L 1 B 22/08 AL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AL 8/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 22/08 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.09.2008 abgeändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt E beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Hiernach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Diese durch Artikel 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung ab 01.04.2008 eingefügte Vorschrift steht einer Beschwerde dann nicht entgegen, wenn das Sozialgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (§§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 115 ZPO) nicht abschließend geprüft hat, sondern die Ablehnung der Prozesskostenhilfe gemäß §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 118 Abs. 2 S. 4 ZPO darauf gestützt hat, dass der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Denn in diesem Fall sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verneint, sondern gar nicht geprüft worden. Zwar sollte die Anfügung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nach den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum SGGArbGGÄndG - BT-Drucksache 16/7716 S. 33) zur Folge haben, dass die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mit der Beschwerde nur noch angefochten werden kann, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Diese Zielsetzung hat indes im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nur dann unanfechtbar, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat. Hat das Gericht diese Voraussetzungen demzufolge nicht ausdrücklich verneint, sondern die Entscheidung lediglich auf das Fristversäumnis gemäß § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gestützt, ist die Beschwerde nicht ausgeschlossen.

Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts durch das Beschwerdegericht erstreckt sich zum einen auf die Frage, ob das Sozialgericht zu Recht die Prozesskostenhilfe gemäß §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 118 Abs. 2 S. 4 ZPO wegen Fristversäumnis abgelehnt hat. Ist dies nicht der Fall, sind die Voraussetzungen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das Beschwerdegericht eigenständig zu prüfen.

Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Fristversäumnis gemäß §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 118 Abs. 2 S. 4 ZPO abgelehnt (1). Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (2).

(1) Allerdings hat der Antragsteller die vom Sozialgericht zuletzt mit Verfügung vom 01.09.2008 angeforderte Bestätigung des Vermieters zur grundsätzlichen Miethöhe nicht vorgelegt. Hierauf kann indes die Ablehnungsentscheidung nicht gestützt werden, denn der Kläger war zur Vorlage der angeforderten Unterlagen nicht verpflichtet, weil es zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf diese Unterlagen nicht ankam. Der Kläger hat in der Erklärung vom 14.02.2008 angegeben, dass er Arbeitslosengeld in Höhe von 560,00 Euro monatlich beziehe. Diese Angaben hat er durch Vorlage des Bewilligungsbescheides der Agentur für Arbeit Olpe glaubhaft gemacht. Die Fragen nach Einkommen der Ehefrau bzw. vorhandenem Vermögen hat der Kläger verneint. Auf die Frage des Sozialgerichts, wovon der Kläger sowie seine Ehefrau angesichts der geringen Einnahmen ihren Lebensunterhalt bestreiten, hat der Kläger mit Schreiben vom 15.04.2008 unter Hinweis auf gewährte Darlehen beantwortet, ohne dass das Sozialgericht sich zu einer Nachfrage veranlasst sah. Außerdem hat der Kläger eine Mahnung seines Vermieters vom 09.07.2008 vorgelegt, aus der sich Mietrückstände ergeben. Da vom insoweit glaubhaft gemachten Einkommen gemäß §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO für den Kläger und seine Ehefrau jeweils ein Betrag in Höhe von 382,00 Euro (Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz vom 11.06.2007 - BGBl. I S. 1058) abzusetzen sind, verbleibt kein verwertbares Einkommen. Auf den vom Sozialgericht mit Schreiben vom 01.09.2008 angeforderten "Nachweis" der Mietverpflichtungen kommt es daher nicht an. Abgesehen davon sind die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe gemäß §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 118 Abs. 2 S. 1 ZPO lediglich glaubhaft zu machen. Der Kläger hat erklärt, dass ein schriftlicher Mietvertrag nicht vorliegt und mit dem Schreiben des Vermieters vom 09.07.2008 die Pflicht zur Mietzahlung belegt. Insoweit dürfte die geltend gemachte Mietbelastung ohnehin glaubhaft gemacht worden sein.

(2) Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 S. 1 ZPO zu bewilligen, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen - wie dargelegt - vor. Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Personen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2003 - 1 BvR 1152/02, SozR 4-1500 § 73 a Nr. 1 = NJW 2003, 3190). Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, die Anforderungen an Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (ausführlich m. w. N: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage § 73 a Rdnr. 7 ff.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen. Der Kläger wendet gegen die von der Beklagten festgestellte Sperrzeit bei Meldeversäumnis (§ 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB III) ein, ihm sei anlässlich der Vorsprache am 27.08.2007 nicht klar geworden, dass zwischen der Leistungssachbearbeitung und der Arbeitsvermittlung ein Unterschied besteht, und die Angabe dahingehend, er solle erst wieder erscheinen, wenn sämtliche Unterlagen zusammengestellt sind, sich lediglich auf die Leistungssachbearbeitung, nicht einen Termin bei der Arbeitsvermittlung bezieht. Sollte der Kläger insoweit missverständlich aufgeklärt worden sein, könnte ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III vorliegen. Der Sachverhalt ist insoweit weiter aufklärungsbedürftig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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