L 19 B 213/09 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 186/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 213/09 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.06.2009 werden zurückgewiesen. Kosten der Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)

Der am 00.00.1958 geborene Antragsteller war bis zum 31.12.2008 als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Seit dem 03.12.2008 bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Zum 01.05.2009 zog er von seinem bisherigen Wohnort I nach H um. Er wohnt im Haus seiner Mutter, G-Straße 0, H. Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 351,00 EUR für die Zeit vom 01.05 bis zum 30.10.2009 (Bescheid vom 26.05.2009).

Am 05.06.2009 legte der Antragsteller zwei Mietangebote vor, u.a. über eine 55 qm große Wohnung, L-Straße 00, H, und beantragte die Zustimmung zur Anmietung einer der beiden Wohnungen. Den Antrag lehnte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 09.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2009 ab. Eine Zusicherung zur Anmietung der Wohnungen könne nicht erteilt werden, da die Aufwendungen für die neue Wohnung nicht angemessen seien. Die vom Antragsteller vorgelegten Mietangebote über Wohnungen mit einer Kaltmiete von 290,00 EUR bzw. 302,50 EUR überstiegen die für einen 1- Personenhaushalt nach § 22 Abs. 1 SGB II angemessene Kaltmiete von maximal 247,50 EUR (Grundmiete + Betriebskosten). Hiergegen erhob der Antragsteller Klage, S 33 As 111/09.

Am 12.06.2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Gelsenkirchen beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zustimmung zum Abschluss eines Mietvertrages über die Wohnung L-Straße 00, H, 3. OG links, zu erteilen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzung für die Erteilung der Zusicherung zur Anmietung dieser Wohnung nach § 22 Abs. 2 SGB II erfüllt seien. Die Kaltmiete (Grundmiete + Betriebskosten) von 302,50 EUR sei angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II. Der von der Antragsgegnerin zugrundegelegter Höchstbetrag der angemessenen Kosten der Unterkunft für einen 1-Personenhaushalt von 257,40 EUR sei unzutreffend ermittelt. Unter Berücksichtigung der Werte für eine Wohnung der Kategorie A (Wohnungen von 35 qm bis zu 60 qm Größe) in dem aktuellen Mietspiegel für die Stadt H und der Angaben über die durchschnittlichen Betriebskosten im Betriebskostenspiegel für Nordrhein-Westfalen 2007 sei für eine 45 qm große Wohnung eine Kaltmiete bis zu 309,38 EUR angemessen. Auch habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Herr X, ihm die mündliche Zusage erteilt, dass die Antragsgegnerin nichts gegen den Höchstbetrag leicht übersteigende Kosten der Unterkunft einzuwenden habe, falls er in der Lage sei, die Mehrkosten aus eigenen Mitteln zu tragen. Er sei in der Lage, die Differenz zwischen den von der Antragsgegnerin angesetzten Höchstbetrag und den tatsächlich anfallenden Kosten ohne Gefährdung seines Unterhalts zu bestreiten.

Durch Beschluss vom 19.06.2006 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Antrag abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er hält sein Begehren aufrecht.

II.

Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgelehnt. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der Aufwendungen für die Wohnung L-Straße 00, H, 3. OG links nach § 22 Abs. 2 SGB II zu erteilen. Ausweislich seiner Einlassungen in der Antragsschrift vom 12.06.2009 und des schriftsätzlich gestellten Antrags (auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung der Zustimmung zum Abschluss eines Mietvertrages über die Wohnung im Wege der einstweiligen Anordnung) beschränkt sich das Begehren des Antragstellers - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich beim Antragsteller um einen Rechtsanwalt handelt und er damit rechtskundig ist - auf eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II. Weder aus seinem Vorbringen noch aus seinem schriftsätzlich gestellten Antrag lässt sich entnehmen, dass er daneben eine Zusicherung nach § 22 Abs. 3 SGB II hinsichtlich der Übernahme von Umzugskosten begehrt. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Dahin stehen kann, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der Aufwendungen für die Wohnung L-Straße 00, H, 3. OG links nach § 22 Abs. 2 SGB II zu erteilen, glaubhaft gemacht hat.

Jedenfalls ist ein Anordnungsgrund - wie das SG zutreffend festgestellt hat - auch zur Überzeugung des Senats nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher könnte nur bejaht werden, wenn dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteils drohten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden könnten. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die in § 22 Abs. 2 SGB II vorgesehene Zusicherung zur Übernahme der Kosten einer neuen Wohnung nach § 22 Abs. 2 SGB II im Fall des Unterkunftswechsels ist nicht Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der nach § 22 Abs. 1 SGB II angemessenen Kosten für eine neue Wohnung (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn 27); vielmehr ist die Antragsgegnerin nach Bezug einer neuen Wohnung verpflichtet, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit sie angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II sind und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II gegeben sind. Das Zusicherungsverfahren nach § 22 Abs. 2 SGB II hat lediglich den Zweck, über Angemessenheit der Unterkunftskosten vor deren Entstehung eine Entscheidung herbeizuführen und so für den Hilfebedürftigen das Entstehen einer erneuten Notlage infolge der nur teilweisen Übernahme von Kosten zu vermeiden (LSG NW, Beschluss vom 25.03-2008- L 19 B 55/08 AS). § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II begründet nur die Obliegenheit eines Leistungsempfängers vor Anmietung einer neuen Wohnung auf eine entsprechende Zusicherung hinzuwirken. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass es im vorliegenden Fall der Regelung eines vorläufigen Zustandes durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bedarf, zumal der Antragsteller sich im erstinstanzlichen Verfahren dahingehend eingelassen hat, dass er in der Lage sei, die Differenz zwischen den von der Antragsgegnerin angesetzten Höchstbetrag von 257,40 EUR und den tatsächlich anfallenden Kosten von 302,50 EUR ohne Gefährdung seines Unterhalts zu bestreiten. In Hinblick auf diese Einlassung ist es dem Antragsteller zumutbar, die Klärung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Der Antragsteller ist auch nicht gehindert, die betreffende Wohnung anzumieten und zu beziehen.

Die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II ist zudem nicht Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II. Die Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II durch die Antragsgegnerin setzt nur voraus, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller vor der vertraglichen Begründung der zu übernehmenden Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten eine Zusicherung hinsichtlich dieser Kosten erteilt (vgl. hierzu LSG NW, Beschluss vom 03.07.2009 - L 19 B 138/09 AS ER m.w.N.). Die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II ist nicht inhaltlich identisch mit der nach § 22 Abs. 3 SGB II. Aus der Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II folgt auch nicht zwangsläufig, dass eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme von Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II seitens des Leistungsträgers zu erfolgen hat. Einen Antrag auf Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 3 SGG hat der Antragsteller zudem nicht gestellt.

Unabhängig davon ist dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen, dass ihm Wohnungslosigkeit droht. Vielmehr nutzt er nach eigenen Angaben gegenüber der Antragsgegnerin im Haus seiner Mutter vorläufig kostenlos zwei Räume. Eine Änderung dieser Verhältnisse ist nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht hat wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes nicht vorgelegen ((§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO). Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen. Das Beschwerdeverfahren hat wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO). Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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