Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 R 55/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 R 2/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 8/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Urteil des LSG wird aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 03. Dezember 2007 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Streitig ist insbesondere, ob für Buß- und Verwarngelder, die die Klägerin an Stelle ihrer Fahrer übernommen hat, Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten sind. Im Hinblick auf einen zweitinstanzlich geschlossenen Unterwerfungsvergleich beschränkt sich der Streitgegenstand nunmehr auf die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Gunsten des Beigeladenen zu 8., betreffend ein Bußgeld wegen einer am 3./4.10.2002 in Frankreich von diesem während der Ausübung der Tätigkeit für die Klägerin begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Im Juni 2005 führte die Beklagte bei der Klägerin, einem Speditionsunternehmen aus B, das im internationalen Frachtverkehr, insbesondere in den Benelux-Ländern, tätig ist, eine Betriebsprüfung durch. Diese bezog sich auf den Prüfzeitraum vom 01.12.2000 bis zum 31.12.2004. Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2005 Beiträge in Höhe von insgesamt 21.070,72 EUR nach, wobei 18.214,48 EUR auf Beiträge für Buß- und Verwarngelder entfielen, die wegen Lenkzeit- und Ruhensverstößen ihrer Fahrer in Belgien und Frankreich angefallen waren. Zur Begründung der Sozialversicherungspflicht der von der Klägerin übernommenen Bußgelder verwies die Beklagte darauf, es handele es sich um beitragspflichtigen Arbeitslohn. Außerdem habe die Klägerin als Arbeitgeberin die Versteuerung der Buß- und Verwarngelder nach § 40 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) mit einem Durchschnittssteuersatz zu Gunsten ihrer Fahrer übernommen. Dies stelle einen geldwerten Vorteil dar, aus dem ebenfalls Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet werden müssten. Zur Begründung der Beitragsfreiheit könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 07.07.2004 (Az.: VI R 29/00, Urteilssammlung für die Gesetzliche Krankenversicherung (USK) 2004-50) berufen. Es handele es sich insoweit um eine Einzelfallentscheidung, die für die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der arbeitgeberseitigen Übernahme von Buß- und Verwarngeldern wegen Lenkzeitüberschreitungen nicht maßgeblich sei.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2007 als unbegründet zurück. Insbesondere bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, bei denen erhöhte Schadensrisiken oder sogar Gesundheitsgefährdungen bestünden, stelle die Übernahme von Bußgeldern Arbeitslohn dar, so dass Sozialversicherungspflicht gegeben sei.
Mit der am 20.06.2007 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Lenkzeitüberschreitungen seien ausschließlich ihrem Verantwortungsbereich als Arbeitgeberin zuzuordnen: Sie seien in Folge entsprechender arbeitgeberseitiger Dispositionen erforderlich gewesen und beruhten sämtlich auf einer individuell erteilten Anweisung an die Fahrer, bestimmte Güter noch rechtzeitig zu den Kunden zu bringen und dabei die Missachtung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in Kauf zu nehmen. Die sofortige Zahlung der Geldbußen bei Feststellung von Verstößen habe ausschließlich in ihrem, der Klägerin, dringenden betrieblichen Interesse gelegen, weil anderenfalls ihre Fahrzeuge nicht hätten weiterfahren und Aufträge nicht rechtzeitig hätten abgewickelt werden können. Die Freistellung der Fahrer von der Zahlungsverpflichtung stelle daher kein Entgelt für die geleistete Arbeit dar, sondern sei als - sozialversicherungsfreier - Ersatz für betriebsbezogene Auslagen, die den Fahrern anlässlich ihrer betrieblichen Tätigkeit entständen seien, zu bewerten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 insoweit aufzuheben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarngelder (einschließlich Steuern) erhoben habe.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich ergänzend auf ein Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) bezogen (Urt. vom 20.06.2007, Az.: L 11 (8) R 75/06, www.juris.de) sowie auf einen Beschluss des Sächsischen LSG (Beschl. vom 04.10.2007, Az.: L 1 B 321/06 KR-ER, www.juris.de), die bei vergleichbaren Lebenssachverhalten ebenfalls von einer Sozialversicherungspflicht ausgegangen seien.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
Mit Urteil vom 30.11.2007 hat das SG der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei zwar formell rechtmäßig, insbesondere habe mit der Beklagten die gemäß § 28p Abs. 1 S. 5 i. V. m. S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständige Behörde gehandelt. Jedoch fehle der Beklagten materiellrechtlich eine entsprechende Rechtsgrundlage. Die Übernahme der Buß- und Verwarngelder durch die Klägerin stelle kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV und keine Zuwendung im Sinne des § 1 der Sozialversicherungsentgelt-Verordnung (SVEV) dar. Zwar sei der Begriff des Arbeitsentgeltes in § 14 SGB IV sozialversicherungsrechtlich definiert. Dennoch könne er nicht losgelöst von dem zivilrechtlichen Austauschverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrachtet werden. Leistung und Gegenleistung stünden in einem synallagmatischen Austauschverhältnis. Die Klägerin habe jedoch glaubhaft vorgetragen, dass die Lenkzeitverstöße ausschließlich im betrieblichen Interesse und auf entsprechende betriebliche Anweisung erfolgt seien. Die Übernahme der Bußgelder unterfalle damit nicht mehr dem synallagmatischen Austauschverhältnis des Arbeitsvertrages; denn die Arbeitnehmer führen nicht für die Spedition, damit diese die Sanktionen für betrieblich angeordnete Lenkzeitverstöße erstatte. Vielmehr handele es sich insoweit um den Ersatz von Auslagen, die angesichts der betrieblichen Tätigkeit entstanden seien (ähnlich: SG Aachen, Urt. vom 28.09.2007, Az.: S 6 R 53/06, www.juris.de; SG Detmold, Urt. vom 27.01.2006, Az.: S 11 RA 31/04, www.juris.de). Im Übrigen sei es nicht Aufgabe des Sozialversicherungsrechts, durch eine Beitragserhebung ordnungswidriges Verhalten im Straßenverkehr zu sanktionieren. Zum anderen leuchte der Ansatz der Gegenansicht auch deshalb nicht ein, weil die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Fahrer günstig sei, da ihnen zumindest eine die Rente erhöhende Funktion zukomme. Gerade hierdurch könnten die Fahrer "angestiftet" werden, Verkehrsverstöße zu begehen. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass diese Grundsätze ausschließlich für nachweislich betrieblich angeordnete Verkehrsverstöße, die letztlich nicht dem Fahrer individuell zugerechnet werden könnten, gelten würden. Mit dem von der Beklagten angeführten Urteil des SG Dresden vom 25.08.2005 (Az: S 18 KR 489/02) sei die Kammer der Auffassung, dass die Übernahme von Verwarn- und Bußgeldern wegen Geschwindigkeitsübertretungen beitragspflichtig wäre. Derartige Bußgelder habe die Klägerin indes im vorliegenden Fall nicht übernommen.
Gegen das ihr am 13.12.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.01.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht sie sich auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, das SG verkenne, dass die zusätzlich zu dem geschuldeten Arbeitentgelt erzielten einmaligen Einnahmen in Form der Freistellung von der Verpflichtung, die verhängten Bußgelder zu bezahlen, nur dann nicht dem Arbeitsentgelt zugerechnet werden könnten, wenn sie lohnsteuerfrei wären, vgl. § 1 Nr. 1 SVEV. Lohnsteuerfrei seien gemäß § 3 Nr. 50 EStG Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt würden. Auslagenersatz seien solche Kosten, die nach allgemein geltenden arbeits- oder auftragsrechtlichen Regeln vom Arbeitgeber zu tragen seien, weil sie der Arbeitnehmer in Ausführung seiner Arbeitsleistung in ganz überwiegendem Interesse des Arbeitgebers getätigt habe. Dies treffe auf die Bußgelder jedoch nicht zu. Das Finanzamt Aachen-Kreis habe zutreffend die Versteuerung der Bußgelder als Arbeitslohn vorgenommen. Eine entsprechende vorherige Zusage des Arbeitgebers, eventuell anfallende Bußgelder übernehmen zu wollen, sei sittenwidrig und unbeachtlich. Auch wenn der Klägerin als Halterin der Lastwagen europarechtlich Kontrollpflichten gegenüber den Fahrern oblägen, richte sich das Bußgeld ausschließlich gegen den jeweiligen Fahrer, der den Verkehrsverstoß begangen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Aachen vom 03.12.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 305,25 EUR, betreffend die durch den Beigeladenen zu 8. begangene Ordnungswidrigkeit am 03./04.10.2002, nachgefordert werden,
hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen nach,
die Berufung der Beklagten, betreffend die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 305,25 EUR wegen der Ordnungswidrigkeit am 03./04.10.2002, zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Der vorliegende Fall lasse sich insbesondere nicht mit dem vom LSG NRW (a. a. O.) entschiedenen Rechtsstreit vergleichen. Im Streit stünden Bußgelder wegen Verkehrsordnungwidrigkeiten, die in Belgien und Frankreich geahndet worden seien, sich in erster Linie an die Unternehmer als Verantwortliche gerichtet und von der Höhe her oftmals 1.000 EUR überschritten hätten. Im Übrigen habe es ausschließlich in ihrem, der Klägerin, betrieblichen Interesse gelegen, die Bußgelder unmittelbar zu zahlen; denn ansonsten hätten ihre Lastwagen ihre Fahrt nicht fortsetzen können, so dass Liefertermine in Gefahr gewesen seien.
Der Senat hat die ehemaligen Beigeladenen F X und N L sowie den Beigeladenen zu 8., T I, umfassend befragt. Diese haben übereinstimmend angegeben, in Belgien und Frankreich seien Verstöße gegen Lenk- und Ruhensvorschriften regelmäßig mit derart hohen Geldbußen geahndet worden, dass sie als Fahrer diese vor Ort gar nicht aus eigenen Mitteln hätten aufbringen können. Nach Rücksprache mit einem Verantwortlichen der Klägerin habe diese die geforderten Bußgelder in bar entweder durch einen kurzfristig entsandten Boten oder durch fahrerseitige Abhebung von einem Konto der Klägerin mittels einer sog. DKV-Karte, die in erster Linie der Zahlung der Tankrechnungen gedient habe, entrichtet. Erst nach Zahlung der Geldbuße seien die Lastwagen wieder zur Weiterfahrt freigegeben worden. In der Vergangenheit sei es lediglich in seltenen Fällen bei Termingeschäften zu Verstößen gegen Lenk- und Ruhenszeiten gekommen. Es sei in jedem Einzelfall vorab mit einem Verantwortlichen der Klägerin telefonisch abgestimmt worden, ob die Fahrt trotz Erreichens der maximalen Lenkzeiten fortgesetzt werden solle. Die Fahrer hätten nie eigenmächtig gehandelt. Mit den Verstößen seien aus Sicht der Fahrer keine konkreten Gefährdungen der anderen Verkehrsteilnehmer verbunden gewesen. Da sie als Fahrer von der Klägerin einen Festlohn erhalten hätten, habe sich die Einhaltung bzw. Überschreitung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhenszeiten in keiner Weise auf die Höhe des Arbeitsentgeltes ausgewirkt. Bei einer Weigerung eines Fahrers, eine Ordnungswidrigkeit nach Rücksprache mit einem Verantwortlichen der Klägerin zu begehen, habe nicht mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung gerechnet werden müssen. Allerdings hätten die Fahrer befürchtet, dass die Klägerin bei ständigen Terminsüberschreitungen Kunden verlieren könnte und damit der eigene Arbeitsplatz hätte in Gefahr geraten können.
Ergänzend hat der Beigeladene 8) - I - zu dem Vorfall am 03./04.10.2002 angegeben, es habe sich um den Transport von Frischbrot von Ratingen nach Bondoufle in Frankreich gehandelt. Da sich abgezeichnet habe, dass er den Liefertermin nicht werde einhalten können, habe der Hauptdisponent der Klägerin nach telefonischer Rücksprache befürwortet, dass die vorgeschriebene Ruhenszeit geringfügig um etwa eine Stunde zu verkürzt werde, um die Ware noch pünktlich ausliefern zu können. Die französische Polizei habe die Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld in Höhe von 750 EUR geahndet. Darüber telefonisch informiert habe die Klägerin umgehend einen anderen Fahrer losgeschickt, der den französischen Polizisten einen Scheck übergeben und den Wagen zwecks Fortsetzung der Fahrt übernommen habe.
Die Beklagte hat diesbezüglich eine Beitragsforderung in Höhe von 305,25 EUR ermittelt. Auf Vorschlag des Senates haben die Beteiligten den Rechtsstreit auf diese Forderung beschränkt und bzgl. der übrigen, gegebenenfalls ebenfalls Sozialversicherungsabgaben auslösenden Vorfälle einen Unterwerfungsvergleich abgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht mit Urteil vom 03. Dezember 2007 den angefochtenen Bescheid vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 auch insoweit aufgehoben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für das von der Klägerin übernommene Bußgeld, betreffend den nur noch streitgegenständlichen Vorfall am 03./04.10.2002, erhoben hat. Der angefochtene Bescheid ist, soweit er zur Überprüfung durch den Senat gestellt worden ist, rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht das übernommene Verwarnungsgeld als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen.
Der Umfang der Beitragspflicht bei versicherungspflichtig Beschäftigten - hier dem bei der Klägerin als Fahrer beschäftigten Beigeladenen zu 8. - richtet sich für alle Zweige der Sozialversicherung nach dem Arbeitsentgelt (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)). Zum Arbeitsentgelt gehören gemäß § 14 Abs. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so gelten gemäß § 14 Abs. 2 SGB IV als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Lohnsteuerfreie einmalige Zuwendungen sind gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der auf § 17 SGB IV gestützten Arbeitsentgelt-Verordnung (ArEV) dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen.
Damit steht, wie bereits der 11. Senat des LSG NRW (a. a. O.) entschieden hat, zur Überzeugung des erkennenden Senates der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift der von der Beklagten vorgenommenen Qualifizierung des Bußgeldes als Arbeitsentgelt nicht entgegen. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin den bei ihr beschäftigten Kraftfahrer I am 04.10.2002 von der Forderung zur Zahlung eines Bußgeldes frei gestellt, das gegen ihn wegen eines Verkehrsverstoßes verhängt worden war, den er im Zusammenhang mit einer im Auftrag der Klägerin durchgeführten Fahrt begangen hat. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin sowie aus der Tatsache, dass der Bußgeldbescheid - ausschließlich - an den Fahrer, den Beigeladenen zu 8., gerichtet war. Angesichts dessen kann der Zusammenhang mit der Beschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV nicht in Frage gestellt werden.
Auch Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV stehen der von der Beklagten vorgenommenen Kategorisierung des Bußgeldes als Arbeitsentgelt nicht entgegen. § 14 SGB IV ist neben der SVEV und der Sachbezugsverordnung sowie den Bestimmungen des EStG Teil des Regelungssystems zur Feststellung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung und hat den Zweck, die maßgeblichen Einnahmen festzulegen, die zur Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge maßgeblich sind (vgl. hierzu Seewald in: Kasseler Kommentar zum SGB IV (KassKomm), § 14 SGB IV Anm. 3). Diesem Normzweck widerspricht die rechtliche Beurteilung der Beklagten nach Auffassung des Senats nicht, denn der von der Klägerin geschilderte Verkehrsverstoß ist maßgeblich auf das Verhalten ihres Kraftfahrers I im Straßenverkehr, der den Verstoß in eigener Verantwortung begangen hat, zurückzuführen. Jede andere Sichtweise würde letztlich, so auch der 11. Senat des LSG NRW (a. a. O.), zu der Annahme führen, dass die Klägerin durch die Zusage der Übernahme der Bußgelder ihre Fahrer gleichsam dazu angestiftet hätte, Verkehrsordnungswidrigkeiten zu begehen. Der Beigeladene zu 8. hat zwar angegeben, er habe, bevor er unter Verstoß gegen die Ruhensvorschriften weitergefahren sei, Rücksprache mit dem Disponenten der Klägerin gehalten, der die Weiterfahrt befürwortet habe. Letztlich hat aber die Entscheidung, ob er der Auffassung der Klägerin, der die dienstlichen Äußerungen ihres Disponenten zuzurechnen sind, beitreten könne, bei ihm in eigener Verantwortung gelegen. Er hätte für den Fall, dass er die Fracht rechtzeitig abliefern konnte, keine Vorteile gehabt, zum Beispiel in Form eines höheren Arbeitsentgeltes oder einer Prämie, hätte aber auch keine Nachteile befürchten müssen. Dementsprechend hatte der beigeladene Kraftfahrer Halmes gegenüber dem Kontrolleur für Straßentransporte auch das gegen ihn - und nicht etwa gegen die Klägerin - verhängte Bußgeld selbst auszugleichen. Die Freistellung von dieser Forderung stellt nach Auffassung des erkennenden Senates eine Einnahme des beigeladenen Arbeitnehmers I aus dem Arbeitsverhältnis, mithin Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV, dar. Die Klägerin hat durch die Hingabe des Schecks eine Verpflichtung des beigeladenen Kraftfahrers I, nicht eine eigene, erfüllt; sie selbst ist auch nicht als Halterin des Lastwagens, mit dem der Verkehrsverstoß begangen worden ist, in Anspruch genommen worden.
Die Annahme des SG, die Übernahme der Bußgelder dürfe letztlich nicht zu einer Erhöhung der Rentenansprüche der Fahrer führen und damit verkehrswidriges Verhalten belohnen, vermag nach Auffassung des erkennenden Senates nicht zu überzeugen. Der Anwendungsbereich einer Norm kann, so bereits der 11. Senat des LSG NRW, nicht mit Hinweis auf jede fern liegende Rechtsfolge eingeschränkt werden. Das kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn die Rechtsfolgen der ratio legis widersprächen, was angesichts der Sachlage jedoch auf Grund vorstehender Ausführungen nicht der Fall ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei ordnungsgemäßer beitragsrechtlicher Behandlung der übernommenen Bußgelder die Fahrer anteilig an den Sozialversicherungsbeiträgen beteiligt gewesen wären. Lediglich der Umstand, dass die von der Klägerin geübte Praxis erst im Rahmen einer Betriebsprüfung gerügt worden ist, führt vorliegend zu einer Inanspruchnahme ausschließlich der Klägerin als Arbeitgeberin für nicht abgeführte Gesamtsozialversicherungsbeiträge, vgl. § 28d S. 1 i. V. m. §§ 28e Abs. 1 S. 1 und 28g S. 1 bis 3 SGB IV.
Der rechtlichen Bewertung, der dem beigeladenen Kraftfahrer I gewährte Vorteil stelle Arbeitsentgelt dar, steht auch nicht entgegen, dass der Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Ruhensvorschriften auch im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gestanden hat (vgl. insoweit Bundessozialgericht -BSG-, Sozialrecht (SozR) 4-2400 § 14 Nr. 3). In dem dieser Entscheidung des BSG zu Grunde liegenden Sachverhalt sind die Kosten eines Lkw-Führerscheins, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer erstattet hatte, nicht als Arbeitsentgelt angesehen worden, obwohl der Besitz des Lkw-Führerscheins dem Arbeitnehmer bei einer gegebenenfalls späteren Suche nach einem neuen Arbeitsplatz förderlich sein konnte. Das BSG hatte bei der Prüfung der eingangs genannten Voraussetzungen das betriebliche Interesse der Arbeitgeberin als besonders gewichtig angesehen, weil von den seinerzeit zwei im Betrieb zur Verfügung stehenden Lkw´s mit einem Gesamtgewicht über 7,5 t einer mangels Fahrer nicht einsetzbar gewesen wäre und ohne die Ausbildung eines weiteren Beschäftigten zum Lkw-Fahrer wirtschaftliche Einbußen entstanden wären. Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats ein überwiegend eigenbetrieblicher Zweck der Klägerin an der Übernahme des streitgegenständlichen Bußgeldes nicht erkennen. Das wäre ausschließlich dann denkbar, wenn die Klägerin ihr Unternehmen nur wettbewerbsfähig hätte führen können, wenn ihre Fahrer fortlaufend Verkehrsverstöße begehen. Eine solche Annahme ist jedoch lebensfremd und auch von der Klägerin nicht behauptet worden; diese hat vielmehr, ebenso wie die o. g. Fahrer, angegeben, zu Verstößen gegen die Lenk- und Ruhenszeiten sei es nur in Ausnahmefällen und nur in der Vergangenheit gekommen. Die Höhe der in den Beneluxländern verhängten Geldbußen wiege - nachvollziehbar - die möglichen Vorteile einer Einhaltung von Lieferterminen unter Inkaufnahme von Verkehrsverstößen nicht auf. Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es aber nicht aus, dass das verhängte Bußgeld einen Bezug zu der Tätigkeit ihrer Kraftfahrer aufweist, um die Sozialversicherungspflicht zu verneinen. Im Übrigen hat der beigeladene Fahrer I angegeben, er habe den fraglichen Verstoß gegen die Lenkzeiten begangen, um letztlich den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Darin aber ist ein eigenes Interesse des Fahrers zu sehen, das der Annahme eines ausschließlich eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin entgegen steht. Der weitere - finanziell spürbare - Vorteil liegt ohnehin darin, dass der Beigeladene zu 8. als ausschließlicher Adressat des die Verkehrsordnungswidrigkeit sanktionierenden, erheblichen Bußgeldes von dessen Zahlung freigestellt worden ist.
Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BFH vom 07.07.2004 (a. a. O.) ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Auch insoweit schließt sich der Senat dem o. g. Urteil des 11. Senates des LSG NRW an. Der Entscheidung des BFH lagen Besonderheiten zugrunde, die auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sind. Diese Besonderheiten bestanden zum einen darin, dass es sich nur um Bußgelder handelte, die sich auf Verstöße gegen das Halteverbot bezogen und sich damit gegen den Halter der Fahrzeuge und gerade nicht gegen die Fahrer richtete, und zum anderen - damit im Zusammenhang stehend - die Konkurrenzsituation der dortige Klägerin zu (ehemaligen) Deutschen Bundespost betrafen, für die in derartigen Fällen eine generelle Ausnahme- bzw. Sonderregelung bestand (vgl. § 35 Abs. 7 Straßenverkehrsordnung (StVO)), die den privaten Paketzustelldiensten, zu denen auch die dortige Klägerin gehörte, nur von einzelnen Kommunen eingeräumt wurde. Diese einzelfalltypischen Umstände, mit der die Entscheidung des BFH begründet worden sind, vermochte der Senat vorliegend nicht festzustellen, denn, wie ausgeführt, besteht bei der Übernahme des streitgegenständlichen Bußgeldes lediglich ein Bezug zur betriebsbedingten Teilnahme des Kraftfahrers der Klägerin am Straßenverkehr, der jedoch für jedes Speditions- und Transportunternehmen in gleicher Weise besteht.
Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus der nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB IV erlassenen ArEV, die erst zum 01.01.2007 durch die SVEV abgelöst worden ist und im vorliegenden Fall noch gilt. In § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzuges, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 SGB IV ist dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicher zu stellen. § 1 ArEV regelt, dass einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse, sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, sobald sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 nichts Abweichendes ergibt. § 3 ArEV ist vorliegend nicht einschlägig, da er sich auf die Berechnung von Zuschlägen in der Unfallversicherung bezieht. Im Zusammenhang mit § 1 ArEV hat das BSG (a. a. O.) in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH entschieden, dass solche Vorteile als Auslagenersatz anzusehen seien, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Dies ist gerade vorliegend, wie oben dargelegt, nicht der Fall. Im Übrigen hat die Klägerin die übernommenen Bußgelder in zutreffender Weise versteuert.
Ob sich bei einem Bußgeld in Höhe von 750 EUR unter Berücksichtigung der damals geltenden Prozentsätze, ausgehend von dem zutreffend von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid angenommenen Nettoprinzip, nicht noch ein höherer Nachforderungsbetrag ergeben müsste, konnte der Senat offen lassen; denn zumindest in der geltend gemachten Höhe ist die Einzelforderung der Beklagten gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Streitig ist insbesondere, ob für Buß- und Verwarngelder, die die Klägerin an Stelle ihrer Fahrer übernommen hat, Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten sind. Im Hinblick auf einen zweitinstanzlich geschlossenen Unterwerfungsvergleich beschränkt sich der Streitgegenstand nunmehr auf die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Gunsten des Beigeladenen zu 8., betreffend ein Bußgeld wegen einer am 3./4.10.2002 in Frankreich von diesem während der Ausübung der Tätigkeit für die Klägerin begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Im Juni 2005 führte die Beklagte bei der Klägerin, einem Speditionsunternehmen aus B, das im internationalen Frachtverkehr, insbesondere in den Benelux-Ländern, tätig ist, eine Betriebsprüfung durch. Diese bezog sich auf den Prüfzeitraum vom 01.12.2000 bis zum 31.12.2004. Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2005 Beiträge in Höhe von insgesamt 21.070,72 EUR nach, wobei 18.214,48 EUR auf Beiträge für Buß- und Verwarngelder entfielen, die wegen Lenkzeit- und Ruhensverstößen ihrer Fahrer in Belgien und Frankreich angefallen waren. Zur Begründung der Sozialversicherungspflicht der von der Klägerin übernommenen Bußgelder verwies die Beklagte darauf, es handele es sich um beitragspflichtigen Arbeitslohn. Außerdem habe die Klägerin als Arbeitgeberin die Versteuerung der Buß- und Verwarngelder nach § 40 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) mit einem Durchschnittssteuersatz zu Gunsten ihrer Fahrer übernommen. Dies stelle einen geldwerten Vorteil dar, aus dem ebenfalls Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet werden müssten. Zur Begründung der Beitragsfreiheit könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 07.07.2004 (Az.: VI R 29/00, Urteilssammlung für die Gesetzliche Krankenversicherung (USK) 2004-50) berufen. Es handele es sich insoweit um eine Einzelfallentscheidung, die für die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der arbeitgeberseitigen Übernahme von Buß- und Verwarngeldern wegen Lenkzeitüberschreitungen nicht maßgeblich sei.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2007 als unbegründet zurück. Insbesondere bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, bei denen erhöhte Schadensrisiken oder sogar Gesundheitsgefährdungen bestünden, stelle die Übernahme von Bußgeldern Arbeitslohn dar, so dass Sozialversicherungspflicht gegeben sei.
Mit der am 20.06.2007 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Lenkzeitüberschreitungen seien ausschließlich ihrem Verantwortungsbereich als Arbeitgeberin zuzuordnen: Sie seien in Folge entsprechender arbeitgeberseitiger Dispositionen erforderlich gewesen und beruhten sämtlich auf einer individuell erteilten Anweisung an die Fahrer, bestimmte Güter noch rechtzeitig zu den Kunden zu bringen und dabei die Missachtung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in Kauf zu nehmen. Die sofortige Zahlung der Geldbußen bei Feststellung von Verstößen habe ausschließlich in ihrem, der Klägerin, dringenden betrieblichen Interesse gelegen, weil anderenfalls ihre Fahrzeuge nicht hätten weiterfahren und Aufträge nicht rechtzeitig hätten abgewickelt werden können. Die Freistellung der Fahrer von der Zahlungsverpflichtung stelle daher kein Entgelt für die geleistete Arbeit dar, sondern sei als - sozialversicherungsfreier - Ersatz für betriebsbezogene Auslagen, die den Fahrern anlässlich ihrer betrieblichen Tätigkeit entständen seien, zu bewerten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 insoweit aufzuheben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarngelder (einschließlich Steuern) erhoben habe.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich ergänzend auf ein Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) bezogen (Urt. vom 20.06.2007, Az.: L 11 (8) R 75/06, www.juris.de) sowie auf einen Beschluss des Sächsischen LSG (Beschl. vom 04.10.2007, Az.: L 1 B 321/06 KR-ER, www.juris.de), die bei vergleichbaren Lebenssachverhalten ebenfalls von einer Sozialversicherungspflicht ausgegangen seien.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
Mit Urteil vom 30.11.2007 hat das SG der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei zwar formell rechtmäßig, insbesondere habe mit der Beklagten die gemäß § 28p Abs. 1 S. 5 i. V. m. S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständige Behörde gehandelt. Jedoch fehle der Beklagten materiellrechtlich eine entsprechende Rechtsgrundlage. Die Übernahme der Buß- und Verwarngelder durch die Klägerin stelle kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV und keine Zuwendung im Sinne des § 1 der Sozialversicherungsentgelt-Verordnung (SVEV) dar. Zwar sei der Begriff des Arbeitsentgeltes in § 14 SGB IV sozialversicherungsrechtlich definiert. Dennoch könne er nicht losgelöst von dem zivilrechtlichen Austauschverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrachtet werden. Leistung und Gegenleistung stünden in einem synallagmatischen Austauschverhältnis. Die Klägerin habe jedoch glaubhaft vorgetragen, dass die Lenkzeitverstöße ausschließlich im betrieblichen Interesse und auf entsprechende betriebliche Anweisung erfolgt seien. Die Übernahme der Bußgelder unterfalle damit nicht mehr dem synallagmatischen Austauschverhältnis des Arbeitsvertrages; denn die Arbeitnehmer führen nicht für die Spedition, damit diese die Sanktionen für betrieblich angeordnete Lenkzeitverstöße erstatte. Vielmehr handele es sich insoweit um den Ersatz von Auslagen, die angesichts der betrieblichen Tätigkeit entstanden seien (ähnlich: SG Aachen, Urt. vom 28.09.2007, Az.: S 6 R 53/06, www.juris.de; SG Detmold, Urt. vom 27.01.2006, Az.: S 11 RA 31/04, www.juris.de). Im Übrigen sei es nicht Aufgabe des Sozialversicherungsrechts, durch eine Beitragserhebung ordnungswidriges Verhalten im Straßenverkehr zu sanktionieren. Zum anderen leuchte der Ansatz der Gegenansicht auch deshalb nicht ein, weil die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Fahrer günstig sei, da ihnen zumindest eine die Rente erhöhende Funktion zukomme. Gerade hierdurch könnten die Fahrer "angestiftet" werden, Verkehrsverstöße zu begehen. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass diese Grundsätze ausschließlich für nachweislich betrieblich angeordnete Verkehrsverstöße, die letztlich nicht dem Fahrer individuell zugerechnet werden könnten, gelten würden. Mit dem von der Beklagten angeführten Urteil des SG Dresden vom 25.08.2005 (Az: S 18 KR 489/02) sei die Kammer der Auffassung, dass die Übernahme von Verwarn- und Bußgeldern wegen Geschwindigkeitsübertretungen beitragspflichtig wäre. Derartige Bußgelder habe die Klägerin indes im vorliegenden Fall nicht übernommen.
Gegen das ihr am 13.12.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.01.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht sie sich auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, das SG verkenne, dass die zusätzlich zu dem geschuldeten Arbeitentgelt erzielten einmaligen Einnahmen in Form der Freistellung von der Verpflichtung, die verhängten Bußgelder zu bezahlen, nur dann nicht dem Arbeitsentgelt zugerechnet werden könnten, wenn sie lohnsteuerfrei wären, vgl. § 1 Nr. 1 SVEV. Lohnsteuerfrei seien gemäß § 3 Nr. 50 EStG Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt würden. Auslagenersatz seien solche Kosten, die nach allgemein geltenden arbeits- oder auftragsrechtlichen Regeln vom Arbeitgeber zu tragen seien, weil sie der Arbeitnehmer in Ausführung seiner Arbeitsleistung in ganz überwiegendem Interesse des Arbeitgebers getätigt habe. Dies treffe auf die Bußgelder jedoch nicht zu. Das Finanzamt Aachen-Kreis habe zutreffend die Versteuerung der Bußgelder als Arbeitslohn vorgenommen. Eine entsprechende vorherige Zusage des Arbeitgebers, eventuell anfallende Bußgelder übernehmen zu wollen, sei sittenwidrig und unbeachtlich. Auch wenn der Klägerin als Halterin der Lastwagen europarechtlich Kontrollpflichten gegenüber den Fahrern oblägen, richte sich das Bußgeld ausschließlich gegen den jeweiligen Fahrer, der den Verkehrsverstoß begangen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Aachen vom 03.12.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 305,25 EUR, betreffend die durch den Beigeladenen zu 8. begangene Ordnungswidrigkeit am 03./04.10.2002, nachgefordert werden,
hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen nach,
die Berufung der Beklagten, betreffend die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 305,25 EUR wegen der Ordnungswidrigkeit am 03./04.10.2002, zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Der vorliegende Fall lasse sich insbesondere nicht mit dem vom LSG NRW (a. a. O.) entschiedenen Rechtsstreit vergleichen. Im Streit stünden Bußgelder wegen Verkehrsordnungwidrigkeiten, die in Belgien und Frankreich geahndet worden seien, sich in erster Linie an die Unternehmer als Verantwortliche gerichtet und von der Höhe her oftmals 1.000 EUR überschritten hätten. Im Übrigen habe es ausschließlich in ihrem, der Klägerin, betrieblichen Interesse gelegen, die Bußgelder unmittelbar zu zahlen; denn ansonsten hätten ihre Lastwagen ihre Fahrt nicht fortsetzen können, so dass Liefertermine in Gefahr gewesen seien.
Der Senat hat die ehemaligen Beigeladenen F X und N L sowie den Beigeladenen zu 8., T I, umfassend befragt. Diese haben übereinstimmend angegeben, in Belgien und Frankreich seien Verstöße gegen Lenk- und Ruhensvorschriften regelmäßig mit derart hohen Geldbußen geahndet worden, dass sie als Fahrer diese vor Ort gar nicht aus eigenen Mitteln hätten aufbringen können. Nach Rücksprache mit einem Verantwortlichen der Klägerin habe diese die geforderten Bußgelder in bar entweder durch einen kurzfristig entsandten Boten oder durch fahrerseitige Abhebung von einem Konto der Klägerin mittels einer sog. DKV-Karte, die in erster Linie der Zahlung der Tankrechnungen gedient habe, entrichtet. Erst nach Zahlung der Geldbuße seien die Lastwagen wieder zur Weiterfahrt freigegeben worden. In der Vergangenheit sei es lediglich in seltenen Fällen bei Termingeschäften zu Verstößen gegen Lenk- und Ruhenszeiten gekommen. Es sei in jedem Einzelfall vorab mit einem Verantwortlichen der Klägerin telefonisch abgestimmt worden, ob die Fahrt trotz Erreichens der maximalen Lenkzeiten fortgesetzt werden solle. Die Fahrer hätten nie eigenmächtig gehandelt. Mit den Verstößen seien aus Sicht der Fahrer keine konkreten Gefährdungen der anderen Verkehrsteilnehmer verbunden gewesen. Da sie als Fahrer von der Klägerin einen Festlohn erhalten hätten, habe sich die Einhaltung bzw. Überschreitung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhenszeiten in keiner Weise auf die Höhe des Arbeitsentgeltes ausgewirkt. Bei einer Weigerung eines Fahrers, eine Ordnungswidrigkeit nach Rücksprache mit einem Verantwortlichen der Klägerin zu begehen, habe nicht mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung gerechnet werden müssen. Allerdings hätten die Fahrer befürchtet, dass die Klägerin bei ständigen Terminsüberschreitungen Kunden verlieren könnte und damit der eigene Arbeitsplatz hätte in Gefahr geraten können.
Ergänzend hat der Beigeladene 8) - I - zu dem Vorfall am 03./04.10.2002 angegeben, es habe sich um den Transport von Frischbrot von Ratingen nach Bondoufle in Frankreich gehandelt. Da sich abgezeichnet habe, dass er den Liefertermin nicht werde einhalten können, habe der Hauptdisponent der Klägerin nach telefonischer Rücksprache befürwortet, dass die vorgeschriebene Ruhenszeit geringfügig um etwa eine Stunde zu verkürzt werde, um die Ware noch pünktlich ausliefern zu können. Die französische Polizei habe die Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld in Höhe von 750 EUR geahndet. Darüber telefonisch informiert habe die Klägerin umgehend einen anderen Fahrer losgeschickt, der den französischen Polizisten einen Scheck übergeben und den Wagen zwecks Fortsetzung der Fahrt übernommen habe.
Die Beklagte hat diesbezüglich eine Beitragsforderung in Höhe von 305,25 EUR ermittelt. Auf Vorschlag des Senates haben die Beteiligten den Rechtsstreit auf diese Forderung beschränkt und bzgl. der übrigen, gegebenenfalls ebenfalls Sozialversicherungsabgaben auslösenden Vorfälle einen Unterwerfungsvergleich abgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht mit Urteil vom 03. Dezember 2007 den angefochtenen Bescheid vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 auch insoweit aufgehoben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für das von der Klägerin übernommene Bußgeld, betreffend den nur noch streitgegenständlichen Vorfall am 03./04.10.2002, erhoben hat. Der angefochtene Bescheid ist, soweit er zur Überprüfung durch den Senat gestellt worden ist, rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht das übernommene Verwarnungsgeld als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen.
Der Umfang der Beitragspflicht bei versicherungspflichtig Beschäftigten - hier dem bei der Klägerin als Fahrer beschäftigten Beigeladenen zu 8. - richtet sich für alle Zweige der Sozialversicherung nach dem Arbeitsentgelt (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)). Zum Arbeitsentgelt gehören gemäß § 14 Abs. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so gelten gemäß § 14 Abs. 2 SGB IV als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Lohnsteuerfreie einmalige Zuwendungen sind gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der auf § 17 SGB IV gestützten Arbeitsentgelt-Verordnung (ArEV) dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen.
Damit steht, wie bereits der 11. Senat des LSG NRW (a. a. O.) entschieden hat, zur Überzeugung des erkennenden Senates der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift der von der Beklagten vorgenommenen Qualifizierung des Bußgeldes als Arbeitsentgelt nicht entgegen. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin den bei ihr beschäftigten Kraftfahrer I am 04.10.2002 von der Forderung zur Zahlung eines Bußgeldes frei gestellt, das gegen ihn wegen eines Verkehrsverstoßes verhängt worden war, den er im Zusammenhang mit einer im Auftrag der Klägerin durchgeführten Fahrt begangen hat. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin sowie aus der Tatsache, dass der Bußgeldbescheid - ausschließlich - an den Fahrer, den Beigeladenen zu 8., gerichtet war. Angesichts dessen kann der Zusammenhang mit der Beschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV nicht in Frage gestellt werden.
Auch Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV stehen der von der Beklagten vorgenommenen Kategorisierung des Bußgeldes als Arbeitsentgelt nicht entgegen. § 14 SGB IV ist neben der SVEV und der Sachbezugsverordnung sowie den Bestimmungen des EStG Teil des Regelungssystems zur Feststellung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung und hat den Zweck, die maßgeblichen Einnahmen festzulegen, die zur Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge maßgeblich sind (vgl. hierzu Seewald in: Kasseler Kommentar zum SGB IV (KassKomm), § 14 SGB IV Anm. 3). Diesem Normzweck widerspricht die rechtliche Beurteilung der Beklagten nach Auffassung des Senats nicht, denn der von der Klägerin geschilderte Verkehrsverstoß ist maßgeblich auf das Verhalten ihres Kraftfahrers I im Straßenverkehr, der den Verstoß in eigener Verantwortung begangen hat, zurückzuführen. Jede andere Sichtweise würde letztlich, so auch der 11. Senat des LSG NRW (a. a. O.), zu der Annahme führen, dass die Klägerin durch die Zusage der Übernahme der Bußgelder ihre Fahrer gleichsam dazu angestiftet hätte, Verkehrsordnungswidrigkeiten zu begehen. Der Beigeladene zu 8. hat zwar angegeben, er habe, bevor er unter Verstoß gegen die Ruhensvorschriften weitergefahren sei, Rücksprache mit dem Disponenten der Klägerin gehalten, der die Weiterfahrt befürwortet habe. Letztlich hat aber die Entscheidung, ob er der Auffassung der Klägerin, der die dienstlichen Äußerungen ihres Disponenten zuzurechnen sind, beitreten könne, bei ihm in eigener Verantwortung gelegen. Er hätte für den Fall, dass er die Fracht rechtzeitig abliefern konnte, keine Vorteile gehabt, zum Beispiel in Form eines höheren Arbeitsentgeltes oder einer Prämie, hätte aber auch keine Nachteile befürchten müssen. Dementsprechend hatte der beigeladene Kraftfahrer Halmes gegenüber dem Kontrolleur für Straßentransporte auch das gegen ihn - und nicht etwa gegen die Klägerin - verhängte Bußgeld selbst auszugleichen. Die Freistellung von dieser Forderung stellt nach Auffassung des erkennenden Senates eine Einnahme des beigeladenen Arbeitnehmers I aus dem Arbeitsverhältnis, mithin Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV, dar. Die Klägerin hat durch die Hingabe des Schecks eine Verpflichtung des beigeladenen Kraftfahrers I, nicht eine eigene, erfüllt; sie selbst ist auch nicht als Halterin des Lastwagens, mit dem der Verkehrsverstoß begangen worden ist, in Anspruch genommen worden.
Die Annahme des SG, die Übernahme der Bußgelder dürfe letztlich nicht zu einer Erhöhung der Rentenansprüche der Fahrer führen und damit verkehrswidriges Verhalten belohnen, vermag nach Auffassung des erkennenden Senates nicht zu überzeugen. Der Anwendungsbereich einer Norm kann, so bereits der 11. Senat des LSG NRW, nicht mit Hinweis auf jede fern liegende Rechtsfolge eingeschränkt werden. Das kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn die Rechtsfolgen der ratio legis widersprächen, was angesichts der Sachlage jedoch auf Grund vorstehender Ausführungen nicht der Fall ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei ordnungsgemäßer beitragsrechtlicher Behandlung der übernommenen Bußgelder die Fahrer anteilig an den Sozialversicherungsbeiträgen beteiligt gewesen wären. Lediglich der Umstand, dass die von der Klägerin geübte Praxis erst im Rahmen einer Betriebsprüfung gerügt worden ist, führt vorliegend zu einer Inanspruchnahme ausschließlich der Klägerin als Arbeitgeberin für nicht abgeführte Gesamtsozialversicherungsbeiträge, vgl. § 28d S. 1 i. V. m. §§ 28e Abs. 1 S. 1 und 28g S. 1 bis 3 SGB IV.
Der rechtlichen Bewertung, der dem beigeladenen Kraftfahrer I gewährte Vorteil stelle Arbeitsentgelt dar, steht auch nicht entgegen, dass der Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Ruhensvorschriften auch im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gestanden hat (vgl. insoweit Bundessozialgericht -BSG-, Sozialrecht (SozR) 4-2400 § 14 Nr. 3). In dem dieser Entscheidung des BSG zu Grunde liegenden Sachverhalt sind die Kosten eines Lkw-Führerscheins, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer erstattet hatte, nicht als Arbeitsentgelt angesehen worden, obwohl der Besitz des Lkw-Führerscheins dem Arbeitnehmer bei einer gegebenenfalls späteren Suche nach einem neuen Arbeitsplatz förderlich sein konnte. Das BSG hatte bei der Prüfung der eingangs genannten Voraussetzungen das betriebliche Interesse der Arbeitgeberin als besonders gewichtig angesehen, weil von den seinerzeit zwei im Betrieb zur Verfügung stehenden Lkw´s mit einem Gesamtgewicht über 7,5 t einer mangels Fahrer nicht einsetzbar gewesen wäre und ohne die Ausbildung eines weiteren Beschäftigten zum Lkw-Fahrer wirtschaftliche Einbußen entstanden wären. Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats ein überwiegend eigenbetrieblicher Zweck der Klägerin an der Übernahme des streitgegenständlichen Bußgeldes nicht erkennen. Das wäre ausschließlich dann denkbar, wenn die Klägerin ihr Unternehmen nur wettbewerbsfähig hätte führen können, wenn ihre Fahrer fortlaufend Verkehrsverstöße begehen. Eine solche Annahme ist jedoch lebensfremd und auch von der Klägerin nicht behauptet worden; diese hat vielmehr, ebenso wie die o. g. Fahrer, angegeben, zu Verstößen gegen die Lenk- und Ruhenszeiten sei es nur in Ausnahmefällen und nur in der Vergangenheit gekommen. Die Höhe der in den Beneluxländern verhängten Geldbußen wiege - nachvollziehbar - die möglichen Vorteile einer Einhaltung von Lieferterminen unter Inkaufnahme von Verkehrsverstößen nicht auf. Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es aber nicht aus, dass das verhängte Bußgeld einen Bezug zu der Tätigkeit ihrer Kraftfahrer aufweist, um die Sozialversicherungspflicht zu verneinen. Im Übrigen hat der beigeladene Fahrer I angegeben, er habe den fraglichen Verstoß gegen die Lenkzeiten begangen, um letztlich den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Darin aber ist ein eigenes Interesse des Fahrers zu sehen, das der Annahme eines ausschließlich eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin entgegen steht. Der weitere - finanziell spürbare - Vorteil liegt ohnehin darin, dass der Beigeladene zu 8. als ausschließlicher Adressat des die Verkehrsordnungswidrigkeit sanktionierenden, erheblichen Bußgeldes von dessen Zahlung freigestellt worden ist.
Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BFH vom 07.07.2004 (a. a. O.) ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Auch insoweit schließt sich der Senat dem o. g. Urteil des 11. Senates des LSG NRW an. Der Entscheidung des BFH lagen Besonderheiten zugrunde, die auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sind. Diese Besonderheiten bestanden zum einen darin, dass es sich nur um Bußgelder handelte, die sich auf Verstöße gegen das Halteverbot bezogen und sich damit gegen den Halter der Fahrzeuge und gerade nicht gegen die Fahrer richtete, und zum anderen - damit im Zusammenhang stehend - die Konkurrenzsituation der dortige Klägerin zu (ehemaligen) Deutschen Bundespost betrafen, für die in derartigen Fällen eine generelle Ausnahme- bzw. Sonderregelung bestand (vgl. § 35 Abs. 7 Straßenverkehrsordnung (StVO)), die den privaten Paketzustelldiensten, zu denen auch die dortige Klägerin gehörte, nur von einzelnen Kommunen eingeräumt wurde. Diese einzelfalltypischen Umstände, mit der die Entscheidung des BFH begründet worden sind, vermochte der Senat vorliegend nicht festzustellen, denn, wie ausgeführt, besteht bei der Übernahme des streitgegenständlichen Bußgeldes lediglich ein Bezug zur betriebsbedingten Teilnahme des Kraftfahrers der Klägerin am Straßenverkehr, der jedoch für jedes Speditions- und Transportunternehmen in gleicher Weise besteht.
Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus der nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB IV erlassenen ArEV, die erst zum 01.01.2007 durch die SVEV abgelöst worden ist und im vorliegenden Fall noch gilt. In § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzuges, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 SGB IV ist dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicher zu stellen. § 1 ArEV regelt, dass einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse, sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, sobald sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 nichts Abweichendes ergibt. § 3 ArEV ist vorliegend nicht einschlägig, da er sich auf die Berechnung von Zuschlägen in der Unfallversicherung bezieht. Im Zusammenhang mit § 1 ArEV hat das BSG (a. a. O.) in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH entschieden, dass solche Vorteile als Auslagenersatz anzusehen seien, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Dies ist gerade vorliegend, wie oben dargelegt, nicht der Fall. Im Übrigen hat die Klägerin die übernommenen Bußgelder in zutreffender Weise versteuert.
Ob sich bei einem Bußgeld in Höhe von 750 EUR unter Berücksichtigung der damals geltenden Prozentsätze, ausgehend von dem zutreffend von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid angenommenen Nettoprinzip, nicht noch ein höherer Nachforderungsbetrag ergeben müsste, konnte der Senat offen lassen; denn zumindest in der geltend gemachten Höhe ist die Einzelforderung der Beklagten gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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