L 1 AS 25/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 32 (30) AS 209/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 25/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27.4.2009 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Rückforderung vorläufiger erbrachter Leistungen.

Der am 00.00.1946 geborene Kläger zu 1) ist mit der am 00.00.1969 geborenen Klägerin zu 2) verheiratet. Die Kläger zu 3) - 6) (geboren am 00.00.2000, 00.00.2002, 00.00.2003 und 00.00.2004) sind die Kinder der Kläger zu 1) und 2). Die Familie bezog ab Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 31.10.2007 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2007 gem. §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III den Klägern "vorläufige Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, zweites Buch (SGB II)". Für die Feststellung der Leistungsvoraussetzungen sei voraussichtlich längere Zeit erforderlich. Die Beklagte forderte die Vorlage des Steuerbescheides des Finanzamtes H für das Jahr 2007. Sie wies die Kläger darauf hin, dass nach Klärung des Anspruchs ein abschließender Bescheid erteilt werde und erbrachte Leistungen zu erstatten seien, falls sich kein oder ein geringerer Hilfeanspruch ergebe.

Die Kläger sind nach Ungarn verzogen. Am 7.10.2007 kündigten sie ihr Mietverhältnis zum 31.1.2008. Am 6.12.2007 meldeten sie sich zum 31.12.2007 aus ihrer bisherigen Wohnung ab. Mit bei der Beklagten am 8.1.2008 eingegangenen Schreiben vom 17.12.2007 teilten die Kläger der Beklagten mit, dass sie ab dem 1.1.2008 nicht mehr in Deutschland wohnen. Das Schreiben vom 17.12.2008 wurde am 20.12.2008 in Budapest zur Post gegeben. Nach telefonischer Auskunft des Vermieters der Kläger gegenüber der Beklagten hat der Kläger zu 1) im Dezember 2007 die Schlüssel der Wohnung im Briefkasten des Vermieters eingeworfen.

Mit Bescheiden vom 16.7.2008 lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag für die Zeit ab dem 20.12.2007 ab und forderte für die Zeit vom 20.12.2007 bis zum 31.1.2008 gezahlte Leistungen zurück. Aufgrund der Verlegung des Wohnsitzes nach Ungarn seien die Kläger ab dem 20.12.2007 gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt. Die vorläufig bewilligten Leistungen seien zu erstatten.

Gegen diese Entscheidung legten die Kläger am 30.7.2008 Widerspruch ein. Bis zum 31.1.2008 habe der Vermieter die Unterkunftskosten vereinnahmt. Im Übrigen sei die Auszahlung der Leistungen für Januar 2008 von der Beklagten nicht rechtzeitig gestoppt worden und auf dem Konto zum Ausgleich von Verbindlichkeiten genutzt worden. Die Familie verfüge aktuell über keinerlei Einkommen. Eine Rückzahlung scheide damit aus.

Mit Bescheid vom 20.8.2008 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Verlegung des Wohnsitzes nach Ungarn am 20.12.2007 sei aufgrund der Räumung der Wohnung sowie der Aufgabe der Post in Budapest nachgewiesen. Ein Leistungsanspruch sei daher gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II entfallen. Die vorläufig bewilligten Leistungen seien zu erstatten.

Hiergegen haben die Kläger am 27.8.2008 Klage erhoben, mit der sie die Leistungszahlung über den 19.12.2007 hinaus und die Aufhebung der Erstattungsforderung begehrt haben. Die Kläger haben ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren im Wesentlichen wiederholt.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass sie erst am 8.1.2008 erfahren habe, dass die Kläger nach Ungarn verzogen sind, weshalb es ihr im Hinblick auf die Auszahlung der Leistungen im Voraus (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II) nicht möglich gewesen sei, die Auszahlung der Leistungen für Januar zu verhindern.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 27.4.2009 die Klage - ausdrücklich nur für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) - abgewiesen. Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II habe den Klägern ab dem 20.12.2007 kein Leistungsanspruch mehr zugestanden, da sie ab diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten. Die Tatsache, dass die Kläger ihren Wohnungsschlüssel bei ihrem Vermieter hinterlassen hätten und das Schreiben vom 17.12.2007 am 20.12.2007 aus Budapest abgeschickt haben belege, dass die Kläger sich jedenfalls ab dem 20.12.2007 in Ungarn aufgehalten haben. Ab diesem Zeitpunkt sei ihr gewöhnlicher Aufenthalt nicht mehr in Deutschland gewesen. Gem. §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. 328 Abs. 3 S. 1 SGB III seien die aufgrund der vorläufigen Entscheidung vom 27.11.2007 erbrachten Leistungen zu erstatten. Ermessen habe die Beklagte nicht auszuüben, die Kläger könnten sich wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Gegen diese am 18.5.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 18.5.2009 erhobene Berufung.

Die Kläger meinen, aufgrund einer zögerlichen Bearbeitung der Umzugsmitteilung durch die Beklagte sei es zu der Überzahlung gekommen, weshalb eine Rückforderung ausscheide. Sie berufen sich zudem auf Vertrauensschutz. Die erbrachten Leistungen seien verbraucht.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27.4.2009 abzuändern, die Bescheide vom 16.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2008 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Leistungen auch über den 20.12.2007 hinaus bis zum 31.1.2008 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 14.8.2009 hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit gem. § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Kläger entscheiden, weil diese in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind und mit Schriftsatz vom 8.10.2009 keine Einwendungen hiergegen erhoben haben.

Kläger des Klage- und Berufungsverfahrens sind nicht nur die im Rubrum des Sozialgerichts genannten Kläger zu 1) und zu 2) sondern auch deren Kinder, die Kläger zu 3) bis 6). Dies ergibt sich bereits aus der Klageschrift: Die Beklagte hat für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eigenständige Widerspruchsnummern vergeben (W xx/08 - W xx/08), die vom Kläger zu 1) in der Klageschrift ausdrücklich aufgeführt werden. Der angefochtene Widerspruchsbescheid bezieht sich ausdrücklich auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und wurde vom Kläger zu 1) der Klageschrift beigefügt. Da allein die Auslegung des Antrags dahingehend, dass auch die die Kinder belastenden Bescheide der gerichtlichen Prüfung unterzogen werden sollen, dem interessengerecht ausgelegten Rechtsschutzbegehren der Kläger in vollem Umfang entspricht, besteht kein Grund zur Annahme, dass lediglich die vom Sozialgericht in das Rubrum aufgenommenen Kläger zu 1) und 2) Verfahrensbeteiligte sein sollen. Die Aufnahme der Kläger zu 3) bis 6 in das Klagerubrum ist lediglich irrtümlich unterblieben und wurde mit Einverständnis der Beklagten im Berufungsverfahren entsprechend berichtigt.

Die Kläger klagen zulässig in Streitgenossenschaft (§§ 74 SGG, 59 f. ZPO).

Streitgegenstand sind ein Leistungsanspruch ab dem 20.12.2007 bis zum 31.1.2008 sowie die Erstattungsforderung der Beklagten für diesen Zeitraum. Ausdrücklich nicht Streitgegenstand ist die Frage, ob den Klägern aufgrund des Fortzahlungsantrages vom 31.10.2007 für die Zeit vom 1.12.2007 bis zum 19.12.2007 ein (endgültiger) Leistungsanspruch zusteht. Allerdings hat die Beklagte hierüber noch nicht abschließend entschieden, sondern sie hat lediglich vorläufige Leistungen erbracht. Da mit den angefochtenen Bescheiden jedoch endgültig nur über einen Leistungsanspruch ab dem 20.12.2007 entschieden wird, ist das vorliegende Klageverfahren auf diese Frage beschränkt.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Umstand, dass die Vorläufigkeit der Leistungserbringung darauf beruht, dass der Einkommensteuerbescheid noch vorgelegt werden musste, während die Erstattungsforderung darauf beruht, dass die Kläger ihren Wohnsitz nach Ungarn verlegt haben, steht der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht entgegen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 27.11.2007 die Feststellung des gesamten Anspruchs -nicht nur der Höhe nach (so der Sachverhalt, der der insoweit abweichenden Entscheidung des SG Aachen vom 15.2.2006 - S 11 AL 74/05 - zugrunde lag) - als vorläufig gekennzeichnet. Sie hat nicht etwa einzelne Anspruchsvoraussetzungen bestandskräftig festgestellt. Aufgrund der Kennzeichnung der Leistung als vorläufige Leistung konnten die Kläger erkennen, dass die Beklagte über den endgültigen Leistungsanspruch noch nicht abschließend entschieden hat und überzahlte Leistungen zu erstatten sind.

Abgesehen davon weist der Senat darauf hin, dass auch im Falle einer nicht nur vorläufigen Leistungsbewilligung die Voraussetzungen der dann einschlägigen § 40 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 330 Abs. 3 S. 1, 48 Abs. S. 2 Nr. 3, 4, 50 Abs. 1 S. 1 SGB X erfüllt wären. Die Kläger - die Kläger zu 3) bis 6) insoweit gesetzlich vertreten durch die Kläger zu 1) und 2) - haben die rechtzeitige Mitteilung ihres Wohnortwechsels mindestens grob fahrlässsig versäumt und wussten nach ihrer eigenen Einlassung, dass ihnen bei Wohnsitzverlegung nach Ungarn kein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen mehr zusteht. Die Beklagte wäre dann zur Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung überzahlter Leistungen ab dem 20.12.2007 verpflichtet gewesen.

Die Tatsache, dass Leistungen nach dem Vorbringen der Kläger verbraucht bzw. mit Verbindlichkeiten verrechnet wurden, ist für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide unbeachtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision(§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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