Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AL 157/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 46/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.02.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 08.06.2005 bis 18.09.2005.
Die Klägerin ist von Beruf Pferdewirtin. Sie stand bis zum 31.05.2005 in einem Arbeitsverhältnis in C. Am 28.04.2005 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos zum 01.06.2005. Im Antragsformular gab die Klägerin eine Wohnanschrift in C an. Der Antrag wurde von der Klägerin am 04.08.2005 unterzeichnet und von der Beklagten angenommen. Am 19.05.2005 fand ein Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten statt. Im Bewavermerk über dieses Gespräch heißt es wörtlich: "Kümmert sich intensiv allein über viele Beziehungen um einen neuen Arbeitsplatz. Einschaltung AA nicht notwendig". Für die Zeit ab dem 08.06.2005 stellte die Klägerin einen Nachsendeantrag bei der Deutschen Post. Als Grund für die Nachsendung ist im Antragsformular "Umzug" angekreuzt. Als neue Adresse gab sie die Anschrift "X Weg 00" in I an. Die Klägerin erhielt zunächst von ihrem letzten Arbeitgeber keine Arbeitsbescheinigung. In diesem Zusammenhang führte sie mit diesem im Juli 2005 Schriftverkehr unter der Adresse in I. Auch eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung im August 2005 fand unter Angabe der Adresse in I statt. Mit Bescheid vom 31.08.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,72 Euro täglich vorläufig ab dem 24.08.2005 für längstens 270 Tage. Nach Eingang der Arbeitsbescheinigung bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 09.09.2005 Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.06. bis 23.08.2005.
Am 05.09.2005 und 07.09.2005 erhielt die Beklagte vom Nachsendezentrum der Deutschen Post die Mitteilung, dass die Klägerin nach I verzogen sei. Zum 01.09.2005 stellte die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld ein und informierte die Klägerin hierüber mit als "Leistungsnachweis/ Entgeltbescheinigung" bezeichneten Schreiben vom 07.09.2005 und 09.09.2005. Sie bescheinigte einen Leistungsbezug in Höhe von 141,76 Euro für die Zeit vom 24. bis 31.08.2005 bzw. 1465,78 Euro für die Zeit vom 01.06. bis 23.08.2005. Mit Schreiben vom 08.09.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass infolge ihres Umzugs "an sich" nunmehr die Arbeitsagentur in E örtlich für die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit zuständig sei und empfahl der Klägerin, diese Agentur für Arbeit für zuständig zu erklären.
Mit Schreiben vom 16.09.2005 wandte die Klägerin sich gegen die Einstellung der Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2005. Sie gab an, dass sie nicht nach I umgezogen sei. Ihr sei vielmehr eine neue Arbeitsstelle auf einem Gestüt in E für den 01.08.2005 angeboten worden. Um sich ein genaueres Bild zu machen, habe sie dort ein Praktikum absolviert. Da eine Freundin in der Nähe des neuen Arbeitsplatzes wohne, habe sie vorübergehend bei dieser Freundin übernachtet, um Fahrtkosten zu sparen. Auf Grund einer zwischenzeitlich festgestellten Schwangerschaft sei ein Arbeitsvertrag aber nicht zustande gekommen. Um über die eingehende Post in C informiert zu sein, habe sie einen Nachsendeauftrag gestellt. Ihre Wohnung in C habe sie erst mit Wirkung vom 16.09.2005 aufgelöst und sei nach L gezogen.
Am 19.09.2005 meldete sich die Klägerin persönlich bei der für ihren neuen Wohnort L zuständigen Arbeitsagentur. Diese bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 04.10.2005 vom 19.09.2005 bis 24.09.2005 Arbeitslosengeld. Ab dem 25.09.2005 hatte die Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft Anspruch auf Mutterschaftsgeld und ab dem 27.10.2005 auf Erziehungsgeld.
Am 18.11.2005 erließ die Beklagte einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie einen Widerspruch der Klägerin gegen einen Bescheid vom 07.09.2005 (bzw. in der Begründung des Bescheides auch als Bescheid vom 08.09.2005 bezeichnet) als unbegründet zurückwies. Die Klägerin habe nicht sichergestellt, dass die Beklagte sie an jedem Werktag unter der von ihr benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Deshalb habe sie den Vermittlungsbemühungen ab dem 01.09.2005 nicht zur Verfügung gestanden. Sie habe keinen Leistungsanspruch und sei nicht arbeitslos im Sinne des § 118 Abs. 1 SGB III. Etwas anderes ergebe sich auch nicht dadurch, dass die Klägerin mitgeteilt habe, dass sie nicht umgezogen sei, sondern nur vorübergehend wegen eines Praktikums bei einer Freundin in I gewohnt habe. Auch dann entfalle zum einen die Erreichbarkeit, zum anderen habe sie wegen des Praktikums den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden.
Die Klägerin hat am 09.12.2005 gegen diesen Bescheid Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass bei einem persönlichen Gespräch zwischen ihr und dem für sie zuständigen Sachbearbeiter am 19.05.2005 vereinbart worden sei, dass sie sich persönlich um einen neuen Arbeitsplatz bemühen werde und eine Einschaltung der Beklagten nicht erforderlich sei. Auf dem Arbeitsmarkt für ausgebildete Pferdewirte sei es üblich, dass freie Arbeitsstellen aufgrund von Beziehungen angetreten würden. Ihr sei für den 01.08.2005 eine Arbeitsstelle auf dem Gestüt der Frau A in E fest zugesagt worden. Während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit habe sie ein kostenloses Praktikum bei diesem Gestüt absolviert. Sie sei insoweit keine vertragliche Bindung eingegangen und habe diese freiwillige Arbeit jederzeit beenden können. Ein Entgelt habe sie für diese Tätigkeit nicht erhalten. Sie habe bei ihrer Freundin übernachtet, weil sie die hohen Benzinkosten für eine fast tägliche Fahrt von C nach E nicht habe aufbringen können. Ihre Freundin habe sie auch verköstigt. Sie sei auf deren finanzielle Hilfe angewiesen gewesen, weil sie wegen der fehlenden Arbeitsbescheinigung zwei Monate ohne Einkommen gewesen sei. Die Beklagte sei irrtümlich von einem Umzug und einem neuen Wohnort ausgegangen. Sie habe sich in I nur vorübergehend aufgehalten. Sie habe einen Nachsendeantrag gestellt, um die in C eingehende Post zu erhalten.
Die Beklagte hat die Klägerin am 09.02.2006 zu einer Überzahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.06.2005 angehört. Mit Bescheid vom 09.03.2006 hat die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.06.2005 gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X zurückgenommen, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Klägerin habe sich von ihrem Wohnsitz entfernt und der Beklagten ihre neue Anschrift nicht mitgeteilt. Ihr sei auch bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei, weil das ausgehändigte Merkblatt entsprechende Hinweise enthalten habe. Die Beklagte hat in diesem Bescheid die Erstattung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.06. bis 23.08.2005 in Höhe von insgesamt 1.871‚10 EUR (inklusive Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) gefordert. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2006 zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch gegen diesen Widerspruchsbescheid Klage erhoben (Az. S 14 AL 99/06). Das Sozialgericht hat beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Klageverfahren hat die Beklagte unter Hinweis auf eine dienstliche Stellungnahme des zuständigen Sachbearbeiters darauf verwiesen, dass am 19.05.2005 mit der Klägerin lediglich abgesprochen worden sei, dass die Beklagte auf weitergehende Vermittlungsbemühungen durch die Einschaltung anderer Agenturen und des Fachvermittlungsdienstes in W zunächst verzichte, weil sich die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Kontakte um eine Stelle bemühen wolle. Sie habe damit nicht aus der Verfügbarkeit entlassen werden sollen mit der Folge, dass sie auch einen Wohnortwechsel nicht mitzuteilen brauche. Dies habe sie auch nicht ernsthaft so verstehen können. Eine bloße Beschäftigungssuche sei nicht mit einem Wechsel des Wohn- oder Aufenthaltsortes verbunden, falls nicht eben dort ein Praktikum absolviert werde. Dass die Klägerin monatelang in der Nähe des Gestüts gewohnt habe, bei dem ihr ein Arbeitsplatz angeboten worden sei, spreche dafür, dass dort auch ein reguläres Praktikum abgeleistet worden sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2007 hat die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2006 dahingehend abgeändert, dass der Aufhebungszeitraum erst ab dem 08.06.2005 beginnt.
Mit Urteil vom 07.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage für die Zeit vom 09.06. bis 18.09.2005 abgewiesen. Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 08.06.2005 bis einschließlich 18.09.2005 sei rechtmäßig. Die Klägerin habe ab dem 08.06.2005 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden und sei nicht verfügbar gewesen, weil sie in der Zeit vom 08.06. bis 18.09.2005 nicht unter der gegenüber der Beklagten angegebenen Anschrift in Borken aufgehalten habe, sondern in I. Sie habe selbst für die Zeit ab dem 08.06.2005 einen Nachsendeantrag gestellt. Der längerfristige Aufenthalt der Klägerin in I sei neben ihren eigenen Einlassungen auch dadurch belegt, dass sie einen Rechtsstreit gegen ihre frühere Arbeitgeberin geführt habe, in dem sie in der Klageschrift die Anschrift in I angegeben habe. Es gehöre zu den wesentlichen Obliegenheiten arbeitsloser Leistungsbezieher, der zuständigen Arbeitsagentur einen Wohnungswechsel persönlich und unverzüglich anzuzeigen, weshalb ein Postnachsendeantrag regelmäßig nicht genüge. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil die Leistungsbewilligung auf Angaben beruhe, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig unvollständig gemacht habe. Die Klägerin habe bei ihrer Arbeitslosmeldung am 28. April 2005 als Anschrift ihre Wohnung in Borken angegeben. Sie habe es unterlassen, die Beklagte über den Wechsel ihres Aufenthaltsortes zu informieren. Auch bei Abgabe des Arbeitslosengeldantrags am 04.08.2005 habe die Klägerin über ihren veränderten Aufenthaltsstatus keine Angaben gemacht. Aufgrund des allgemeinen Merkblatts für Arbeitslose, dessen Erhalt die Klägerin unterschriftlich bestätigt habe, habe ihr die Bedeutung des tatsächlichen Wohn- bzw. Aufenthaltsorts eines Arbeitslosen für die Arbeitsvermittlung bekannt sein müssen. Auch aus dem Vermerk über das Beratungsgespräch am 19.05.2005 ergebe sich nicht, dass auf zutreffende Angaben hinsichtlich des tatsächlichen Aufenthaltsorts verzichtet werde. Es sei grob fahrlässig, wenn die Klägerin dies angenommen hat, weil sie auf Vermittlungvorschläge verzichtet habe. Das Merkblatt enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass jede Ortsabwesenheit vorher von der Beklagten zu genehmigen sei. Leistungen seien von der Klägerin für die Zeit vom 08.06. bis einschließlich 18.09.2005 zu erstatten. Da die Beklagte Arbeitslosengeld nur bis zum 31.08.2005 gezahlt habe, seien von der Klägerin nur die Beträge für die Zeit vom 08.06. bis 31.08.2005 zurück zu zahlen. Die Beklagte habe bisher für die Zeit ab dem 24.08.2005 keine gesonderte Erstattung geltend gemacht. Durch die rechtmäßige Aufhebung auch für diesen Leistungszeitraum sei sie dazu aber berechtigt. Die Gesamterstattungsforderung in Höhe von insgesamt 1.871,10 Euro, die auch die für den Aufhebungszeitraum entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung umfasse, bleibe auch nach Änderung des Beginns des Aufhebungszeitraums rechtmäßig.
Gegen das am 25.04.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.04.2007 eingelegte Berufung. Die Klägerin trägt vor, dass die konkrete mündliche Belehrung durch den zuständigen Sachbearbeiter der allgemeinen Rechtsbelehrung durch ein Merkblatt vorgehe. Es sei lebensfremd, wenn das Sozialgericht davon ausgehe, dass die Klägerin aus der Vereinbarung nicht den Schluss habe ziehen dürfen, dass auf die zutreffenden Angaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes verzichtet werde. Zumindest sei eine entsprechende Bewertung durch die Klägerin nicht als grob fahrlässig anzusehen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem die Klägerin mit dem Hinweis geladen worden ist, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden könne, ist die Klägerin nicht erschienen. Sie war in diesem Termin auch nicht vertreten.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.02.2007 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005 und den Bescheid vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis einschließlich 18.09.2005 zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG die Streitsache im Termin in Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten entscheiden. Diese Möglichkeit besteht auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, 2005, Rn. 6 d zu § 111 SGG), das vorliegend nur deswegen erfolgt war, um ihr die Richtigkeit der Aufhebung der Leistungsbewilligung durch die Beklagte zu erläutern. Die Klägerin ist mit der Ladung auch auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Rechtsgrundlage für eine Rücknahme der Bescheide vom 31.08.2005 und 09.09.2005 mit Wirkung für die Vergangenheit ist § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 4 SGB X, i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 SGB X ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Nach § 45 Abs. 2 Satz Nr. 3 SGB X ist der Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Bescheide waren bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld weder zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides am 31.08.2005 für die Zeit ab dem 24.08.2005 noch zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 09.09.2005 für die Zeit vom 08.06.2005 bis zum 23.08.2005 vorgelegen haben. Die Klägerin war ab dem 08.06.2005 nicht mehr arbeitslos.
Wer arbeitslos ist, hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 118 Abs. 1 SGB III (Meldung bei der Agentur für Arbeit und Erfüllung der Anwartschaftszeit) Anspruch auf Arbeitslosengeld. Arbeitslos ist nach § 119 Abs 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht gemäß § 119 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer u. a. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmaktes ausüben kann und darf (Nr. 1) und Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2).
Die Klägerin war nicht arbeitslos. Sie war nicht im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III verfügbar, weil sie nicht den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stand.
Der Verwaltungsrat der Beklagten hat durch die Erreichsbarkeitanordnung (EAO) Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs. 2 SGB III i. V. m. § 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs. 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1. Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. die Agentur für Arbeit aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Deshalb muss der Arbeitslose sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm genannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann, § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO.
Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin ab dem 08.06.2005 nicht mehr erfüllt.
Es bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die Klägerin sich dauerhaft nicht in C aufgehalten und damit unter der der Beklagten mitgeteilten Adresse nicht an jedem Werktag per Briefpost zu erreichen war. Eine andere Schlussfolgerung lässt sich aus der Erteilung des Nachsendeauftrages mit erfolgter Markierung des Kästchens "Umzug" nicht ziehen. Die Klägerin hat bislang auch keine andere nachvollziehbare Erklärung für die Erteilung des Nachsendeauftrags geliefert. Auch der Umstand, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum Schriftverkehr und sogar eine gerichtliche Auseinandersetzungen unter der Anschrift in I geführt hat, lässt keinen anderen Schluss zu als den, dass sich die Klägerin dauerhaft nicht unter ihrer Anschrift in C aufgehalten hat.
Ihre Verfügbarkeit konnte die Klägerin auch nicht durch die Erteilung des Postnachsendeauftrages aufrecht erhalten. Die Stellung eines Nachsendeauftrag reicht grundsätzlich nicht aus, um eine Verfügbarkeit bejahen zu können. Dies gilt selbst dann, wenn sich aus dem Nachsendeantrag keine zeitliche Verzögerung ergibt. Denn die Voraussetzungen der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sollen nicht von den Zufälligkeiten der Postzustellung abhängig sein, sondern beruhen vielmehr auf der Möglichkeit des persönlichen Kontaktes unter der dem Arbeitsamt mitgeteilten Adresse (BSG, Urt. v. 09.08.2001, Az. B 11 AL 17/01 R; Urt. v. 30.06.2005, Az. B 7a/7 AL 98/04 R).
Die Beklagte durfte die Bescheide auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, weil die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide vom 31.08.2005 und 09.09.2005 auf Angaben beruhen, die die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 SGB X, i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III). Der aktiven Angabe von Umständen steht das Verschweigen von Umständen gleich, wenn eine Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I deshalb bestand, weil die Umstände für die fragliche Leistung rechtlich erheblich waren und dies dem Betroffenen auch bekannt war oder sein musste (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rn. 49).
Es bestand für die Klägerin eine Verpflichtung, ihren Umzug bzw. ihre längerfristige Abwesenheit von der der Beklagten mitgeteilten Wohnadresse mitzuteilen. Die Pflicht zur Mitteilung der Änderung des Aufenthaltsortes ergibt sich schon aus der allgemeinen Mitwirkungsverpflichtung nach § 60 SGB I. Danach hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Insbesondere hat er Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I). Ein solch maßgebliches Ereignis ist die Änderung des Aufenthaltsortes, weil sie Auswirkungen auf die Bewilligung des Arbeitslosengeldes haben kann und auf Grund dieser möglichen Auswirkungen einer Prüfung durch die Beklagte zugänglich gemacht werden muss. Darüber hinaus ist diese Obliegenheit von der Beklagten auch dadurch konkretisiert worden, dass sie der Klägerin ein Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt hat, dessen Erhalt und Kenntnis diese in ihrem Antrag mit ihrer Unterschrift am 04.08.2005 bestätigt hat. Das Merkblatt enthält die unmissverständliche Aufforderung, dass jeder Wechsel des Aufenthaltsortes der Beklagten sofort mitzuteilen ist (Abschnitt 2.5 "Umzug/ Ortsabwesenheit"). Das Merkblatt enthält zudem den Hinweis, dass eine Zustimmung des Arbeitsvermittlers bereits dann erforderlich ist, wenn der Leistungsempfänger an einem Werktag ganztags unter der der Agentur bekannten Adresse nicht zu erreichen ist. Auch im Abschnitt 8.2 "Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht" wird darauf hingewiesen, dass die Agentur für Arbeit sofort zu benachrichtigen ist wenn der Leistungsempfänger seinen Wohnort verlässt (Nr. 8) oder sich die Anschrift ändert (Nr. 9).
Das Unterlassen der Mitteilung ihrer Ortsabwesenheit ist der Klägerin auch vorwerfbar, weil sie zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten und zur Kenntnis genommenen Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall ohne weiteres erkennen konnte (BSG, Urt. v. 24.04.1997, Az. 11 RAr 89/96).
Es sind keine Umstände ersichtlich, auf Grund derer es der Klägerin unter Berücksichtigung ihres individuellen Verständnishorizontes nicht möglich gewesen ist, den Inhalt des Merkblattes zu verstehen. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie mit ihrem Sachbearbeiter am 19.05.2005 vereinbart habe, dass sie den Anforderungen der Verfügbarkeit nicht mehr genügen müsse und infolge dessen auch nicht verpflichtet gewesen sei, einen Wechsel ihres Aufenthaltsortes mitzuteilen. Ein solcher Verzicht lässt sich der Absprache nicht entnehmen. Im aktenkundigen Vermerk über das Beratungsgespräch findet sich lediglich die Bemerkung, dass die Einschaltung des Arbeitsamtes "nicht notwendig" sei. Dies ist offenbar vor dem Hintergrund erfolgt, dass es im erlernten Beruf der Klägerin möglicherweise üblich ist, dass neue Arbeitsstellen auf Grund von persönlichen Beziehungen angetreten werden. Die Klägerin durfte dieser Absprache aber nicht entnehmen, dass die Verfügbarkeits- und Mitteilungspflichten für sie insgesamt nicht mehr gelten würden. Zumal unter Berücksichtigung des Merkblattes stellt sich eine solche Annahme als grob fahrlässig dar. Denn das Merkblatt enthielt nicht nur mehrfach den Hinweis auf die Verpflichtung, jeden Ortswechsel mitzuteilen (s.o.). Darüber hinaus konnte die Klägerin dem Merkblatt außerdem entnehmen, dass die Vermittlungsbemühungen nicht auf die bisherige Tätigkeit bzw. die Tätigkeit, in der die Ausbildung absolviert wurde, beschränkt sind (Abschnitt 2.5 " Verfügbar sein"). Schon deswegen konnte die Vereinbarung mit dem Sachbearbeiter auch von der Klägerin nur so verstanden werden, dass lediglich Bemühungen im Ausbildungsberuf der Klägerin von Seiten des Arbeitsamtes vorgenommen werden sollten. Etwas anderes trägt auch die Klägerin nicht vor, da sich ihre Beziehungen und Bemühungen ja nur auf den Markt der Pferdepfleger bezogen haben. Zudem ergibt sich aus dem Merkblatt, dass eine Verfügbarkeit neben der Aufnahme einer Beschäftigung auch dazu dient, Vorschlägen zur Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung nachzukommen. Einen Ausschluß solcher Maßnahmen enthält der Vermerk ebenfalls nicht, da er nur auf die fehlende Notwendigkeit von Vermittlungsbemühungen abstellt. Vor allem aber stellt das Merkblatt klar, dass in erster Linie immer der Arbeitslose selbst gefordert ist, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und der Arbeitsvermittler lediglich bei der Suche und Auswahl möglicher Eigenbemühungen beratend und unterstützend tätig wird (Abschnitt 2.4 "Eigenbemühungen unternehmen"). Gerade auf Grund dieses Hinweises durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass allein auf Grund ihrer grundsätzlich von jedem Arbeitslosen geforderten Eigenbemühungen die Verfügbarkeitsanforderungen für sie nicht mehr gelten sollten.
Unabhängig davon kann sich die Klägerin zumindest für die Zeit ab Antragsabgabe am 04.08.2005 auf den Ausschluss von Vermittlungsbemühungen von Seiten des Arbeitsamtes ohnehin nicht mehr berufen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Grundlage für diese Absprache entfallen, weil die Klägerin nach ihren Angaben eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt als Pferdewirtin auf Grund ihrer Schwangerschaft nicht mehr verrichten konnte.
Die Beklagte durfte die Bescheide darüber hinaus auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, weil die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 SGB X, i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III). Die Klägerin musste die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide erkennen. Dem ihr am 28.04.2005 ausgehändigten Merkblatt konnte die Klägerin die Bedeutung des Aufenthaltsortes für die Leistungsbewilligung erkennen. Da die Klägerin eine entsprechende Unterrichtung der Beklagten Anfang Juni unterlassen hat, musste ihr bewusst sein, dass ihr das Arbeitslosengeld zu Unrecht bewilligt wurde, weil sie sich nicht unter der von ihr angegebenen Adresse aufhielt und damit die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorlagen. Sofern sie dies nicht getan hat, beruht dies ebenso wie das Unterlassen der Mitteilung ihrer Ortsabwesenheit auf grober Fahrlässigkeit.
Eine Ermessensausübung der Beklagten war nicht erforderlich, da nach § 330 Abs. 3 SGB III ein Verwaltungsakt stets mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse aufzuheben ist, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorliegen. Die Bewilligung war daher ab dem 08.06.2005 aufzuheben.
Nach § 50 Abs. 1 SGB X hat die Klägerin die überzahlten Beträge zu erstatten. Bei der Errechnung des genauen Erstattungsbeitrages wird die Beklagte zu beachten haben, dass der im Bescheid vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2006 geltend gemachte Erstattungsbetrag in Höhe von 1871,10 Euro noch um das für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 07.06.2006 gezahlte Arbeitslosengeld sowie die für diesen Zeitraum geleisteten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu reduzieren ist. Denn in den genannten Bescheiden hat die Beklagte die Erstattung - im Gegensatz zu der auch über den 23.08.2006 hinaus erfolgten Rücknahme der Bewilligungsbescheide - ausdrücklich auf die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 23.08.2005 beschränkt. Eine Erstattung für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 08.06.2006 kann die Beklagte auf Grund des Teilanerkenntnisses vom 07.02.2007, mit den sie die Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung auf die Zeit ab dem 08.06.2006 beschränkt hat, aber nicht mehr verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 08.06.2005 bis 18.09.2005.
Die Klägerin ist von Beruf Pferdewirtin. Sie stand bis zum 31.05.2005 in einem Arbeitsverhältnis in C. Am 28.04.2005 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos zum 01.06.2005. Im Antragsformular gab die Klägerin eine Wohnanschrift in C an. Der Antrag wurde von der Klägerin am 04.08.2005 unterzeichnet und von der Beklagten angenommen. Am 19.05.2005 fand ein Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten statt. Im Bewavermerk über dieses Gespräch heißt es wörtlich: "Kümmert sich intensiv allein über viele Beziehungen um einen neuen Arbeitsplatz. Einschaltung AA nicht notwendig". Für die Zeit ab dem 08.06.2005 stellte die Klägerin einen Nachsendeantrag bei der Deutschen Post. Als Grund für die Nachsendung ist im Antragsformular "Umzug" angekreuzt. Als neue Adresse gab sie die Anschrift "X Weg 00" in I an. Die Klägerin erhielt zunächst von ihrem letzten Arbeitgeber keine Arbeitsbescheinigung. In diesem Zusammenhang führte sie mit diesem im Juli 2005 Schriftverkehr unter der Adresse in I. Auch eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung im August 2005 fand unter Angabe der Adresse in I statt. Mit Bescheid vom 31.08.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,72 Euro täglich vorläufig ab dem 24.08.2005 für längstens 270 Tage. Nach Eingang der Arbeitsbescheinigung bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 09.09.2005 Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.06. bis 23.08.2005.
Am 05.09.2005 und 07.09.2005 erhielt die Beklagte vom Nachsendezentrum der Deutschen Post die Mitteilung, dass die Klägerin nach I verzogen sei. Zum 01.09.2005 stellte die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld ein und informierte die Klägerin hierüber mit als "Leistungsnachweis/ Entgeltbescheinigung" bezeichneten Schreiben vom 07.09.2005 und 09.09.2005. Sie bescheinigte einen Leistungsbezug in Höhe von 141,76 Euro für die Zeit vom 24. bis 31.08.2005 bzw. 1465,78 Euro für die Zeit vom 01.06. bis 23.08.2005. Mit Schreiben vom 08.09.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass infolge ihres Umzugs "an sich" nunmehr die Arbeitsagentur in E örtlich für die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit zuständig sei und empfahl der Klägerin, diese Agentur für Arbeit für zuständig zu erklären.
Mit Schreiben vom 16.09.2005 wandte die Klägerin sich gegen die Einstellung der Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2005. Sie gab an, dass sie nicht nach I umgezogen sei. Ihr sei vielmehr eine neue Arbeitsstelle auf einem Gestüt in E für den 01.08.2005 angeboten worden. Um sich ein genaueres Bild zu machen, habe sie dort ein Praktikum absolviert. Da eine Freundin in der Nähe des neuen Arbeitsplatzes wohne, habe sie vorübergehend bei dieser Freundin übernachtet, um Fahrtkosten zu sparen. Auf Grund einer zwischenzeitlich festgestellten Schwangerschaft sei ein Arbeitsvertrag aber nicht zustande gekommen. Um über die eingehende Post in C informiert zu sein, habe sie einen Nachsendeauftrag gestellt. Ihre Wohnung in C habe sie erst mit Wirkung vom 16.09.2005 aufgelöst und sei nach L gezogen.
Am 19.09.2005 meldete sich die Klägerin persönlich bei der für ihren neuen Wohnort L zuständigen Arbeitsagentur. Diese bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 04.10.2005 vom 19.09.2005 bis 24.09.2005 Arbeitslosengeld. Ab dem 25.09.2005 hatte die Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft Anspruch auf Mutterschaftsgeld und ab dem 27.10.2005 auf Erziehungsgeld.
Am 18.11.2005 erließ die Beklagte einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie einen Widerspruch der Klägerin gegen einen Bescheid vom 07.09.2005 (bzw. in der Begründung des Bescheides auch als Bescheid vom 08.09.2005 bezeichnet) als unbegründet zurückwies. Die Klägerin habe nicht sichergestellt, dass die Beklagte sie an jedem Werktag unter der von ihr benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Deshalb habe sie den Vermittlungsbemühungen ab dem 01.09.2005 nicht zur Verfügung gestanden. Sie habe keinen Leistungsanspruch und sei nicht arbeitslos im Sinne des § 118 Abs. 1 SGB III. Etwas anderes ergebe sich auch nicht dadurch, dass die Klägerin mitgeteilt habe, dass sie nicht umgezogen sei, sondern nur vorübergehend wegen eines Praktikums bei einer Freundin in I gewohnt habe. Auch dann entfalle zum einen die Erreichbarkeit, zum anderen habe sie wegen des Praktikums den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden.
Die Klägerin hat am 09.12.2005 gegen diesen Bescheid Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass bei einem persönlichen Gespräch zwischen ihr und dem für sie zuständigen Sachbearbeiter am 19.05.2005 vereinbart worden sei, dass sie sich persönlich um einen neuen Arbeitsplatz bemühen werde und eine Einschaltung der Beklagten nicht erforderlich sei. Auf dem Arbeitsmarkt für ausgebildete Pferdewirte sei es üblich, dass freie Arbeitsstellen aufgrund von Beziehungen angetreten würden. Ihr sei für den 01.08.2005 eine Arbeitsstelle auf dem Gestüt der Frau A in E fest zugesagt worden. Während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit habe sie ein kostenloses Praktikum bei diesem Gestüt absolviert. Sie sei insoweit keine vertragliche Bindung eingegangen und habe diese freiwillige Arbeit jederzeit beenden können. Ein Entgelt habe sie für diese Tätigkeit nicht erhalten. Sie habe bei ihrer Freundin übernachtet, weil sie die hohen Benzinkosten für eine fast tägliche Fahrt von C nach E nicht habe aufbringen können. Ihre Freundin habe sie auch verköstigt. Sie sei auf deren finanzielle Hilfe angewiesen gewesen, weil sie wegen der fehlenden Arbeitsbescheinigung zwei Monate ohne Einkommen gewesen sei. Die Beklagte sei irrtümlich von einem Umzug und einem neuen Wohnort ausgegangen. Sie habe sich in I nur vorübergehend aufgehalten. Sie habe einen Nachsendeantrag gestellt, um die in C eingehende Post zu erhalten.
Die Beklagte hat die Klägerin am 09.02.2006 zu einer Überzahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.06.2005 angehört. Mit Bescheid vom 09.03.2006 hat die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.06.2005 gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X zurückgenommen, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Klägerin habe sich von ihrem Wohnsitz entfernt und der Beklagten ihre neue Anschrift nicht mitgeteilt. Ihr sei auch bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei, weil das ausgehändigte Merkblatt entsprechende Hinweise enthalten habe. Die Beklagte hat in diesem Bescheid die Erstattung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.06. bis 23.08.2005 in Höhe von insgesamt 1.871‚10 EUR (inklusive Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) gefordert. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2006 zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch gegen diesen Widerspruchsbescheid Klage erhoben (Az. S 14 AL 99/06). Das Sozialgericht hat beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Klageverfahren hat die Beklagte unter Hinweis auf eine dienstliche Stellungnahme des zuständigen Sachbearbeiters darauf verwiesen, dass am 19.05.2005 mit der Klägerin lediglich abgesprochen worden sei, dass die Beklagte auf weitergehende Vermittlungsbemühungen durch die Einschaltung anderer Agenturen und des Fachvermittlungsdienstes in W zunächst verzichte, weil sich die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Kontakte um eine Stelle bemühen wolle. Sie habe damit nicht aus der Verfügbarkeit entlassen werden sollen mit der Folge, dass sie auch einen Wohnortwechsel nicht mitzuteilen brauche. Dies habe sie auch nicht ernsthaft so verstehen können. Eine bloße Beschäftigungssuche sei nicht mit einem Wechsel des Wohn- oder Aufenthaltsortes verbunden, falls nicht eben dort ein Praktikum absolviert werde. Dass die Klägerin monatelang in der Nähe des Gestüts gewohnt habe, bei dem ihr ein Arbeitsplatz angeboten worden sei, spreche dafür, dass dort auch ein reguläres Praktikum abgeleistet worden sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2007 hat die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2006 dahingehend abgeändert, dass der Aufhebungszeitraum erst ab dem 08.06.2005 beginnt.
Mit Urteil vom 07.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage für die Zeit vom 09.06. bis 18.09.2005 abgewiesen. Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 08.06.2005 bis einschließlich 18.09.2005 sei rechtmäßig. Die Klägerin habe ab dem 08.06.2005 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden und sei nicht verfügbar gewesen, weil sie in der Zeit vom 08.06. bis 18.09.2005 nicht unter der gegenüber der Beklagten angegebenen Anschrift in Borken aufgehalten habe, sondern in I. Sie habe selbst für die Zeit ab dem 08.06.2005 einen Nachsendeantrag gestellt. Der längerfristige Aufenthalt der Klägerin in I sei neben ihren eigenen Einlassungen auch dadurch belegt, dass sie einen Rechtsstreit gegen ihre frühere Arbeitgeberin geführt habe, in dem sie in der Klageschrift die Anschrift in I angegeben habe. Es gehöre zu den wesentlichen Obliegenheiten arbeitsloser Leistungsbezieher, der zuständigen Arbeitsagentur einen Wohnungswechsel persönlich und unverzüglich anzuzeigen, weshalb ein Postnachsendeantrag regelmäßig nicht genüge. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil die Leistungsbewilligung auf Angaben beruhe, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig unvollständig gemacht habe. Die Klägerin habe bei ihrer Arbeitslosmeldung am 28. April 2005 als Anschrift ihre Wohnung in Borken angegeben. Sie habe es unterlassen, die Beklagte über den Wechsel ihres Aufenthaltsortes zu informieren. Auch bei Abgabe des Arbeitslosengeldantrags am 04.08.2005 habe die Klägerin über ihren veränderten Aufenthaltsstatus keine Angaben gemacht. Aufgrund des allgemeinen Merkblatts für Arbeitslose, dessen Erhalt die Klägerin unterschriftlich bestätigt habe, habe ihr die Bedeutung des tatsächlichen Wohn- bzw. Aufenthaltsorts eines Arbeitslosen für die Arbeitsvermittlung bekannt sein müssen. Auch aus dem Vermerk über das Beratungsgespräch am 19.05.2005 ergebe sich nicht, dass auf zutreffende Angaben hinsichtlich des tatsächlichen Aufenthaltsorts verzichtet werde. Es sei grob fahrlässig, wenn die Klägerin dies angenommen hat, weil sie auf Vermittlungvorschläge verzichtet habe. Das Merkblatt enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass jede Ortsabwesenheit vorher von der Beklagten zu genehmigen sei. Leistungen seien von der Klägerin für die Zeit vom 08.06. bis einschließlich 18.09.2005 zu erstatten. Da die Beklagte Arbeitslosengeld nur bis zum 31.08.2005 gezahlt habe, seien von der Klägerin nur die Beträge für die Zeit vom 08.06. bis 31.08.2005 zurück zu zahlen. Die Beklagte habe bisher für die Zeit ab dem 24.08.2005 keine gesonderte Erstattung geltend gemacht. Durch die rechtmäßige Aufhebung auch für diesen Leistungszeitraum sei sie dazu aber berechtigt. Die Gesamterstattungsforderung in Höhe von insgesamt 1.871,10 Euro, die auch die für den Aufhebungszeitraum entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung umfasse, bleibe auch nach Änderung des Beginns des Aufhebungszeitraums rechtmäßig.
Gegen das am 25.04.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.04.2007 eingelegte Berufung. Die Klägerin trägt vor, dass die konkrete mündliche Belehrung durch den zuständigen Sachbearbeiter der allgemeinen Rechtsbelehrung durch ein Merkblatt vorgehe. Es sei lebensfremd, wenn das Sozialgericht davon ausgehe, dass die Klägerin aus der Vereinbarung nicht den Schluss habe ziehen dürfen, dass auf die zutreffenden Angaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes verzichtet werde. Zumindest sei eine entsprechende Bewertung durch die Klägerin nicht als grob fahrlässig anzusehen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem die Klägerin mit dem Hinweis geladen worden ist, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden könne, ist die Klägerin nicht erschienen. Sie war in diesem Termin auch nicht vertreten.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.02.2007 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005 und den Bescheid vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis einschließlich 18.09.2005 zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG die Streitsache im Termin in Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten entscheiden. Diese Möglichkeit besteht auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, 2005, Rn. 6 d zu § 111 SGG), das vorliegend nur deswegen erfolgt war, um ihr die Richtigkeit der Aufhebung der Leistungsbewilligung durch die Beklagte zu erläutern. Die Klägerin ist mit der Ladung auch auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Rechtsgrundlage für eine Rücknahme der Bescheide vom 31.08.2005 und 09.09.2005 mit Wirkung für die Vergangenheit ist § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 4 SGB X, i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 SGB X ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Nach § 45 Abs. 2 Satz Nr. 3 SGB X ist der Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Bescheide waren bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld weder zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides am 31.08.2005 für die Zeit ab dem 24.08.2005 noch zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 09.09.2005 für die Zeit vom 08.06.2005 bis zum 23.08.2005 vorgelegen haben. Die Klägerin war ab dem 08.06.2005 nicht mehr arbeitslos.
Wer arbeitslos ist, hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 118 Abs. 1 SGB III (Meldung bei der Agentur für Arbeit und Erfüllung der Anwartschaftszeit) Anspruch auf Arbeitslosengeld. Arbeitslos ist nach § 119 Abs 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht gemäß § 119 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer u. a. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmaktes ausüben kann und darf (Nr. 1) und Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2).
Die Klägerin war nicht arbeitslos. Sie war nicht im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III verfügbar, weil sie nicht den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stand.
Der Verwaltungsrat der Beklagten hat durch die Erreichsbarkeitanordnung (EAO) Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs. 2 SGB III i. V. m. § 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs. 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1. Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. die Agentur für Arbeit aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Deshalb muss der Arbeitslose sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm genannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann, § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO.
Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin ab dem 08.06.2005 nicht mehr erfüllt.
Es bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die Klägerin sich dauerhaft nicht in C aufgehalten und damit unter der der Beklagten mitgeteilten Adresse nicht an jedem Werktag per Briefpost zu erreichen war. Eine andere Schlussfolgerung lässt sich aus der Erteilung des Nachsendeauftrages mit erfolgter Markierung des Kästchens "Umzug" nicht ziehen. Die Klägerin hat bislang auch keine andere nachvollziehbare Erklärung für die Erteilung des Nachsendeauftrags geliefert. Auch der Umstand, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum Schriftverkehr und sogar eine gerichtliche Auseinandersetzungen unter der Anschrift in I geführt hat, lässt keinen anderen Schluss zu als den, dass sich die Klägerin dauerhaft nicht unter ihrer Anschrift in C aufgehalten hat.
Ihre Verfügbarkeit konnte die Klägerin auch nicht durch die Erteilung des Postnachsendeauftrages aufrecht erhalten. Die Stellung eines Nachsendeauftrag reicht grundsätzlich nicht aus, um eine Verfügbarkeit bejahen zu können. Dies gilt selbst dann, wenn sich aus dem Nachsendeantrag keine zeitliche Verzögerung ergibt. Denn die Voraussetzungen der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sollen nicht von den Zufälligkeiten der Postzustellung abhängig sein, sondern beruhen vielmehr auf der Möglichkeit des persönlichen Kontaktes unter der dem Arbeitsamt mitgeteilten Adresse (BSG, Urt. v. 09.08.2001, Az. B 11 AL 17/01 R; Urt. v. 30.06.2005, Az. B 7a/7 AL 98/04 R).
Die Beklagte durfte die Bescheide auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, weil die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide vom 31.08.2005 und 09.09.2005 auf Angaben beruhen, die die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 SGB X, i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III). Der aktiven Angabe von Umständen steht das Verschweigen von Umständen gleich, wenn eine Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I deshalb bestand, weil die Umstände für die fragliche Leistung rechtlich erheblich waren und dies dem Betroffenen auch bekannt war oder sein musste (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rn. 49).
Es bestand für die Klägerin eine Verpflichtung, ihren Umzug bzw. ihre längerfristige Abwesenheit von der der Beklagten mitgeteilten Wohnadresse mitzuteilen. Die Pflicht zur Mitteilung der Änderung des Aufenthaltsortes ergibt sich schon aus der allgemeinen Mitwirkungsverpflichtung nach § 60 SGB I. Danach hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Insbesondere hat er Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I). Ein solch maßgebliches Ereignis ist die Änderung des Aufenthaltsortes, weil sie Auswirkungen auf die Bewilligung des Arbeitslosengeldes haben kann und auf Grund dieser möglichen Auswirkungen einer Prüfung durch die Beklagte zugänglich gemacht werden muss. Darüber hinaus ist diese Obliegenheit von der Beklagten auch dadurch konkretisiert worden, dass sie der Klägerin ein Merkblatt für Arbeitslose ausgehändigt hat, dessen Erhalt und Kenntnis diese in ihrem Antrag mit ihrer Unterschrift am 04.08.2005 bestätigt hat. Das Merkblatt enthält die unmissverständliche Aufforderung, dass jeder Wechsel des Aufenthaltsortes der Beklagten sofort mitzuteilen ist (Abschnitt 2.5 "Umzug/ Ortsabwesenheit"). Das Merkblatt enthält zudem den Hinweis, dass eine Zustimmung des Arbeitsvermittlers bereits dann erforderlich ist, wenn der Leistungsempfänger an einem Werktag ganztags unter der der Agentur bekannten Adresse nicht zu erreichen ist. Auch im Abschnitt 8.2 "Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht" wird darauf hingewiesen, dass die Agentur für Arbeit sofort zu benachrichtigen ist wenn der Leistungsempfänger seinen Wohnort verlässt (Nr. 8) oder sich die Anschrift ändert (Nr. 9).
Das Unterlassen der Mitteilung ihrer Ortsabwesenheit ist der Klägerin auch vorwerfbar, weil sie zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten und zur Kenntnis genommenen Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall ohne weiteres erkennen konnte (BSG, Urt. v. 24.04.1997, Az. 11 RAr 89/96).
Es sind keine Umstände ersichtlich, auf Grund derer es der Klägerin unter Berücksichtigung ihres individuellen Verständnishorizontes nicht möglich gewesen ist, den Inhalt des Merkblattes zu verstehen. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie mit ihrem Sachbearbeiter am 19.05.2005 vereinbart habe, dass sie den Anforderungen der Verfügbarkeit nicht mehr genügen müsse und infolge dessen auch nicht verpflichtet gewesen sei, einen Wechsel ihres Aufenthaltsortes mitzuteilen. Ein solcher Verzicht lässt sich der Absprache nicht entnehmen. Im aktenkundigen Vermerk über das Beratungsgespräch findet sich lediglich die Bemerkung, dass die Einschaltung des Arbeitsamtes "nicht notwendig" sei. Dies ist offenbar vor dem Hintergrund erfolgt, dass es im erlernten Beruf der Klägerin möglicherweise üblich ist, dass neue Arbeitsstellen auf Grund von persönlichen Beziehungen angetreten werden. Die Klägerin durfte dieser Absprache aber nicht entnehmen, dass die Verfügbarkeits- und Mitteilungspflichten für sie insgesamt nicht mehr gelten würden. Zumal unter Berücksichtigung des Merkblattes stellt sich eine solche Annahme als grob fahrlässig dar. Denn das Merkblatt enthielt nicht nur mehrfach den Hinweis auf die Verpflichtung, jeden Ortswechsel mitzuteilen (s.o.). Darüber hinaus konnte die Klägerin dem Merkblatt außerdem entnehmen, dass die Vermittlungsbemühungen nicht auf die bisherige Tätigkeit bzw. die Tätigkeit, in der die Ausbildung absolviert wurde, beschränkt sind (Abschnitt 2.5 " Verfügbar sein"). Schon deswegen konnte die Vereinbarung mit dem Sachbearbeiter auch von der Klägerin nur so verstanden werden, dass lediglich Bemühungen im Ausbildungsberuf der Klägerin von Seiten des Arbeitsamtes vorgenommen werden sollten. Etwas anderes trägt auch die Klägerin nicht vor, da sich ihre Beziehungen und Bemühungen ja nur auf den Markt der Pferdepfleger bezogen haben. Zudem ergibt sich aus dem Merkblatt, dass eine Verfügbarkeit neben der Aufnahme einer Beschäftigung auch dazu dient, Vorschlägen zur Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung nachzukommen. Einen Ausschluß solcher Maßnahmen enthält der Vermerk ebenfalls nicht, da er nur auf die fehlende Notwendigkeit von Vermittlungsbemühungen abstellt. Vor allem aber stellt das Merkblatt klar, dass in erster Linie immer der Arbeitslose selbst gefordert ist, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und der Arbeitsvermittler lediglich bei der Suche und Auswahl möglicher Eigenbemühungen beratend und unterstützend tätig wird (Abschnitt 2.4 "Eigenbemühungen unternehmen"). Gerade auf Grund dieses Hinweises durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass allein auf Grund ihrer grundsätzlich von jedem Arbeitslosen geforderten Eigenbemühungen die Verfügbarkeitsanforderungen für sie nicht mehr gelten sollten.
Unabhängig davon kann sich die Klägerin zumindest für die Zeit ab Antragsabgabe am 04.08.2005 auf den Ausschluss von Vermittlungsbemühungen von Seiten des Arbeitsamtes ohnehin nicht mehr berufen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Grundlage für diese Absprache entfallen, weil die Klägerin nach ihren Angaben eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt als Pferdewirtin auf Grund ihrer Schwangerschaft nicht mehr verrichten konnte.
Die Beklagte durfte die Bescheide darüber hinaus auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, weil die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 SGB X, i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III). Die Klägerin musste die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide erkennen. Dem ihr am 28.04.2005 ausgehändigten Merkblatt konnte die Klägerin die Bedeutung des Aufenthaltsortes für die Leistungsbewilligung erkennen. Da die Klägerin eine entsprechende Unterrichtung der Beklagten Anfang Juni unterlassen hat, musste ihr bewusst sein, dass ihr das Arbeitslosengeld zu Unrecht bewilligt wurde, weil sie sich nicht unter der von ihr angegebenen Adresse aufhielt und damit die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorlagen. Sofern sie dies nicht getan hat, beruht dies ebenso wie das Unterlassen der Mitteilung ihrer Ortsabwesenheit auf grober Fahrlässigkeit.
Eine Ermessensausübung der Beklagten war nicht erforderlich, da nach § 330 Abs. 3 SGB III ein Verwaltungsakt stets mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse aufzuheben ist, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorliegen. Die Bewilligung war daher ab dem 08.06.2005 aufzuheben.
Nach § 50 Abs. 1 SGB X hat die Klägerin die überzahlten Beträge zu erstatten. Bei der Errechnung des genauen Erstattungsbeitrages wird die Beklagte zu beachten haben, dass der im Bescheid vom 09.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2006 geltend gemachte Erstattungsbetrag in Höhe von 1871,10 Euro noch um das für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 07.06.2006 gezahlte Arbeitslosengeld sowie die für diesen Zeitraum geleisteten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu reduzieren ist. Denn in den genannten Bescheiden hat die Beklagte die Erstattung - im Gegensatz zu der auch über den 23.08.2006 hinaus erfolgten Rücknahme der Bewilligungsbescheide - ausdrücklich auf die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 23.08.2005 beschränkt. Eine Erstattung für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 08.06.2006 kann die Beklagte auf Grund des Teilanerkenntnisses vom 07.02.2007, mit den sie die Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung auf die Zeit ab dem 08.06.2006 beschränkt hat, aber nicht mehr verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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