L 1 B 8/08 AL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 276/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 8/08 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.03.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 26.03.2008), ist unbegründet. Zu Recht hat das SG den Beschluss vom 20.06.2006 aufgehoben, mit dem es Prozesskostenhilfe bewilligt hatte.

Die Voraussetzungen für die (nachträgliche) Aufhebung einer Prozesskostenbewilligung liegen vor. Sie ergeben sich sowohl aus §§ 73 a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 124 Nr 2 2. Alternative Zivilprozessordnung (ZPO) als auch aus §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124 Nr. 3 ZPO. Die Aufhebung ist grundsätzlich auch rückwirkend, d.h. nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens möglich, für das Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, wie sich aus § 124 Nr 3 ZPO entnehmen lässt (Baumbach/Lauterbach-Hartmann. ZPO. Kommentar. 66.Aufl.2008. § 124 Rdnr 25; Musielak. ZPO. Kommentar. 6.Aufl.2008. § 124 Rdnr 10; Zöller-Philippi. ZPO. Kommentar. 26. Auflage 2007. § 124 Rdnr 10 a; Münchener Kommentar(MK) - Wax. ZPO. 2. Auflage 2000. § 124 Rdnr 11, alle mwN).

Nach § 124 Nr 2 2. Alternative ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn der Beteiligte absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit eine Erklärung nach § 120 Abs 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. § 124 Nr 2 2. Alternative enthält eine Sanktion für bloße Untätigkeit, die allein zur rückwirkenden Aufhebung einer PKH-Bewilligung berechtigt (Zöller-Philippi aaO; MK - Wax aaO), und korrespondiert mit § 118 Abs 2 Satz 4 ZPO, der eine ähnliche Sanktion vorsieht, wenn erbetene, für die Prüfung der Anspruchsberechtigung erforderliche Angaben nicht gemacht werden. Im Verfahren nach § 120 Abs 4 Satz 2 ZPO hat der Beteiligte sich auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Dies bezieht sich auf die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, § 120 Abs 4 Satz 1 ZPO.

Das SG hat das Verfahren nach § 120 Abs 4 ZPO formgerecht eingeleitet, insbesondere dem Kläger zuvor rechtliches Gehör gewährt.

Mit Schreiben vom 6. und 21.11.2007 ist der Kläger gebeten worden, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - durch Ausfüllen des üblichen, beiden Schreiben beigefügten Vordrucks - darzulegen. Das Schreiben vom 21.11.2007 enthielt den Hinweis, dass nach fruchtlosem Fristablauf die Aufhebung der (ratenfreien) PKH-Bewilligung in Betracht komme. Der Kläger hat dazu mitgeteilt, er werde das Formular nicht ausfüllen und auch die geforderten Belege nicht einreichen. Am 29.3.2006 sei seine Mutter gestorben, wodurch sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert haben. Er habe von seiner Mutter ein Haus und einen großen Geldbetrag geerbt.

Danach steht fest, dass der Kläger dem berechtigten Verlangen des SG trotz Belehrung über mögliche Rechtsfolgen nicht, jedenfalls nicht im gebotenen Umfang nachgekommen ist. Insbesondere hat er keine exakten Zahlen mitgeteilt, die ermöglicht hätten, den Umfang der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf ihre Wesentlichkeit für die PKH-Bewilligung zu beurteilen. Allein aus diesem Grunde ist - wie das SG zu Recht entschieden hat - die Aufhebung der Bewilligung gerechtfertigt.

Daneben sind auch die Voraussetzungen des § 124 Nr 3 ZPO gegeben. Danach kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben.

Die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe haben nicht vorgelegen, wenn der Tatbestand des Bewilligungsbeschlusses mit dem zu diesem Zeitpunkt wirklich gegebenen Sachverhalt nicht übereinstimmt (Zöller-Philippi § 124 Rdnr 15) bzw. wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Angaben, die dem Gericht im Zeitpunkt der Bewilligung vorlagen, objektiv unzutreffend waren (MK-Wax § 124 Rdnr 12 mwN, - hM -). Das ist hier der Fall. Das SG hat mit Beschluss vom 20.6.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt und dabei die Erklärung über die persönlichen Verhältnisse vom 14.7.2005 (eingegangen am 17.8.2005) zu Grunde gelegt. Tatsächlich hatte der Kläger, wie er selbst einräumt, zwischenzeitlich durch den Tod seiner Mutter am 29.3.2006 (Tag des Erbfalls und des damit verbundenen Vermögensübergangs) erhebliches Vermögen geerbt. Nach den eigenen Angaben des Klägers in einem vor dem SG Köln gegen die Arbeitsgemeinschaft Oberberg geführten Rechtsstreit (beigezogene Prozessakten S 7 AS 173/06 = LSG NRW L 1 AS 4/07) handelte es sich dabei um Vermögen in Höhe von mehr als 140.000 EUR. Dieses Vermögen war im maßgeblichen (vgl Musielak § 115 Rdnr 36) Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung (20.6.2006) bereits vorhanden und für die Bestreitung der (vollen) Prozesskosten zumutbar einzusetzen, § 115 Abs 3 ZPO. Der in § 124 Nr 3 ZPO genannte Ausschlussgrund liegt nicht vor, weil seit der Beendigung des Verfahrens (im Termin am 14.12.2005) noch keine 4 Jahre vergangen sind.

Dagegen hat der Kläger nichts Wesentliches vorgetragen. Soweit er einwendet, Prozesskostenhilfe hätte eigentlich am 20.6.2006 nicht (mehr) bewilligt werden dürfen, mag dies zutreffen, führt jedoch nicht zu der vom Kläger gewünschten Rechtsfolge, es bei der (dann rechtswidrigen) Bewilligung zu belassen. Soweit er vorträgt, er hätte den Prozess eigentlich gewinnen müssen, ist dies hier ebenfalls ohne Belang. Er behauptet damit konkludent eine Kostentragungspflicht der Beklagten (bei deren Vorliegen wegen § 31 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz der Anlass für eine Aufhebung der PKH-Bewilligung entfallen sein könnte). Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahren liegt indes bisher nicht vor. Sein Begehren, die Prozesskostenhilfe "auf 0 festzusetzen", ist ebenfalls nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Falls darin ein Antrag auf Niederschlagung, Erlass oder Stundung einer Forderung liegen sollte, wird das SG Köln zu gegebener Zeit darüber zu befinden haben. Soweit der Kläger eine Staatshaftung anspricht, also eine Schadenersatzpflicht des Staates, ist darüber nicht von den Sozialgerichten zu entscheiden (vgl § 51 SGG). Schließlich hat der Kläger, wie er selbst erkannt hat, keine Tatsachen vortragen, die eine Vermögensentwicklung der Gestalt belegten, dass ihm der Einsatz seines Vermögens im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO nicht mehr zumutbar wäre.

Es kann dahin stehen, ob § 124 ZPO eine Aufhebungspflicht ohne Ermessensspielraum konstituiert (so Baumbach/Lauterbach-Hartmann § 124 Rdnrn 16 u 41), oder ob bei Vorliegen der Voraussetzungen die Aufhebung im Ermessen des Gerichts steht (Zöller-Philippi § 124 Rdnr 12; Musielak § 124 Rdnr 2), weil auch bei Annahme eines Ermessensspielraums das gerichtliche Ermessen vorliegend derart eingeschränkt ist, dass als einzig richtige Entscheidung die Aufhebung der PKH-Bewilligung in Betracht kommt. Maßgeblich für diese Einschränkung ist, dass zwei Aufhebungstatbestände vorliegen, die grundsätzlich jeder für sich eine Aufhebung rechtfertigen, und Gründe, die gegen eine Aufhebung sprechen, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Hinzu kommt, dass der Kläger nachweislich über ganz erhebliche Vermögenswerte verfügt und deshalb keinerlei Veranlassung besteht, ihm die Prozesskosten durch die Staatskasse zu finanzieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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