L 11 KA 108/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 279/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 108/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.08.2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höheres Honorar für in den Quartalen 1/03, 2/03, 4/03 und 1/04 erbrachte vertragsärztliche Leistungen.

Die aus drei Fachärzten für Anästhesiologie bestehende Klägerin wandte sich mit ihren Widersprüchen gegen die entsprechenden Honorarbescheide mit der Begründung, durch die Quotierung ihrer Fachgruppe auf zwischen 73,63 % und 78,13 % werde ein Teil der erbrachten ärztlichen Leistungen nicht honoriert. Die ungünstige Quotierung beruhe wahrscheinlich darauf, dass das Wachstum ihrer jungen Fachgruppe bei der Festlegung der Fachgruppentöpfe nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Sie fordere eine Nachvergütung auf der Basis von 5,11 Cent pro Punkt.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2004 zurück.

Mit Ihrer Klage vom 21.12.2004 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie wende sich weder gegen das Individualbudget noch die anerkannte Punkteanforderung, sondern dagegen, dass die anerkannten Punkte nicht ausgezahlt würden. Die Beklagte habe es versäumt, die Größe des Fachgruppentopfes dem Wachstum der Fachgruppe anzupassen. In den streitigen Quartalen hätten die Fachgruppenquoten der Anästhesisten weit unter denen der anderen Fachgruppen gelegen. Bei der Topfbildung sei nicht berücksichtigt worden, dass die Fachgruppe der Anästhesisten inhomogen sei; es verstoße gegen die Honorarverteilungsgerechtigkeit, eine solche Gruppe zu einem Honorartopf zusammenzuschließen. Auch sei das Fehlen einer Dynamisierungsregelung zu beanstanden. Eine Dynamisierung sei zuletzt im Quartal 1/98 durchgeführt worden. Die Anzahl der Anästhesisten hätte im Quartal 2/98 bei 201 und im Quartal 2/99 bei 248 gelegen. Vor Inkrafttreten der Bedarfsplanung für Anästhesisten am 16.05.1999 hätte sich somit ein ¼ der bis dahin bestehenden Fachgruppe zusätzlich niedergelassen; der Topf sei aber unverändert geblieben. Die Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Beklagten sei in den streitigen Quartale abgelaufen gewesen. Die ab dem Quartal 3/04 eingeführte Stützungsregelung, nach der einzugreifen sei, wenn die Quote des Durchschnitts aller Fachgruppen 10% über der betroffenen Fachgruppe liege, hätte bereits früher eingeführt werden müssen. Die Auszahlungsquote für Anästhesisten sei zwangsläufig wegen der von der Beklagten veranlassten Zunahme ambulanter Operationen und dadurch induzierte Anästhesieleistungen gesunken; der Arztgruppentopf Anästhesie sei nicht an die dadurch gesteigerte Leistungsmenge angepasst worden. Da die Verpflichtung bestehe, Überweisungen entgegenzunehmen, habe für Anästhesisten keine Möglichkeit bestanden, eine angebotsinduzierte Mengenausweitung abzuwehren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei diese Leistungsausweitung durch die ambulanten Operateure und dann in der Folge in der Fachgruppe der Anästhesisten medizinisch gerechtfertigt und deswegen bedarfsbedingt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale 1/03, 2/03, 4/03 und 1/04 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2004 zu verurteilen, über ihr Honorar für die vorgenannten Quartale unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung hat keine Verpflichtung bestanden, in den Quartalen nach 1/98 eine weitere Arztzahldynamisierung durchzuführen. Der Anstieg der Arztzahlen bei den Anästhesisten beruhe auf der 1999 auch umgesetzten Ankündigung im Vorjahr, dass auch die Fachgruppe der Anästhesisten zukünftig eine bedarfsbeplante Fachgruppe sein werde. Bereits aufgrund der Ankündigung hätten viele Anästhesisten Sorge gehabt, sich nicht mehr ohne Rücksicht auf die Bedarfsplanung niederlassen zu können, und hätten deshalb vermehrt Zulassungsanträge gestellt. Demzufolge sei weder die Morbidität noch eine vermehrte Leistungserbringung in anderen Fachgruppen der Grund für die Veränderung der Arztzahl der Anästhesisten.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 30.08.2006 abgewiesen: Ein Anspruch der Klägerin auf Neuberechnung ihres vertragsärztlichen Honorars ergebe sich weder aus dem Gebot der Angemessenheit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 72 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nach Artikel 12 und 3 Grundgesetz (GG). Die auf § 85 Abs. 4 SGB V beruhende Verteilung der Gesamtvergütungen nach dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten sei rechtmäßig und werde auch von der Klägerin dem Grunde nach nicht angegriffen. Eine Anpassung des Honorartopfes der Anästhesisten an die Entwicklung der Zahl der Leistungserbringer in der Fachgruppe könne die Klägerin nicht verlangen. Zweck der Bildung von Honorartöpfen sei, dass die in § 85 Abs. 3 bis 3c SGB V normierten Obergrenzen für Erhöhungen der Gesamtvergütungen sich in den verschiedenen Arztgruppen gleichmäßig auswirkten und nicht die Anteile einzelner Arztgruppen an den Gesamtvergütungen verringert würden, weil andere Gruppen durch Mengenausweitungen ihre Anteile absicherten oder sogar vergrößerten. Diesem Ziel widerspräche es, wenn die Erhöhung der Arztzahl einer Fachgruppe unabhängig davon, ob damit eine bedarfsbedingte Ausweitung der Leistungsmenge einhergehe, eine Steigerung ihres Honorarvolumens zu Lasten anderer nach sich zöge. Dies liefe auf die Anerkennung angebotsinduzierter, sich je nach Arztzahl ändernder Honorarvolumina hinaus und stünde mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht in Einklang. Dahin stehen könne, ob eine medizinisch gerechtfertigte Änderung des Leistungsgeschehens, nämlich eine Zunahme der Leistungsanforderungen aufgrund der Anreize für ambulante Operationen, zu dem Anstieg der Arztzahlen der Anästhesisten geführt habe. Denn nicht jede Veränderung führe zu der Verpflichtung, die Honorarverteilung neu zu strukturieren. Kein Vertragsarzt habe Anspruch auf Vergütung seiner Leistungen mit einem bestimmten Punktwert, also weder darauf, dass sie mit dem gleichen Punktwert wie Grundleistungen oder ebenso wie die Leistungen anderer Ärzte vergütet würden. Ein Anspruch auf höheres Honorar bzw. eine Honorarstützung unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Vergütung bestehe erst, wenn in einem Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr bestehe, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei. Dies sei aber im Fachbereich Anästhesiologie weder vorgetragen noch ersichtlich.

Gegenüber dem am 06.11.2006 zugestellten Urteil hat die Klägerin mit ihrer Berufung vom geltend gemacht, dass die Fachgruppenquoten der Anästhesisten mit Abstand die schlechtesten gewesen seien; die Beklagte habe die Korridorregelung mit Ausgleich bei Unter- bzw. Überschreiten von 10% der Fachgruppenquoten abgeschafft und dann wieder eingeführt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.08.2006 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat eine Übersicht der Fachgruppenquoten für die Quartale 1/03 bis 1/04 sowie über die Arztzahlen und den Leistungsbedarf der Anästhesisten ab 03/99 vorgelegt. Sie ist der Auffassung, dass allein die Zunahme der Arztzahl keine Verpflichtung zur Anpassung der Honorarkontingente nach sich ziehe. Eine Regelung zum Ausgleich von Fachgruppenquoten bei Über- bzw. Unterschreitung sei mit Wirkung ab 2/05 im Honorarverteilungsvertrag vereinbart worden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Honorarbescheide für die Quartale 1/03, 2/03, 4/03 und 1/04 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres vertragsärztliches Honorar.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin weder aus dem Gebot der Angemessenheit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen noch aus dem auf Artikel 12 und 3 GG beruhenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit einen Anspruch auf höheres Honorar herleiten kann. Zur Begründung nimmt der Senat auf das Urteil des SG vom 30.08.2006 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:

1. Dem Vortrag der Klägerin, der Honorartopf für Anästhesisten sei bereits von Anfang inhomogen und u.a. auch deshalb zu gering bemessen, ist schon deshalb nicht nachzugehen, weil vor den vorliegend streitigen Quartalen der Honorartopf, also der Anteil an der Gesamtvergütung, geändert wurde, und zwar mit Wirkung für die Quartale ab 1/00, 3/01 und 1/03. Im Übrigen besteht aber auch kein Anhaltspunkt für das Vorbringen der Klägerin. Ausweislich der von der Beklagten quartalsweise veröffentlichen Übersichten über Punktwerte/Quoten der Fachgruppen, die dem Individualbudget unterliegen, lag die Quote für Anästhesisten 1999 und 2000 regelhaft deutlich über 80 %, im Quartal 4/99 sogar über 90%. Dies spricht gegen einen von Anfang zu gering bemessenen Honorartopf.

2. Ebenfalls entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist der Honorartopf für Anästhesisten zumindest zu den Quartalen 3/01 und 1/03 von dem sich vor dem Hintergrund der Aufgliederung der vertragsärztlichen Versorgung in haus- und fachärztlicher Versorgung (vgl. § 73 SGB V) zum Quartal 1/00 mit 2,3679 % festgelegten Anteil an der Gesamtvergütung auf 2,7889 % bzw. 2,8166 % erhöht worden. Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte zu diesen Änderungen überhaupt verpflichtet war, entfällt damit der von der Klägerin erhobene Vorwurf, die Beklagte habe eine ihr obliegende Beobachtungs- und Reaktionspflicht verletzt.

Das SG hat bereits zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch des Vertragsarztes auf Vergütung seiner Leistungen mit einem bestimmten, insbesondere mit einem für alle Arztgruppen identischen Punktwert nicht und ein Anspruch auf höheres Honorar bzw. Honorarstützung unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Vergütung nur in näher dargelegten Ausnahmefällen besteht. Umso mehr kann der Vertragsarzt auch mit dem pauschalen Vorbringen kein Gehör finden, eine perspektivisch in die Zukunft gerichtete Anpassung des Honorartopfs sei zu niedrig erfolgt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Anforderung von anästhesistischen Leistungen vom Quartal 3/01 bis zum Quartal 4/02, also dem Zeitraum, der von der Erhöhung des Honorartopfs zum Quartal 3/01 erfasst wird, im Vergleich zu dem vorherigen Zeitraum 1/00 bis 2/01 noch nicht einmal um 6 % gestiegen und somit überhaupt schon fraglich ist, ob die Beklagte zum Quartal 1/03 überhaupt zu einer Erhöhung des Honorartopfes verpflichtet war. Die Frage, ob diese Steigerung der Leistungsanforderung zudem auf eine überhaupt nur relevante, medizinisch gerechtfertigte Änderung des Leistungsgeschehens zurückzuführen ist, kann angesichts dessen zurückstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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