweite Lebensjahr dieses Kindes bestandskräftig abgeschlossen, sodass weder das BErzGG in der Fassung von Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 noch die von der Klägerin für einschlägig gehaltene Günstigkeitsregelung des Abs. 3 der Übergangsvorschrift des § 24 BErzGG Anwendung finden können.
Das Verfahren hinsichtlich des Anspruchs für das zweite Lebensjahr des Kindes H war bestandskräftig abgeschlossen, weil der Bescheid vom 5.3.2001 nicht innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 SGG) angefochten worden ist. Die Klägerin hat sich (möglicherweise in der (zutreffenden) Annahme, der Beklagte werde nach Vorliegen des Urteils des EuGH ohnehin alles neu entscheiden) erstmals mehrere Monate nach Bekanntgabe des Bescheides vom 5.3.2001 wieder an den Beklagten gewandt.
Auch der Bescheid vom 29.12.1999 war bereits bestandkräftig geworden.
Der Wortlaut der von der Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG abgegebenen und oben im Tatbestand wiedergegebenen Erklärung, die Klage werde zurückgenommen, ist nicht weiter interpretierbar oder im Sinne des klägerischen Vortrags umdeutbar. Auch wenn, wie der Klägerin zuzugeben ist, aus dem Wortlaut der Niederschrift der damaligen Sitzung deutlich wird, dass die Klägerin weiterhin Erziehungsgeld in Anspruch nehmen wollte, ist doch gleichwohl nicht zu verkennen, dass die Klägerin dieses Ziel über eine Neubescheidung seitens des Beklagten nach einer Entscheidung durch den EuGH hat erreichen wollen und nicht mehr gerichtlichen Rechtsschutz durch das SG beansprucht hat und deshalb die Rücknahme der Klage erklärt hat und diese auch erklären wollte. Dass eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens durch das SG, wie sie der Beklagte angeregt hatte, sachgerechter gewesen wäre, erlaubt nicht die Umdeutung der Klagerücknahme in eine Zustimmung zum Ruhen.
Durch diese Rücknahme der Klage hat sich gemäß § 102 Satz 2 SGG der damalige sozialgerichtliche Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Der angefochten gewesene Verwaltungsakt vom 29.12.1999 ist dadurch gemäß § 77 SGG in der Sache bindend geworden. Das Verfahren war damit im Sinne der Entscheidung des BVerfG bestandskräftig abgeschlossen. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin schon im Termin vom 29.12.1999 einen Überprüfungsantrag gestellt hatte. Unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X besteht zwar die Möglichkeit, bestandskräftige Verwaltungsakte zu überprüfen. Ein Antrag nach § 44 SGB X lässt aber weder die formelle noch die materielle Bestandskraft/Bindungswirkung entfallen, denn ein solcher Antrag ist die Geltendmachung eines behaupteten Anspruchs auf Zurücknahme eines Verwaltungsaktes, aber schlechthin kein Rechtsbehelf (Abwehranspruch) im Sinne des § 77 SGG ( vgl. BSG, SozR 3-2600 § 93 Nr.8; Humpert in: Jansen, SGG, 2. Aufl. 2005, § 141, Rz. 3).
Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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