L 8 R 316/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 55 R 17/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 316/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 96/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.10.2006 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Gerichtskosten im Berufungsverfahren als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 10.072,04 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Als Rechtsnachfolger ihrer am 00.00.2005 verstorbenen Mutter verfolgen die Kläger deren Witwenrentenanspruch aus der Versicherung des am 13.04.1999 verstorbenen Ehegattens ihrer Mutter (ihres Vaters) unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten im Ghetto Lemberg, Generalgouvernement, Distrikt Galizien, in der Zeit von Juli 1941 bis März 1943 weiter.

Der verstorbene jüdische I U wurde am 00.04.1921 in Lemberg, Polen, geboren, hatte zunächst von Geburt an die polnische Staatsangehörigkeit, nahm im Anschluss an die Einreise nach Israel im Jahre 1948 die israelische Staatsangehörigkeit an und war als Verfolgter des Nationalsozialismus gem. § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt. Bis zu seinem Tod erhielt nach diesem Gesetz Leistungen zum Ersatz des erlittenen Schadens an Freiheit und an Gesundheit.

In den letzten drei Jahren vor der Verfolgung studierte der Verstorbene an einer Hochschule in Lemberg in der Fachrichtung Maschinenbau. Im Entschädigungsverfahren gab er sodann an, von Juli 1941 bis März 1943 im Ghetto Lemberg sowie anschließend von 03/43 bis 12/44 und sodann von 12/44 bis 05/44 im ZAL Plaszow bzw. KZ Mauthausen inhaftiert gewesen zu sein. Den Ghettoaufenthalt bestätigten die Zeugen I I für die Zeit von 07/41 bis 01/42 und der Zeuge K U in seiner eidlichen Erklärung vom 10.08.1950 für die Zeit von 07/41 bis 03/43. Später korrigierte der Verstorbene diesen Vortrag. Im März 1943 sei ihm die Flucht aus dem Ghetto Lemberg zusammen mit seinem Bruder gelungen, anschließend hätten sie mit arischen Papieren acht Monate lang als Maurergehilfen in der Ukraine gearbeitet und die letzten drei Monate bis zu ihrer Befreiung am 01.02.1944 in einer Erdhöhle versteckt gelebt.

Am 31.12.1975 stellte der Verstorbene einen Antrag auf Gewährung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente sowie die Nachentrichtung von Beiträgen. Einen weiteren Antrag auf Versichertenrente nach dem deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) stellte er am 11. Juli 1980. Im korrespondierenden Formantrag, unterzeichnet am 02.07.1980, listete er die seit 1941 ausgeübten beruflichen Tätigkeiten wie folgt auf:

1941 - 1942 Automechaniker, Feldluftpark Luftwaffe, Lemberg, Zwangsarbeit;

im Jahre 1943 sechs Monate als Maurer unter Decknamen A I, Firma I, Filiale "Einsatz" im Dorf Rotmistrowska/Kiew, gute Entlohnung in Reichsmark. Höhe nicht erinnerlich;

1944 - 1945 Sekretär, Militärkrankenhaus, Lemberg-Liegnitz, Höhe der Entlohnung nicht mehr erinnerlich, freie Kost;

ca. August 1947 - ca. April 1948 als Ingenieur in verschiedenen Abteilungen des Werkes G E Compourverschluss und Maschinenbau München, Entgelt nicht erinnerlich;

ca. Mai 1948 - Juli 1948 als Ingenieur bei der Firma Q, Stanzenerzeugung München, Entgelt nicht erinnerlich.

Die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.08.1982 mangels Erfüllung der Wartezeit abgelehnt; ebenso der Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) (Bescheid vom 09.02.1982).

Mit Bescheid vom 21.03.1991 wurde ein Begehren auf Nachentrichtung nach §§ 21, 22 (WGSVG) und auch auf freiwillige Versicherung nach § 10 des Angestellten-Versicherungsgesetzes (AVG) sowie die Anerkennung von Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) abgelehnt. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Ebenso bestandskräftig wurde der ablehnende Bescheid der BfA vom 07.11.1997 auf einen Antrag des Klägers auf Versichertenrente nach dem Zusatzabkommen zum DISVA vom 17.08.1997.

Am 23.06.2003 stellte die Ehefrau des Verstorbenen und Mutter der Kläger Antrag auf Witwenrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehegatten. Im am 05.02.2003 unterschriebenen Kurzantrag gab sie den Ort des Ghettos mit "Lemberg/Lwow" an. Die Kurzfragen "Zeitraum der Beschäftigung" und "Ich arbeitete im Ghetto als ..." wurden durchgestrichen und nicht beantwortet. Im Fragebogen der BfA zum Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) wurde eine Tätigkeit von 07/1941 bis 03/1943 im Ghetto Lemberg, Skarnilov-Flughafen beschrieben. Die Beschäftigung sei außerhalb des Ghettos bei einer täglichen Rückkehr in das Ghetto erfolgt, im Arbeitsressort Flughafen-Skarnilov. Auf die Frage "Art der ausgeübten Beschäftigung (kurze Tätigkeitsbeschreibung)?" wurde ausgeführt: "Gemäß den Erzählungen, arbeitete er am Flughafen beim Bau von Plattformen." Die Arbeitsvermittlung sei durch den Judenrat erfolgt. Als Entlohnung sei zusätzliche Versorgung, Arbeitskarte, gewährt worden.

Nachdem die Beklagte von der Jewish Claims Conference die Auskunft erhielt, der Verstorbene I U sei nicht registriert und sie die Entschädigungsakten beigezogen und ausgewertet hatte, lehnte sie das Begehren der Mutter der Kläger mit Bescheid vom 11.03.2005 ab. Die erhaltenen Zuwendungen für den täglichen Überlebensbedarf erfüllten nicht den Entgeltbegriff des ZRBG. Im Übrigen sei nicht auszuschließen, dass der Verstorbene gar nicht im eigentlichen Ghetto Lemberg, sondern im Zwangsarbeiterlager Lemberg-Janowska inhaftiert gewesen sei. Hiermit könne seine Angabe aus einem früheren Rentenverfahren in Einklang gebracht werden, dass er als Automechaniker im Feldluftpark der Luftwaffe habe arbeiten müssen. Solche Zwangsarbeiten seien vom ZRBG aber nicht erfasst.

Hiergegen legte die Mutter der Kläger unter dem 24.03.2005 (Bl. 250 VA) Widerspruch ein, der unbegründet blieb, so dass die Beklagte ihn mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 mit Bezug auf ihre Ausführungen im Ausgangsbescheid zurückwies.

Hiergegen hat die Mutter der Kläger am 20.10.2005 Klage erhoben, bevor sie am 19.11.2005 verstorben ist. Das Verfahren ist von den Klägern als ihren Rechtsnachfolgern weitergeführt worden. Zur Begründung der Klage haben sie vorgetragen:

Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis in einem Ghetto sei vor dem historischen Hintergrund glaubhaft gemacht. Der Verstorbene habe seit seiner Geburt in der Stadt Lemberg gelebt, die zum sogenannten Generalgouvernement, einem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet, gehört habe. Die Beschäftigung des Verstorbenen im Ghetto sei aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen. Der eigene Willensentschluss, einer Beschäftigung nachzugehen, sei die adäquate Reaktion auf die im Ghetto vorgefundenen und sich entwickelnden Lebensverhältnisse gewesen. Nur mittels Arbeit habe er seine unmittelbaren Bedürfnisse wie Nahrung, Bekleidung und Wohnung befriedigen können. Daneben habe es gegolten, den vollkommen zerstörten kulturellen Werten und der ständigen Angst vor organisierter Deportation in ein Vernichtungslager bzw. der Gefahr für Leib und Leben durch Übergriffe einzelner Angehöriger des Besatzungsregimes bzw. der kolaborierenden ukrainischen Bevölkerung etwas entgegen zu setzen. Aus dieser Gemengelage habe sich im Wege der Aktivierung aller Willensanstrengungen der eigene Willensentschluss entwickelt, eine Tätigkeit, vermittelt durch den Judenrat, aufzunehmen. Dies sei bei vielen deutschen Firmen möglich und der Fall gewesen. Daher sei glaubhaft, dass der Verstorbene auf dem Flughafen Skanilov mit dem Bau von Plattformen beschäftigt gewesen sei und dort im Sinne des ZRBG aus eigenem Willensentschluss eine Arbeit aufgenommen habe.

Nach den im Generalgouvernement geltenden Rechtsvorschriften hätten die in ein freies Beschäftigungsverhältnis vermittelten Juden (auch) einen Rechtsanspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts gehabt und seien "selbstverständlich" in der Sozialversicherung zu versichern gewesen. Das ergebe sich aus den Richtlinien vom 05.07.1940, der Verordnung vom 15.12.1941 und im Umkehrschluss aus den Schreiben des SSPF Galizien vom 23.10.1942 und vom 06.11.1942. In diesen Schreiben sei bestimmt worden, dass die Lohnzahlungen an bei der Rüstungsinspektion beschäftigte jüdische Arbeitskräfte im Distrikt Galizien, zu dem Lemberg gehört habe, ab dem 01.11.1942 einzustellen gewesen seien. Für die beim Wehrkreisbefehlshaber im Generalgouvernement beschäftigten Juden habe diese Regelung ab dem 15.11.1942 gegolten. In den Anordnungen des SSPF Galizien sei nicht nur die Rede davon, dass die Lohnzahlungen einzustellen seien; fortan habe auch die Abführung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge zu unterbleiben gehabt. Neben der Barauszahlung des Lohnes an die Juden durch den Arbeitgeber sei es auch möglich gewesen, den Lohn an den zuständigen Judenrat zu zahlen. In einem solchen Fall sei es Angelegenheit des Judenrates gewesen, ob und in welchem Umfang er den baren Lohn an den Arbeitenden weiterreichte oder ob er den Arbeitenden nur zusätzliche Sachbezüge gewährte. Jedenfalls habe nach den Richtlinien vom 05.07.1940 jeder beschäftigte Jude einen Rechtsanspruch auf Lohnzahlung gegen seinen Arbeitgeber gehabt. Entgeltlichkeit sei aber auch dann zu bejahen, wenn es zu einer solchen Überweisung an einen "Dritten" gekommen sei, dies entspreche insbesondere der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA). Allein der dargestellte Entgeltanspruch führe (also) dazu, dass der verstorbene Vater der Kläger für den Bereich der Rentenversicherung so zu stellen sei, als sei ihm das Monatsgehalt tatsächlich ausgezahlt worden. Das RVA habe bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 29.10.1930 entschieden, dass für die Berechnung des Monatsbeitrags nicht lediglich auf das tatsächliche ausgezahlte Monatsgehalt, sondern auf das Gehalt abzustellen sei, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit ein Rechtsanspruch bestünde. Hieran anknüpfend habe auch das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 14.07.2004 - B 12 KR 7/03 R - festgestellt, dass das tariflich zustehende Arbeitsentgelt für die Beitrags- und Versicherungspflicht maßgebend sei und dass ein tariflich geschuldetes Mindestentgelt zur Sozialversicherungspflicht führe.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern als Rechtsnachfolgern der Witwe von I U aufgrund der Tätigkeit des Verstorbenen im Ghetto Lemberg von Juli 1941 bis März 1943 nach den Vorschriften des ZRBG unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten wegen NS-Verfolgung nach dem SGB VI, die der verstorbenen Witwe zustehende Witwenrente vom 01.04.1999 bis zum 01.11.2005 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich hierbei insbesondere auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid bezogen.

Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klage mit Urteil vom 04.10.2006 abgewiesen.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente seien nicht erfüllt, da keine auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren Pflichtbeitragszeiten gegeben seien. Insbesondere könnten Pflichtbeitragszeiten nicht nach den §§ 1, 2 ZRBG fingiert werden. Die Angaben der Mutter der Kläger für ihren verstorbenen Ehemann seien nicht geeignet, eine Entgeltlichkeit der behaupteten Tätigkeit glaubhaft zu machen. Sie habe angegeben, ihr Ehemann habe für die Tätigkeit im Wesentlichen zusätzliche Versorgung und eine Arbeitskarte erhalten. Bei dieser Art der Entlohnung handele es sich nur um ein Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft, wie es gerade typisch für Zwangsarbeitsverhältnisse sei. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Entlohnung dem Vater der Kläger in einem solchen Umfang und einer Regelmäßigkeit gewährt worden sei, dass sie zum Umfang der geleisteten Arbeit noch in einem angemessenen Verhältnis gestanden habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sie lediglich für seine eigene Verpflegung ausreicht habe. An keiner Stelle werde behauptet, dass der verstorbene Vater der Kläger zusätzliche Versorgung über seinen täglichen Bedarf hinaus in rechtserheblichem Umfang zur Verfügung, etwa zum Tausch, erhalten habe. Darüber hinaus sei ein in Sachen des ZRBG relevanter Entgeltanspruch entgegen der Ansicht der Kläger allein durch die abstrakten Entlohnungsregelungen nicht zu fingieren. Denn hierzu sei nach wie vor auf das konkrete Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses selbst abzustellen. Hierzu werde im vorliegenden Fall aber überhaupt keine Aussage getroffen. Ein (vertragliches oder quasi vertragliches) Arbeitsverhältnis habe nicht vorgelegen.

Gegen das den Klägern am 25.10.2006 zugestellte Urteil haben diese am 15.11.2006 Berufung eingelegt. Die Berufung ist schließlich mit Schriftsatz vom 22.10.2008 begründet worden. Die Kläger rügen unzureichende Sachverhaltsermittlung und eine falsche Anwendung der so genannten "Anspruchstheorie". Entgegen der Auffassung des SG sei diese Theorie nicht nur auf die Beitragsberechnung zu reduzieren. Ihre Anwendung setze auch nicht den Bestand eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses voraus. Im Übrigen müsse vor dem historischen Hintergrund davon ausgegangen werden, dass Barentlohnungen im Ghetto Lemberg durchaus als möglich angesehen werden müssten, ferner sei auch "die Aufnahme von Beschäftigungen im Sinne des ZRBG in den Ghettos des GG generell möglich gewesen". Im Übrigen sei auch eine Tätigkeit des verstorbenen Vaters der Kläger von Juli 1941 bis März 1943 im Ghetto glaubhaft. Die verstorbene Witwe und auch der Kläger B U, Sohn des verstorbenen I U, wüssten hiervon vom Hören-Sagen. Der Ghettoaufenthalt werde zudem im Entschädigungsverfahren bestätigt. Sofern die Tätigkeiten in einem Rentenverfahren aus dem Jahre 1980/1982 als Zwangsarbeit bezeichnet worden seien, könne zumindest festgestellt werden, dass dort auch eine Tätigkeit auf dem Flughafen erwähnt sei.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.10.2006, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.2005, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2005 zu verurteilen, den Klägern als Rechtsnachfolgern der am 19.11.2005 verstorbenen Witwe des am 19.04.1999 verstorbenen I U, die dieser aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes vom 01.04.1999 bis 19.11.2005 zustehende Witwenrente unter Anerkennung von Ghettobeitragszeiten von Juli 1941 bis März 1943 zu zahlen.

sinngemäß hilfsweise,

1.den Sachverständigen Dr. Jochen Böhler, Deutsches Historisches Institut Warschau, Palac Karnickich, al. Ujazdowski, 00-540 Warschau/Polen zur Situation der Ghettoarbeiter im Ghetto Lemberg betreffend den eigenen Willensentschluss und die Entgeltlichkeit der verrichteten Arbeiten zu hören. Es wird in das Wissen des Sachverständigen gestellt, dass Beschäftigungen im Ghetto Lemberg nur aufgrund eines eigenen Willensentschlusses entgeltlich ausgeführt wurden;

2.den Sachverständigen (siehe oben) zur Glaubwürdigkeit des klägerischen Vortrages über die Beschäftigungsaufnahme des Versicherten aufgrund eines eigenen Willensentschlusses und die Entlohnung zu hören. Der Sachverständige wird die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit dieses Vortrages bestätigen.

Der Sachverständige ist zu beauftragen, in den Archiven des Ghettos Lemberg nach individuellen Unterlagen für den Versicherten über seine Beschäftigung von Juli 1941 bis März 1943 als Bauarbeiter auf dem Flughafen Skanislov i. S. von § 1 ZRBG zu forschen.

Diese Unterlagen werden die Richtigkeit und die Glaubwürdigkeit des klägerischen Vortrages bestätigen.

3.den Kläger B U über die Beschäftigung des Versicherten auf dem Flughafen Skanilov i. S. von § 1 ZRBG zu hören. Er wird bestätigen, dass der Versicherte häufig sowohl gegenüber seiner Ehefrau als auch gegenüber seinen Kindern und damit dem Kläger über seinen Aufenthalt im Ghetto Lemberg und seine Beschäftigung, vermittelt durch den Judenrat, auf dem Flughafen Skanilov berichtet hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich hierbei insbesondere auf ihre Ausführungen im bisherigen Verfahren.

Die JCC hat dem Senat nochmals bestätigt, dass der Verstorbene dort nicht registriert ist. Auch der ITS kann das Verfolgungsschicksal des Verstorbenen nicht dokumentieren. Schließlich wird mitgeteilt, dass direkte Zeugen nicht mehr vorhanden seien.

Der Senat hat die Gutachten der Prof. Dr. Frank Golczewski vom 21.07.2008 und 05.08.2008 erstellt für den Senat zu den Az L 8 R 319/07 und L 8 R 324/07 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die den Verstorbenen betreffenden Entschädigungsakten sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gem. der §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Kläger und ihrer Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil diese in der Terminsmitteilung, die ihr am 09.10.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene und im Ergebnis vom SG bestätigte Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und beschwert die Kläger daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

I. Ein Anspruch auf Witwenrente, den die Kläger als nach israelischem Recht anerkannte (vgl. Art 25 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) Erben der Witwe gemäß §§ 1922 Abs. 1, 2032 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch geltend machen können, folgt hierbei allein aus dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), ohne dass das ZRBG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen würde (so BSG zum Anspruch auf Altersrente nach § 35 SGB VI, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075, § 1 Nr. 4, a. A. BSG Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075, § 1 Nr. 3) Grundlage für den Anspruch auf Witwenrente kann daher im Fall der verstorbenen Mutter der Kläger nur § 46 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz Auslandswohnsitzes der Kläger (vgl. § 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG Urteil vom 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200, § 48 Nr. 17).

Nach § 46 SGB VI besteht nach dem Tod des versicherten Ehegatten ein Anspruch auf Witwenrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat (§ 46 Abs. 1 S. 1 SGB VI). Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen nur Beitrags- und Ersatzzeiten in Sachen der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", d. h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050, § 15 Nr. 1, m.w.N.).

Der verstorbene Ehemann der verstorbenen Mutter der Kläger hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 S. 1, 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Solche Beitragszeiten bestehen hier weder nach § 2 Abs. 1 ZRBG noch nach den Vorschriften des Fremdrentenrechts.

Diesbezüglich hat der Senat vorliegend nicht (mehr) auf die Tätigkeiten des verstorbenen in der Ukraine als Hilfsmaurer im Jahre 1943 oder die Tätigkeit als Sekretär im Militärkrankenhaus Lemberg und auch nicht auf die Beschäftigung als Ingenieur in München von August 1947 bis Juli 1948 bei verschiedenen deutschen Firmen abzustellen. Hierzu liegen bereits bestandskräftige Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 09.02.1982, 30.08.1982, 21.03.1991 und vom 07.11.1997 gegenüber dem verstorbenen Ehemann der verstorbenen Mutter der Kläger vor. Deren Richtigkeit ist von der Klägerseite an keiner Stelle des Verfahrens in Frage gestellt worden. Aus der Klage- und Berufungsbegründung ist vielmehr ersichtlich, dass es den Klägern allein auf die Tätigkeiten zur Zeit des vermeintlichen Ghetto-Aufenthalts des verstorbenen I U ankommt.

Die verstorbene Mutter der Kläger hat aber weder unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG (hierzu unter 1.) noch nach den allgemeinen Rentenvorschriften (hierzu unter 2.) einen Witwenrentenanspruch nach ihrem verstorbenen Ehegatten gegenüber der Beklagten. Weiterer Ermittlungen bedurfte es nicht (hierzu unter 3.).

1.) Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzen oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. m. § 3 WGSVG). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. mehr für oder gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900, § 15 Nr. 4).

a) Es ist zunächst glaubhaft, dass der Verstorbene sich zwangsweise im Ghetto Lemberg aufgehalten hat. Sein dortiger Aufenthalt ist durch seine eigenen Bekundungen sowie durch die genannten Zeugenerklärungen aus dem Entschädigungsverfahren belegt. Hieran gibt es für den Senat keine durchgreifenden Zweifel, auch wenn das Verfolgungsschicksal insoweit nicht vom ITS dokumentiert werden kann. Es ist bekannt, dass die dortigen Unterlagen zum Teil unvollständig sind. Schließlich lag Lemberg im damaligen Generalgouvernement, Bezirk Galizien, und damit in einem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet.

b) Der Verstorbene ist als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 BEG anerkannt und damit auch Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG.

c) Allerdings ist bereits nach den Schilderungen der Witwe des verstorbenen I U, aber auch nach dessen Angaben in den vorherigen Verwaltungsverfahren nicht davon auszugehen, dass die für den streitigen Zeitraum von Juli 1941 bis März 1943 beschriebenen Tätigkeiten gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG verrichtet wurden.

Hierbei setzt der Senat voraus, dass der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG beschriebene Typus der Beschäftigung nach dem Vorbild des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch durch das Merkmal der Entgeltlichkeit von der nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG erfassten Zwangsarbeit abzugrenzen ist. Danach ist neben der Aufnahme und Ausübung der Arbeit aus eigenem Willensentschluss die Gewährung eines Entgelts erforderlich, das nach Art und Höhe eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründen kann (Senat, Urteil vom 21.11.2007, L 8 R 98/07; sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgebend hierfür sind die Kriterien, die das BSG in seiner sogenannten Ghetto-Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.04.1999 B 5 RJ 48/98 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, aaO.) entwickelt hat (vgl. hierzu im einzelnen BSG Urteil vom 07.10.2004, aaO.; Senatsurteil vom 21.11.2007, aaO.).

Wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat, ist als Entgelt in diesem Sinne ein die Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (vgl. zum Folgenden Urteile vom 12.12.2007, L 8 R 187/07 und vom 28.01.2008, L 8 RJ 139/04; jeweils aaO.). Danach lassen sich die im Zusammenhang mit Streitigkeiten nach dem ZRBG auftretenden Fallgruppen zunächst wie folgt systematisieren: Die Gewährung von Entgelt in der ortsüblichen Währung, von Ghettogeld oder zum freien Tausch bestimmten Bezugsscheinen ist Entgelt in Sachen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG, soweit ihr Umfang zumindest 1/6 des ortsüblichen Arbeitsentgelts für ungelernte Arbeiter (-innen) übersteigt. Bei der Gewährung von Sachbezügen ist dagegen zu unterscheiden: Übersteigen die Sachbezüge (insbesondere Verpflegung, Unterkunft und Kleidung) nicht das Maß freien Unterhalts, d.h. derjenigen wirtschaftlichen Güter, die zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Einzelnen erforderlich sind, liegt kein Entgelt vor. Bei Lebensmitteln kommt es darauf an, ob sie nach Art und Umfang des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden. Wird das Maß des persönlichen Bedarfs hingegen überschritten und werden die Lebensmittel zur freien Verfügung gewährt, ist von Entgelt auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn glaubhaft gemacht wird, dass gewährte Lebensmittel auch den Bedarf eines Angehörigen sichergestellt haben. Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten, oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelnen als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist. Ohne Bedeutung ist es dagegen, ob die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien gewährt worden sind, oder ob die Betroffenen Lebensmittelcoupons erhalten haben, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.

Nach diesen Grundsätzen sind die beschriebenen Tätigkeiten am Flughafen bei dem Bau von Plattformen nicht als entgeltlich anzusehen.

Dieser Beurteilung legt der Senat zunächst die Angaben der Witwe des verstorbenen I U zugrunde. Sie hat als Entlohnung im ZRBG-Fragebogen lediglich eine zusätzliche Versorgung, Arbeitskarte, angegeben, obwohl ausdrücklich auch nach einer Entlohnung in Bargeld gefragt wurde. Eine andere Gegenleistung haben nachfolgend auch die jetzigen Kläger weder im Klage- noch im Berufungsverfahren dargestellt. Ebenso ist in den vorhergehenden Verwaltungsverfahren, die der verstorbene I U selbst geführt hat, keine Barentlohnung der im Ghetto verrichteten Tätigkeiten behauptet worden. Im Entschädigungsverfahren ist eine Tätigkeit des Verstorbenen darüber hinaus überhaupt nicht erwähnt. Anträge gegenüber der JCC hat er nicht gestellt, so dass auch dort Angaben nicht vorhanden sind. Die Darstellung des Erhalts von Naturalien für geleistete Arbeit im Ghetto Lemberg erfährt z. B. auch durch die Beschreibung der historischen Verhältnisse durch Prof. Dr. Golczewski in seinem Gutachten vom 21.07.2008 ihre Untermauerung. Dieser stellt dar, dass von April an Juden (aus Lemberg) nicht nur in Zwangsarbeitslager geschickt, sondern auch in die erheblich attraktiveren Werkstätten des Militärs (Heer, Luftwaffe) und der zivilen Stadtverwaltung (Stadthauptmannschaft) vermittelt wurden. Die Vergütung sei unterschiedlich gehandhabt worden und zum Teil "nur" in Naturalien erfolgt. Dementsprechend bestehen auch vor dem Hintergrund der historischen Erkenntnisse keine Bedenken, den Angaben der Klägerseite zu folgen.

Aus dem Vortrag der Kläger aber auch aus dem weiteren Akteninhalt, insbesondere den Erklärungen der verstorbenen Mutter der Kläger ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Entgeltzahlung eines potenziellen Arbeitgebers an den Judenrat zur Befriedigung erwirtschafteter Lohnansprüche des Verstorbenen, von denen der Judenrat dann lediglich die dargestellten Sachmittel an den Verstorbenen ausgekehrt hätte. Denn vorliegend kann schon nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, wer potenzieller Arbeitgeber des Verstorbenen war. Dies könnte zum einen die Wehrmacht oder die Luftwaffe als Hauptnutzer des Flugplatzes gewesen sein, ferner eine am allgemeinen Wirtschaftsleben teilnehmende Firma, die z. B. für die Luftwaffe am Flugplatz Arbeiten verrichtete oder aber auch originär der Judenrat, der der Luftwaffe oder einem sonstigen Dritten vergleichbar einem heutigen Zeitarbeitsunternehmen Arbeitskräfte zur Verfügung stellte. Anhaltspunkte, eine der beispeilhaft aufgezeigten Möglichkeiten wahrscheinlicher erscheinen zu lassen, sind nicht vorhanden. Vielmehr ergibt sich schon kein klares Bild, welche konkreten Tätigkeiten der verstorbene Vater der Kläger überhaupt ausgeübt hat. Im ZRBG-Fragebogen beschreibt seine Witwe die Tätigkeiten als Arbeiten am Flughafen beim Bau von Plattformen. Dagegen hat der Verstorbene in seinem Rentenantrag vom 02.07.1990 in die Antwortspalte genaue Bezeichnung der Tätigkeit den Zeitraum 1941 - 1942 die Tätigkeit "Automechaniker" zugeordnet und als Arbeitgeber Feldluftpark, Luftwaffe angegeben.

Ohne Erfolg machen die Kläger auch geltend, für das Vorliegen des Merkmals einer Beschäftigung "gegen Entgelt" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG reiche es aus, dass der Verstorbene für seine Arbeitsleistung einen Rechtsanspruch auf Entgelt gehabt habe, auch wenn dieses nicht gezahlt worden sei.

Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerbevollmächtigte für den Verstorbenen zu Recht einen Rechtsanspruch aus der zum Verfahren gereichten Richtlinie des Generalgouverneurs für die polnisch besetzten Gebiete vom 05.07.1940 oder aber auch den sonstigen im Generalgouvernement im streitigen Zeitraum geltenden Verordnungen und rechtlichen Vorschriften herleitet. Hieran kann schon gezweifelt werden. Denn es ist genauso gut denkbar, wenn nicht naheliegender, dass die Richtlinie einen anderen Zweck als die Normierung eines subjektiven Anspruchs ansonsten völlig entrechteter Ghettobewohner verfolgte und vor diesem Hintergrund auszulegen ist.

Jedenfalls führt allein das Bestehen eines solchen individuellen Lohnanspruchs nicht zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung, wenn - wie im vorliegenden konkreten Fall - die betreffende Regelung nicht umgesetzt und tatsächlich kein Barlohn gezahlt worden ist.

Die Zahlung von Entgelt kann nicht fingiert werden, weil sie - ggf. - verfolgungsbedingt unterblieben ist. § 12 WGSVG erlaubt lediglich die Fiktion einer Beitragszahlung. Ist darüber hinaus verfolgungsbedingt auch kein Entgelt gezahlt worden, so ist als Ausgleich hierfür innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung die Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI vorgesehen, nicht aber die Anerkennung einer fiktiven Beitragszeit.

Allein der Rechtsanspruch auf Entgelt führt auch nicht nach den Grundsätzen der vom RVA entwickelten Rechtsprechung zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung, wonach für die Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung nicht das tatsächliche gezahlte Entgelt, sondern das Gehalt maßgebend war, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit der Beiträge ein Rechtsanspruch bestand (sogenanntes Fälligkeits- bzw. Entstehungsprinzip - z. T. auch als "Rechtsanspruchstheorie" bezeichnet - im Gegensatz zum sogenannten Zuflussprinzip; vgl. RVA Entscheidung vom 29.10.1930, III AV. 44/30 B, amtliche Nachrichten für Reichsversicherung (AN) 1931, IV 34, Entscheidung vom 08.12.1931, Entscheidungen und Mitteilungen (EuM) 31 (1932), S. 537; Entscheidung vom 22.04.1936, III AR 60/35 BS, AN 1936, IV 275; Entscheidung vom 09.03.1938, II K 47/37 PS, AN 1931, IV 193).

Zunächst ist davon auszugehen, dass das Entstehungsprinzip mit Wirkung vom 01.07.1942 durch das Zuflussprinzip ersetzt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt ordnete § 19 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Zweite LAV) v. 24.04.1942 (RGBl I, S. 252) nämlich an, dass die gesetzlichen Lohnabzüge, zu denen neben der Lohnsteuer auch die Beiträge zur Rentenversicherung gehörten (vgl. §§ 6 ff. Zweite LAV), grundsätzlich von derselben Bemessungsgrundlage zu berechnen waren. Daher ist anzunehmen, dass jedenfalls ab dem 01.07.1942 in der Sozialversicherung des Deutschen Reiches das Zuflussprinzip maßgebend war. Dies ist durch Ziff. 1 Satz 1 des Gemeinsamen Erlasses des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers v. 10.09.1944 (AN 1944 II, S. 281) mit Wirkung vom 01.10.1944 nochmals klar gestellt worden.

Unabhängig davon setzt die Anwendung des Fälligkeits- bzw. Entstehungsprinzips das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne einer Vereinbarung über den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeitsleistung gegen Entgelt) und die tatsächliche Durchführung dieses Austauschverhältnisses voraus. Nur unter dieser Bedingung hat das RVA aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles den Fortbestand eines seit mehreren Jahren bestehenden Beschäftigungsverhältnisses angenommen, wenn der tatsächliche Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt für einen kurzen Zeitraum, d.h. wenige Tage bis Wochen, unterbrochen war. Längere Unterbrechungen der Entgeltzahlung haben demgegenüber zum Erlöschen des Beschäftigungsverhältnisses geführt (vgl. hierzu RVA, Entscheidung v. 16.01.1920, II K. 17.19 B, EuM 12 [1921], 93; Entscheidung v. 26.01.1924, II K 113/1923 B, Amtliche Nachrichten des RVA 1924, 84; jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund kann das Fälligkeits- oder Entstehungsprinzip daher nicht dazu herangezogen werden, eine nicht getroffene Vereinbarung über ein Beschäftigungsverhältnis bzw. eine tatsächlich zu keinem Zeitpunkt vorgenommene Entgeltzahlung zu ersetzen.

Bezüglich der erhaltenen Lebensmittel kann aber nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden, dass diese nach dem vorbestimmten Maß zur beliebigen Verfügung geeignet gewesen, d. h. über den unmittelbaren Bedarf des Verstorbenen hinaus gegangen wären und damit das Maß des freien Unterhalts überstiegen hätten. Zur genauen Art und zum genauen Umfang der erhaltenen Lebensmittel fehlt bereits ein konkreter Vortrag der Kläger, der vom Senat auf seine Wahrscheinlichkeit hin überprüft werden könnte. Gleichzeitig bestehen aber auch keine historischen Erkenntnisse, ob eine solch umfängliche Versorgung mit Sachbezügen im Ghetto Lemberg die Regel oder zumindest überwiegend wahrscheinlich gewesen wäre. Dementsprechend gibt es auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, die erhaltenen Lebensmittel hätten die Mitversorgung einer im übrigen nicht versorgten Person in erheblichem Maße über einen längeren Zeitraum hinweg objektiv möglich gemacht.

d) Nachdem bereits nach dem klägerischen Vortrag eine Entgeltlichkeit der behaupteten Tätigkeiten des Verstorbenen im Ghetto Lemberg nicht anzunehmen ist, kann der Senat letztlich dahinstehen lassen, ob die übrigen Voraussetzungen des ZRBG vorliegen.

2.) Die von dem Verstorbenen während seines Aufenthalts im Ghetto verrichteten Arbeiten können auch nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. den §§ 15, 16 FRG i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17a FRG oder § 12 WGSVG als Versicherungszeiten berücksichtigt werden.

Die Arbeit des Verstorbenen im Ghetto Lemberg unterfiel nicht den Reichsversicherungsgesetzen, da diese im Generalgouvernement nicht für Personen galten, die - wie der Verstorbene - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R).

Eine Anrechnung als Versicherungszeit könnte sich daher nur noch nach den §§ 15, 16 FRG i. V. m. § 20 WGSVG bzw. § 17a FRG ergeben. Eine Anrechnung als Beitragszeiten nach § 15 Abs. 1 FRG kommt indessen nicht in Betracht, weil eine Beitragsentrichtung zu einem nicht-deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht wurde. Hierzu finden sich im Verfahren keine konkreten mit Sachverhalt unterfütterten Anhaltspunkte. Auch die Kläger lassen nicht vortragen, an welchen Träger eine solche Zahlung erfolgt sein sollte. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 FRG sind bereits deshalb nicht erfüllt, da - wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein nach deutschem Recht dem Grunde nach rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden kann. Auch § 16 FRG greift nicht zugunsten des Verstorbenen ein, da die von ihm ausgeübten Tätigkeiten nicht nach dem 01.03.1957 geltenden Bundesrecht (§§ 1227, 1228 RVO n.F.) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätten, wenn sie im Gebiet der BRD ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wären. Da nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, dass der Verstorbene eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, liegen auch die Voraussetzungen des § 12 WGSVG nicht vor.

3.) Der Senat hatte keinen Anlass, den als Hilfsanträgen auszulegenden weiteren Anträgen der Kläger auf eine ergänzende Beweiserhebung bzw die Einleitung weiterer nachzukommen.

a) Der Einholung eines Sachverständigengutachtens entsprechend den Hilfsanträgen zu 1) und 2) bedarf es nicht.

Soweit mit dem Antrag zu 1. "in das Wissen des Sachverständigen gestellt wird, dass Beschäftigungen im Ghetto Lemberg nur aufgrund eines eigenen Willensentschlusses entgeltlich ausgeführt wurden", ist zunächst festzustellen, dass nur dann die Einholung eines historischen Sachverständigengutachtens notwendig wird, soweit dies vom Gericht zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des klägerischen Vorbringens für nötig erachtet wird. Ein historisches Sachverständigengutachten erlaubt dabei ein Abgleichen des klägerischen Vortrags mit den zu ermittelnden historischen Verhältnissen. Geht das Gericht aber bei seiner Urteilsfindung - wie hier - vom klägerischen Vortrag aus, erübrigt sich eine solche Überprüfung. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe eines Sachverständigengutachtens, fehlenden oder unvollständigen Vortrag der Beteiligten zu ersetzen. So ist die Frage, ob der Verstorbene eine entgeltliche Beschäftigung während seiner Ghettoinhaftierung vorgenommen hat, eine Frage des Einzelfalles, die nach den individuellen Umständen zu beurteilen ist, die die Klägerseite vorgetragen hat.

Darüberhinaus ist die Subsumtion dieses Vortrags unter die Rechtsbegriffe des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG allein Aufgabe des erkennenden Gerichts, die nicht auf einen Sachverständigen übertragen werden kann. Daher ist die Definition der Rechtsbegriffe der Entgeltlichkeit und des freien Willensentschlusses einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich.

Fern liegt auch, einen Sachverständigen gemäß der Anregung zu 2. insbesondere zu beauftragen, "in den Archiven ... über seine Beschäftigung ... als Bauarbeiter auf dem Flughafen ..." forschen zu lassen. Für eine solche Tätigkeit als Bauarbeiter bietet der übrige klägerische Vortrag schon keinerlei Anhaltspunkte. Im Verfahren wurden nur Tätigkeiten als Automechaniker bzw. Arbeiten "bei den Plattformen" beschrieben.

b) Der Senat braucht den Sachverständigen auch nicht zur Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags zu hören, weil er bei seiner Entscheidung den Vortrag der Kläger - wie oben dargestellt - als zutreffend zugrunde legt.

Aus demselben Grund sieht der Senat von der Anhörung des Klägers zu 2) ab. Die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags wird nicht angezweifelt. Dass der Kläger den bisherigen Vortrag noch einmal mündlich bestätigt, ist unnötig. Soweit er den bisherigen Vortrag hätte mündlich ergänzen wollen - wofür der Senat allerdings keine Anhaltspunkte hat - , so hat er hierzu im schriftlichen Verfahren jederzeit Gelegenheit gehabt. Ihm und seiner Prozessbevollmächtigten hätte es zudem freigestanden, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und dort vorzutragen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung entspricht dem streitigen Rentennachzahlungsbetrag.

Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Der Angelegenheit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Es hat sich kein hinreichend konkreter Sachverhalt feststellen lassen, aufgrund dessen das Revisionsgericht Rechtsfragen beantworten könnte.
Rechtskraft
Aus
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