Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 119/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 51/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 18/09 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.03.2009 klarstellend wie folgt neu gefasst: Der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 wird aufgehoben, soweit die Beklagte Krankenversicherungsbeiträge nach höheren monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen als 2.281,08 Euro festgesetzt hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01.01. bis 31.12. 2006.
Die 1964 geborene Klägerin ist seit März 2005 als Betreiberin eines Hausmeisterservice sowie Kurierdienstes hauptberuflich selbständig tätig und seitdem bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.
Mit vorläufigem Beitragsbescheid vom 02.05.2005 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit ab März 2005 vorläufig auf 230,02 Euro fest, wobei entsprechend den Angaben der Klägerin beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 1.811,52 Euro zugrunde gelegt wurden. In der Folgezeit erbat die Beklagte von der Klägerin mehrfach die Übersendung von Einkommensnachweisen. Nachdem die Klägerin im August und November 2005 mitgeteilt hatte, es sei nicht zu erwarten, dass das für die Berechnung des Mindestbeitrages maßgebliche Einkommen von 1.811,25 Euro überschritten werde und die Beklagte mit vorläufigem Beitragsbescheid vom 22.08.2005 die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge vorläufig unverändert mit 230,03 Euro festgestellt hatte, übersandte die Klägerin im Februar 2006 Summen- und Saldenlisten für die Zeit von Januar bis September 2005 sowie Unterlagen zu Umsatzsteuervorauszahlungen und verwies darauf, dass ein Einkommensteuerbescheid noch nicht vorliege. Nach Auswertung dieser Unterlagen setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung durch Bescheid vom 17.02.2006 für die Zeit ab 01.03.2005 vorläufig auf 303,14 Euro und ab 01.01.2006 vorläufig auf 308,39 Euro fest.
Im November 2006 übersandte die Klägerin der Beklagten den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 40.454,- Euro auswies, und vertrat gleichzeitig die Auffassung, bei der Beitragsfestsetzung sei auch zu berücksichtigen, dass sie seit März 2006 ihren Ehemann als Arbeitnehmer angestellt habe, so dass sich ihr Gewinn für das Jahr 2006 nach Abzug der entsprechenden Lohnkosten auf maximal 10.000,- Euro belaufen werde.
Mit Bescheid vom 20.11.2006 setzte die Beklagte den Beitrag zur Krankenversicherung für die Zeit ab März 2005 auf 447,68 Euro und ab Januar 2006 auf 466,69 Euro fest, indem monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 1/12 der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte, jedoch begrenzt auf die Beitragsbemessungsgrenze, zugrunde gelegt wurden. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, die Beitragseinstufung ab März 2006 müsse die voraussichtliche Gewinnminderung infolge der Lohnkosten für ihren Ehemann berücksichtigen.
Nachdem die Klägerin im Dezember 2007 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 27.373,- Euro auswies, übersandt hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 19.12.2007 die Beiträge zur Krankenversicherung ab Dezember 2007 auf 317,07 Euro monatlich fest und wies den weitergehenden Widerspruch zurück. Bis zur Vorlage des ersten Steuerbescheides habe eine vorläufige Einstufung an Hand anderer Unterlagen oder Feststellungen vorgenommen werden können. Für die Folgezeit sei dies nicht mehr möglich. Es sei vielmehr regelmäßig vom letzten Einkommensteuerbescheid auszugehen. Durch diese kontinuierliche Berücksichtigung der Einkommensteuerbescheide sei sichergestellt, dass Veränderungen in den Einkünften sich, wenn auch jeweils zeitversetzt, kontinuierlich auf die Höhe der freiwilligen Beiträge auswirkten. Eine rückwirkende Einstufung an Hand des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 sei nicht möglich (Widerspruchsbescheid vom 04.03.2008).
Am 03.04.2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe bei der Beitragsfestsetzung für die Zeit ab Januar 2006 die mit der Einstellung des Ehemannes verbundenen Lohnkosten gewinnmindernd berücksichtigen müssen. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 habe der Beitrag rückwirkend reduziert werden müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 die Beiträge für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2006 unter Zugrunde- legung des Einkommensteuerbescheides 2006 festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen gestützt.
Mit Urteil vom 05.03.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Beiträge für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2006 unter Zugrundelegung des Einkommensteuerbescheides 2006 festzusetzen. Die Klägerin habe die Vorbehalte der vorläufigen Beitragsbescheide dahingehend verstehen können, dass die vorläufige Beitragsfestsetzung und die spätere end-gültige Einstufung nach Vorlage der entsprechenden Nachweise zeitlich deckungsgleich erfolge. Die alleinige Formulierung "vorläufig" reiche nicht aus, um die in § 240 Abs. 2 Satz 2 und 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorgegebene bzw. die von den Krankenkassen praktizierte Handhabung der Beitragsfestsetzung deutlich zu machen.
Gegen das ihr am 17.03.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.03.2009 Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geltend gemacht, dass sowohl die vorläufige Beitragsfestsetzung als auch die endgültige Beitragsfestsetzung rechtmäßig vorgenommen worden seien. Die Klägerin habe für die streitige Zeit kein niedrigeres Einkommen nachgewiesen. Bei der Festsetzung der Beiträge für das Jahr 2006 habe es sich überdies auch nicht um die erstmalige endgültige Beitragsfestsetzung gehandelt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.03.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide im Ergebnis zu Recht teilweise aufgehoben. Denn der Bescheid vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge für das Jahr 2006 nach höheren beitragspflichtigen monatlichen Einnahmen als 2.281,08 Euro festgesetzt hat.
Gegenstand des Klageverfahrens war unter verständiger Würdigung des Begehrens der Klägerin allein die Anfechtung der Beitragsfestsetzung durch die angefochtenen Bescheide insoweit, als für das Jahr 2006 Krankenversicherungsbeiträge endgültig nach höheren beitragspflichtigen Einnahmen als 2.281,08 Euro festgesetzt wurden. Soweit die streitigen Beiträge lediglich diese Höhe umfassen, wurde die Festsetzung nicht angefochten. Neben dieser zulässig erhobenen Teilanfechtungsklage, mit der die Klägerin ihr Klageziel vollumfänglich erreichen konnte, wollte sie ersichtlich nicht noch eine - unzulässige - Leistungsklage erheben. Da an die missverständliche Fassung des Antrags auch keine Bindung besteht (§ 123 Sozialgerichtsgestz -SGG-), hat der Senat den Tenor klarstellend neu gefasst.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 240 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 ergänzt durch das Vierte Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2190, 2954). Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs. 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (Abs. 1 Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs. 2 Satz 1). Gemäß Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V gilt für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedriger Einnahmen jedoch mindestens der 40., für freiwillige Mitglieder, die Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16 des Zweiten Buches haben, der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung können aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum 1. Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage i.V.m. § 19 ihrer Satzung die Beiträge nicht zutreffend festgesetzt. Zwar war sie an die vorläufige Einstufung durch die Bescheide vom 02.05.2005, 22.08.2005 und 17.02.2006 nicht gebunden, zu Unrecht hat sie jedoch Beiträge nach höheren monatlichen Einnahmen als 2.281,08 Euro berechnet. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides lagen der Beklagten Nachweise über Einnahmen vor, die Beiträge lediglich in dem genannten Umfang rechtfertigten.
Die Beklagte war berechtigt, mit Bescheid vom 20.11.2006 die Beitragshöhe rückwirkend ab März 2005 bzw. ab Januar 2006 festzusetzen. Die bereits erteilten bindenden vorläufigen Beitragsbescheide standen dem nicht entgegen. Denn die Bescheide vom 02.05.2005, 22.08.2005 und 17.02.2006 enthielten keine endgültige Regelung, die grundsätzlich nur dann hätte abgeändert werden dürfen, wenn sich die Beklagte entweder darin rechtmäßig deren Rücknahme, Widerruf oder Abänderung vorbehalten hätte oder aber dazu nach den §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gesetzlich ermächtigt gewesen wäre (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 R -, NZS 2007, 29). Vielmehr regelten die Bescheide die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt und entfalteten keine Bindungswirkung in Bezug auf die mit dem Bescheid vom 22.11.2006 erfolgte endgültige Regelung der Beitragshöhe. Zu Beginn einer selbständigen Tätigkeit sind vorläufige Regelungen auch grundsätzlich zulässig (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2006 a.a.O.; Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 30/07 - ).
Die Bescheide vom 02.05.2005, 22.08.2005 und 17.02.2006 waren als vorläufige Beitragsbescheide ausgewiesen worden. Nach Erteilung des Bescheides vom 02.05.2005 hatte die Beklagte mehrfach die Übersendung des Einkommensteuerbescheides oder anderer Nachweise über die Einnahmen erbeten und deutlich gemacht, dass die Beitragsberechnung aufgrund der vorliegenden Angaben nur vorläufig erfolgt sei und eine endgültige Beitragsfestsetzung erfolgen werde. Auch den Bescheiden vom 22.08.2005 und 17.02.2006 war wiederum zu entnehmen, dass die Beitragshöhe nur vorläufig bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erfolgte. Die Klägerin hat überdies auch nicht in Abrede gestellt, dass sie aufgrund der in den Bescheiden enthaltenen Bezeichnungen "vorläufiger Beitragsbescheid" und "Beitrag vorläufig" stets davon ausgegangen ist, dass nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides eine endgültig abschließende Regelung über die Beitragseinstufung erfolgen sollte.
Der endgültigen Festsetzung waren für die Zeit ab Januar 2006 -entgegen der Ansicht der Beklagten- als beitragspflichtige Einnahmen nicht Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze sondern lediglich in Höhe von 2.281,08 Euro monatlich zugrunde zu legen. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides lagen der Beklagten Nachweise über entsprechende niedrigere Einnahmen (Einkommensteuerbe-scheid für das Jahr 2006) vor und diese waren auch rückwirkend zu berücksichtigen. Dass der Steuerbescheid lediglich Einnahmen in dieser Höhe ausweist, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines endgültigen Beitragsbescheides gilt nichts anderes. Auch hier ist im Widerspruchsverfahren der Ausgangsbescheid in dem Umfang, in dem er mit dem Widerspruch angefochten wurde, zu überprüfen. Wird erstmals - wie hier - über die endgültige Beitragsfestsetzung entschieden, nachdem zunächst lediglich eine vorläufige Beitragsfestsetzung durch einstweilige Regelung erfolgte, sind Beiträge gerade auch rückwirkend aufgrund nunmehr vorliegender Nachweise festzusetzen und im Widerspruchsverfahren zu überprüfen, ob solche Nachweise vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 11.03.2009 a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht hier auch die erstmalige endgültige Beitragsfestsetzung im Streit. Denn bis zur Erteilung des streitigen Bescheides vom 20.11.2006 hatte die Beklagte die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweilige Verwaltungsakte festgesetzt. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurden die Beiträge dann erstmals für die Zeit ab Beginn der selbständigen Tätigkeit endgültig festgesetzt, wobei unter Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrundegelegt wurden und die unterschiedliche Beitragshöhe für die Zeit ab März 2005 und Januar 2006 nur aus dem ab Januar 2006 erhöhten Beitragssatz resultierte. Dies verdeutlicht, dass insgesamt erstmals über die endgültige Beitragsfestsetzung entschieden wurde.
§ 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. steht der Berücksichtigung des Steuerbescheides für das Jahr 2006 nicht entgegen. Denn diese Regelung erfasst weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die erstmalige endgültige Festsetzung der Beitragshöhe eines hauptberuflich Selbständigen, wenn zunächst die Beiträge lediglich vorläufig festgesetzt worden waren, weil ein Nachweis über die Höhe der Einnahmen wegen fehlender Steuerbescheide nicht möglich war, und nunmehr für die Vergangenheit die vorläufige durch eine endgültige Beitragsfestsetzung ersetzt wird. In diesem Fall war gerade auf eine endgültige, bei Nachweis geringerer Einnahmen nur mit Wirkung für die Zukunft abänderbare Beitragsfestsetzung verzichtet worden, weil kein Nachweis über die Höhe der Einnahmen bei Beginn der selbständigen Tätigkeit geführt werden konnte (vgl. BSG Urteil vom 11.03.2009 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01.01. bis 31.12. 2006.
Die 1964 geborene Klägerin ist seit März 2005 als Betreiberin eines Hausmeisterservice sowie Kurierdienstes hauptberuflich selbständig tätig und seitdem bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.
Mit vorläufigem Beitragsbescheid vom 02.05.2005 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit ab März 2005 vorläufig auf 230,02 Euro fest, wobei entsprechend den Angaben der Klägerin beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 1.811,52 Euro zugrunde gelegt wurden. In der Folgezeit erbat die Beklagte von der Klägerin mehrfach die Übersendung von Einkommensnachweisen. Nachdem die Klägerin im August und November 2005 mitgeteilt hatte, es sei nicht zu erwarten, dass das für die Berechnung des Mindestbeitrages maßgebliche Einkommen von 1.811,25 Euro überschritten werde und die Beklagte mit vorläufigem Beitragsbescheid vom 22.08.2005 die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge vorläufig unverändert mit 230,03 Euro festgestellt hatte, übersandte die Klägerin im Februar 2006 Summen- und Saldenlisten für die Zeit von Januar bis September 2005 sowie Unterlagen zu Umsatzsteuervorauszahlungen und verwies darauf, dass ein Einkommensteuerbescheid noch nicht vorliege. Nach Auswertung dieser Unterlagen setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung durch Bescheid vom 17.02.2006 für die Zeit ab 01.03.2005 vorläufig auf 303,14 Euro und ab 01.01.2006 vorläufig auf 308,39 Euro fest.
Im November 2006 übersandte die Klägerin der Beklagten den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 40.454,- Euro auswies, und vertrat gleichzeitig die Auffassung, bei der Beitragsfestsetzung sei auch zu berücksichtigen, dass sie seit März 2006 ihren Ehemann als Arbeitnehmer angestellt habe, so dass sich ihr Gewinn für das Jahr 2006 nach Abzug der entsprechenden Lohnkosten auf maximal 10.000,- Euro belaufen werde.
Mit Bescheid vom 20.11.2006 setzte die Beklagte den Beitrag zur Krankenversicherung für die Zeit ab März 2005 auf 447,68 Euro und ab Januar 2006 auf 466,69 Euro fest, indem monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 1/12 der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte, jedoch begrenzt auf die Beitragsbemessungsgrenze, zugrunde gelegt wurden. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, die Beitragseinstufung ab März 2006 müsse die voraussichtliche Gewinnminderung infolge der Lohnkosten für ihren Ehemann berücksichtigen.
Nachdem die Klägerin im Dezember 2007 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 27.373,- Euro auswies, übersandt hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 19.12.2007 die Beiträge zur Krankenversicherung ab Dezember 2007 auf 317,07 Euro monatlich fest und wies den weitergehenden Widerspruch zurück. Bis zur Vorlage des ersten Steuerbescheides habe eine vorläufige Einstufung an Hand anderer Unterlagen oder Feststellungen vorgenommen werden können. Für die Folgezeit sei dies nicht mehr möglich. Es sei vielmehr regelmäßig vom letzten Einkommensteuerbescheid auszugehen. Durch diese kontinuierliche Berücksichtigung der Einkommensteuerbescheide sei sichergestellt, dass Veränderungen in den Einkünften sich, wenn auch jeweils zeitversetzt, kontinuierlich auf die Höhe der freiwilligen Beiträge auswirkten. Eine rückwirkende Einstufung an Hand des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 sei nicht möglich (Widerspruchsbescheid vom 04.03.2008).
Am 03.04.2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe bei der Beitragsfestsetzung für die Zeit ab Januar 2006 die mit der Einstellung des Ehemannes verbundenen Lohnkosten gewinnmindernd berücksichtigen müssen. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 habe der Beitrag rückwirkend reduziert werden müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 die Beiträge für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2006 unter Zugrunde- legung des Einkommensteuerbescheides 2006 festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen gestützt.
Mit Urteil vom 05.03.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Beiträge für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2006 unter Zugrundelegung des Einkommensteuerbescheides 2006 festzusetzen. Die Klägerin habe die Vorbehalte der vorläufigen Beitragsbescheide dahingehend verstehen können, dass die vorläufige Beitragsfestsetzung und die spätere end-gültige Einstufung nach Vorlage der entsprechenden Nachweise zeitlich deckungsgleich erfolge. Die alleinige Formulierung "vorläufig" reiche nicht aus, um die in § 240 Abs. 2 Satz 2 und 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorgegebene bzw. die von den Krankenkassen praktizierte Handhabung der Beitragsfestsetzung deutlich zu machen.
Gegen das ihr am 17.03.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.03.2009 Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geltend gemacht, dass sowohl die vorläufige Beitragsfestsetzung als auch die endgültige Beitragsfestsetzung rechtmäßig vorgenommen worden seien. Die Klägerin habe für die streitige Zeit kein niedrigeres Einkommen nachgewiesen. Bei der Festsetzung der Beiträge für das Jahr 2006 habe es sich überdies auch nicht um die erstmalige endgültige Beitragsfestsetzung gehandelt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.03.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide im Ergebnis zu Recht teilweise aufgehoben. Denn der Bescheid vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge für das Jahr 2006 nach höheren beitragspflichtigen monatlichen Einnahmen als 2.281,08 Euro festgesetzt hat.
Gegenstand des Klageverfahrens war unter verständiger Würdigung des Begehrens der Klägerin allein die Anfechtung der Beitragsfestsetzung durch die angefochtenen Bescheide insoweit, als für das Jahr 2006 Krankenversicherungsbeiträge endgültig nach höheren beitragspflichtigen Einnahmen als 2.281,08 Euro festgesetzt wurden. Soweit die streitigen Beiträge lediglich diese Höhe umfassen, wurde die Festsetzung nicht angefochten. Neben dieser zulässig erhobenen Teilanfechtungsklage, mit der die Klägerin ihr Klageziel vollumfänglich erreichen konnte, wollte sie ersichtlich nicht noch eine - unzulässige - Leistungsklage erheben. Da an die missverständliche Fassung des Antrags auch keine Bindung besteht (§ 123 Sozialgerichtsgestz -SGG-), hat der Senat den Tenor klarstellend neu gefasst.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 240 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 ergänzt durch das Vierte Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2190, 2954). Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs. 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (Abs. 1 Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs. 2 Satz 1). Gemäß Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V gilt für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedriger Einnahmen jedoch mindestens der 40., für freiwillige Mitglieder, die Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16 des Zweiten Buches haben, der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung können aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum 1. Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage i.V.m. § 19 ihrer Satzung die Beiträge nicht zutreffend festgesetzt. Zwar war sie an die vorläufige Einstufung durch die Bescheide vom 02.05.2005, 22.08.2005 und 17.02.2006 nicht gebunden, zu Unrecht hat sie jedoch Beiträge nach höheren monatlichen Einnahmen als 2.281,08 Euro berechnet. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides lagen der Beklagten Nachweise über Einnahmen vor, die Beiträge lediglich in dem genannten Umfang rechtfertigten.
Die Beklagte war berechtigt, mit Bescheid vom 20.11.2006 die Beitragshöhe rückwirkend ab März 2005 bzw. ab Januar 2006 festzusetzen. Die bereits erteilten bindenden vorläufigen Beitragsbescheide standen dem nicht entgegen. Denn die Bescheide vom 02.05.2005, 22.08.2005 und 17.02.2006 enthielten keine endgültige Regelung, die grundsätzlich nur dann hätte abgeändert werden dürfen, wenn sich die Beklagte entweder darin rechtmäßig deren Rücknahme, Widerruf oder Abänderung vorbehalten hätte oder aber dazu nach den §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gesetzlich ermächtigt gewesen wäre (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 R -, NZS 2007, 29). Vielmehr regelten die Bescheide die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt und entfalteten keine Bindungswirkung in Bezug auf die mit dem Bescheid vom 22.11.2006 erfolgte endgültige Regelung der Beitragshöhe. Zu Beginn einer selbständigen Tätigkeit sind vorläufige Regelungen auch grundsätzlich zulässig (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2006 a.a.O.; Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 30/07 - ).
Die Bescheide vom 02.05.2005, 22.08.2005 und 17.02.2006 waren als vorläufige Beitragsbescheide ausgewiesen worden. Nach Erteilung des Bescheides vom 02.05.2005 hatte die Beklagte mehrfach die Übersendung des Einkommensteuerbescheides oder anderer Nachweise über die Einnahmen erbeten und deutlich gemacht, dass die Beitragsberechnung aufgrund der vorliegenden Angaben nur vorläufig erfolgt sei und eine endgültige Beitragsfestsetzung erfolgen werde. Auch den Bescheiden vom 22.08.2005 und 17.02.2006 war wiederum zu entnehmen, dass die Beitragshöhe nur vorläufig bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erfolgte. Die Klägerin hat überdies auch nicht in Abrede gestellt, dass sie aufgrund der in den Bescheiden enthaltenen Bezeichnungen "vorläufiger Beitragsbescheid" und "Beitrag vorläufig" stets davon ausgegangen ist, dass nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides eine endgültig abschließende Regelung über die Beitragseinstufung erfolgen sollte.
Der endgültigen Festsetzung waren für die Zeit ab Januar 2006 -entgegen der Ansicht der Beklagten- als beitragspflichtige Einnahmen nicht Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze sondern lediglich in Höhe von 2.281,08 Euro monatlich zugrunde zu legen. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides lagen der Beklagten Nachweise über entsprechende niedrigere Einnahmen (Einkommensteuerbe-scheid für das Jahr 2006) vor und diese waren auch rückwirkend zu berücksichtigen. Dass der Steuerbescheid lediglich Einnahmen in dieser Höhe ausweist, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines endgültigen Beitragsbescheides gilt nichts anderes. Auch hier ist im Widerspruchsverfahren der Ausgangsbescheid in dem Umfang, in dem er mit dem Widerspruch angefochten wurde, zu überprüfen. Wird erstmals - wie hier - über die endgültige Beitragsfestsetzung entschieden, nachdem zunächst lediglich eine vorläufige Beitragsfestsetzung durch einstweilige Regelung erfolgte, sind Beiträge gerade auch rückwirkend aufgrund nunmehr vorliegender Nachweise festzusetzen und im Widerspruchsverfahren zu überprüfen, ob solche Nachweise vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 11.03.2009 a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht hier auch die erstmalige endgültige Beitragsfestsetzung im Streit. Denn bis zur Erteilung des streitigen Bescheides vom 20.11.2006 hatte die Beklagte die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweilige Verwaltungsakte festgesetzt. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurden die Beiträge dann erstmals für die Zeit ab Beginn der selbständigen Tätigkeit endgültig festgesetzt, wobei unter Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005 Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrundegelegt wurden und die unterschiedliche Beitragshöhe für die Zeit ab März 2005 und Januar 2006 nur aus dem ab Januar 2006 erhöhten Beitragssatz resultierte. Dies verdeutlicht, dass insgesamt erstmals über die endgültige Beitragsfestsetzung entschieden wurde.
§ 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. steht der Berücksichtigung des Steuerbescheides für das Jahr 2006 nicht entgegen. Denn diese Regelung erfasst weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die erstmalige endgültige Festsetzung der Beitragshöhe eines hauptberuflich Selbständigen, wenn zunächst die Beiträge lediglich vorläufig festgesetzt worden waren, weil ein Nachweis über die Höhe der Einnahmen wegen fehlender Steuerbescheide nicht möglich war, und nunmehr für die Vergangenheit die vorläufige durch eine endgültige Beitragsfestsetzung ersetzt wird. In diesem Fall war gerade auf eine endgültige, bei Nachweis geringerer Einnahmen nur mit Wirkung für die Zukunft abänderbare Beitragsfestsetzung verzichtet worden, weil kein Nachweis über die Höhe der Einnahmen bei Beginn der selbständigen Tätigkeit geführt werden konnte (vgl. BSG Urteil vom 11.03.2009 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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