L 19 B 23/07 AL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AL 196/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 23/07 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 24.07.2007 dahin geändert, dass die Beklagte lediglich die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Widerspruchsverfahren trägt.

Gründe:

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen ihre vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers nach abgeschlossenem Klageverfahren (§ 193 Abs. 1 SGG). Am 24.07.2006 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Hierbei legte er eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor, wonach dieser ihn wegen Diebstahlsverdachts gekündigt habe. Der Kläger gab hierzu an, er gehe arbeitsgerichtlich gegen die ausgesprochene Kündigung vor. Mit Schreiben vom 18.08.2006 teilte die Beklagte dem Kläger unter der Überschrift "Zwischenmitteilung zu ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld" mit, sie könne über seinen Antrag nur vorläufig entscheiden, weil sie zu prüfen habe, ob eine Sperrzeit festzusetzen sei. Erhebungen hierzu seien eingeleitet. Er erhalte die beantragte Leistung zunächst ab 13.10.2006. Das Ergebnis des Rechtsstreits mit seinem ehemaligen Arbeitgeber sei abzuwarten. Mit Datum vom 21.08.2006 erließ die Beklagte einen "Bewilligungsbescheid", wonach über einen Anspruch des Klägers Arbeitslosengeld ab 24.07.2006 "wie folgt entschieden" wurde. Der weitere Tenor ist tabellarisch gefasst und enthält zunächst nach der Eintragung des Zeitraums vom 24.07.2006 bis 12.10.2006 die Angabe eines Leistungsbetrages von täglich 0,00 EUR und unter der Überschrift "ggf. Begründung, falls keine Leistung zusteht" die Eintragung "Sperrzeit 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe § 144 (1) Satz 2 Nr. 1 SGB III (21.07.2006 bis 12.10.2006)" und sodann in einer zweiten Zeile nach Angabe des Zeitraumes vom 13.10.2006 bis zum 11.07.2007 die Höhe des Leistungsbetrages von täglich 34,90 EUR. Im Übrigen enthält der insgesamt fünfseitige Bescheid Ausführungen zur Verhaltenspflichten während des Leistungsbezuges und zu den Berechnungsgrundlagen der zuerkannten Leistung. Auf Seite 3 des Bescheides ist unter der Überschrift "Zeiten ohne Leistungen" folgender Hinweis aufgenommen: "Für die Zeit ohne Leistungen (Sperrzeit 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III) vom 21.07.2006 bis 12.10.2006 erhalten Sie noch gesonderte Nachricht von Ihrer Agentur für Arbeit". Gegen diesen Bescheid legte der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch ein und wandte sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hierin führte sie aus, möglicherweise trete vor dem im Bewilligungsbescheid vom 21.08.2006 genannten Zeitpunkt, d.h. im Zeitraum vom 21.07.2006 bis 12.10.2006, eine Sperrzeit ein. Wie bereits im Schreiben vom 18.08.2006 mitgeteilt, habe hierzu noch keine abschließende Entscheidung getroffen werden können, weil die erforderlichen Feststellungen noch nicht abgeschlossen seien. Hierauf sei auf Seite 3 des Bewilligungsbescheides vom 21.08.2006 hingewiesen worden. Insoweit sei die Anspruchsdauer vorläufig festgesetzt und dies im Bewilligungsbescheid mitgeteilt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 17.10.2006 Klage erhoben und sich unter Hinweis auf das noch andauernde Arbeitsgerichtsverfahren erneut gegen die Feststellung einer Sperrzeit gewandt. Nach für den Kläger günstigem Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den bisher als möglich angenommenen Sperrzeitzeitraum und teilte ihm mit Schreiben vom 15.05.2007 mit, ihre Feststellungen hätten ergeben, dass keine Sperrzeit eingetreten sei. Darauf hin hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, die Beklagte zur Übernahme seiner außergerichtlichen Kosten zu verpflichten. Mit Beschluss vom 24.07.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten, weil sie Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe. Nach dem Sinngehalt des Bescheides vom 21.08.2006 aus Empfängersicht habe die Beklagte mit dem Bescheid vom 21.08.2006 eine Sperrzeit vom 24.07. bis 12.10.2006 festgestellt bzw. Leistungen für diesen Zeitraum abgelehnt. Die Beklagte habe weder eine vorläufige Entscheidung getroffen noch sei sie nach § 328 SGB III hierzu berechtigt gewesen. Aus diesem letztgenannten Grunde habe die Beklagte auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klageverfahren zu tragen. Denn die im Widerspruchsbescheid getroffene Entscheidung, für den Zeitraum der möglichen Sperrzeit vorläufig nichts zu bewilligen, habe keine Rechtsgrundlage, insbesondere nicht in § 328 SGB III. Diese Vorschrift berechtige die Beklagte lediglich zu einer Leistungsgewährung trotz noch erforderlicher Klärungen, nicht zu einer vorläufigen Leistungsablehnung. Gegen den ihr am 26.07.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beklagten vom 31.07.2007. Die Beklagte habe weder zur Erhebung des Widerspruches noch der Klage Veranlassung gegeben, da die erlassenen Bescheide und gegebenen Hinweise in nicht zu bezweifelnder Klarheit deutlich gemacht hätten, dass eine Entscheidung über den Leistungsanspruch in der Zeit vom 21.07.2006 bis zum 02.10.2007 im Erlaßzeitpunkt der Bescheide noch nicht habe getroffen werden können. Die Klarstellung ergebe sich aus dem Zusatz auf Seite 3 des Bescheides vom 21.08.2006 sowie dem Begleitschreiben vom 18.08.2007. Ausdrücklich klar gestellt worden sei die Intention der Beklagten dann im Widerspruchsbescheid. Der Kläger schließt sich der Begründung des angefochtenen Beschlusses an. Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 02.08.2007), ist nur im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen zurückzuweisen. Die Beklagte ist nach § 193 Abs. 1 SGG zur Übernahme der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Widerspruchsverfahren, nicht jedoch für das Klageverfahren zu verpflichten. Erledigt sich wie hier der Rechtsstreit anders als durch Urteil, ist gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 SGG über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ( für viele: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, Rdnrn 12, 12a zu § 193 SGG m.w.N.). In der Regel ist es danach gerechtfertigt, dass die Kostenlast nach dem jeweiligen 0bsiegen und Unterliegen verteilt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.0., Rdnr. 12a); zu beachten sind jedoch stets die Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere der Umstand, wer zur Klageerhebung Anlass gegeben hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.0., Rdnr. 12b). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist es hier angemessen, dass die Beklagte die Kosten des Klägers im Vorverfahren trägt, die bei anschließendem Klageverfahren zu dessen außergerichtlichen Kosten i.S. von § 193 SGG zählen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.0., § 193 Rdnr. 5a m.w.N.). Die Beklagte hat zur Einlegung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 21.08.2006 Anlass gegeben, indem sie mit diesem Bescheid aus der maßgeblichen Sicht seines Adressaten (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 531 Rdnr. 26 m.w.N.) den Schein gesetzt hat, sie habe den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III vom 21.07.2006 bis zum 12.10.2006 festgestellt und hierauf beruhend einen Leistungsanspruch des Klägers abgelehnt. Dies folgt aus dem insoweit klaren Wortlaut der tabellarisch gefassten Tenorierung des Bescheides vom 21.08.2006. Der Senat schließt sich der Würdigung im angefochtenen Beschlusses insoweit an (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Gegenteiliges folgt weder aus dem Schreiben vom 18.08.2006 noch aus dem Hinweis auf Seite 3 des Bescheides vom 21.08.2006. Schon der zeitlichen Abfolge der Bescheide vom 18. und 21. August 2006 nach war dem Kläger die Deutung unbenommen, die Beklagte habe entgegen der Zwischenmitteilung vom 18. August 2006 mittlerweile als sie den nachfolgenden Bescheid vom 21.08.2006 erließ die Überzeugung gewonnen, dass eine Sperrzeit festzustellen ist. Der Tenor des Bescheides vom 21.08.2006 lässt sich nicht anders auslegen als dass dem Kläger für den Zeitraum vom 24.07.2006 bis zum 12.10.2006 keine Leistung zustehe. Hieran ändert auch der Hinweis auf Seite 3 des Bescheides nichts. Denn - wie es das Sozialgericht zutreffend ausführt - liegt hierin kein gegenteiliger Verfügungssatz, sondern nur der Hinweis, dass der Kläger bezüglich dieses Zeitraumes noch eine gesonderte Nachricht erhalten werde. In dieser Situation war der Kläger zur Wahrung seiner Interessen gehalten, vor Fristablauf Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.08.2006 einzulegen. Dementsprechend ist die Beklagte zur Übernahme seiner außergerichtlichen Kosten im Widerspruchsverfahren zu verpflichten.

Das gilt jedoch nicht für das Klageverfahren, denn dessen Gegenstand ist nach § 95 SGG "der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat". Mit dem Widerspruchsbescheid vom 09.10.2006 hat die Beklagte aber verständlich dargelegt, dass sie eine Entscheidung über die Leistungsgewährung im möglichen Sperrzeitzeitraum noch nicht getroffen habe, jedoch nach weiteren Feststellungen zu treffen beabsichtige. Damit hat die Beklagte zur Klageerhebung des rechtskundig vertretenen Klägers keine Veranlassung gegeben. Für die Anfechtung einer erkennbar noch nicht getroffenen belastenden Entscheidung fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Das dennoch ergriffene Rechtsmittel ist dann unzulässig (u.a. Beschluss des Senats vom 20.02.2006 - L 19 B 69/05 AL).

Die Beklagte ist daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Klageverfahren zu verpflichten, dass sie eine rechtswidrige, weder durch § 43 SGB I noch durch § 328 SGB III gestützte "vorläufige Leistungsablehnung" erlassen hat. Zuzugeben ist dem Sozialgericht, dass § 328 SGB III der vorläufigen Leistungserbringung dient, nicht der vorläufigen Leistungsablehnung (u.a. Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Juni 2007, § 328 Rdnrn. 1ff; Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 328 Rdnrn. 2ff). Hinsichtlich des möglichen Sperrzeitzeitraumes hat die Beklagte jedoch gerade nicht die vom Sozialgericht angenommene "vorläufige Ablehnungsentscheidung" getroffen, sondern in der nach § 95 SGG für das Klageverfahren alleine maßgeblichen Gestalt, die der Ausgangsbescheid durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, ausdrücklich klargestgellt, dass sie über den Leistungszeitraum seit Antragstellung bis zum Ende der mutmaßlichen Sperrzeit noch nicht entschieden habe. Eine von der Beklagten zu vertretende Veranlassung zur Klageerhebung ist auch nicht unter dem Aspekt einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG gegeben. Denn für die Nichtentscheidung über den möglicherweise von einer Sperrzeit betroffenen Zeitraum hatte die Beklagte solange einen zureichenden Grund i.S. von § 88 Abs. 1 Satz 2 SGG, wie die Tatsachenermittlung des Arbeitsgerichts im Kündigungsschutzprozess noch andauerte. Dies hat auch der anwaltlich vertretene Kläger so gesehen und mit Schreiben vom 22.11.2006 im vorliegenden Rechtsstreit sein Einverständnis mit einem Abwarten des Ergebnisses des Arbeitsgerichtsverfahrens erklärt.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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