Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 (11,22) R 189/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 13/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.12.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 08.11.1996 zunächst sog. kleine Witwenrente ab dem 27.04.1996 bis zum 31.08.1997 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes, P L, monatlich netto in Höhe von 316,41 DM ab dem 27.04.1996 und von 317,88 DM ab dem 01.07.1996. Im Bescheid wurde die Klägerin auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen. Dort heißt es:
"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluß auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, vergleichbares Einkommen oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. ( ...)
Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit ( ...)."
Unter dem 17.11.1996 bestätigte die Klägerin den Erhalt des Rentenbescheides. Sie teilte gleichzeitig mit, dass sie alles durchgelesen und dabei einen Fehler festgestellt habe. In dem Rentnerausweis stimme ihr Geburtsjahr nicht. Sie sei in Wahrheit am 00.08. im Jahre 1951 geboren. Sie vermutete, dass die Beklagte wahrscheinlich deshalb die kleine Witwenrente bewilligt habe. Sie bat um Überprüfung der Rentenhöhe und Ausstellung eines neuen Rentnerausweises unter Berücksichtigung des richtigen Geburtsjahres.
Mit Bescheid vom 20.12.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann große Witwenrente ab dem 01.09.1996 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes, P L, in Höhe von monatlich 762,89 DM netto. Im Bescheid wurde die Klägerin erneut mit demselben Wortlaut wie im Bescheid vom 08.11.1996 auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen.
Zum 01.08.1998 nahm die Klägerin eine Beschäftigung auf, teilte dies der Beklagten jedoch nicht mit. Die Beklagte erlangte von der Beschäftigung und der Einkommenserzielung der Klägerin ab dem 01.08.1998 im Rahmen einer elektronischen Datenübermittlung am 02.02.2006 Kenntnis. Die Klägerin erzielte folgende Brutto-Arbeitsentgelte:
1999: 30.274,00 DM
2000: 33.491,00 DM
2001: 32.745,00 DM
2002: 17.400,00 EUR
2003: 19.541,00 EUR
2004: 17.915,00 EUR
2005: 20.228,18 EUR
Januar - April 2006: 6.200,00 EUR
Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 20.12.1996 mit Bescheid vom 01.06.2006 teilweise nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf, und zwar hinsichtlich der Höhe für den Zeitraum vom 01.07.1999 bis 30.04.2006. Gleichzeitig forderte sie die eingetretene Überzahlung in Höhe von 5.687,88 EUR von der Klägerin zurück.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben am 14.06.2006 Widerspruch ein, den sie mit der Einrede der Verjährung begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 sei nach § 48 Abs. 1 Ziff. 3 SGB X mit Wirkung vom 01.08.1998 aufzuheben gewesen, da nach Erlass des Bescheides durch den Hinzuverdienst seit dem 01.08.1998 in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei, die zur Minderung des Rentenanspruches führe. Die Forderung sei nicht verjährt, da die Frist zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X zehn Jahre nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse betrage. Auch sei die Frist von einem Jahr ab Kenntnis der veränderten Tatsache eingehalten, da die ersten Hinweise auf ein Einkommen der Klägerin am 02.02.2006 eingegangen seien. Eigenes Einkommen der Klägerin sei nach § 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Verbindung mit §§ 18a bis 18e Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auf die Hinterbliebenenrente anzurechen, soweit es einen dynamischen Freibetrag übersteige. Ermessenserwägungen seien nicht anzustellen gewesen, da es sich nicht um einen sogenannten atypischen Fall handele. Ein solcher liege nur vor, wenn der Fall Besonderheiten aufweise, die ihn von den Regelfällen der in § 48 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X aufgeführten Sachverhalte erheblich unterscheide.
Die Klägerin hat am 17.11.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Zur Begründung hat sie sich auf Vertrauensschutz berufen. Sie sei seit der Bewilligung der Witwenrente im Jahr 1996 nicht mehr aufgefordert worden, Einkommensnachweise vorzulegen. Der generelle Hinweis im Bewilligungsbescheid sei nicht ausreichend. Auch könne ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Im Übrigen sei der Rücknahmebescheid bereits wegen Ungenauigkeit aus formalen Gründen aufzuheben. Jedenfalls habe sie nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie habe sich gerade nach dem im Bescheid aus dem Jahre 1996 enthaltenen Hinweis gerichtet, dass sich die Meldung von Veränderungen bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit erübrige. Ein mit rechtlichen Fragen nicht täglich befasster Laie habe diesen Hinweis nur dahingehend auslegen können. Darüber hinaus sei der Rückforderungsbescheid rechtswidrig, da die Beklagte den ihr auferlegten Ermessensspielraum nicht ausgeschöpft habe. Es sei vorliegend von einem atypischen Fall auszugehen, da die Beklagte hinsichtlich der Forderung von Einkommensnachweisen ein Mitverschulden an der entstandenen hohen Überzahlung treffe. Denn sie habe über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren keine einzige Überprüfung bzw. Nachfrage zu ihrem, der Klägerin, Einkommen veranlasst. Hierdurch habe die Beklagte im Übrigen ihr Rückforderungsrecht nach § 50 SGB X verwirkt. Des Weiteren habe sie den Bescheid zu Unrecht nach § 48 SGB X aufgehoben, obwohl eine Anwendung von § 45 SGB X geboten gewesen sei. Die erbrachten Leistungen habe sie bereits verbraucht.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2006 verwiesen. Sie hat weiter ausgeführt, entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Aufhebung nicht aufgrund des § 45 SGB X, sondern aufgrund der erleichterten Bedingungen des § 48 SGB X erfolgt. Auch sei der Hinweis auf die Mitteilungspflichten im Bescheid vom 20.12.1996 ausreichend. Es sei darauf hingewiesen worden, dass das Hinzutreten von Erwerbseinkommen unverzüglich mitzuteilen sei. Zwar sei auch darauf hingewiesen worden, dass eine Meldung von Veränderungen des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen nicht erfolgen müsse. Dabei handele es sich aber um andere Fallkonstellationen. Ein Ermessen habe nicht ausgeübt werden müssen, da es sich vorliegend nicht um einen atypischen Fall handele. Gerade die fehlende Meldung von Erwerbseinkommen neben dem Hinterbliebenenrentenbezug sei eine typische Fallgestaltung, so dass Ermessenserwägungen nicht angestellt werden müssten. Im Übrigen habe auch das Interesse der Versichertengemeinschaft auf Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes überwogen, so dass der Bescheid für die Vergangenheit zwingend habe aufgehoben werden müssen.
Mit Urteil vom 05.12.2007 hat das SG Detmold die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht den Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben und von der Klägerin die Überzahlung in Höhe von 5.687,88 EUR zurückgefordert. Die Klägerin habe unstreitig ab dem 01.08.1998 Erwerbseinkommen erzielt, das zu einer Minderung des Anspruches geführt habe. Eigenes Einkommen der Witwe werde gemäß § 97 SGB VI in Verbindung mit §§ 18a - 18e SGB IV auf die Hinterbliebenenrente angerechnet, soweit es einen dynamischen Freibetrag übersteige. Den übersteigenden Betrag habe die Beklagte ohne erkennbare Rechenfehler ermittelt, etwas anderes sei von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Ermessenserwägungen habe die Beklagte nicht anzustellen gehabt, da entgegen der Auffassung der Klägerin kein atypischer Fall vorliege. Der hier vorliegende Fall sei vom Gesetzgeber in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X geregelt worden, so dass von einer typischen Fallgestaltung auszugehen sei. Es komme auch nicht darauf an, ob ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin vorliege. Entscheidend für die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei, dass nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das nach materiellem Recht die Regelung dieses Verwaltungsaktes maßgeblich beeinträchtige. Zusätzliche subjektive Elemente seien für diesen Fall unerheblich. Es komme nicht darauf an, wer es zu vertreten habe, dass der Leistungsträger über eine entscheidungserhebliche Änderung nicht oder verspätet informiert worden sei. Das Gesetz gestehe nach dem eindeutigen Wortlaut dem Betroffenen keinen besonderen Vertrauensschutz zu. Die Klägerin könne sich insoweit nicht auf die Einrede der Verwirkung berufen. Zwar komme es vorliegend für die Entscheidung nicht darauf an, doch habe nach Auffassung der Kammer auch ein juristischer Laie der von der Beklagten im Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 gewählten Formulierung entnehmen können, dass Erwerbseinkommen anzugeben sei. Die gewählte Formulierung sei klar und eindeutig und lasse nach Auffassung der Kammer keine andere Bewertung/Auslegung zu. Der Forderung der Beklagten stehe auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen, da die regelmäßige Frist nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X 10 Jahre ab Änderung der Verhältnisse betrage. Ausgehend von einem Beginn des Arbeitsverdienstes am 01.08.1998 ende diese Frist am 31.07.2008 und sei damit eingehalten. Die Beklagte habe auch die Kenntnisfrist von einem Jahr nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beachtet. Die Frist habe am 02.02.2006 begonnen und mit Ablauf des 01.02.2007 geendet. Die Beklagte habe nach Anhörung der Klägerin den Bescheid vom 01.06.2006 erlassen und damit die Frist eingehalten.
Gegen das ihr am 19.12.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.01.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass zu Unrecht eine Aufhebung nach § 48 SGB X erfolgt sei. Vielmehr habe die Aufhebung nach § 45 SGB X erfolgen müssen, da sich der Vertrauensschutz in dieser Vorschrift gerade darauf beziehe, dass eine Leistung ohne Anrechnung von Einkommen bewilligt werde. Des Weiteren sei sie bei Aufnahme ihrer Beschäftigung von einer Veränderung der Einkommensverhältnisse nach dem Wortlaut der Belehrung ausgegangen und habe diese somit als nicht meldepflichtig angesehen. Entgegen der Feststellungen des SG habe sie aufgrund des ungenauen, unklaren und missverständlichen Wortlautes annehmen dürfen, dass sie die am 01.08.1998 eingetretene Veränderung nicht habe mitteilen müssen, denn es habe sich um die Erzielung von Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung gehandelt. Die Formulierung der Beklagten in dem Bescheid sei jedenfalls nicht nur und ausschließlich so zu verstehen, wie es das SG angenommen habe. Ihr stehe somit nach dem Gesetz ein besonderer Vertrauensschutz zu, so dass von einer atypischen Fallkonstellation auszugehen sei. Im Übrigen lägen weder die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 SGB X noch für eine Rücknahme nach § 45 SGB X vor. Sie habe auf den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut und die erbrachten Leistungen verbraucht. Auch habe der Bewilligungsbescheid nicht auf Angaben beruht, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.12.2007 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 01.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen erster Instanz wiederholt und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Detmold hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 01.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht den Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 teilweise aufgehoben und von der Klägerin die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 5.687,88 EUR gefordert.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung und Entscheidung:
Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 20.12.1996 ist entgegen der Auffassung der Klägerin § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB X. § 45 SGB X hingegen regelt die Korrektur anfänglich rechtwidriger Verwaltungsakte. Für eine Abgrenzung zwischen § 48 und § 45 SGB X ist entscheidend, ob der für die abweichende Beurteilung maßgebende Umstand vor oder nach Erlass des Ursprungsbescheides eingetreten ist (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2006, § 48 SGB X Rn. 8). Die Erwerbstätigkeit der Klägerin ist als maßgebender Umstand erst nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 20.12.1996 zum 01.08.1998 eingetreten. § 45 SGB X ist daher vorliegend nicht anwendbar, so dass die Klägerin aus dieser Vorschrift keine Rechte herleiten kann.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB X sind gegeben. Es kommt daher - wie das SG zutreffend dargelegt hat - nicht auf den Wortlaut der im Bescheid vom 20.12.1996 enthaltenen Belehrung und deren Auslegung an. Allerdings geht der Senat mit dem SG davon aus, dass die von der Beklagten gewählte Formulierung in dem Bescheid vom 20.12.1996 eindeutig ist. Auch für einen Laien ist die Belehrung so zu verstehen, dass ein Hinzutreten von Erwerbseinkommen mitzuteilen und nur bei Veränderungen des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen eine Meldung entbehrlich ist. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin während des gesamten Verfahrens nicht einmal erklärt hat, wie sie den Begriff des Hinzutretens denn missverstanden haben will.
Ermessenserwägungen musste die Beklagte nicht anstellen. Denn ein sog. atypischer Fall liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 36 mwN). Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (vgl. Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 36 mwN).
Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht, insbesondere der Leistungsempfänger durch die Rückzahlungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X in besondere Bedrängnis gerät (vgl Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 37). Ebenso kann mitwirkendes Fehlverhalten des Leistungsträgers die Atypik eines Einzelfalls ergeben. Ein atypischer Fall ist jedoch nicht allein auf Grund der mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Rückzahlungspflicht gegeben; die mit der Erstattung verbundene Härte mutet das Gesetz jedem Betroffenen zu; dies gilt bei grober Pflichtwidrigkeit auch angesichts schlechter Einkommens- und Vermögenslage und allenfalls dann nicht, wenn das Einkommen durch die Aufhebung im Nachhinein unter den Sozialhilfesatz sinken würde (vgl Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 37 mwN, insbesondere mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG, SozR 3-1300 § 48 Nrn 37 und 42; BSGE 66, 103, 109; SozR 1300 § 48 Nrn 24, 25).
Der Fall der Klägerin weicht nicht auf Grund besonderer Umstände vom Regelfall ab. Er stellt im Gegenteil gerade den Regelfall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dar. Ein mitwirkendes Fehlverhalten der Beklagten liegt nicht vor. Sie war ohne konkrete Anhaltspunkte nicht gehalten, die Aufnahme einer Beschäftigung durch die Klägerin zu prüfen, zumal sie die Klägerin in zwei Bescheiden auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen hatte. Die teilweise Aufhebung der Rentengewährung für die Vergangenheit führt bei der Klägerin auch nicht zu einer besonderen Bedrängnis. Soweit die Beklagte zur Einziehung des Erstattungsbetrages gegen den Rentenanspruch der Klägerin aufrechnen sollte, ist sie durch die Regelung des § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vor dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Sinne des der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geschützt. Im Übrigen gelten zu Gunsten der Klägerin die vollstreckungsschutzrechtlichen Bestimmungen. Schließlich ist im Hinblick auf das von der Klägerin erzielte, im Tatbestand genannte Arbeitsentgelt ihr Gesamteinkommen aus der nach Einkommensanrechnung gezahlten großen Witwenrente und dem erzielten Arbeitsentgelt für eine Vollzeitbeschäftigung, auf das es hierbei ankommt, nicht ersichtlich unter den Sozialhilfesatz gesunken. Die Klägerin hat auch nie geltend gemacht, zu einer zumindest ratenweisen Rückzahlung der überzahlten Leistungen nicht in der Lage zu sein.
Da die Teilaufhebung des Rentenbescheides vom 20.12.1996 rechtmäßig ist, steht zugleich fest, dass die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zur Erstattung der überzahlten Leistungen in Höhe von 5.687,88 EUR verpflichtet ist. Eine unrichtige Berechnung zum Nachteil der Klägerin ist nicht erkennbar und ist von ihr auch nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 08.11.1996 zunächst sog. kleine Witwenrente ab dem 27.04.1996 bis zum 31.08.1997 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes, P L, monatlich netto in Höhe von 316,41 DM ab dem 27.04.1996 und von 317,88 DM ab dem 01.07.1996. Im Bescheid wurde die Klägerin auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen. Dort heißt es:
"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluß auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, vergleichbares Einkommen oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. ( ...)
Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit ( ...)."
Unter dem 17.11.1996 bestätigte die Klägerin den Erhalt des Rentenbescheides. Sie teilte gleichzeitig mit, dass sie alles durchgelesen und dabei einen Fehler festgestellt habe. In dem Rentnerausweis stimme ihr Geburtsjahr nicht. Sie sei in Wahrheit am 00.08. im Jahre 1951 geboren. Sie vermutete, dass die Beklagte wahrscheinlich deshalb die kleine Witwenrente bewilligt habe. Sie bat um Überprüfung der Rentenhöhe und Ausstellung eines neuen Rentnerausweises unter Berücksichtigung des richtigen Geburtsjahres.
Mit Bescheid vom 20.12.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann große Witwenrente ab dem 01.09.1996 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes, P L, in Höhe von monatlich 762,89 DM netto. Im Bescheid wurde die Klägerin erneut mit demselben Wortlaut wie im Bescheid vom 08.11.1996 auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen.
Zum 01.08.1998 nahm die Klägerin eine Beschäftigung auf, teilte dies der Beklagten jedoch nicht mit. Die Beklagte erlangte von der Beschäftigung und der Einkommenserzielung der Klägerin ab dem 01.08.1998 im Rahmen einer elektronischen Datenübermittlung am 02.02.2006 Kenntnis. Die Klägerin erzielte folgende Brutto-Arbeitsentgelte:
1999: 30.274,00 DM
2000: 33.491,00 DM
2001: 32.745,00 DM
2002: 17.400,00 EUR
2003: 19.541,00 EUR
2004: 17.915,00 EUR
2005: 20.228,18 EUR
Januar - April 2006: 6.200,00 EUR
Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 20.12.1996 mit Bescheid vom 01.06.2006 teilweise nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf, und zwar hinsichtlich der Höhe für den Zeitraum vom 01.07.1999 bis 30.04.2006. Gleichzeitig forderte sie die eingetretene Überzahlung in Höhe von 5.687,88 EUR von der Klägerin zurück.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben am 14.06.2006 Widerspruch ein, den sie mit der Einrede der Verjährung begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 sei nach § 48 Abs. 1 Ziff. 3 SGB X mit Wirkung vom 01.08.1998 aufzuheben gewesen, da nach Erlass des Bescheides durch den Hinzuverdienst seit dem 01.08.1998 in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei, die zur Minderung des Rentenanspruches führe. Die Forderung sei nicht verjährt, da die Frist zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X zehn Jahre nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse betrage. Auch sei die Frist von einem Jahr ab Kenntnis der veränderten Tatsache eingehalten, da die ersten Hinweise auf ein Einkommen der Klägerin am 02.02.2006 eingegangen seien. Eigenes Einkommen der Klägerin sei nach § 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Verbindung mit §§ 18a bis 18e Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auf die Hinterbliebenenrente anzurechen, soweit es einen dynamischen Freibetrag übersteige. Ermessenserwägungen seien nicht anzustellen gewesen, da es sich nicht um einen sogenannten atypischen Fall handele. Ein solcher liege nur vor, wenn der Fall Besonderheiten aufweise, die ihn von den Regelfällen der in § 48 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X aufgeführten Sachverhalte erheblich unterscheide.
Die Klägerin hat am 17.11.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Zur Begründung hat sie sich auf Vertrauensschutz berufen. Sie sei seit der Bewilligung der Witwenrente im Jahr 1996 nicht mehr aufgefordert worden, Einkommensnachweise vorzulegen. Der generelle Hinweis im Bewilligungsbescheid sei nicht ausreichend. Auch könne ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Im Übrigen sei der Rücknahmebescheid bereits wegen Ungenauigkeit aus formalen Gründen aufzuheben. Jedenfalls habe sie nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie habe sich gerade nach dem im Bescheid aus dem Jahre 1996 enthaltenen Hinweis gerichtet, dass sich die Meldung von Veränderungen bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit erübrige. Ein mit rechtlichen Fragen nicht täglich befasster Laie habe diesen Hinweis nur dahingehend auslegen können. Darüber hinaus sei der Rückforderungsbescheid rechtswidrig, da die Beklagte den ihr auferlegten Ermessensspielraum nicht ausgeschöpft habe. Es sei vorliegend von einem atypischen Fall auszugehen, da die Beklagte hinsichtlich der Forderung von Einkommensnachweisen ein Mitverschulden an der entstandenen hohen Überzahlung treffe. Denn sie habe über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren keine einzige Überprüfung bzw. Nachfrage zu ihrem, der Klägerin, Einkommen veranlasst. Hierdurch habe die Beklagte im Übrigen ihr Rückforderungsrecht nach § 50 SGB X verwirkt. Des Weiteren habe sie den Bescheid zu Unrecht nach § 48 SGB X aufgehoben, obwohl eine Anwendung von § 45 SGB X geboten gewesen sei. Die erbrachten Leistungen habe sie bereits verbraucht.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2006 verwiesen. Sie hat weiter ausgeführt, entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Aufhebung nicht aufgrund des § 45 SGB X, sondern aufgrund der erleichterten Bedingungen des § 48 SGB X erfolgt. Auch sei der Hinweis auf die Mitteilungspflichten im Bescheid vom 20.12.1996 ausreichend. Es sei darauf hingewiesen worden, dass das Hinzutreten von Erwerbseinkommen unverzüglich mitzuteilen sei. Zwar sei auch darauf hingewiesen worden, dass eine Meldung von Veränderungen des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen nicht erfolgen müsse. Dabei handele es sich aber um andere Fallkonstellationen. Ein Ermessen habe nicht ausgeübt werden müssen, da es sich vorliegend nicht um einen atypischen Fall handele. Gerade die fehlende Meldung von Erwerbseinkommen neben dem Hinterbliebenenrentenbezug sei eine typische Fallgestaltung, so dass Ermessenserwägungen nicht angestellt werden müssten. Im Übrigen habe auch das Interesse der Versichertengemeinschaft auf Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes überwogen, so dass der Bescheid für die Vergangenheit zwingend habe aufgehoben werden müssen.
Mit Urteil vom 05.12.2007 hat das SG Detmold die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht den Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben und von der Klägerin die Überzahlung in Höhe von 5.687,88 EUR zurückgefordert. Die Klägerin habe unstreitig ab dem 01.08.1998 Erwerbseinkommen erzielt, das zu einer Minderung des Anspruches geführt habe. Eigenes Einkommen der Witwe werde gemäß § 97 SGB VI in Verbindung mit §§ 18a - 18e SGB IV auf die Hinterbliebenenrente angerechnet, soweit es einen dynamischen Freibetrag übersteige. Den übersteigenden Betrag habe die Beklagte ohne erkennbare Rechenfehler ermittelt, etwas anderes sei von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Ermessenserwägungen habe die Beklagte nicht anzustellen gehabt, da entgegen der Auffassung der Klägerin kein atypischer Fall vorliege. Der hier vorliegende Fall sei vom Gesetzgeber in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X geregelt worden, so dass von einer typischen Fallgestaltung auszugehen sei. Es komme auch nicht darauf an, ob ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin vorliege. Entscheidend für die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei, dass nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das nach materiellem Recht die Regelung dieses Verwaltungsaktes maßgeblich beeinträchtige. Zusätzliche subjektive Elemente seien für diesen Fall unerheblich. Es komme nicht darauf an, wer es zu vertreten habe, dass der Leistungsträger über eine entscheidungserhebliche Änderung nicht oder verspätet informiert worden sei. Das Gesetz gestehe nach dem eindeutigen Wortlaut dem Betroffenen keinen besonderen Vertrauensschutz zu. Die Klägerin könne sich insoweit nicht auf die Einrede der Verwirkung berufen. Zwar komme es vorliegend für die Entscheidung nicht darauf an, doch habe nach Auffassung der Kammer auch ein juristischer Laie der von der Beklagten im Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 gewählten Formulierung entnehmen können, dass Erwerbseinkommen anzugeben sei. Die gewählte Formulierung sei klar und eindeutig und lasse nach Auffassung der Kammer keine andere Bewertung/Auslegung zu. Der Forderung der Beklagten stehe auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen, da die regelmäßige Frist nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X 10 Jahre ab Änderung der Verhältnisse betrage. Ausgehend von einem Beginn des Arbeitsverdienstes am 01.08.1998 ende diese Frist am 31.07.2008 und sei damit eingehalten. Die Beklagte habe auch die Kenntnisfrist von einem Jahr nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beachtet. Die Frist habe am 02.02.2006 begonnen und mit Ablauf des 01.02.2007 geendet. Die Beklagte habe nach Anhörung der Klägerin den Bescheid vom 01.06.2006 erlassen und damit die Frist eingehalten.
Gegen das ihr am 19.12.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.01.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass zu Unrecht eine Aufhebung nach § 48 SGB X erfolgt sei. Vielmehr habe die Aufhebung nach § 45 SGB X erfolgen müssen, da sich der Vertrauensschutz in dieser Vorschrift gerade darauf beziehe, dass eine Leistung ohne Anrechnung von Einkommen bewilligt werde. Des Weiteren sei sie bei Aufnahme ihrer Beschäftigung von einer Veränderung der Einkommensverhältnisse nach dem Wortlaut der Belehrung ausgegangen und habe diese somit als nicht meldepflichtig angesehen. Entgegen der Feststellungen des SG habe sie aufgrund des ungenauen, unklaren und missverständlichen Wortlautes annehmen dürfen, dass sie die am 01.08.1998 eingetretene Veränderung nicht habe mitteilen müssen, denn es habe sich um die Erzielung von Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung gehandelt. Die Formulierung der Beklagten in dem Bescheid sei jedenfalls nicht nur und ausschließlich so zu verstehen, wie es das SG angenommen habe. Ihr stehe somit nach dem Gesetz ein besonderer Vertrauensschutz zu, so dass von einer atypischen Fallkonstellation auszugehen sei. Im Übrigen lägen weder die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 SGB X noch für eine Rücknahme nach § 45 SGB X vor. Sie habe auf den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut und die erbrachten Leistungen verbraucht. Auch habe der Bewilligungsbescheid nicht auf Angaben beruht, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.12.2007 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 01.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen erster Instanz wiederholt und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Detmold hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 01.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht den Bewilligungsbescheid vom 20.12.1996 teilweise aufgehoben und von der Klägerin die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 5.687,88 EUR gefordert.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung und Entscheidung:
Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 20.12.1996 ist entgegen der Auffassung der Klägerin § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB X. § 45 SGB X hingegen regelt die Korrektur anfänglich rechtwidriger Verwaltungsakte. Für eine Abgrenzung zwischen § 48 und § 45 SGB X ist entscheidend, ob der für die abweichende Beurteilung maßgebende Umstand vor oder nach Erlass des Ursprungsbescheides eingetreten ist (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2006, § 48 SGB X Rn. 8). Die Erwerbstätigkeit der Klägerin ist als maßgebender Umstand erst nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 20.12.1996 zum 01.08.1998 eingetreten. § 45 SGB X ist daher vorliegend nicht anwendbar, so dass die Klägerin aus dieser Vorschrift keine Rechte herleiten kann.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB X sind gegeben. Es kommt daher - wie das SG zutreffend dargelegt hat - nicht auf den Wortlaut der im Bescheid vom 20.12.1996 enthaltenen Belehrung und deren Auslegung an. Allerdings geht der Senat mit dem SG davon aus, dass die von der Beklagten gewählte Formulierung in dem Bescheid vom 20.12.1996 eindeutig ist. Auch für einen Laien ist die Belehrung so zu verstehen, dass ein Hinzutreten von Erwerbseinkommen mitzuteilen und nur bei Veränderungen des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen eine Meldung entbehrlich ist. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin während des gesamten Verfahrens nicht einmal erklärt hat, wie sie den Begriff des Hinzutretens denn missverstanden haben will.
Ermessenserwägungen musste die Beklagte nicht anstellen. Denn ein sog. atypischer Fall liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 36 mwN). Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (vgl. Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 36 mwN).
Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht, insbesondere der Leistungsempfänger durch die Rückzahlungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X in besondere Bedrängnis gerät (vgl Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 37). Ebenso kann mitwirkendes Fehlverhalten des Leistungsträgers die Atypik eines Einzelfalls ergeben. Ein atypischer Fall ist jedoch nicht allein auf Grund der mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Rückzahlungspflicht gegeben; die mit der Erstattung verbundene Härte mutet das Gesetz jedem Betroffenen zu; dies gilt bei grober Pflichtwidrigkeit auch angesichts schlechter Einkommens- und Vermögenslage und allenfalls dann nicht, wenn das Einkommen durch die Aufhebung im Nachhinein unter den Sozialhilfesatz sinken würde (vgl Steinwedel aaO, § 48 SGB X Rn. 37 mwN, insbesondere mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG, SozR 3-1300 § 48 Nrn 37 und 42; BSGE 66, 103, 109; SozR 1300 § 48 Nrn 24, 25).
Der Fall der Klägerin weicht nicht auf Grund besonderer Umstände vom Regelfall ab. Er stellt im Gegenteil gerade den Regelfall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dar. Ein mitwirkendes Fehlverhalten der Beklagten liegt nicht vor. Sie war ohne konkrete Anhaltspunkte nicht gehalten, die Aufnahme einer Beschäftigung durch die Klägerin zu prüfen, zumal sie die Klägerin in zwei Bescheiden auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen hatte. Die teilweise Aufhebung der Rentengewährung für die Vergangenheit führt bei der Klägerin auch nicht zu einer besonderen Bedrängnis. Soweit die Beklagte zur Einziehung des Erstattungsbetrages gegen den Rentenanspruch der Klägerin aufrechnen sollte, ist sie durch die Regelung des § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vor dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Sinne des der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geschützt. Im Übrigen gelten zu Gunsten der Klägerin die vollstreckungsschutzrechtlichen Bestimmungen. Schließlich ist im Hinblick auf das von der Klägerin erzielte, im Tatbestand genannte Arbeitsentgelt ihr Gesamteinkommen aus der nach Einkommensanrechnung gezahlten großen Witwenrente und dem erzielten Arbeitsentgelt für eine Vollzeitbeschäftigung, auf das es hierbei ankommt, nicht ersichtlich unter den Sozialhilfesatz gesunken. Die Klägerin hat auch nie geltend gemacht, zu einer zumindest ratenweisen Rückzahlung der überzahlten Leistungen nicht in der Lage zu sein.
Da die Teilaufhebung des Rentenbescheides vom 20.12.1996 rechtmäßig ist, steht zugleich fest, dass die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zur Erstattung der überzahlten Leistungen in Höhe von 5.687,88 EUR verpflichtet ist. Eine unrichtige Berechnung zum Nachteil der Klägerin ist nicht erkennbar und ist von ihr auch nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
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