L 19 B 137/07 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 20/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 137/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 01.08.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der im Rahmen einer PKH-Bewilligung festzusetzenden Rechtsanwaltsgebühren.

Mit Beschluss vom 12.03.2007, der den Antragstellern am 14.03.2007 zugestellt wurde, hat das Sozialgericht den im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gestellten Antrag auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II abgelehnt.

Mit Schreiben vom 14.03.2007 an das Sozialgericht hat die Prozessbevollmächtigte die Wahrnehmung der Interessen "des Klägers" angezeigt und Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung beantragt.

Am 12.04.2007 hat die Prozessbevollmächtigte im Namen des Antragstellers wie auch seiner Ehefrau Beschwerde gegen den Beschluss vom 12.03.2007 eingelegt.

Mit Beschluss vom 13.04.2007 hat das Sozialgericht den Antragstellern für die Zeit ab 16.03.2007 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der sie vertretenen Rechtsanwältin bewilligt.

Nach einem Hinweis des Sozialgerichts auf die zwischenzeitliche Zahlung monatlicher Vorschüsse und den Umzug der Antragsteller am 16.04.2007 in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers haben die Antragsteller die Beschwerde mit Schreiben vom 24.05.2007 für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 20.06.2007 hat das Sozialgericht entschieden, Kosten seien nicht zu erstatten.

Mit Antrag an das Sozialgericht hat die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Festsetzung von Gebühren in Höhe von 882,39 EUR begehrt, errechnet aus Verfahrensgebühr Nr. 3102: VV RVG 250,00 EUR, Erhöhung für einen weiteren Auftraggeber Nr. 1008: VV RVG 75,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 3106: VV VRG 200,00 EUR, Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr Nr. 1006: VV RVG 190,00 EUR, Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG bei 13 Fotokopien 6,50 EUR, Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002: VV RVG 20,00 EUR, Umsatzsteuer Nr. 7008: VV RVG 40,89 EUR.

Mit Beschluss vom 09.07.2007 hat die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts aus der Staatskasse zu zahlende Gebühren und Auslagen in Höhe von 129,17 EUR festgesetzt und diese Festsetzung mit Beschluss vom 17.07.2007 um 33,91 EUR erhöht. Es seien lediglich Mittelgebühren für das Beschwerdeverfahren Nr. 3501 VV RVG jedoch weder eine Termins- noch eine Erledigungsgebühr zu erstatten. Die Auslagenpauschale betrage 20 % der festgesetzten Verfahrensgebühr.

Mit Beschluss vom 01.08.2007 hat das Sozialgericht die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller gegen den Beschluss vom 09.07.2007 in der Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 17.07.2007 dahingehend abgeändert, dass weitere Gebühren in Höhe von 3,87 EUR festzusetzen seien und im Übrigen die Erinnerung zurückgewiesen Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen den am 06.08.2007 zugestellten Beschluss hat die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 06.09.2007 Beschwerde eingelegt, mit der sie eine Festsetzung der zu erstattenden Gebühren in der ursprünglich beantragten Höhe begehrt. Sie betont das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller. Bei Vorwegnahme der Hauptsache nähere sich der Wert des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dem der Hauptsache an. Die besondere Eilbedürftigkeit begründe eine Erhöhung der Gebühr. Wegen erstmaliger Tätigkeit im Beschwerdeverfahren sei der gesamte Sachverhalt zu prüfen gewesen. In der zweiten Instanz werde üblicherweise ein höherer Gebührenrahmen berücksichtigt als in der ersten Instanz.

Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 15.11.2007 Stellung genommen und beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 01.08.2007 aus den dort genannten Gründen als unbegründet zurückzuweisen.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 12.09.2007), ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen eine Erinnerungsentscheidung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG - ist gegeben.

Für das sozialgerichtliche Verfahren wird das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG weder durch § 178 SGG - Sozialgerichtsgesetz - noch nach § 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen.

Bereits mit Beschluss vom 04.06.2008 hat der Senat sich der Auffassung angeschlossen, dass § 56 Abs. 2 RVG gegenüber § 178 SGG vorrangig ist. Das RVG enthält für den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts und dessen Durchsetzung spezielle Sonderregelungen, die die allgemeinen prozessualen Bestimmungen des SGG verdrängen. § 197 Abs. 2 SGG, wonach die Entscheidung über die Erinnerung gegen eine Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unanfechtbar ist, schließt das Beschwerderecht nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht aus. Denn die Vorschrift findet nur im Verhältnis der Beteiligten zueinander Anwendung. Soweit es um die Erstattungspflicht der Staatskasse gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt geht, ist die Norm unanwendbar (Beschluss des LSG NW vom 04.06.2008 -L 19 B 5/08 AL - mit weiteren Nachweisen, im Internet zugänglich unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Beschwerde ist auch rechtzeitig eingelegt. Zwar wurde die nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG geltende Beschwerdefrist von 2 Wochen durch Einlegung der Beschwerde am 06.09.2007 gegen den am 06.08.2007 zugestellten Beschluss nicht gewahrt. Der angefochtene Beschluss vom 01.08.2007 enthält jedoch eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung dahin, dass die Beschwerde binnen eines Monats nach seiner Zustellung einzulegen sei. In diesem Fall ist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig. Auch könnte nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 5 Satz 1 RVG (auf Antrag) Wiedereinsetzung gewährt werden, da die Antragsteller infolge der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung ohne ihr Verschulden verhindert waren, die gesetzliche Frist einzuhalten.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen statthaft, denn der als Differenz zwischen der festgesetzten und der mit der Beschwerde geltend gemachten Gebühr zuzüglich Umsatzsteuer zu ermittelnde Beschwerdewert übersteigt den nach § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 RVG erforderlichen Betrag von 200,00 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch auf Festsetzung einer höheren als der vom Sozialgericht festgesetzten Gebühr gegenüber der Staatskasse steht nicht zu. Der Senat nimmt auf die nach eigener Prüfung für zutreffend und zugleich ausreichend befundene Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG.

Lediglich ergänzend weist der Senat daraufhin, dass hier der Gebührenrahmen nach Nr. 3501 VV RVG Anwendung findet, weil die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller erst nach erfolgter Zustellung des Beschlusses vom 12.03.2007 am 14.03.2007 das Verfahren aufgenommen hat und damit im Beschwerdeverfahren tätig geworden ist.

Die Anwendung des Gebührenrahmens nach Nr. 3501 VV RVG bei zweitinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entspricht der, soweit ersichtlich, einheitlichen Meinung in der Rechtsprechung (z.B. Beschlüsse des LSG NW vom 23.10.2006 - L 12 B 16/07 AS - sowie vom 27.05.2004 - L 2 B 5/04 KR ER -).

Eine Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV RVG ist nicht angefallen, da kein Termin stattgefunden hat.

Der weiter begehrte Ansatz einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG setzt voraus, dass die Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten über die mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Tätigkeit hinausgeht. Gefordert ist ein besonderes Bemühen um die gütliche Erledigung des Rechtsstreits im Sinne einer aktiven Mitwirkung des Rechtsanwaltes an einer Erledigung des Verfahrens durch z.B. Einwirkung auf den Mandanten oder die Behörde (Urteile des BSG vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R, vom 21.03.2007- B 11a AL 53/06 R, vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R und B 9/9a SB 5/07 R, Beschluss des Senats vom 23.07.2008 - L 19 B 170/07 AS m.w.N.).

Wenn, wie im vorliegenden Fall, lediglich auf mitgeteilte Sachverhaltsveränderungen hin der Rechtsstreit für erledigt erklärt wird, ist kein solches besonderes Bemühen festzustellen.

Auch die konkrete Höhe der innerhalb des Gebührenrahmens nach Nr. 3501 VV RVG festgesetzten Mittelgebühr ist nicht zu beanstanden. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass auch die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller - wenngleich innerhalb des hier nicht einschlägigen Gebührenrahmens nach Nr. 3102 VV RVG - ursprünglich den Ansatz einer Mittelgebühr für gerechtfertigt hielt.

Mit der Mittelgebühr wird ein Durchschnittsfall abgegolten, bei dem es sich um eine Streitsache mit durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichem Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichen Vermögensverhältnissen handelt. 0b ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Eine Abweichung von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (BSG, Urteil vom 26.02.1992 - 9a RVs 3/90).

Bei wertender Gesamtbetrachtung dieser Kriterien handelt es sich vorliegend zur Überzeugung des Senats allenfalls um einen Durchschnittsfall.

Bei unterdurchschnittlichen Vermögensverhältnissen mag die Bedeutung des Streits für die Antragsteller noch leicht über dem Durchschnitt liegen, da es um die Gewährung existenzsichernder Leistungen ging. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit innerhalb des nur wenige Wochen dauernden Verfahrens waren jedoch klar unterdurchschnittlich, so dass die Festsetzung einer Mittelgebühr jedenfalls auf Beschwerde der Antragsteller nicht zu beanstanden ist.

Das Verfahren ist gebührenfrei, § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig, § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
Rechtskraft
Aus
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