Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 VG 164/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 VG 25/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG).
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin absolvierte nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau (1991 bis 1993) ein Betriebswirtschaftsstudium (1993 bis 1998); zugleich machte sie von 1997 bis 1998 eine Programmiererausbildung. Sie übte Aushilfstätigkeiten im kaufmännischen und gewerblichen Bereich sowie eine Interviewtätigkeit für ein Markt- und Sozialforschungsinstitut aus. Seit 1998 ist sie arbeitslos. Ab Juni 1998 bezog sie Sozialhilfe. Seit 1999 bezieht sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Vom 08.02. bis 05.09.1978 befand sie sich mit einer Unterbrechung von 6 Wochen stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Kliniken W. Nach dem dortigen Bericht vom 07.12.1978 litt sie an selektivem Mutismus. Vom 25.03.1985 bis 23.01.1986 wurde sie mit einer einwöchigen Unterbrechung stationär in der Jugendpsychiatrischen Klinik/Zentralinstitut für seelische Gesundheit in N behandelt, wo ebenfalls selektiver Mutismus diagnostiziert wurde. Die Weiterbehandlung vom 27.01.1986 bis zum Behandlungsabbruch am 29.03.1986 erfolgte im Westf. Institut für Jugendpsychiatrie und Heilpädagogik in I. Die dortige Abschlussdiagnose im Bericht vom 21.04.1986 lautete ebenfalls auf selektiven Mutismus (im Rahmen von spezifischen emotionalen Störungen des Kindes- und Jugendalters mit Empfindsamkeit, Scheu und Abkapselung). Schließlich erfolgte noch vom 10.06. bis 18.06.1998 eine stationäre Behandlung der Klägerin in den Rheinischen Kliniken W mit der Entlassungsdiagnose Anpassungsstörung mit vorwiegend emotionaler Symptomatik bei langjährigem, nun akut eskaliertem Familienkonflikt. In einem für den Rentenversicherungsträger der Klägerin im Juli 1999 erstatten Gutachten diagnostizierte der Psychiater L bei der Klägerin eine schwere paranoid-schizoide Persönlichkeitsstörung.
Während des Schulbesuchs der Klägerin in der H-Hauptschule in X spielte der damalige Klassenlehrer im 2. Halbjahr des 8. Schuljahres (1983/1984) ein heimlich durch den Bruder der Klägerin zu Hause aufgenommenes privates Tonband, welches die Mutter der Klägerin dem Lehrer übergeben hatte, vor der Schulklasse ab. Am 10.09.1999 beantragte die Klägerin wegen der Folgen dieses Ereignisses Leistungen nach dem OEG. Sie gab an, bei den Aufnahmen habe es sich um Gespräche zwischen ihr und ihrer Mutter und provozierte Streitereien mit ihrem Bruder gehandelt. Infolge des Ereignisses sowie infolge eines nachfolgenden kollektiven Fehlverhaltens staatlicher Stellen (insbesondere der Mitarbeiter des Jugendamtes X sowie der Schulbehörden) und Mitarbeitern der Psychiatrie, die sämtlich sich einer Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht hätten, sei es bei ihr zu posttraumatischen Belastungsstörungen gekommen.
Der Beklagte lehnte nach Auswertung der Arztberichte über die stationären Aufenthalte der Klägerin in den Jahren 1978 bis 1998, des psychiatrischen Gutachtens des Arztes L sowie der Akten des Geschäftsbereichs Jugend und Soziales, Allgemeiner sozialer Dienst der Stadt X den Antrag ab: Es liege kein schädigender Tatbestand i.S.d. OEG vor. Insoweit mangele es jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal "tätlicher Angriff" i.S.d. § 1 OEG. Die unbefugte Aufnahme und das Abspielen des Tonträgers sei nicht als tätlicher Angriff anzusehen, weil in diesem Verhalten keine unmittelbare, auf die körperliche Unversehrtheit zielende Einwirkung zu sehen sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, mit welchem diese geltend machte, das Vorspielen des Tonbandes erfülle Straftatbestände, zudem sei eine körperliche Berührung oder ein kämpferischer Vorgang für das Vorliegen eines tätlichen Angriffs nicht zwingend erforderlich, wies der Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2000 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Hiergegen richtete sich die am 17.05.2000 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, dass ihre Mutter dem Klassenlehrer zu keiner Zeit erlaubt gehabt habe, das Tonband an andere weiterzugeben oder vor anderen abzuspielen. Der Vorfall habe auch erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bei ihr hervorgerufen, nachdem sie deswegen während ihres darauf folgenden Schulbesuchs ständig imitiert und gehänselt worden und dem Gelächter und Gespött der gesamten Schule preisgegeben gewesen sei. Sie habe zeitweise trotz massiver Drohungen von Seiten der Schule und der Eltern nebst insbesondere einer körperlichen Züchtigung durch ihren Vater den Schulbesuch verweigert und für ca. 8 Monate ihr Zimmer nicht verlassen. Sie habe praktisch keinerlei Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt. Die Tat habe ihre Persönlichkeit und ihr Selbstbewusstsein völlig zerstört. Zudem habe es später in der Schule noch eine Vielzahl weiterer Ereignisse gegeben, welche sämtlich unter den Begriff des pathogenen Förderns zu fassen seien, und auf die nicht weiter einzugehen sei, denn der Tonbandvorführung durch den Klassenlehrer komme eine überragende Bedeutung zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2000 zu verurteilen, im Hinblick auf die durch ihren damaligen Klassenlehrer im Rahmen des Unterrichts begangenen Straftaten Beschädigtenversorgung nach dem OEG i.V.m. BVG zu gewähren hilfsweise, das Verfahren ruhend zu stellen, bis das Klageverfahren gegen den Gemeindeunfallversicherungsverband abgeschlossen ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids bezogen.
Das SG hat nach Beiziehung der Akten des Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes und Auswertung insbesondere eines dortigen Zusammenhangsgutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C vom 28.09.2000, welcher einen Einfluss der abgespielten Tonbandaufnahme auf die Symptomatik bzw. den Verlauf der schon 1978 ausgesprochen gravierenden psychischen Störung der Klägerin nicht erkennen konnte, mit Urteil vom 31.07.2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Vorspielen des Tonbands durch den Klassenlehrer vor der gesamten Klasse stelle zwar einen Straftatbestand im Sinne des § 201 Strafgesetzbuch (StGB) dar, nicht jedoch einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG. Ein solcher liege nicht bereits dann vor, wenn durch bestimmte Verhaltensweisen einer Person, die sich auf das seelische Wohlbefinden des Betreffenden ungünstig auswirkten, später als Folge gesundheitliche Störungen sich entwickelten. Vielmehr müsse die Handlung des Täters unmittelbar auf den Körper eines anderen einwirken. Wie das BSG in einer Entscheidung vom 14.02.2001 (B 9 VG 4/00 R in SozR 3-2800 § 1 Nr. 18) zutreffend ausgeführt habe, entschädige das OEG nicht jeden von einem beliebigen Unglücksfall Betroffenen und auch nicht ausnahmslos die Opfer von Straftaten. Entschädigt würden vielmehr nur Betroffene einer mit Gewaltanwendung verbundenen Straftat. Es genüge nicht, dass das Opfer der Straftat hierdurch in seinen sozialen Beziehungen angegriffen und in seinem Ansehen herabgesetzt worden sei. Aus der Rechtsprechung des BSG zur Opferentschädigung bei sexuellem Missbrauch von Kindern (Urteile vom 18.10.1995 - 9 RVG 4/93 - in SozR 3-2800 § 1 Nr. 6 und 9 RVG 7/93 in SozR 3-2800 § 1 Nr. 7) lasse sich nichts Gegenteiliges herleiten. In den dortigen Fallgestaltungen sei die körperliche Integrität der Kinder durch die Missbrauchshandlungen unmittelbar verletzt worden.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 04.09.2002 zugestellte Urteil am 26.09.2002 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Mit Schreiben vom 20.05.2006 erweitert sie zudem ihre bisherige Sachverhaltsdarstellung: Die aus der Tonbandvorführung resultierende Schulverweigerung ihrerseits habe mittelbar zur Folge gehabt, dass ihr Vater sie mit dem Ziel der Züchtigung versucht habe, im Beisein ihrer Mutter sowie anderer Verwandter "totzuschlagen". Diese Misshandlung hätte zur Folge gehabt, dass ihr Gesicht und insbesondere ihre Augen am nächsten Morgen durchweg schwarz aufgequollen gewesen seien und sie wegen der Folgen der Misshandlung zunächst für eine Woche in der Schule krank gemeldet gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2002 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2000 zu verurteilen, ihr wegen der durch ihren ehemaligen Klassenlehrer im Rahmen des regulären Schulunterrichts begangenen Straftaten und daraus resultierenden Folgeschäden sowie der Tätlichkeit ihres Vaters im Jahre 1984 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil im Wesentlichen für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen sowie durch persönliche Einvernahme des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. C1, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des St. B-Krankenhauses C. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine schwere paranoid-schizoide Persönlichkeitsstörung mit narzistischen und querulatorischen Persönlichkeitszügen diagnostiziert. Er hat ausgeführt, diese Gesundheitsstörungen seien nicht auf das von der Klägerin behauptete Ereignis im 2. Halbjahr des 8. Schuljahres 1983/1984 zurückzuführen und hätten sich unabhängig von schädigenden Einwirkungen entwickelt. Auch die körperliche Misshandlung durch den Vater im Jahr 1984 habe ihre psycho-pathologische Entwicklung nicht richtungweisend verändert. Insgesamt sei festzustellen, dass die Vorerkrankung der Klägerin als schädigungsfremder Kausalfaktor so überwiege, dass sie als die in Wahrheit allein bedeutsame und wesentliche Ursache des Erfolgs angesehen werden müsse; sie sei der absolut dominante Faktor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten des Beklagten und der vom Senat beigezogenen Rentenakten der DRV Bund sowie der Stadt X Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keine Ansprüche nach dem OEG.
Nach dessen § 1 Abs. 1 erhält derjenige auf Antrag Versorgung, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Klägerin ist durch das von ihr als Angriff im Sinne des OEG angeschuldigte Ereignis des Vorführens der Tonbandaufnahme durch den Klassenlehrer 1983/84 nicht Opfer eines tätlichen Angriffs gewesen.
Für das Vorliegen eines tätlichen Angriffs ist es insoweit erforderlich, dass eine in strafbarer Weise unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung festgestellt werden kann (vgl. Urteil des BSG vom 14.02.2001, a.a.O. m.w.N.). Insofern ist es zwar nicht nötig, dass der Täter nennenswerte Kraft aufwenden muss, um einen Widerstand seines Opfers zu überwinden. Vielmehr genügt es, wenn in strafbarer Weise die körperliche Integrität eines anderen rechtswidrig verletzt wurde. Dementsprechend ist vom BSG in den Fällen des ohne körperliche Gewaltanwendung begangenen sexuellen Missbrauchs von Kindern in den von der Klägerin in Bezug genommenen Fällen ein tätlichen Angriff angenommen worden, weil den Opfern die Einwilligung zur Tat durch Täuschung entlockt wurde bzw. es den Opfern aus sonstigen Gründen an der Fähigkeit mangelte, Bedeutung und Tragweise ihrer Einwilligung zu erkennen (Urteile des BSG vom 18.10.1995 a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin lassen sich die dort entschiedenen Fälle jedoch mit dem Vorliegenden nicht vergleichen. Es ist jeweils zu einer unmittelbaren Einwirkung auf den Körper der Opfer durch den sexuellen Missbrauch gekommen, auch wenn dieser nicht mit einer Gewaltanwendung im herkömmlichen Sinne verbunden war. Zumindest das Element der unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielenden Einwirkung muss aber für das Vorliegen eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG weiterhin verlangt werden. Insoweit hat das BSG entschieden, dass Vorgänge des gesellschaftlichen Lebens, welche das Opfer verbal und nonverbal in seinem Ansehen, seiner Ehre, seiner gesellschaftlichen Reputation und seiner Selbstachtung attackieren und verletzen auch dann nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs fallen, wenn das hierdurch missachtete, herabgesetzte, sozial ausgegrenzte und oder gar geächtete Opfer psychisch erkrankt. Der erkennende Senat schließt sich dieser Wertung des BSG (vgl. Urteil vom 14.02.2001, a.a.O.) an. Danach werden durch das OEG nur die Opfer von Gewalttaten entschädigt, nicht hingegen sämtliche anderen aus dem Gesellschaftsleben folgenden Verletzungsrisiken abgedeckt.
Das von der Klägerin als schädigendes Ereignis angeschuldigte Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme erfüllt zwar möglicherweise die Voraussetzungen des Straftatbestandes des § 201 StGB. Nach dessen Abs. 1 wird mit Freiheitsstrafe bzw. Geldstrafe bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Hingegen ist es zweifelhaft, ob auch die Voraussetzungen der Straftatbestände der §§ 171 und 225 (bis 1998) bzw. 223b StGB erfüllt sind. Hiernach wird derjenige bestraft, der seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen (§ 171 StGB bzw. bis 1998 § 170 d StGB). Nach § 225 (bzw. bis 1998 § 223b StGB) wird bestraft, wer eine Person unter 18 Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, 2. seinem Hausstand angehört, 3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder 4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, quält oder roh misshandelt oder durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt. Jedenfalls scheidet eine Körperverletzung nach § 223 StGB, wonach derjenige bestraft wird, der eine Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, aus. Auch wenn das Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme aber den Strafttatbestand des § 201 StGB erfüllt und die Klägerin möglicherweise zudem in ihrem Ansehen gegenüber der Klasse und in ihrer Ehre verletzt hat, so vermag dies Entschädigungsansprüche nach dem OEG nicht zu begründen. Wie bereits ausgeführt, umfasst der Schutzbereich des OEG nicht sämtliche Verletzungen von Rechtsgütern wie die Ehre, sondern entschädigt nur Gesundheitsschäden aufgrund tätlicher Angriffe, wobei Leitbild des Gesetzgebers die Opfer von Gewalttaten waren. Ein solcher tätlicher Angriff kann nach allem das Abspielen einer heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme nicht sein. Dementsprechend hat bereits das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einer Entscheidung vom 06.04.2005 (L 5 VG 8/03) die Vorführung eines heimlich gefertigten Videofilms, mit welchem sexuelle Missbrauchshandlungen gefilmt worden waren, nicht als tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG gewertet.
Hingegen dürfte eine erstmals im Berufungsverfahren als schädigendes Ereignis geltend gemachte Tätlichkeit des Vaters im Jahr 1984 wohl den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB, möglicherweise auch die Tatbestände der §§ 171 und 225 StGB erfüllen. Der Senat lässt es dahinstehen, ob es zu dieser Tätlichkeit in dem von der Klägerin geschilderten Umfang gekommen ist. Auch kann dahinstehen, ob eine etwaige Tat durch das 1984 noch bestehende körperliche Züchtigungsrecht der Eltern (§§ 1626, 1631 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - in der seinerzeitigen Fassung) gerechtfertigt war. Dieser Vorfall, so er denn stattgefunden hat, hat jedenfalls keine gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG verursacht, wie noch dargestellt wird.
Soweit die Klägerin neben dem Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme sowie den angeblichen Tätlichkeiten ihres Vaters als weitere schädigende Ereignisse das Verhalten und die Maßnahmen von Behörden und behandelnden Ärzte, vornehmlich des psychiatrischen Fachgebietes, anschuldigt, sind die entsprechenden Vorwürfe zu pauschal, als dass sie einer Prüfung nach dem OEG unterzogen werden können. Konkrete Ereignisse, die einen von einer Person bzw. mehreren Personen ausgehenden rechtswidrigen tätlichen Angriff beinhalten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Zudem enthalten ihre zahlreichen und umfangreichen Schreiben und Schriftsätze eine Vielzahl von pauschalen Vorwürfen und Anschuldigungen, denen der Senat nicht die Bedeutung des Vortrags eines konkreten weiteren schädigenden Ereignisses im Sinne des OEG beimisst. Zudem gibt es auch insoweit keinen Anhaltspunkt dafür, dass solche Maßnahmen bei der Klägerin eine gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG hervorgerufen haben.
Die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG sind jedenfalls nicht erfüllt. Der Senat hat nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen, insbesondere den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. C1 sowie den im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Feststellungen des im Unfallversicherungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. C, die Überzeugung gewonnen, dass die bei der Klägerin zweifelsfrei vorliegende Erkrankung in Gestalt zumindest einer schweren paranoid-schizoiden Persönlichkeitsstörung, wenn nicht einer paranoiden Schizophrenie, nicht ursächlich durch einen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG verursacht wurde, sondern vielmehr in der bei der Klägerin vorbestehenden Erkrankung des selektiven Mutismus begründet ist. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass als rechtserheblich und damit als wesentlich im Sinne des Versorgungsrechts nur solche Ursachen anzusehen sind, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben; sonstige Kausalreihen sind als Ursache auszuscheiden. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg wesentlich beigetragen, so sind sie rechtlich gleichwertig nebeneinander stehende Mitursachen nur dann, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind. Kommt einer der Kausalreihen gegenüber der anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist diese allein Ursache im Rechtssinn. Die Wesentlichkeit der schädigungsbedingten Kausalität wird immer dann verdrängt und ausgeschlossen, wenn die schädigungsfremden Kausalfaktoren bei der gebotenen Wertung so eindeutig überwiegen, dass sie als die in Wahrheit allein bedeutsame und damit auch rechtlich allein wesentliche Ursache des Erfolgs angesehen werden müssen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17.05.2000 - L 10 (6) VS 72/96 - m.w.N.).
Die paranoid-schizoide Persönlichkeitsstörung der Klägerin wurde kausal durch die vorbestehende Erkrankung auf psychischem Gebiet hervorgerufen. Die diesem Kausalfaktor, der Vorerkrankung, zugrundeliegenden Tatsachen sind erwiesen. Die Klägerin befand sich insbesondere, wie vom Sachverständigen in seiner persönlichen Anhörung durch den Senat nochmal hervorgehoben wurde, bereits vor dem hauptsächlich angeschuldigten schädigenden Ereignis, dem Vorspielen der heimlich aufgenommenen Tondbandaufnahme, in einer langandauernden stationären psychiatrischen Behandlung, nämlich in der Behandlung des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Rheinischen Kliniken W in der Zeit vom 08.02. bis 05.09.1978 (mit einer Unterbrechung von 6 Wochen). Dort wurde eine psychiatrische Erkrankung, der selektive Mutismus, diagnostiziert. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. C1 sowie der im Rentenverfahren gehörte Sachverständige Dr. C haben ausgeführt, dass die Klägerin bereits seit ihrem 8. bzw. 9. Lebensjahr an einer schweren psychischen Erkrankung leidet. Zwar hat es auch nach dem angeschuldigten schädigenden Ereignis länger andauernde stationäre psychiatrische Behandlungen der Klägerin gegeben. Diese stellen sich jedoch als Fortsetzung der bereits 1978 begonnenen Behandlung dar. Sie belegen nur, dass die Klägerin weiterhin an der schon 1978 bestehenden Erkrankung litt.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen in ihrer intellektuellen Entwicklung keinen Schaden genommen hatte und zunächst erfolgreich eine Berufsausbildung und ein Studium absolvierte, widerlegen die Tatsache der schweren psychischen Erkrankung bereits in der Zeit vor dem Abspielen der Tonbandaufnahme nicht. Insoweit hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. C1 in seiner Anhörung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass die überdurchschnittliche intellektuelle Entwicklung der Klägerin nichts über ihre schwerwiegende psychische Erkrankung schon von früher Kindheit an besagt. Der Senat hat keine Veranlassung, dies zu bezweifeln, zumal die Klägerin sich geweigert hat, sich einer erneuten Untersuchung durch einen anderen Sachverständigen zu unterziehen.
Alle Sachverständigen in den unterschiedlichen Verfahren, insbesondere der vom Senat gehörte Sachverständige Priv.-Doz. Dr. C1 und der im Unfallversicherungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. C haben die Auffassung vertreten, dass der nachgewiesene schädigungsfremde Kausalfaktor der Vorerkrankung den Erfolg (Primärschaden) wesentlich verursacht hat. Der Senat stellt insoweit fest, dass insbesondere das angeschuldigte schädigende Ereignis des Vorspielens der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme allenfalls den Rang einer Marginalie einnimmt und ohne Relevanz für die Kausalität ist.
Zu keinem anderen Ergebnis führt die Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB XI) 2005 (AHP). Nach deren Ziffer 71 kommen durch psychische Traumen bedingte Störungen sowohl nach lang dauernden psychischen Belastungen (z.B. in Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) als auch nach relativ kurz dauernden Belastungen (z.B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfangs der Belastungen ist nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben (Abs. 1 Ziffer 71 AHP). Auch diese Kriterien sind nicht erfüllt. Es liegt schon kein Ereignis vor, welches den beschriebenen Belastungen vergleichbar ist. Dies gilt insbesondere für das Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme. Dieses als relativ kurz andauernde Belastung anzusehende Ereignis ist den Verhältnissen, die ein Opfer einer Geiselnahme oder einer Vergewaltigung belasten, nicht vergleichbar. Entsprechendes gilt für die körperliche Züchtigung durch den Vater der Klägerin. Auch möglicherweise lang andauernde Belastungen durch die von der Klägerin angeschuldigten Maßnahmen staatlicher Stellen sowie medizinische Einrichtungen sind, soweit dies bei dem pauschalen Vorbringen der Klägerin überhaupt geprüft werden kann, den Belastungen einer Kriegsgefangenschaft nicht vergleichbar. Dies entspricht der Wertung des Psychiaters L in dem von ihm für den Rentenversicherungsträger erstatteten Gutachten, wonach die bei der Klägerin vorliegende schwere Krankheit unzweifelhaft nicht traumatischer Natur sei. Auch der im Unfallversicherungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. C hat angenommen, das die Erkrankung der Klägerin ihrer Art nach persönlichkeitsbedingt ist und durch Ereignisse wie das Abspielen eines Tonbandes nicht wesentlich beeinflusst wird. Dem entspricht die Gesamtwertung des vom Senat gehörten Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. C1.
Die Berufung konnte nach alldem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG).
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin absolvierte nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau (1991 bis 1993) ein Betriebswirtschaftsstudium (1993 bis 1998); zugleich machte sie von 1997 bis 1998 eine Programmiererausbildung. Sie übte Aushilfstätigkeiten im kaufmännischen und gewerblichen Bereich sowie eine Interviewtätigkeit für ein Markt- und Sozialforschungsinstitut aus. Seit 1998 ist sie arbeitslos. Ab Juni 1998 bezog sie Sozialhilfe. Seit 1999 bezieht sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Vom 08.02. bis 05.09.1978 befand sie sich mit einer Unterbrechung von 6 Wochen stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Kliniken W. Nach dem dortigen Bericht vom 07.12.1978 litt sie an selektivem Mutismus. Vom 25.03.1985 bis 23.01.1986 wurde sie mit einer einwöchigen Unterbrechung stationär in der Jugendpsychiatrischen Klinik/Zentralinstitut für seelische Gesundheit in N behandelt, wo ebenfalls selektiver Mutismus diagnostiziert wurde. Die Weiterbehandlung vom 27.01.1986 bis zum Behandlungsabbruch am 29.03.1986 erfolgte im Westf. Institut für Jugendpsychiatrie und Heilpädagogik in I. Die dortige Abschlussdiagnose im Bericht vom 21.04.1986 lautete ebenfalls auf selektiven Mutismus (im Rahmen von spezifischen emotionalen Störungen des Kindes- und Jugendalters mit Empfindsamkeit, Scheu und Abkapselung). Schließlich erfolgte noch vom 10.06. bis 18.06.1998 eine stationäre Behandlung der Klägerin in den Rheinischen Kliniken W mit der Entlassungsdiagnose Anpassungsstörung mit vorwiegend emotionaler Symptomatik bei langjährigem, nun akut eskaliertem Familienkonflikt. In einem für den Rentenversicherungsträger der Klägerin im Juli 1999 erstatten Gutachten diagnostizierte der Psychiater L bei der Klägerin eine schwere paranoid-schizoide Persönlichkeitsstörung.
Während des Schulbesuchs der Klägerin in der H-Hauptschule in X spielte der damalige Klassenlehrer im 2. Halbjahr des 8. Schuljahres (1983/1984) ein heimlich durch den Bruder der Klägerin zu Hause aufgenommenes privates Tonband, welches die Mutter der Klägerin dem Lehrer übergeben hatte, vor der Schulklasse ab. Am 10.09.1999 beantragte die Klägerin wegen der Folgen dieses Ereignisses Leistungen nach dem OEG. Sie gab an, bei den Aufnahmen habe es sich um Gespräche zwischen ihr und ihrer Mutter und provozierte Streitereien mit ihrem Bruder gehandelt. Infolge des Ereignisses sowie infolge eines nachfolgenden kollektiven Fehlverhaltens staatlicher Stellen (insbesondere der Mitarbeiter des Jugendamtes X sowie der Schulbehörden) und Mitarbeitern der Psychiatrie, die sämtlich sich einer Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht hätten, sei es bei ihr zu posttraumatischen Belastungsstörungen gekommen.
Der Beklagte lehnte nach Auswertung der Arztberichte über die stationären Aufenthalte der Klägerin in den Jahren 1978 bis 1998, des psychiatrischen Gutachtens des Arztes L sowie der Akten des Geschäftsbereichs Jugend und Soziales, Allgemeiner sozialer Dienst der Stadt X den Antrag ab: Es liege kein schädigender Tatbestand i.S.d. OEG vor. Insoweit mangele es jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal "tätlicher Angriff" i.S.d. § 1 OEG. Die unbefugte Aufnahme und das Abspielen des Tonträgers sei nicht als tätlicher Angriff anzusehen, weil in diesem Verhalten keine unmittelbare, auf die körperliche Unversehrtheit zielende Einwirkung zu sehen sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin, mit welchem diese geltend machte, das Vorspielen des Tonbandes erfülle Straftatbestände, zudem sei eine körperliche Berührung oder ein kämpferischer Vorgang für das Vorliegen eines tätlichen Angriffs nicht zwingend erforderlich, wies der Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2000 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Hiergegen richtete sich die am 17.05.2000 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, dass ihre Mutter dem Klassenlehrer zu keiner Zeit erlaubt gehabt habe, das Tonband an andere weiterzugeben oder vor anderen abzuspielen. Der Vorfall habe auch erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bei ihr hervorgerufen, nachdem sie deswegen während ihres darauf folgenden Schulbesuchs ständig imitiert und gehänselt worden und dem Gelächter und Gespött der gesamten Schule preisgegeben gewesen sei. Sie habe zeitweise trotz massiver Drohungen von Seiten der Schule und der Eltern nebst insbesondere einer körperlichen Züchtigung durch ihren Vater den Schulbesuch verweigert und für ca. 8 Monate ihr Zimmer nicht verlassen. Sie habe praktisch keinerlei Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt. Die Tat habe ihre Persönlichkeit und ihr Selbstbewusstsein völlig zerstört. Zudem habe es später in der Schule noch eine Vielzahl weiterer Ereignisse gegeben, welche sämtlich unter den Begriff des pathogenen Förderns zu fassen seien, und auf die nicht weiter einzugehen sei, denn der Tonbandvorführung durch den Klassenlehrer komme eine überragende Bedeutung zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2000 zu verurteilen, im Hinblick auf die durch ihren damaligen Klassenlehrer im Rahmen des Unterrichts begangenen Straftaten Beschädigtenversorgung nach dem OEG i.V.m. BVG zu gewähren hilfsweise, das Verfahren ruhend zu stellen, bis das Klageverfahren gegen den Gemeindeunfallversicherungsverband abgeschlossen ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids bezogen.
Das SG hat nach Beiziehung der Akten des Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes und Auswertung insbesondere eines dortigen Zusammenhangsgutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C vom 28.09.2000, welcher einen Einfluss der abgespielten Tonbandaufnahme auf die Symptomatik bzw. den Verlauf der schon 1978 ausgesprochen gravierenden psychischen Störung der Klägerin nicht erkennen konnte, mit Urteil vom 31.07.2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Vorspielen des Tonbands durch den Klassenlehrer vor der gesamten Klasse stelle zwar einen Straftatbestand im Sinne des § 201 Strafgesetzbuch (StGB) dar, nicht jedoch einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG. Ein solcher liege nicht bereits dann vor, wenn durch bestimmte Verhaltensweisen einer Person, die sich auf das seelische Wohlbefinden des Betreffenden ungünstig auswirkten, später als Folge gesundheitliche Störungen sich entwickelten. Vielmehr müsse die Handlung des Täters unmittelbar auf den Körper eines anderen einwirken. Wie das BSG in einer Entscheidung vom 14.02.2001 (B 9 VG 4/00 R in SozR 3-2800 § 1 Nr. 18) zutreffend ausgeführt habe, entschädige das OEG nicht jeden von einem beliebigen Unglücksfall Betroffenen und auch nicht ausnahmslos die Opfer von Straftaten. Entschädigt würden vielmehr nur Betroffene einer mit Gewaltanwendung verbundenen Straftat. Es genüge nicht, dass das Opfer der Straftat hierdurch in seinen sozialen Beziehungen angegriffen und in seinem Ansehen herabgesetzt worden sei. Aus der Rechtsprechung des BSG zur Opferentschädigung bei sexuellem Missbrauch von Kindern (Urteile vom 18.10.1995 - 9 RVG 4/93 - in SozR 3-2800 § 1 Nr. 6 und 9 RVG 7/93 in SozR 3-2800 § 1 Nr. 7) lasse sich nichts Gegenteiliges herleiten. In den dortigen Fallgestaltungen sei die körperliche Integrität der Kinder durch die Missbrauchshandlungen unmittelbar verletzt worden.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 04.09.2002 zugestellte Urteil am 26.09.2002 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Mit Schreiben vom 20.05.2006 erweitert sie zudem ihre bisherige Sachverhaltsdarstellung: Die aus der Tonbandvorführung resultierende Schulverweigerung ihrerseits habe mittelbar zur Folge gehabt, dass ihr Vater sie mit dem Ziel der Züchtigung versucht habe, im Beisein ihrer Mutter sowie anderer Verwandter "totzuschlagen". Diese Misshandlung hätte zur Folge gehabt, dass ihr Gesicht und insbesondere ihre Augen am nächsten Morgen durchweg schwarz aufgequollen gewesen seien und sie wegen der Folgen der Misshandlung zunächst für eine Woche in der Schule krank gemeldet gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.07.2002 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2000 zu verurteilen, ihr wegen der durch ihren ehemaligen Klassenlehrer im Rahmen des regulären Schulunterrichts begangenen Straftaten und daraus resultierenden Folgeschäden sowie der Tätlichkeit ihres Vaters im Jahre 1984 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil im Wesentlichen für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen sowie durch persönliche Einvernahme des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. C1, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des St. B-Krankenhauses C. Der Sachverständige hat bei der Klägerin eine schwere paranoid-schizoide Persönlichkeitsstörung mit narzistischen und querulatorischen Persönlichkeitszügen diagnostiziert. Er hat ausgeführt, diese Gesundheitsstörungen seien nicht auf das von der Klägerin behauptete Ereignis im 2. Halbjahr des 8. Schuljahres 1983/1984 zurückzuführen und hätten sich unabhängig von schädigenden Einwirkungen entwickelt. Auch die körperliche Misshandlung durch den Vater im Jahr 1984 habe ihre psycho-pathologische Entwicklung nicht richtungweisend verändert. Insgesamt sei festzustellen, dass die Vorerkrankung der Klägerin als schädigungsfremder Kausalfaktor so überwiege, dass sie als die in Wahrheit allein bedeutsame und wesentliche Ursache des Erfolgs angesehen werden müsse; sie sei der absolut dominante Faktor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten des Beklagten und der vom Senat beigezogenen Rentenakten der DRV Bund sowie der Stadt X Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keine Ansprüche nach dem OEG.
Nach dessen § 1 Abs. 1 erhält derjenige auf Antrag Versorgung, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Klägerin ist durch das von ihr als Angriff im Sinne des OEG angeschuldigte Ereignis des Vorführens der Tonbandaufnahme durch den Klassenlehrer 1983/84 nicht Opfer eines tätlichen Angriffs gewesen.
Für das Vorliegen eines tätlichen Angriffs ist es insoweit erforderlich, dass eine in strafbarer Weise unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung festgestellt werden kann (vgl. Urteil des BSG vom 14.02.2001, a.a.O. m.w.N.). Insofern ist es zwar nicht nötig, dass der Täter nennenswerte Kraft aufwenden muss, um einen Widerstand seines Opfers zu überwinden. Vielmehr genügt es, wenn in strafbarer Weise die körperliche Integrität eines anderen rechtswidrig verletzt wurde. Dementsprechend ist vom BSG in den Fällen des ohne körperliche Gewaltanwendung begangenen sexuellen Missbrauchs von Kindern in den von der Klägerin in Bezug genommenen Fällen ein tätlichen Angriff angenommen worden, weil den Opfern die Einwilligung zur Tat durch Täuschung entlockt wurde bzw. es den Opfern aus sonstigen Gründen an der Fähigkeit mangelte, Bedeutung und Tragweise ihrer Einwilligung zu erkennen (Urteile des BSG vom 18.10.1995 a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin lassen sich die dort entschiedenen Fälle jedoch mit dem Vorliegenden nicht vergleichen. Es ist jeweils zu einer unmittelbaren Einwirkung auf den Körper der Opfer durch den sexuellen Missbrauch gekommen, auch wenn dieser nicht mit einer Gewaltanwendung im herkömmlichen Sinne verbunden war. Zumindest das Element der unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielenden Einwirkung muss aber für das Vorliegen eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG weiterhin verlangt werden. Insoweit hat das BSG entschieden, dass Vorgänge des gesellschaftlichen Lebens, welche das Opfer verbal und nonverbal in seinem Ansehen, seiner Ehre, seiner gesellschaftlichen Reputation und seiner Selbstachtung attackieren und verletzen auch dann nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs fallen, wenn das hierdurch missachtete, herabgesetzte, sozial ausgegrenzte und oder gar geächtete Opfer psychisch erkrankt. Der erkennende Senat schließt sich dieser Wertung des BSG (vgl. Urteil vom 14.02.2001, a.a.O.) an. Danach werden durch das OEG nur die Opfer von Gewalttaten entschädigt, nicht hingegen sämtliche anderen aus dem Gesellschaftsleben folgenden Verletzungsrisiken abgedeckt.
Das von der Klägerin als schädigendes Ereignis angeschuldigte Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme erfüllt zwar möglicherweise die Voraussetzungen des Straftatbestandes des § 201 StGB. Nach dessen Abs. 1 wird mit Freiheitsstrafe bzw. Geldstrafe bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Hingegen ist es zweifelhaft, ob auch die Voraussetzungen der Straftatbestände der §§ 171 und 225 (bis 1998) bzw. 223b StGB erfüllt sind. Hiernach wird derjenige bestraft, der seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen (§ 171 StGB bzw. bis 1998 § 170 d StGB). Nach § 225 (bzw. bis 1998 § 223b StGB) wird bestraft, wer eine Person unter 18 Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, 2. seinem Hausstand angehört, 3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder 4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, quält oder roh misshandelt oder durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt. Jedenfalls scheidet eine Körperverletzung nach § 223 StGB, wonach derjenige bestraft wird, der eine Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, aus. Auch wenn das Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme aber den Strafttatbestand des § 201 StGB erfüllt und die Klägerin möglicherweise zudem in ihrem Ansehen gegenüber der Klasse und in ihrer Ehre verletzt hat, so vermag dies Entschädigungsansprüche nach dem OEG nicht zu begründen. Wie bereits ausgeführt, umfasst der Schutzbereich des OEG nicht sämtliche Verletzungen von Rechtsgütern wie die Ehre, sondern entschädigt nur Gesundheitsschäden aufgrund tätlicher Angriffe, wobei Leitbild des Gesetzgebers die Opfer von Gewalttaten waren. Ein solcher tätlicher Angriff kann nach allem das Abspielen einer heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme nicht sein. Dementsprechend hat bereits das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einer Entscheidung vom 06.04.2005 (L 5 VG 8/03) die Vorführung eines heimlich gefertigten Videofilms, mit welchem sexuelle Missbrauchshandlungen gefilmt worden waren, nicht als tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG gewertet.
Hingegen dürfte eine erstmals im Berufungsverfahren als schädigendes Ereignis geltend gemachte Tätlichkeit des Vaters im Jahr 1984 wohl den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB, möglicherweise auch die Tatbestände der §§ 171 und 225 StGB erfüllen. Der Senat lässt es dahinstehen, ob es zu dieser Tätlichkeit in dem von der Klägerin geschilderten Umfang gekommen ist. Auch kann dahinstehen, ob eine etwaige Tat durch das 1984 noch bestehende körperliche Züchtigungsrecht der Eltern (§§ 1626, 1631 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - in der seinerzeitigen Fassung) gerechtfertigt war. Dieser Vorfall, so er denn stattgefunden hat, hat jedenfalls keine gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG verursacht, wie noch dargestellt wird.
Soweit die Klägerin neben dem Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme sowie den angeblichen Tätlichkeiten ihres Vaters als weitere schädigende Ereignisse das Verhalten und die Maßnahmen von Behörden und behandelnden Ärzte, vornehmlich des psychiatrischen Fachgebietes, anschuldigt, sind die entsprechenden Vorwürfe zu pauschal, als dass sie einer Prüfung nach dem OEG unterzogen werden können. Konkrete Ereignisse, die einen von einer Person bzw. mehreren Personen ausgehenden rechtswidrigen tätlichen Angriff beinhalten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Zudem enthalten ihre zahlreichen und umfangreichen Schreiben und Schriftsätze eine Vielzahl von pauschalen Vorwürfen und Anschuldigungen, denen der Senat nicht die Bedeutung des Vortrags eines konkreten weiteren schädigenden Ereignisses im Sinne des OEG beimisst. Zudem gibt es auch insoweit keinen Anhaltspunkt dafür, dass solche Maßnahmen bei der Klägerin eine gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG hervorgerufen haben.
Die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG sind jedenfalls nicht erfüllt. Der Senat hat nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen, insbesondere den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. C1 sowie den im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Feststellungen des im Unfallversicherungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. C, die Überzeugung gewonnen, dass die bei der Klägerin zweifelsfrei vorliegende Erkrankung in Gestalt zumindest einer schweren paranoid-schizoiden Persönlichkeitsstörung, wenn nicht einer paranoiden Schizophrenie, nicht ursächlich durch einen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG verursacht wurde, sondern vielmehr in der bei der Klägerin vorbestehenden Erkrankung des selektiven Mutismus begründet ist. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass als rechtserheblich und damit als wesentlich im Sinne des Versorgungsrechts nur solche Ursachen anzusehen sind, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben; sonstige Kausalreihen sind als Ursache auszuscheiden. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg wesentlich beigetragen, so sind sie rechtlich gleichwertig nebeneinander stehende Mitursachen nur dann, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind. Kommt einer der Kausalreihen gegenüber der anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist diese allein Ursache im Rechtssinn. Die Wesentlichkeit der schädigungsbedingten Kausalität wird immer dann verdrängt und ausgeschlossen, wenn die schädigungsfremden Kausalfaktoren bei der gebotenen Wertung so eindeutig überwiegen, dass sie als die in Wahrheit allein bedeutsame und damit auch rechtlich allein wesentliche Ursache des Erfolgs angesehen werden müssen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17.05.2000 - L 10 (6) VS 72/96 - m.w.N.).
Die paranoid-schizoide Persönlichkeitsstörung der Klägerin wurde kausal durch die vorbestehende Erkrankung auf psychischem Gebiet hervorgerufen. Die diesem Kausalfaktor, der Vorerkrankung, zugrundeliegenden Tatsachen sind erwiesen. Die Klägerin befand sich insbesondere, wie vom Sachverständigen in seiner persönlichen Anhörung durch den Senat nochmal hervorgehoben wurde, bereits vor dem hauptsächlich angeschuldigten schädigenden Ereignis, dem Vorspielen der heimlich aufgenommenen Tondbandaufnahme, in einer langandauernden stationären psychiatrischen Behandlung, nämlich in der Behandlung des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Rheinischen Kliniken W in der Zeit vom 08.02. bis 05.09.1978 (mit einer Unterbrechung von 6 Wochen). Dort wurde eine psychiatrische Erkrankung, der selektive Mutismus, diagnostiziert. Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. C1 sowie der im Rentenverfahren gehörte Sachverständige Dr. C haben ausgeführt, dass die Klägerin bereits seit ihrem 8. bzw. 9. Lebensjahr an einer schweren psychischen Erkrankung leidet. Zwar hat es auch nach dem angeschuldigten schädigenden Ereignis länger andauernde stationäre psychiatrische Behandlungen der Klägerin gegeben. Diese stellen sich jedoch als Fortsetzung der bereits 1978 begonnenen Behandlung dar. Sie belegen nur, dass die Klägerin weiterhin an der schon 1978 bestehenden Erkrankung litt.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen in ihrer intellektuellen Entwicklung keinen Schaden genommen hatte und zunächst erfolgreich eine Berufsausbildung und ein Studium absolvierte, widerlegen die Tatsache der schweren psychischen Erkrankung bereits in der Zeit vor dem Abspielen der Tonbandaufnahme nicht. Insoweit hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. C1 in seiner Anhörung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass die überdurchschnittliche intellektuelle Entwicklung der Klägerin nichts über ihre schwerwiegende psychische Erkrankung schon von früher Kindheit an besagt. Der Senat hat keine Veranlassung, dies zu bezweifeln, zumal die Klägerin sich geweigert hat, sich einer erneuten Untersuchung durch einen anderen Sachverständigen zu unterziehen.
Alle Sachverständigen in den unterschiedlichen Verfahren, insbesondere der vom Senat gehörte Sachverständige Priv.-Doz. Dr. C1 und der im Unfallversicherungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. C haben die Auffassung vertreten, dass der nachgewiesene schädigungsfremde Kausalfaktor der Vorerkrankung den Erfolg (Primärschaden) wesentlich verursacht hat. Der Senat stellt insoweit fest, dass insbesondere das angeschuldigte schädigende Ereignis des Vorspielens der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme allenfalls den Rang einer Marginalie einnimmt und ohne Relevanz für die Kausalität ist.
Zu keinem anderen Ergebnis führt die Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB XI) 2005 (AHP). Nach deren Ziffer 71 kommen durch psychische Traumen bedingte Störungen sowohl nach lang dauernden psychischen Belastungen (z.B. in Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) als auch nach relativ kurz dauernden Belastungen (z.B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfangs der Belastungen ist nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben (Abs. 1 Ziffer 71 AHP). Auch diese Kriterien sind nicht erfüllt. Es liegt schon kein Ereignis vor, welches den beschriebenen Belastungen vergleichbar ist. Dies gilt insbesondere für das Abspielen der heimlich aufgenommenen Tonbandaufnahme. Dieses als relativ kurz andauernde Belastung anzusehende Ereignis ist den Verhältnissen, die ein Opfer einer Geiselnahme oder einer Vergewaltigung belasten, nicht vergleichbar. Entsprechendes gilt für die körperliche Züchtigung durch den Vater der Klägerin. Auch möglicherweise lang andauernde Belastungen durch die von der Klägerin angeschuldigten Maßnahmen staatlicher Stellen sowie medizinische Einrichtungen sind, soweit dies bei dem pauschalen Vorbringen der Klägerin überhaupt geprüft werden kann, den Belastungen einer Kriegsgefangenschaft nicht vergleichbar. Dies entspricht der Wertung des Psychiaters L in dem von ihm für den Rentenversicherungsträger erstatteten Gutachten, wonach die bei der Klägerin vorliegende schwere Krankheit unzweifelhaft nicht traumatischer Natur sei. Auch der im Unfallversicherungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. C hat angenommen, das die Erkrankung der Klägerin ihrer Art nach persönlichkeitsbedingt ist und durch Ereignisse wie das Abspielen eines Tonbandes nicht wesentlich beeinflusst wird. Dem entspricht die Gesamtwertung des vom Senat gehörten Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. C1.
Die Berufung konnte nach alldem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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