L 19 B 39/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 195/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 39/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 09.01.2009 geändert. Den Klägern wird ab 17.08.2009 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T, F, beigeordnet.

Gründe:

Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in ihrem Rechtsstreit nach dem SGB II um Übersetzungskosten sowie vorübergehende Mietaufwendungen für ihre - im Zusammenhang mit einer Arbeitsaufnahme in Frankreich und Anmietung einer Wohnung dort - gekündigte und nicht mehr bewohnte Wohnung in Deutschland.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt. Gegen den am 15.01.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kläger vom 09.02.2009, auf deren Begründung gleichfalls Bezug genommen wird.

Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Ab dem 17.08.2009 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 114 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) erfüllt.

Zumindest dem auf Übernahme doppelter Mietkosten gerichteten Klagebegehren kann eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO zur Überzeugung des Senats bei der hier alleine möglichen summarischen Prüfung nicht abgesprochen werden. Unter Beachtung des vorrangigen Förderungszieles des SGB II, nämlich dazu beizutragen, dass die Leistungsempfänger ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB II), erscheint es weiterer Prüfung bedürftig, ob es sich hier um erstattungsfähige Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs. 3 SGB II handelt.

Dabei steht der Annahme hinreichender Erfolgsaussicht im Hinblick auf Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes nicht entgegen, dass eine schriftliche "vorherige" Zusicherung als nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II regelmäßig zu fordernde Voraussetzung nach dem aktenkundigen Sachverhalt nicht erteilt worden ist.

Auch der Senat hat dies in bislang entschiedenen Fällen für erforderlich gehalten (z.B. Urteil vom 02.03.2009 - L 19 AS 61/08 -, Revision anhängig unter B 4 AS 28/09 R -).

Bezugspunkt der Prüfung (vorheriger) Zustimmung war, soweit ersichtlich, jeweils der Zeitpunkt, in dem der Rechtsgrund für die Kostenentstehung gesetzt wurde (z.B. Vertragsschluss mit dem Umzugsunternehmen, vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn. 85).

Rechtsgrund der Mietaufwendungen in Deutschland nach dem Umzug ist hier jedoch ein seit längerem bestehender Mietvertrag.

Naheliegend ist regelmäßig weiter eine Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem ein neuer Mietvertrag geschlossen wurde.

Die Kläger haben jedoch in Frankreich keinen neuen Mietvertrag geschlossen, vielmehr mietfrei eine Werkswohnung bewohnt.

Als weitere Anknüpfungspunkte kommen sowohl der Abschluss der Arbeitsverträge in Frankreich am 22.12.2007 als auch der tatsächliche Weggang nach Frankreich zwecks Arbeitsaufnahme ab dem 21.01.2008 in Betracht.

Beide Umstände haben die Kläger der Beklagten am 03.01.2008 mitgeteilt, was ein rechtzeitiges Begehren auf Erteilung der Zustimmung enthalten könnte, wenn auf die Arbeitsaufnahme abzustellen ist. Wäre eine Verweigerung der Zustimmung ab diesem Zeitpunkt als rechtswidrig anzusehen, käme eine Ersetzung ggf. in Betracht (vgl. zur Ersetzung im einstweiligen Rechtsschutz Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.05.2009 - L 32 AS 612/09 B).

Weiter wird der gänzliche Verzicht auf Einholung einer Zusicherung erwogen, wenn dies nach den Besonderheiten des Einzelfalles unzumutbar erscheint (Lang/Link, a.a.O.). Solche Besonderheiten könnten sich hier aus den bislang nicht aufgeklärten Umständen des Vertragsabschlusses der Kläger ergeben.

Waren doppelte Mietaufwendungen erforderlich und nach den einzuhaltenden Kündigungsfristen unvermeidlich, kann einem Anspruch nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II auf Erstattung doppelter Mietzahlungen möglicherweise nicht entgegen gehalten werden, dass es an der vorherigen schriftlichen Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger fehlt, weil eine Verpflichtung des Trägers zur Erteilung der Zustimmung in Betracht kommt.

Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beschränken sich die nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II vom Grundsicherungsträger zu übernehmenden Umzugskosten auf die eigentlichen Kosten des Umzugs, wie etwa Transportkosten, Kosten für eine Hilfskraft, erforderliche Versicherung, Benzinkosten und Verpackungsmaterial (Urteile des BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R -, vom 01.07.2009 - B 4 AS 22/08 R -).

Auch der vorliegend befasste Senat hat zur begehrten Übernahme einer Maklercourtage für den Verkauf eines Eigenheims im Zusammenhang mit der Anmietung einer neuen Wohnung entschieden, dass es sich nicht um Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II handelt. Wohnungsbeschaffungskosten seien nur Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten einer Wohnung verbunden sind. Bei Umzugskosten handele es sich um die Kosten des Umzugs selbst, nicht um Kosten, die mit dem Umzug lediglich zusammenhängen (Urteil des Senats vom 02.03.2009 - a.a.O. -).

Die Frage, welcher Zusammenhang zwischen dem Umzugsereignis und der Ursache von Kosten gegeben sein muss, ist weitgehend unbeantwortet.

Ob ein Umzug erforderlich ist, bestimmt sich grundsätzlich danach, ob für ihn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Dies ist anzunehmen, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst worden ist (Berlit in LPK - SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn. 76). Zur Überzeugung des Senats liegt es gerade unter Berücksichtigung des schon angesprochenen Förderungszieles des SGB II nahe, diesen Fällen den vorliegendem Fall der Kostenentstehung im Zusammenhang mit der Annahme einer auswärtigen Arbeitsstelle gleichzustellen (ebenso Berlit a.a.O, Beschluss des SG Frankfurt vom 16.01.2006 - S 48 AS 20/06 R -).

Für das Bestehen hinreichender Erfolgsaussicht hinsichtlich des Begehrens auf Übernahme doppelter Mietkosten spricht weiter, dass sie in der aktuellen Arbeitshilfe "Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II", 2. Auflage Stand 20. Mai 2005 des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen als grundsätzlich übernahmefähig anerkannt sind (a.a.O., S. 56).

Auch die Beklagte hier hat einen Anspruch der Kläger auf Übernahme doppelter Mietzahlungen für den Monat des Umzugs selbst aufgrund einer offensichtlich bei ihr bestehenden Weisungslage bereits anerkannt. Ein Grund für eine Differenzierung zwischen dem Monat des Umzugs selbst und den vorhergehenden Monaten, in denen die doppelte Mietzahlung ggf. auch unvermeidbar war, ist nicht vorgetragen.

Ob hinreichende Erfolgsaussicht auch hinsichtlich des weiteren Begehrens auf Übernahme der Übersetzungskosten besteht, lässt der Senat im Hinblick auf die Einheitlichkeit des dem Streit zugrunde liegenden Lebensvorgang dahinstehen.

Für hinreichende Erfolgsaussicht spricht immerhin, dass die Beklagte EG-rechtlich gehindert gewesen sein dürfte, die bei ihr eingereichten Schriftstücke deshalb zurückzuweisen, weil sie in einer nichtdeutschen Amtssprache eines EG-Mitgliedsstaates abgefasst waren (vgl. Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 61 Rn. 7 m.w.N.).

Da auch Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht gegeben ist, besteht ein Anspruch auf Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe ab dem 17.08.2009, dem Tag der Vorlage des Bescheides über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 30.06.2009, mit dem die aktuellen Bedürftigkeit der Kläger nachgewiesen worden ist (vgl. zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe Beschlüsse des Senats vom 08.10.2008 - L 19 B 11/08 AS - sowie vom 23.03.2009 - L 19 B 27/09 AS -).

Von einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung für frühere Zeitpunkte - die nach Vorstehendem auch unter Berücksichtigung französisch-sprachiger Unterlagen in Betracht kommen - hat der Senat im mutmaßlichen Interesse der Kläger, ratenfreie Prozesskostenhilfe zu erhalten, abgesehen.

Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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