Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 50/08 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 98/09 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.03.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung der Folgen eines Arbeitsunfalls des Klägers durch Gewährung von Verletztenrente.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger erlitt am 14.11.1995 unter Tage bei Steinfall aus dem Hangenden eine Halswirbelsäulenprellung. Die Beklagte entschädigte eine anhaltende cervikale Schmerzsymptomatik mit diffuser Ausstrahlung in den Hinterhauptbereich sowie in beide Schultern und Arme mit intermittierendem Schweregefühl im Bereich des rechten Armes und Beschwerden nach Schädel- und Halswirbelsäulenprellung mit Dornfortsatzbruch des 7. Halswirbelkörpers und Quetschung des Spinalkanals durch Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. Mit Ablauf des Monats Dezember 2004 wurde diese Rente wegen wesentlicher Besserung der Folgen des Arbeitsunfalls entzogen (Bescheid vom 13.12.2004).
Mit Schreiben vom 30.03.2007 beantragte der Kläger wegen einer Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls die Wiedergewährung von Verletztenrente. Dr. T aus C erstattete am 17.09.2007 ein chirurgisches Gutachten: Unmittelbare oder mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls am 14.11.1995 seien nicht festzustellen. Die festzustellenden funktionellen Einschränkungen seien der Endzustand der schicksalhaft aufgetretenen Veränderungen. Eine messbare MdE wegen Folgen des Unfalls am 14.11.1995 seien nicht festzustellen. Mit Bescheid vom 05.10.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen Folgen des Arbeitsunfalls ab. Folge des Arbeitsunfalls sei ein fest verheilter Bruch des Dornfortsatzes des 7. Halswirbelkörpers. Unfallunabhängig bestünden Verschleiß- und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Die Folgen des Unfalls verursachten keine messbare MdE. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2008 zurückgewiesen.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Wegen Schmerzen in den oberen Extremitäten, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl sowie Sensibilitätsstörung schätze der ihn behandelnde Arzt U aus P die MdE um 30 v.H. ein. Auch seien nach Auffassung von Frau Dr. I aus C die Schmerzen im Bereich der rechten Schulter auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Darüber hinaus sei es nach den Feststellungen der Ärztin für Neurochirurgie Dr. S und des Neurochirurgen Dr. X aus H zu einer deutlichen Einschränkung er Beweglichkeit der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in die Schulterregion sowie den Hinterkopf, Schwächegefühl in beiden Armen, zunehmender Schwindelsymptomatik sowie Nervosität gekommen. Es finde sich eine schwere, mehrsegmentale Osteochondrose und deformierende Spondylose mit Fehlhaltung der distalen Halswirbelsäule. Der Hauptschmerz ziehe vom Nacken in den Hinterkopf sowie in beide Schultern und Arme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2008 zu verurteilen, ihm aus Anlass des am 14.11.1995 erlittenen Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Mit Schreiben vom 05.05.2008 hat das SG dem Kläger Frist für einen Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den 06.06.2008 gesetzt. Mit am 19.05.2008 bei dem SG eingegangenem Schreiben vom 13.05.2008 beantragte der Kläger, Dr. L aus S1 als Arzt seines Vertrauens gemäß § 109 SGG gutachterlich zu hören. Mit einfachem Brief vom 20.05.2008 forderte das SG daraufhin den Kläger auf, bis 20.06.2008 einen Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG in Höhe von 1.500,00 EUR zu leisten. Am 30.06.2008 teilte das SG dem Kläger mit, da der geforderte Vorschuss nicht fristgerecht eingegangen sei, sei die Sache "zur Sitzung" geschrieben. Mit Schreiben vom 04.07.2008 stellte der Kläger die Gründe für das Fristversäumnis klar und beantragte die Verlängerung der Zahlungsfrist. Am 07.07.2008 teilte das SG dem Kläger mit, eine Fristverlängerung sei nicht vorgesehen. Die Sache werde demnächst geladen. Am 10.07.2008 ging der Vorschuss bei der Staatskasse ein. Am 22.07.2008 veranlasste das SG die Rückzahlung des Vorschusses an den Einzahler. Am 12.08.2008 bestimmte das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20.03.2009. Mit Gerichtsbescheid vom 20.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das urkundsbeweislich verwertete Gutachten des Dr. T vom 17.09.2007 gestützt. Dem Antrag des Klägers nach § 109 SGG habe das SG nicht nachkommen müssen, da die Zulassung des Antrages den Rechtsstreit nicht unerheblich weiter verzögert hätte, da das Gutachten hätte eingeholt und von den Beteiligten und dem Gericht ausgewertet werden müssen. Der am 20.05.2008 festgesetzte Kostenvorschuss sei nicht binnen der Frist bis zum 20.06.2008, sondern erst am 10.07.2008 bei der Staatskasse eingegangen. Die Gründe für das Fristversäumnis habe der Kläger sich zurechnen zu lassen.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger bezüglich der Verschlimmerung der Verhältnisse bei Zustand nach Arbeitsunfall am 14.11.1995 sein bisheriges Vorbringen. Des Weiteren ist er der Auffassung, dass die Zurückweisung seines Antrags gemäß § 109 SGG durch das SG wegen Verstoßes gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens rechtswidrig sei. Dies insbesondere auch deswegen, da der Vorschuss am 10.07.2008 eingegangen gewesen sei und das SG erst zum 20.03.2009 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides vom 20.03.2009 nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen,
hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.03.2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die Berufung ist im Sinne des Hilfsantrags des Klägers begründet. Da die bisherigen Tatsachenfeststellungen für eine Sachentscheidung nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das SG auf dem Weg zu seiner abschließenden Entscheidung eine das Klageverfahren regelnde Verfahrensvorschrift verletzt hat. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung des SG auf der Verletzung der Verfahrensvorschrift beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig, SGG - Kommentar 9. Auflage 2008, § 159 Rdnr 3 a, mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Das erstinstanzliche Gericht hat gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Keller a.a.O., vor § 60 Rdnr 1 b mwN) durch Verletzung der Ausübung des klägerischen Rechtes nach § 109 SGG verstoßen.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist gemäß § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung wird in der Regel von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG) und kann ansonsten unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden. Damit ist eine Ablehnung dieses Beweisantrags nur dann möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen muss es bei einer Zulassung des Beweisantrages zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.
Das SG hätte dem wirksam gestellten Beweisantrag des Klägers stattgeben müssen, da keine Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG vorliegen.
Aus dem Ablauf des erstintanzlichen Klageverfahrens ergeben sich keine Hinweise für eine Verschleppungsabsicht. Die Verzögerung des Rechtsstreits ist nur dann anzunehmen, wenn der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Ablehnung einer Beweisaufnahme nach § 109 SGG bereits terminiert war. Dies war vorliegend nicht der Fall. Zum Einen war im Zeitpunkt der Mitteilung der Ablehnung der Beweisaufnahme nach § 109 SGG am 30.06.2008 die Sache noch nicht terminiert und wurde dies erst am 12.08.2008. Zum Anderen war sie sodann erst zum 20.03.2009 zur Entscheidung vorgesehen. Innerhalb des Zeitraums zwischen dem Eingang des Vorschusses bei der Staatskasse am 10.07.2008 und dem Entscheidungstermin am 20.03.2009 - mithin erst 8 Monate später - wären Ermittlungen durchaus möglich gewesen. Es bleibt offen, ob im Zeitpunkt des Eingangs des Vorschusses bei der Staatskasse die Erledigung des Rechtsstreits durch die Einholung des mit Schreibens vom 13.05.2008 beantragten Gutachtens verzögert worden wäre. Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen, finden sich nicht. Eine Anfrage des SG an den als Sachverständigen benannten Dr. L, wie lange er für die Erstellung des Gutachtens benötigen würde, fehlt. Es entspricht der gerichtlichen Erfahrung aus einer großen Vielzahl von Streitverfahren mit dem gleichen Streitgegenstand, dass auch ein nach Eingang des Vorschusses am 10.07.2008 bei der Staatskasse von dem nach § 109 SGG benannten Sachverständigen eingeholtes Gutachten den Beteiligten so rechtzeitig vorgelegen hätte, dass sie noch vor dem Termin am 20.03.2009 sachgerecht Stellung hätten beiziehen können.
Da weder aus Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit der Kläger verspätet den Antrag nach § 109 SGG gestellt hat, vielmehr mit am 19.05.2008 bei dem SG eingegangenen Schreiben binnen der von dem SG zum 06.06.2008 gesetzten Frist gehandelt hat und für ihn der Vorschuss auf die Kosten bei der Staatskasse eingezahlt worden ist, war das SG gehalten, dem Beweisantrag nach § 109 SGG nachzukommen.
Abgesehen davon, dass durch den Eingang des Vorschusses bei der Staatskasse am 10.07.2008 erst nach Ablauf der von dem SG gesetzten Frist vom 20.06.2008 der Rechtsstreit nicht verzögert worden ist, hat darüber hinaus diese Fristversäumnis das Recht des Klägers aus § 109 SGG nicht ausgeschlossen. Unabhängig von der Frage, ob ein Versäumnis der Rechtsschutzversicherung dem Kläger wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist, ist nicht ersichtlich, dass die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass es sein Bevollmächtigter versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der Ausgangskontrolle, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass der Kostenvorschuss innerhalb von etwas mehr als 7 Wochen nach Aufforderung durch das Gericht bei der Staatskasse eingegangen ist. Dieser Zeitraum ist, wenn sich für die Einzahlung Dritter bedient wird, nicht unangemessen lang. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das Verfahren ansonsten zügig betrieben und auch die Anfragen des Gerichts zeitnah beantwortet hat. Gemessen an der Tatsache, dass der Rechtsstreit nach der Terminsladung vom 12.08.2008 bis zur Entscheidung am 20.03.2009 mehr als 7 Monate ohne jede weitere, allerdings gebotene sachaufklärende Bearbeitung geblieben ist, war die Überschreitung der gesetzten Zahlungsfrist keinesfalls grob fahrlässig.
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.11.2008, L 2 KN 103/08 m.w.N.).
Der Senat hält es im Rahmen seines Ermessens für sachgerecht und zweckmäßig, die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Unter Berücksichtigung des Gedankens der Prozessökonomie und des Interesses des Klägers an einer zeitnahen Sachentscheidung überwiegt sein Interesse, die erforderliche Sachaufklärung durch das Gericht der ersten Instanz in einem fairen Klageverfahren vornehmen zu lassen. Dem Berufungsantrag nach liegt dies in seinem Interesse.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung der Folgen eines Arbeitsunfalls des Klägers durch Gewährung von Verletztenrente.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger erlitt am 14.11.1995 unter Tage bei Steinfall aus dem Hangenden eine Halswirbelsäulenprellung. Die Beklagte entschädigte eine anhaltende cervikale Schmerzsymptomatik mit diffuser Ausstrahlung in den Hinterhauptbereich sowie in beide Schultern und Arme mit intermittierendem Schweregefühl im Bereich des rechten Armes und Beschwerden nach Schädel- und Halswirbelsäulenprellung mit Dornfortsatzbruch des 7. Halswirbelkörpers und Quetschung des Spinalkanals durch Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. Mit Ablauf des Monats Dezember 2004 wurde diese Rente wegen wesentlicher Besserung der Folgen des Arbeitsunfalls entzogen (Bescheid vom 13.12.2004).
Mit Schreiben vom 30.03.2007 beantragte der Kläger wegen einer Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls die Wiedergewährung von Verletztenrente. Dr. T aus C erstattete am 17.09.2007 ein chirurgisches Gutachten: Unmittelbare oder mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls am 14.11.1995 seien nicht festzustellen. Die festzustellenden funktionellen Einschränkungen seien der Endzustand der schicksalhaft aufgetretenen Veränderungen. Eine messbare MdE wegen Folgen des Unfalls am 14.11.1995 seien nicht festzustellen. Mit Bescheid vom 05.10.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen Folgen des Arbeitsunfalls ab. Folge des Arbeitsunfalls sei ein fest verheilter Bruch des Dornfortsatzes des 7. Halswirbelkörpers. Unfallunabhängig bestünden Verschleiß- und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Die Folgen des Unfalls verursachten keine messbare MdE. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2008 zurückgewiesen.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Wegen Schmerzen in den oberen Extremitäten, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl sowie Sensibilitätsstörung schätze der ihn behandelnde Arzt U aus P die MdE um 30 v.H. ein. Auch seien nach Auffassung von Frau Dr. I aus C die Schmerzen im Bereich der rechten Schulter auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Darüber hinaus sei es nach den Feststellungen der Ärztin für Neurochirurgie Dr. S und des Neurochirurgen Dr. X aus H zu einer deutlichen Einschränkung er Beweglichkeit der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in die Schulterregion sowie den Hinterkopf, Schwächegefühl in beiden Armen, zunehmender Schwindelsymptomatik sowie Nervosität gekommen. Es finde sich eine schwere, mehrsegmentale Osteochondrose und deformierende Spondylose mit Fehlhaltung der distalen Halswirbelsäule. Der Hauptschmerz ziehe vom Nacken in den Hinterkopf sowie in beide Schultern und Arme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2008 zu verurteilen, ihm aus Anlass des am 14.11.1995 erlittenen Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Mit Schreiben vom 05.05.2008 hat das SG dem Kläger Frist für einen Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den 06.06.2008 gesetzt. Mit am 19.05.2008 bei dem SG eingegangenem Schreiben vom 13.05.2008 beantragte der Kläger, Dr. L aus S1 als Arzt seines Vertrauens gemäß § 109 SGG gutachterlich zu hören. Mit einfachem Brief vom 20.05.2008 forderte das SG daraufhin den Kläger auf, bis 20.06.2008 einen Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG in Höhe von 1.500,00 EUR zu leisten. Am 30.06.2008 teilte das SG dem Kläger mit, da der geforderte Vorschuss nicht fristgerecht eingegangen sei, sei die Sache "zur Sitzung" geschrieben. Mit Schreiben vom 04.07.2008 stellte der Kläger die Gründe für das Fristversäumnis klar und beantragte die Verlängerung der Zahlungsfrist. Am 07.07.2008 teilte das SG dem Kläger mit, eine Fristverlängerung sei nicht vorgesehen. Die Sache werde demnächst geladen. Am 10.07.2008 ging der Vorschuss bei der Staatskasse ein. Am 22.07.2008 veranlasste das SG die Rückzahlung des Vorschusses an den Einzahler. Am 12.08.2008 bestimmte das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20.03.2009. Mit Gerichtsbescheid vom 20.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das urkundsbeweislich verwertete Gutachten des Dr. T vom 17.09.2007 gestützt. Dem Antrag des Klägers nach § 109 SGG habe das SG nicht nachkommen müssen, da die Zulassung des Antrages den Rechtsstreit nicht unerheblich weiter verzögert hätte, da das Gutachten hätte eingeholt und von den Beteiligten und dem Gericht ausgewertet werden müssen. Der am 20.05.2008 festgesetzte Kostenvorschuss sei nicht binnen der Frist bis zum 20.06.2008, sondern erst am 10.07.2008 bei der Staatskasse eingegangen. Die Gründe für das Fristversäumnis habe der Kläger sich zurechnen zu lassen.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger bezüglich der Verschlimmerung der Verhältnisse bei Zustand nach Arbeitsunfall am 14.11.1995 sein bisheriges Vorbringen. Des Weiteren ist er der Auffassung, dass die Zurückweisung seines Antrags gemäß § 109 SGG durch das SG wegen Verstoßes gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens rechtswidrig sei. Dies insbesondere auch deswegen, da der Vorschuss am 10.07.2008 eingegangen gewesen sei und das SG erst zum 20.03.2009 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides vom 20.03.2009 nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen,
hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.03.2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die Berufung ist im Sinne des Hilfsantrags des Klägers begründet. Da die bisherigen Tatsachenfeststellungen für eine Sachentscheidung nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das SG auf dem Weg zu seiner abschließenden Entscheidung eine das Klageverfahren regelnde Verfahrensvorschrift verletzt hat. Wesentlich ist dieser Mangel, wenn die Entscheidung des SG auf der Verletzung der Verfahrensvorschrift beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig, SGG - Kommentar 9. Auflage 2008, § 159 Rdnr 3 a, mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Das erstinstanzliche Gericht hat gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Keller a.a.O., vor § 60 Rdnr 1 b mwN) durch Verletzung der Ausübung des klägerischen Rechtes nach § 109 SGG verstoßen.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist gemäß § 109 Abs. 1 SGG auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung wird in der Regel von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG) und kann ansonsten unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden. Damit ist eine Ablehnung dieses Beweisantrags nur dann möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen muss es bei einer Zulassung des Beweisantrages zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.
Das SG hätte dem wirksam gestellten Beweisantrag des Klägers stattgeben müssen, da keine Ablehnungsgründe nach § 109 Abs. 2 SGG vorliegen.
Aus dem Ablauf des erstintanzlichen Klageverfahrens ergeben sich keine Hinweise für eine Verschleppungsabsicht. Die Verzögerung des Rechtsstreits ist nur dann anzunehmen, wenn der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Ablehnung einer Beweisaufnahme nach § 109 SGG bereits terminiert war. Dies war vorliegend nicht der Fall. Zum Einen war im Zeitpunkt der Mitteilung der Ablehnung der Beweisaufnahme nach § 109 SGG am 30.06.2008 die Sache noch nicht terminiert und wurde dies erst am 12.08.2008. Zum Anderen war sie sodann erst zum 20.03.2009 zur Entscheidung vorgesehen. Innerhalb des Zeitraums zwischen dem Eingang des Vorschusses bei der Staatskasse am 10.07.2008 und dem Entscheidungstermin am 20.03.2009 - mithin erst 8 Monate später - wären Ermittlungen durchaus möglich gewesen. Es bleibt offen, ob im Zeitpunkt des Eingangs des Vorschusses bei der Staatskasse die Erledigung des Rechtsstreits durch die Einholung des mit Schreibens vom 13.05.2008 beantragten Gutachtens verzögert worden wäre. Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen, finden sich nicht. Eine Anfrage des SG an den als Sachverständigen benannten Dr. L, wie lange er für die Erstellung des Gutachtens benötigen würde, fehlt. Es entspricht der gerichtlichen Erfahrung aus einer großen Vielzahl von Streitverfahren mit dem gleichen Streitgegenstand, dass auch ein nach Eingang des Vorschusses am 10.07.2008 bei der Staatskasse von dem nach § 109 SGG benannten Sachverständigen eingeholtes Gutachten den Beteiligten so rechtzeitig vorgelegen hätte, dass sie noch vor dem Termin am 20.03.2009 sachgerecht Stellung hätten beiziehen können.
Da weder aus Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit der Kläger verspätet den Antrag nach § 109 SGG gestellt hat, vielmehr mit am 19.05.2008 bei dem SG eingegangenen Schreiben binnen der von dem SG zum 06.06.2008 gesetzten Frist gehandelt hat und für ihn der Vorschuss auf die Kosten bei der Staatskasse eingezahlt worden ist, war das SG gehalten, dem Beweisantrag nach § 109 SGG nachzukommen.
Abgesehen davon, dass durch den Eingang des Vorschusses bei der Staatskasse am 10.07.2008 erst nach Ablauf der von dem SG gesetzten Frist vom 20.06.2008 der Rechtsstreit nicht verzögert worden ist, hat darüber hinaus diese Fristversäumnis das Recht des Klägers aus § 109 SGG nicht ausgeschlossen. Unabhängig von der Frage, ob ein Versäumnis der Rechtsschutzversicherung dem Kläger wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist, ist nicht ersichtlich, dass die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass es sein Bevollmächtigter versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der Ausgangskontrolle, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass der Kostenvorschuss innerhalb von etwas mehr als 7 Wochen nach Aufforderung durch das Gericht bei der Staatskasse eingegangen ist. Dieser Zeitraum ist, wenn sich für die Einzahlung Dritter bedient wird, nicht unangemessen lang. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das Verfahren ansonsten zügig betrieben und auch die Anfragen des Gerichts zeitnah beantwortet hat. Gemessen an der Tatsache, dass der Rechtsstreit nach der Terminsladung vom 12.08.2008 bis zur Entscheidung am 20.03.2009 mehr als 7 Monate ohne jede weitere, allerdings gebotene sachaufklärende Bearbeitung geblieben ist, war die Überschreitung der gesetzten Zahlungsfrist keinesfalls grob fahrlässig.
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags nach § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.11.2008, L 2 KN 103/08 m.w.N.).
Der Senat hält es im Rahmen seines Ermessens für sachgerecht und zweckmäßig, die Streitsache an das SG zurückzuverweisen. Unter Berücksichtigung des Gedankens der Prozessökonomie und des Interesses des Klägers an einer zeitnahen Sachentscheidung überwiegt sein Interesse, die erforderliche Sachaufklärung durch das Gericht der ersten Instanz in einem fairen Klageverfahren vornehmen zu lassen. Dem Berufungsantrag nach liegt dies in seinem Interesse.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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