Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 138/07 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 254/07 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.10.2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe von Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der am 00.00.1900 geborene Kläger wurde im April 1954 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Von April 1957 bis Juni 1960 sowie ab Februar 1961 bis zur Abkehr am 15.02.1963 wurde er unter Tage als Gedingeschlepper und Hauer beschäftigt. Ab März 1963 arbeitete er bei der Firma Adam Opel in Bochum. Im Mai 1998 erkrankte er arbeitsunfähig mit Anspruch auf Lohnfortzahlung bis 18.06.1998. Am 08.04.1999 endete das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Adam Opel. Am 15.06.1998 hatte der Kläger bei Ardeno-Bronchialkarzinom eine Thorakotomie rechts mit Tumorteilresektion hinzunehmen. Das Ardeno-Karzinom wurde als Primärtumor identifiziert. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich eine silikotische Narbe. Aus der Anschlussheilbehandlung wurde er mit der Maßgabe entlassen, aufgrund seiner Erkrankung keinen äußerlichen Wettereinflüssen, Kälte, Zugluft oder Feuchtigkeit ausgesetzt zu werden. Zudem war die Inhalation von Rauch, Staub und Dämpfen jeglicher Art zu vermeiden. Eine Arbeitsplatzumsetzung wurde mittelfristig dringend empfohlen. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit der Nr. 4101 der BKV (BK 4101) an (Bescheid vom 11.11.1999). Sie entschädigte diese wegen der Folgen der operativen Entfernung der silikotischen Schwiele am 15.06.1998 ab 08.04.1999 mit Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. (Bescheid vom 11.04.2002). Am 24.02.2005 erkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Leistung nach § 3 Abs 2 BKV im Hinblick insbesondere auf die BK Nr. 4112 der Anlage zur BKV an. Die Beklagte führte dieses Anerkenntnis aus und ermittelte den ausgleichspflichtigen wirtschaftlichen Nachteil des Klägers. Die Firma Opel teilte mit, der Kläger sei nach der Lohngruppe G als Koordinator Werkslogistik entlohnt worden. Ihm sei neben Weihnachtsgeld für Dezember 1998 und Dezember 1999 im April 1999 ein tariflicher Einmalbetrag sowie März 2002 Leistungen wegen Verbesserungsvorschlägen gezahlt worden. Nach der Steuerklasse IV sei vom 01.01.1998 bis 30.04.1999, nach Steuerklasse V vom 01.05.1999 bis zum 31.12.2001 und nach der Steuerklasse III ab 01.01.2002 abgerechnet worden. Sie übersandte Aufstellungen über tarifliche Nettolöhne entsprechend der Einstufung des Klägers ab Juni 1998 bis Mai 2003 sowie Sonderzuwendungen und die Zeit von Mai 1999 bis Mai 2003 an den Kläger geleisteten Betriebsrenten. Die Deutsche Rentenversicherung - Knappschaft-Bahn-See übermittelte die Höhe der dem Kläger ab 20.08.1998 wegen Erwerbsunfähigkeit gezahlten Renten.
Mit Bescheid vom 19.07.2005 berechnete die Beklagte Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV. Der Kläger habe seine gefährdende Tätigkeit am 07.05.1998 aufgegeben und sei nach Arbeitsunfähigkeit mit Rentenbezug aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Die Übergangsleistung werde für die Dauer von 5 Jahren gezahlt und betrage im ersten Jahr 5/5, im zweiten 4/5, im dritten 3/5, im vierten 2/5 und im fünften Jahr 1/5 des Minderverdienstes. Die Laufzeit der Übergangsleistung beginne am 07.05.1998 und ende mit Ablauf des fünften Jahres am 06.05.2003. Als Einkommen nach der Tätigkeitsaufgabe sei anzurechnen das im Rahmen der Arbeitsunfähigkeit vom 07.05.1998 bis 07.04.1999 gezahlte Kranken- bzw. Verletztengeld, die vom 08.04.1999 angezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und die seit dem 01.05.1999 gezahlte Betriebsrente. Der monatliche Minderverdienst sei anhand des mutmaßlichen Nettolohnes eines Koordinators Werkslogistik in der Lohngruppe G im Zeitraum vom 01.06.1998 bis 31.05.2000 errechnet worden. Dabei sei zugunsten des Klägers bis zum 31.12.2001 die Steuerklasse IV und vom 01.01.2002 an die Steuerklasse III zugrunde gelegt worden. Für die Zeit vom 07.05.1998 bis 18.06.1998 und vom 01.05.1999 bis 06.05.2000 sei durch die Entgeltfortzahlung bzw. die Höhe der gesetzlichen und betrieblichen Rentenleistungen ein Minderverdienst und damit ein Anspruch auf Übergangsleistungen nicht entstanden. Hinweise, die für ein Abgehen von der Staffelung der Übergangsleistung sprechen würden, hätten sich im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht ergeben. Die Beklagte errechnete einen Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 07.05.1998 bis 06.05.2003 in Höhe von 4.892,47 EUR. Sie zahlte diesen Betrag an den Kläger aus. Zur Begründung des gegen den Bescheid 19.07.2005 erhobenen Widerspruchs, führte der Kläger aus, dass Gründe für die Staffelung der Übergangsleistungen nach Fünfteln nicht zu erkennen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2007 wurde Widerspruch zurückgewiesen. Die nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgte Staffelung entspreche dem Sinn der Übergangsleistung, den Kläger schrittweise an die neuen, durch die Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit bedingten Verhältnisse zu gewöhnen und ihm den Übergang durch die stufenweise verringerten Übergangsleistungen zu erleichtern. Besondere Umstände, die ein Abgehen von diesem Grundsatz erforderten, seien nicht ersichtlich.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Er hat die Auffassung vorgetragen, die schematische Staffelung fände im Gesetz keine Stütze.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der bezeichneten Bescheide zu verurteilen, von Kürzungen der Übergangsleistungen Abstand zu nehmen und diese voll auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit Urteil vom 05.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist den Begründungen der angefochtenen Bescheide gefolgt. Die im Rahmen ihres Ermessens vorgenommene Staffelung durch die Beklagte stehe im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen. Er vertritt die Auffassung, § 2 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sei außer Acht gelassen worden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung/Aufhebung des am 05.10.2007 verkündeten Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen nach den Anträgen aus der ersten Instanz zu erkennen, d.h. ungekürzte Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKV aus dem Gesichtspunkt der Berufskrankheit 4112 zu zahlen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob die Feststellung der Höhe der gewährten Übergangsleistung rechtmäßig, insbesondere hinreichend begründet ist. Nur insoweit hat der Kläger den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 19.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2007 angefochten. Nur darüber hat das SG entschieden.
Nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten zum Ausgleich der durch die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von 5 Jahren, gewährt (§ 3 Abs 2 Satz 2 BKV). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs 2 BKV gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (BSG, Urteil vom 04.12.2001, B 2 U 6/01 R mwN). Gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Träger der Unfallversicherung bei dieser Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen. Die Gesichtspunkte, von denen er bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist, müssen in der Begründung der Entscheidung erkennbar werden (§ 35 Abs 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - in Verbindung mit dessen Sätzen 1 und 2).
Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 19.07.2005 und insbesondere in ihrem Widerspruchsbescheid vom 10.04.2007 eine eingehende Begründung für die zeitliche Länge und die von ihr gewählte Staffelung der Übergangsleistung gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte damit in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise entschieden hat (vgl. § 54 Abs 2 Satz 2 SGG und § 39 Abs 1 Satz 1 SGB I). Bei der Übergangsleistung gemäß § 3 BKV handelt es um einen echten Schadenersatzanspruch, der jedoch nicht auf den Ersatz des dem Versicherten danach verbliebenen vollen Schadens im Sinne der sogenannten Naturalrestitution zielt. § 3 Abs 2 Satz 2 BKV setzt insoweit Obergrenzen für die Übergangsleistung fest, die keineswegs ausgeschöpft werden müssen und die selbst bei voller Ausschöpfung nicht immer den vollen wirtschaftlichen Schaden des Versicherten ersetzen können. § 3 Abs 2 BKV bezweckt keinen vollständigen Schadensausgleich, sondern soll dem Versicherten - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - bei der Festigung seiner sich nach der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wandelnden wirtschaftlichen Situation stützen und wenn es unvermeintlich erscheint, ihm einen allmählichen Übergang auf das nun niedrigere wirtschaftliche Niveau verschaffen (BSG, Urteil vom 04.12.2001, B 2 U 6/01 R). Davon ausgehend ergibt sich - im Rahmen der der richterlichen Kontrolle unterworfenen Ermessensentscheidung der Beklagten (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG) -, dass die Beklagte von ihrem Ermessen zweckentsprechend Gebrauch gemacht hat. Wie der Begründung der angefochtenen Bescheide zu entnehmen ist, hat die Beklagte sich von der Überzeugung leiten lassen, dass die Übergangsleistung den Verdienstausfall ausgleichen soll. Diesen hat sie, ohne dass insoweit Fehler erkennbar oder von dem Kläger auch nur behauptet wären, Jahr für Jahr berechnet. Die von der Beklagten vorgenommene Staffelung der Übergangsleistung trägt einerseits den neuen wirtschaftlichen Lage des Klägers Rechnung und gewährleistet andererseits den allmählichen Übergang auf ein niedrigeres wirtschaftliches Niveau. Die Beklagte hat ferner, nach entsprechender Prüfung, verneint, dass besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichung von dieser Regelung rechfertigen könnten. Insoweit lässt die Beklagte auch zutreffend außer Betracht, dass bei dem Kläger, nach dem ursprünglichen Bezug von Lohnfortzahlung und Krankengeld, die Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit zu einem niedrigerem Einkommen geführt haben. Denn das Nettoeinkommen eines Arbeitnehmers sinkt nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis bei Bezug von Lohnersatzleistungen generell ab, so dass dies nicht als besonderer Umstand berücksichtigt werden muss (BSG, aaO.).
Diesem Ergebnis steht § 2 Abs 2 SGB I nicht entgegen. Nach § 2 Abs 2 SGB I sind die "nachfolgenden sozialen Rechte" bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB I bis SGB XII) und bei der Ausübung des Ermessens zu beachten; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Der Sozialleistungsträger ist demnach gehalten, Ansprüche zur Entstehung zu bringen bzw. es zu unterlassen, potentielle Ansprüche zu vereiteln (vgl. Seewald in Kassler Kommentar, § 2 SGB I Rdn. 11 f). § 2 Abs 2 SGB gewährt dem Versicherten hingegen keinen Anspruch auf eine höchstmögliche finanzielle Ausstattung seiner - wie hier - dem Grunde nach anerkannten - Leistungsansprüche. Dem steht im vorliegenden Fall zudem - wie gezeigt - entgegen, dass es durchaus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs 2 BKV entspricht, dass der Versicherte finanzielle Abstriche an seiner Einkommensentwicklung hinnehmen muss. Diesem Grundgedanken hat die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden Rechnung getragen, ohne dass die Leistung dem Kläger völlig versagt worden ist. Dementsprechend ist ausreichend sichergestellt worden, dass seine sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe von Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der am 00.00.1900 geborene Kläger wurde im April 1954 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Von April 1957 bis Juni 1960 sowie ab Februar 1961 bis zur Abkehr am 15.02.1963 wurde er unter Tage als Gedingeschlepper und Hauer beschäftigt. Ab März 1963 arbeitete er bei der Firma Adam Opel in Bochum. Im Mai 1998 erkrankte er arbeitsunfähig mit Anspruch auf Lohnfortzahlung bis 18.06.1998. Am 08.04.1999 endete das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Adam Opel. Am 15.06.1998 hatte der Kläger bei Ardeno-Bronchialkarzinom eine Thorakotomie rechts mit Tumorteilresektion hinzunehmen. Das Ardeno-Karzinom wurde als Primärtumor identifiziert. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich eine silikotische Narbe. Aus der Anschlussheilbehandlung wurde er mit der Maßgabe entlassen, aufgrund seiner Erkrankung keinen äußerlichen Wettereinflüssen, Kälte, Zugluft oder Feuchtigkeit ausgesetzt zu werden. Zudem war die Inhalation von Rauch, Staub und Dämpfen jeglicher Art zu vermeiden. Eine Arbeitsplatzumsetzung wurde mittelfristig dringend empfohlen. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit der Nr. 4101 der BKV (BK 4101) an (Bescheid vom 11.11.1999). Sie entschädigte diese wegen der Folgen der operativen Entfernung der silikotischen Schwiele am 15.06.1998 ab 08.04.1999 mit Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. (Bescheid vom 11.04.2002). Am 24.02.2005 erkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Leistung nach § 3 Abs 2 BKV im Hinblick insbesondere auf die BK Nr. 4112 der Anlage zur BKV an. Die Beklagte führte dieses Anerkenntnis aus und ermittelte den ausgleichspflichtigen wirtschaftlichen Nachteil des Klägers. Die Firma Opel teilte mit, der Kläger sei nach der Lohngruppe G als Koordinator Werkslogistik entlohnt worden. Ihm sei neben Weihnachtsgeld für Dezember 1998 und Dezember 1999 im April 1999 ein tariflicher Einmalbetrag sowie März 2002 Leistungen wegen Verbesserungsvorschlägen gezahlt worden. Nach der Steuerklasse IV sei vom 01.01.1998 bis 30.04.1999, nach Steuerklasse V vom 01.05.1999 bis zum 31.12.2001 und nach der Steuerklasse III ab 01.01.2002 abgerechnet worden. Sie übersandte Aufstellungen über tarifliche Nettolöhne entsprechend der Einstufung des Klägers ab Juni 1998 bis Mai 2003 sowie Sonderzuwendungen und die Zeit von Mai 1999 bis Mai 2003 an den Kläger geleisteten Betriebsrenten. Die Deutsche Rentenversicherung - Knappschaft-Bahn-See übermittelte die Höhe der dem Kläger ab 20.08.1998 wegen Erwerbsunfähigkeit gezahlten Renten.
Mit Bescheid vom 19.07.2005 berechnete die Beklagte Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV. Der Kläger habe seine gefährdende Tätigkeit am 07.05.1998 aufgegeben und sei nach Arbeitsunfähigkeit mit Rentenbezug aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Die Übergangsleistung werde für die Dauer von 5 Jahren gezahlt und betrage im ersten Jahr 5/5, im zweiten 4/5, im dritten 3/5, im vierten 2/5 und im fünften Jahr 1/5 des Minderverdienstes. Die Laufzeit der Übergangsleistung beginne am 07.05.1998 und ende mit Ablauf des fünften Jahres am 06.05.2003. Als Einkommen nach der Tätigkeitsaufgabe sei anzurechnen das im Rahmen der Arbeitsunfähigkeit vom 07.05.1998 bis 07.04.1999 gezahlte Kranken- bzw. Verletztengeld, die vom 08.04.1999 angezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und die seit dem 01.05.1999 gezahlte Betriebsrente. Der monatliche Minderverdienst sei anhand des mutmaßlichen Nettolohnes eines Koordinators Werkslogistik in der Lohngruppe G im Zeitraum vom 01.06.1998 bis 31.05.2000 errechnet worden. Dabei sei zugunsten des Klägers bis zum 31.12.2001 die Steuerklasse IV und vom 01.01.2002 an die Steuerklasse III zugrunde gelegt worden. Für die Zeit vom 07.05.1998 bis 18.06.1998 und vom 01.05.1999 bis 06.05.2000 sei durch die Entgeltfortzahlung bzw. die Höhe der gesetzlichen und betrieblichen Rentenleistungen ein Minderverdienst und damit ein Anspruch auf Übergangsleistungen nicht entstanden. Hinweise, die für ein Abgehen von der Staffelung der Übergangsleistung sprechen würden, hätten sich im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht ergeben. Die Beklagte errechnete einen Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 07.05.1998 bis 06.05.2003 in Höhe von 4.892,47 EUR. Sie zahlte diesen Betrag an den Kläger aus. Zur Begründung des gegen den Bescheid 19.07.2005 erhobenen Widerspruchs, führte der Kläger aus, dass Gründe für die Staffelung der Übergangsleistungen nach Fünfteln nicht zu erkennen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2007 wurde Widerspruch zurückgewiesen. Die nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgte Staffelung entspreche dem Sinn der Übergangsleistung, den Kläger schrittweise an die neuen, durch die Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit bedingten Verhältnisse zu gewöhnen und ihm den Übergang durch die stufenweise verringerten Übergangsleistungen zu erleichtern. Besondere Umstände, die ein Abgehen von diesem Grundsatz erforderten, seien nicht ersichtlich.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Er hat die Auffassung vorgetragen, die schematische Staffelung fände im Gesetz keine Stütze.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der bezeichneten Bescheide zu verurteilen, von Kürzungen der Übergangsleistungen Abstand zu nehmen und diese voll auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit Urteil vom 05.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist den Begründungen der angefochtenen Bescheide gefolgt. Die im Rahmen ihres Ermessens vorgenommene Staffelung durch die Beklagte stehe im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen. Er vertritt die Auffassung, § 2 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sei außer Acht gelassen worden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung/Aufhebung des am 05.10.2007 verkündeten Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen nach den Anträgen aus der ersten Instanz zu erkennen, d.h. ungekürzte Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKV aus dem Gesichtspunkt der Berufskrankheit 4112 zu zahlen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob die Feststellung der Höhe der gewährten Übergangsleistung rechtmäßig, insbesondere hinreichend begründet ist. Nur insoweit hat der Kläger den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 19.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2007 angefochten. Nur darüber hat das SG entschieden.
Nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten zum Ausgleich der durch die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von 5 Jahren, gewährt (§ 3 Abs 2 Satz 2 BKV). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs 2 BKV gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (BSG, Urteil vom 04.12.2001, B 2 U 6/01 R mwN). Gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Träger der Unfallversicherung bei dieser Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen. Die Gesichtspunkte, von denen er bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist, müssen in der Begründung der Entscheidung erkennbar werden (§ 35 Abs 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - in Verbindung mit dessen Sätzen 1 und 2).
Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 19.07.2005 und insbesondere in ihrem Widerspruchsbescheid vom 10.04.2007 eine eingehende Begründung für die zeitliche Länge und die von ihr gewählte Staffelung der Übergangsleistung gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte damit in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise entschieden hat (vgl. § 54 Abs 2 Satz 2 SGG und § 39 Abs 1 Satz 1 SGB I). Bei der Übergangsleistung gemäß § 3 BKV handelt es um einen echten Schadenersatzanspruch, der jedoch nicht auf den Ersatz des dem Versicherten danach verbliebenen vollen Schadens im Sinne der sogenannten Naturalrestitution zielt. § 3 Abs 2 Satz 2 BKV setzt insoweit Obergrenzen für die Übergangsleistung fest, die keineswegs ausgeschöpft werden müssen und die selbst bei voller Ausschöpfung nicht immer den vollen wirtschaftlichen Schaden des Versicherten ersetzen können. § 3 Abs 2 BKV bezweckt keinen vollständigen Schadensausgleich, sondern soll dem Versicherten - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - bei der Festigung seiner sich nach der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wandelnden wirtschaftlichen Situation stützen und wenn es unvermeintlich erscheint, ihm einen allmählichen Übergang auf das nun niedrigere wirtschaftliche Niveau verschaffen (BSG, Urteil vom 04.12.2001, B 2 U 6/01 R). Davon ausgehend ergibt sich - im Rahmen der der richterlichen Kontrolle unterworfenen Ermessensentscheidung der Beklagten (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG) -, dass die Beklagte von ihrem Ermessen zweckentsprechend Gebrauch gemacht hat. Wie der Begründung der angefochtenen Bescheide zu entnehmen ist, hat die Beklagte sich von der Überzeugung leiten lassen, dass die Übergangsleistung den Verdienstausfall ausgleichen soll. Diesen hat sie, ohne dass insoweit Fehler erkennbar oder von dem Kläger auch nur behauptet wären, Jahr für Jahr berechnet. Die von der Beklagten vorgenommene Staffelung der Übergangsleistung trägt einerseits den neuen wirtschaftlichen Lage des Klägers Rechnung und gewährleistet andererseits den allmählichen Übergang auf ein niedrigeres wirtschaftliches Niveau. Die Beklagte hat ferner, nach entsprechender Prüfung, verneint, dass besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichung von dieser Regelung rechfertigen könnten. Insoweit lässt die Beklagte auch zutreffend außer Betracht, dass bei dem Kläger, nach dem ursprünglichen Bezug von Lohnfortzahlung und Krankengeld, die Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit zu einem niedrigerem Einkommen geführt haben. Denn das Nettoeinkommen eines Arbeitnehmers sinkt nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis bei Bezug von Lohnersatzleistungen generell ab, so dass dies nicht als besonderer Umstand berücksichtigt werden muss (BSG, aaO.).
Diesem Ergebnis steht § 2 Abs 2 SGB I nicht entgegen. Nach § 2 Abs 2 SGB I sind die "nachfolgenden sozialen Rechte" bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB I bis SGB XII) und bei der Ausübung des Ermessens zu beachten; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Der Sozialleistungsträger ist demnach gehalten, Ansprüche zur Entstehung zu bringen bzw. es zu unterlassen, potentielle Ansprüche zu vereiteln (vgl. Seewald in Kassler Kommentar, § 2 SGB I Rdn. 11 f). § 2 Abs 2 SGB gewährt dem Versicherten hingegen keinen Anspruch auf eine höchstmögliche finanzielle Ausstattung seiner - wie hier - dem Grunde nach anerkannten - Leistungsansprüche. Dem steht im vorliegenden Fall zudem - wie gezeigt - entgegen, dass es durchaus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs 2 BKV entspricht, dass der Versicherte finanzielle Abstriche an seiner Einkommensentwicklung hinnehmen muss. Diesem Grundgedanken hat die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden Rechnung getragen, ohne dass die Leistung dem Kläger völlig versagt worden ist. Dementsprechend ist ausreichend sichergestellt worden, dass seine sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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