L 20 B 120/09 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 206/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 120/09 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 13.08.2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L T gewährt.

Gründe:

I. Die Antragsteller begehren die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für eine noch anzumietende Wohnung in Bonn zu erteilen.

Die Antragsteller, nach wie vor gemeldet in T, beantragten erstmals am 17.12.2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bei der H GmbH, der Arbeitsgemeinschaft für den Kreis H. Sie erhalten seither von dort Grundsicherungsleistungen.

Bereits bei Antragstellung gaben sie an, spätestens im Sommer 2009 aufgrund der Aufnahme des Antragstellers zu 3) in eine dortige Förderschule nach Bonn umziehen zu wollen. Die Antragsteller zu 1) und 2) hätten ihre selbstständige Tätigkeit (Wirtschaftsmediation und Betriebsberatung, Schuldner- und InsO-Beratung, Familienmediation - Trennung und Scheidung) zum 01.12.2008 eingestellt.

Der Antragsteller zu 3) leidet u.a. an einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ADHS). Er besucht aufgrund eines am 15.04.2009 geschlossenen Schulvertrages seit Mitte/Ende August die I-Privatschule in Bonn-Bad Godesberg, C 00.

Mit Bescheid vom 07.05.2009 bewilligte der Kreis H gemäß § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) Eingliederungshilfe in Form einer Beschulung an einer nahen Privatschule. Es werde die Privatschule Q in Bielefeld vorgeschlagen. Die Kosten des Schulbesuches würden ab dem kommenden Schuljahr, zunächst befristet für zwei Schuljahre, vom Kreis H übernommen. Da die favorisierte Schule in Bonn vom Wohnort der Antragsteller nicht erreichbar sei, komme nur eine internatsmäßige Unterbringung in Betracht. Diese würde erhebliche Mehrkosten verursachen. Zur Begründung ihres hiergegen gerichteten Widerspruchs trugen die Antragsteller zu 1) und 2) vor, der Besuch der I-Förderschule in Bonn sei ärztlicherseits empfohlen worden. Eine internatsmäßige Unterbringung sei nicht gewünscht. Bis zum Umzug nach Bonn würden Fahrten dorthin in eigener Regie sichergestellt (Telefax vom 19.08.2009). Mit Bescheid vom 20.08.2009 bewilligte der Kreis H daraufhin Kosten des Schulbesuchs in Bonn ab dem 07.08.2009, längstens jedoch bis zum 30.11.2009.

Am 14.07.2009 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 20.08.2009 zunächst mit der Begründung abgelehnt, nach den vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass ein Zuzug nach Bonn bisher nicht erfolgt sei und daher die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin nicht vorliege. Per E-Mail hatten die Antragsteller bereits am 07.07.2009 die Kostenübernahme für eine Wohnung in der B-straße 00 in Bonn (laut Internetangebot "Erdgeschoßwohnung im Villenviertel Bad Godesberg") beantragt. Mit Schreiben vom 08.07.2009 lehnte die Antragsgegnerin eine Kostenübernahme ab, da die Kosten der Unterkunft in Höhe von 550 EUR zuzüglich Nebenkosten von 100 EUR und weiteren Heizkosten nicht als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden könnten. Es könne nicht erkannt werden, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen des Antragstellers zu 3) vorlägen, die den gewünschten Schulwechsel zur I-Privatschule erforderlich machten und die Berücksichtigung grundsätzlich unangemessener Unterkunftskosten rechtfertigen könnten.

Die Antragsteller legten daraufhin ein ärztliches Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin T vom 30.06.2009 vor. Dieser führte aus, bei der "Wohnungssuche gibt es ein paar wichtige ärztliche Empfehlung die nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollen":

Um dem Bewegungsdrang des Antragstellers zu 3) in der Wohnung genügend Raum geben zu können, solle die Wohnung mindestens 80 m² groß sein. Außerdem solle es möglichst eine Parterrewohnung sein mit frei zugänglichen, direkt angrenzenden Bewegungsflächen im Außenbereich. Der Schulweg solle in den ersten 2 - 3 Schuljahren einer Zeit von 10 - 15 min inklusive Fußwegzeit und Verkehrsmitteln nicht überschreiten. Zusätzlich sei darauf zu achten, dass zumindest im ersten Beschulungsjahr eine geeignete Begleitperson für den Schulweg vorhanden sei. In der Integrationszeit solle der Wohnort sich auf keinen Fall unmittelbar in sozialen oder anderen Brennpunkten befinden. Dies gelte für mindestens zwei Jahre.

Die Antragsgegnerin nahm darauf in Kontakt mit der H GmbH in H auf. Diese teilte mit, die Antragsteller bewohnten in T aktuell unangemessenen Wohnraum. Schon aus diesem Grunde könne einem Umzug zugestimmt werden. Über die Notwendigkeit von angemessenem Wohnraum sei der Antragsteller zu 1) ausführlich beraten worden. Der Antragsteller zu 1) habe angegeben, dass der Antragsteller zu 3) erst zum 23.08.2009 die Schule besuchen werde, da in der anzumietenden Wohnung Umbauarbeiten notwendig wären.

Mit Abhilfebescheid vom 14.07.2009 hob die Antragsgegnerin ihren Bescheid vom 08.07.2009 auf und erteilte eine Mietgarantie für die Wohnung B-straße 00 in Bonn. Ein bereits am 09.07.2009 geschlossener Mietvertrag wurde sodann jedoch nicht vollzogen. Die Antragsteller teilten hierzu mit, das Mietverhältnis sei von Seiten des Vermieters aufgelöst worden. Sie vermuteten, die Begründung liege darin, dass sie "Sozialhilfeempfänger" seien. Zu alledem sei das Mietverhältnis unter Einbeziehung eines Therapiehundes für den Antragsteller zu 3) geschlossen worden. Gerade in den ersten zwei Jahren am neuen Standort stelle die bereits bestehende und vertraute lange Begleitung der Therapiehündin nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten die beste Integrationshilfe dar. Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt hätten nur geringe Chancen bestanden, ein längeres und ungestörtes Mietverhältnis aufrecht zu erhalten. Nunmehr werde die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für eine 81 Quadratmeter große Wohnung, Am C 00 beantragt. Die Schule befinde sich lediglich 58 m von der Wohnanlage entfernt. Wald- und Freiflächen grenzten direkt an das Wohnhaus an. Es existierten große Bewegungsfreiflächen in der gesamten und geschützten Wohnanlage. Die Wohnungsgesellschaft nehme Familien auch mit ADHS-Kindern gerne auf. Die Haltung der Therapiehündin sei erlaubt. Es existierten nur kleinere Wohneinheiten mit maximal 6 - 8 Wohnungen je Haus. Zudem seien vielfältige Spielmöglichkeiten für Kinder vorhanden. Die Kaltmiete betrage 692 EUR bei 140 EUR Betriebskosten, 84 EUR für Heizung und Warmwasser sowie 49,50 EUR für einen Garagenplatz bzw. die Kellernutzung für Fahrräder. Weitere neun Vergleichsangebote hätten sie am 30.08.2009 (?) besichtigt und durch Berater prüfen lassen. Das Preisverhältnis sei ähnlich, aber die meisten Wohnungen zu weit von der Schule entfernt oder verfügten nicht über direkt angrenzende Bewegungsflächen ohne unmittelbaren öffentlichen Straßenverkehr. Eine Wohnung sei zwar mit Nutzung des Gartens, aber die Freifläche nicht direkt von der Wohnung erreichbar. Eine Ausweichmöglichkeit bestehe nicht mehr.

Mit Bescheid vom 04.08.2009 lehnte die Antragsgegnerin eine Kostenübernahme ab. Auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers zu 3) könne dem Wohnungsangebot, das 221 EUR über der angemessenen Grundmiete liege, nicht entsprochen werden.

Mit ihrem Widerspruch vom 05.08.2009 führten die Antragsteller aus, unter Berücksichtigung der ärztlicherseits geforderten Mindestanforderungen sei eine andere Wohnung auf dem Wohnungsmarkt der Stadt Bonn nicht verfügbar. Wenn keine unmittelbare Gartenanbindung/Freifläche vorhanden sei, müsse die Wohnung mindestens 90 m² groß sein, das Kinderzimmer nicht unter 15 m². Es dürfe keine direkte Straßenanbindung vorliegen und es müsse ein einsehbares Umfeld im Außenbereich vorliegen. Die Wohnung werde vom sozial kompetenten Vermieter noch bis zum 06.08.2009 freigehalten.

Am 11.08.2009 haben die Antragsteller sodann beim Sozialgericht Detmold beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen gemäß § 22 Abs. 2 SGB II die Zusicherung bezüglich der Aufwendungen der Wohnung C 01 in Bonn bzw. bezüglich der Aufwendungen einer Alternativwohnung zu erteilen.

Zur Begründung haben sie ihren bisherigen Vortrag im Wesentlichen wiederholt. Ihnen drohe zum 01.09.2009 Obdachlosigkeit, da sie ihre derzeitige Wohnung in T verlassen müssten. Zudem drohe ein Fortschreiten der Erkrankung des Antragstellers zu 3).

Zur Begründung legten sie ein im Rahmen der Antragstellung nach § 35a SGB VIII gefertigtes Gutachten von Frau Dr. C vom 16.11.2008 vor. In T existiere keine geeignete und auf die Erkrankung des Jungen spezialisierte Beschulungsmöglichkeit. Es verbleibe keine Zeit, eine den ärztlichen Vorgaben entsprechende Wohnung zu finden. Die Antragsteller seien ständig auf der Suche nach weiteren geeigneten Wohnungen, so dass eine Aufstellung über acht weitere Alternativwohnungen vorgelegt werden könne.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 13.08.2009 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die für die Wohnung Am C 00 anfallenden Kosten seien auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers zu 3) unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Maßgeblich sei insoweit der von Seiten der Antragsgegnerin zu Grunde gelegte Wert in Höhe von 471 EUR. Die Antragsgegnerin habe unter Berücksichtigung der Erkrankung des Antragstellers zu 3) bereits eine Überschreitung der von ihr grundsätzlich als angemessen anerkannten Unterkunftskosten bis zu einer Grundmiete von 550 EUR akzeptiert. Trotz der sicherlich bestehenden Schwierigkeiten im Raum Bonn eine angemessene Wohnung zu erhalten, könne selbst im Hinblick auf das beginnende Schuljahr eine Übernahme dieser Kosten nicht gerechtfertigt werden. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Es werde Sache der Antragsteller sein, nunmehr eine geeignete Wohnung zu finden, die den Vorgaben der Antragsgegnerin entspreche.

Gegen den den Antragstellern am 14.08.2008 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts richtet sich deren Beschwerde vom 24.08.2009. Die Antragsteller haben zunächst beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 13.08.2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig, zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten, gemäß § 22 Abs. 2 SGB II die Zusicherung bezüglich der Aufwendungen einer der aus einer Anlage B zur Beschwerdeschrift ersichtlichen beziehbaren Wohnungen in Bonn zu erteilen.

Die Antragsteller hätten zur Sicherung des Schulbesuchs eine in der Nähe der I-Privatschule gelegene Pension angemietet, die im Zeitraum 17.08.2009 bis 31.08.2009 600 EUR koste. Dieses Geld hätten sich die Antragsteller von einem Freund geliehen. Die erneute Beantragung der Erteilung einer Zusicherung bezüglich der in der Anlage zu Beschwerdeschrift aufgeführten Wohnungen sei von vornherein aussichtslos, weil es sich hierbei um Wohnungen mit einem Mietzins zwischen 700 und 800 EUR zuzüglich Nebenkosten handele. Eine solche Wohnung dürfte in Anbetracht der vorliegenden Situation jedoch zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten angemietet werden können, innerhalb dessen die Antragsteller eine den Vorgaben der Antragsgegnerin entsprechende Wohnung suchen könnten. Es sei zu berücksichtigen, dass seitens des Jugendamtes alles getan werde, um eine drohende Behinderung des Antragstellers zu 3) zu verhindern. Das Verhalten der Antragsgegnerin gefährde dieses Ziel jedoch.

Auf entsprechende Anfrage des Gerichts haben die Antragsteller mitgeteilt, sie seien weiterhin in T gemeldet. Dort hielten sie sich jedoch nur am Wochenende auf. Während der Schultage hielten sie sich unter der Adresse W-straße 00 in Bonn auf. Sie hätten sich Beträge von 3.970 EUR sowie 5.950 EUR bei im Einzelnen näher bezeichneten Personen geliehen. Nunmehr stehe die Wohnung Am C 00 in Bonn wieder zur Verfügung. Alternativ sei die Beklagte zu verpflichten, zumindest die Kosten des Hotels Viktoria in Höhe von 950 EUR monatlich vorläufig zu tragen. Zudem fielen Fahrtkosten in Höhe von zumindest 500 EUR monatlich für Fahrten von T nach Bonn und zurück an. Die Antragsteller haben Hotelrechnungen für die Monate September und Oktober 2009 in Höhe von jeweils 950 EUR überreicht.

Die Antragsgegnerin hat erwidert, es liege kein konkretes Wohnungsangebot vor, für das sie eine Zustimmung erteilen könne. Eine "General"-Zustimmung zu allen Wohnungen in der begehrten Wohnlage könne nicht erteilt werden. Eine Zustimmung könne nur für bestimmte Unterkünfte und in einer bestimmten Höhe erteilt werden. Nach Angaben des Antragstellers zu 1) werde die Schule aktuell lediglich von Dienstag bis Donnerstag besucht. Er habe angegeben, in dieser Zeit wohnten die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 3) bei Bekannten. Kosten würden für diese Unterkunft nicht anfallen. Die ärztlichen Vorgaben hinsichtlich des anzumietenden Wohnraums könnten nach Rücksprache mit einer Sozialpädagogin der Stadt Bonn nicht nachvollzogen werden. Eine Wohnung, die den Vorgaben des Kinderarztes entspreche, sei faktisch weder auf einschlägigen Internetseiten noch beim öffentlich geförderten Wohnraum zu finden. Es sei zu berücksichtigen, dass sich die Schule im Villenviertel des Stadtteils Bad Godesberg befinde und es sich um eine sehr beliebte Wohngegend handele. Mit Garten und in der gewünschten Größe sei die Wohnungssuche noch schwerer. Im Übrigen schließe das ärztliche Attest nicht aus, dass der Antragsteller zu 3) mit dem Auto zur Schule gebracht werde. Dann kämen auch Stadtteile von Bonn in Betracht, die weiter weg von der Schule lägen und günstigeren Mieten aufwiesen. Es existierten auch mehrere Busverbindungen zur Schule. Ergänzend hat die Antragsgegnerin eine Stellungnahme der Stadt Bonn vom 19.10.2009 übersandt. Diese hat ihrerseits Wohnungsangebote aus frei zugänglichen Internetplattformen herausgesucht, die für einen Dreipersonenhaushalt nach den Richtlinien der Antragsgegnerin angemessen wären. Des Weiteren hat sie die aktuellen Wohnungsfreimeldungen aus der Sozialwohnungsdatei im Raum Bad Godesberg zusammengestellt. Die Antragsteller hätten sich bisher nicht bei der Wohnungsvermittlung wohnungssuchend gemeldet, so dass von dort aus keine Hilfe angeboten werden könne. In den letzten vier Monaten hätten insgesamt 18 angemessene Wohnungen im Raum Bonn-Bad Godesberg vermittelt werden können. Für das gesamte Stadtgebiet seien es 97 Wohnungen für einen Dreipersonenhaushalt gewesen.

Der Senat hat Behandlungs- und Befundberichte der Ärztin Dr. C (zugleich ADHS-Coach) sowie des Kinderarztes T eingeholt.

Frau Dr. C hat unter anderem ausgeführt, es sei eine 100 m² große oder größere Wohnung anzustreben, da der Bewegungsbedarf des Antragstellers zu 3) krankheitsbedingt sehr hoch sei. Dessen Zimmer solle zumindest 12 m², besser aber 15 m² groß sein. Parterre wäre wünschenswert, da der Antragsteller zu 3) dann leichter nach draußen gelangen könne und weniger häusliches Unfallrisiko bestehe. Bei Wohnsituationen in oberen Stockwerken müssten dessen Fenster unbedingt mittels Schlüssel verriegelbar sein, da es bei ADHS-typischen Gefühlseskalationen zu unbedachten Handlungen kommen könne. Ein Garten sei nicht zwingend, wohl aber anzustreben, da ein Gartengrundstück durch Zaun durchgehend gesichert werden könne. Die Länge des Schulweges sei weniger entscheidend als die Verkehrssicherheit. Die Nähe größerer Straßen sollte vermieden werden. Ein Fußweg von bis zu 10 min (allein) und bis zu 30 min (begleitet) sei kein Problem, da die körperliche Belastbarkeit normal und der Bewegungsbedarf eher hoch sei. Ein sicherer Fußweg bis 2 km Länge wäre optimal, eine durchgehende gute Schul-Shuttle-Busverbindung (Tür-zu-Tür) ebenfalls angemessen. Öffentliche Verkehrsmittel stellten bei Überfüllung eine hohe emotionale Belastungssituation dar. Diese könne auch den Schulerfolg ernstlich beeinträchtigen. Die Notwendigkeit eines selbständigen Umsteigens sollte noch mindestens zwei Jahre vermieden werden. Die Transportstrecke mit dem Auto sei zeitlich bis maximal 30 min adäquat. Ein Therapiehund sei nicht unabdingbar, förderlich und geboten allerdings auf jeden Fall. Müsste die Familie wohnungstechnisch auf ihren Hund verzichten, ginge dem Antragsteller zu 3) eine förderliche und stabilisierende Beziehungsstruktur verloren. Dies solle man, wenn irgend möglich vermeiden. Die Wohnung solle schulnah und verkehrssicher liegen. Die Nähe zu Brennpunktstadtteilen oder Wohnsituation im Hochhaus sollte unbedingt vermieden werden. Eine Wohnung in einem mittelstandsorientierten Wohngebiet in normal gutem Erhaltungszustand oder einem Neubaugebiet mit einer Mischung aus EFHs, DHHs und kleiner dimensionierten Mehrfamilienhäusern in Spielstraße, 30km-Zone oder Sackgasse wäre eine Umgebung, in der der Antragsteller zu 3) nicht über Gebühr mit den Auswirkungen seiner Symptome belastet und gute Chancen zu weiterer positiver Entwicklung mit einiger Wahrscheinlichkeit gewährleistet wären. Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Behandlungs- und Befundbericht vom 21.10.2009 verwiesen.

Der Kinderarzt T hat ausgeführt, je reizärmer die Umgebung, umso weniger ausgeprägt könne die Hyperaktivitätskomponente ausfallen. Oft bedürfe es klarer Strukturen und konsequenter Pädagogen. Dies werde exzellent in der I-Privatschule umgesetzt. Die Größe der Wohnung müsse gewährleisten, dass der Bewegungsdrang befriedigt werde und Rückzugsmöglichkeiten bestünden. Die Wohnung solle möglichst ebenerdig liegen und einen Zugang zum Garten bieten. Die Entfernung zur Schule sei nicht entscheidend, sondern der Weg dorthin. Es gehe darum, sicher zur Schule zu gelangen. Ohne Aufsicht würde er den Antragsteller zu 3) nicht lassen wollen, es sei denn in einem abgegrenzten, sicheren Garten. Seine Impulsivität und die Risikofehleinschätzung könnten lebensbedrohlich sein. Er könne nur in Begleitung öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Hinsichtlich des Transports mit einem Auto bestünden seitens des Antragstellers zu 3) eigentlich kaum Einschränkungen. Die Wohnung dürfe nicht in einem sozialen Brennpunkt liegen. Eine Wohngegend ohne viele Leerstände, aber auch möglichst mit Ein- und Zweifamilienhausbebauung wäre wünschenswert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Behandlungs- und Befundbericht vom 28.10.2009 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 03.11.2009 haben die Antragsteller mitgeteilt, dass die Wohnung Am C 00 in Bonn nicht mehr zur Verfügung stehe. Nunmehr könne eine Wohnung in der C-straße 00 in Bonn zu einer Kaltmiete von 699,00 Euro angemietet werden. Ansonsten müssten die Antragsteller im Hotel Viktoria verbleiben. Dort würden ausweislich der bereits vorliegenden Rechnungen Kosten von 950 EUR im Monat anfallen. Das Vermögen sei nunmehr vollkommen aufgebraucht. Zudem verfügten die Antragsteller nicht mehr über ein fahrbares Kraftfahrzeug. Der TÜV für das vorhandene Kraftfahrzeug sei im August 2009 abgelaufen.

In einer eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers zu 1) ist ausgeführt, die absolute Vermögenslosigkeit bestehe bereits seit dem 15.07.2009. Möbel und Kleidungsstücke seien seit dem 02.09.2009 in einem Zwischenlager in Bonn eingelagert. Ein zur Verfügung gestelltes Darlehen sei für den Umzug, Fahrtkosten und die Heizkosten verbraucht worden. Die Büroauflösung und diesbezügliche Nebenkosten hätten das weitere Darlehen bis zum 15.07.2009 verzehrt.

Das Gericht hat sodann weiter Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Diplom-Psychologen M, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik L. In dem aufgrund ambulanter Untersuchung erstellten Gutachten wird unter anderem ausgeführt, neben einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung werde die Diagnose einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion für angemessen gehalten. Aufgrund der Gesundheitsstörungen mit Auffälligkeiten im schulischen Bereich, einer geringen Frustrationstoleranz und Konzentrationsschwierigkeiten sei ein stabiles strukturiertes Umfeld notwendig. Eine spezielle Umgebung für die Beschulung sei nicht erforderlich. Der Antragsteller zu 3) benötige eine Schule, die die genannten Charakteristika aufweise und ihn entsprechend seiner im oberen Durchschnittsbereich liegenden intellektuellen Begabung fördere. Dies könne auch eine staatliche Förderschule sein. Ein erneuter Schulwechsel solle aber vermieden werden. Es ergäben sich jedoch aufgrund der Erkrankung keine besonderen Anforderungen an die Wohnverhältnisse. Eine Gartennutzung sei nicht zwingend erforderlich. Der Antragsteller zu 3) sei in der Lage, körperliche Aktivitäten außerhalb der häuslichen Umgebung auszuführen. Eine psychiatrische Diagnose rechtfertige nicht die Notwendigkeit einer Gartennutzung. Die Entfernung zu Freiflächen und Spielplätzen, mit und ohne Begleitung, unterscheide sich nicht von Entfernungen, die andere Kinder zurücklegen müssten. Die gesundheitsbedingten Besonderheiten bezögen sich auf die Stimmungslage, sein Verhalten gegenüber Gleichaltrigen und sein Lernverhalten. Die Erkrankung schränke die zumutbare Wegstrecke zur Schule nicht ein. Der Antragsteller zu 3) weise keine körperlichen oder intellektuellen Behinderungen und Einschränkungen auf. Ihm könne eine angemessene Wegstrecke zu Fuß oder mit dem Fahrrad über 15 min zugemutet werden. Darüber hinaus zeigten sich keine Besonderheiten gegenüber gesunden Kindern. Mit entsprechender Anleitung der Eltern könne er öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Begleitung und Training sollten solange stattfinden, bis er sich ausreichend sicher fühle, den Weg allein zurückzulegen. Dies könne bis zu vier Wochen dauern. Ein zu langer Schulweg von mehr als 20 - 30 min sollte für jedes Kind vermieden werden, da es zu einer Reduktion freier Zeit führe, die für jedes Kind dieses Alters wertvoll sei und deren erhebliche Verminderung die Lebensqualität einschränke. Das bisherige Verhalten mit sekundären Störungen gehe nicht mit einem erhöhten Risiko im Straßenverkehr einher. Die Anforderungen an die Wohnverhältnisse und die Umgebung entsprächen denen einer durchschnittlichen dreiköpfigen Familie. Wissenschaftlich liege keine Arbeit bezüglich der Notwendigkeit einer gewissen Quadratmeterzahl in der eigenen Wohnung bei ADHS vor. Insbesondere sei aber auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 3) nicht an die eigene Wohnung gebunden sei. Körperliche Bewegung solle stattfinden. Zur positiven sozialen Entwicklung sei es für ihn sogar förderlich, sich in Freizeitvereinen und Sportvereinen oder mit Freunden auf Freiflächen körperlich zu betätigen. Eine ständige Begleitung und Beaufsichtigung sei nicht erforderlich. Vielmehr sollte er sich altersadäquat entwickeln können und Anforderungen Gleichaltriger erlangen. Er werde durch die Begründung für die speziellen Wohn- und Lageverhältnisse für unnötig lebensuntauglich erklärt. Ein Kind mit einer ADHS-Diagnose sei nicht verkehrsuntauglich. Daten über "Shut-down Effekte" bei ADHS-Erkrankung lägen nicht vor. Es werde die Installation einer flexiblen Jugendhilfe empfohlen, um die Familie in Erziehungsfragen zu stärken und den Antragsteller zu 3) in seiner Freizeit zu aktivieren und ihn etwa in Sportvereine einzugliedern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 17.11.2009 Bezug genommen.

Zwischenzeitlich hat die Antragsgegnerin den Antragstellern über das Amt Wohnen und Soziales eine Wohnung in der H-straße 00 in Bonn zu einer Grundmiete von 390,80 EUR bei Betriebskosten von 151 EUR und Heizkosten von 60 EUR und einer Wohnungsgröße von 73,46 m², verteilt auf drei Zimmer, bei erlaubter Hundehaltung angeboten. Die Wohnung befinde sich etwa 1.000 m von der Schule entfernt in einer 30 km/h-Zone gegenüber eines Gymnasiums. Am Haus befinde sich eine Grünfläche mit Spielplatz. Die Schule sei in circa 15 min zu erreichen. Zurzeit würden noch einige Reparaturarbeiten durchgeführt. Ansonsten müssten die Antragsteller noch streichen.

Die Antragsteller haben zu dem unter dem 03.11.2009 unterbreiteten Vorschlag am 09.11.2009 mitgeteilt, eine Besichtigung der Wohnung finde am selben Tage statt. Am 10.11.2009 werde Stellung genommen.

Die Antragsgegnerin hat darüber hinaus zur Sicherung der Hotelkosten einen Betrag von 650 EUR zugesichert (angemessene Unterkunftskosten von 550 EUR zuzüglich Neben- und Heizkosten von 100 EUR).

Am 24.11.2009 haben die Antragsteller eingehend Stellung genommen, die Wohnung H-straße 00 sei ungeeignet. Die Wohnung liege mit dem Fahrrad 21 Minuten von der Schule entfernt, aber nur bei passenden Grünphasen und wenig Kreuzverkehr. Zu Fuß werde für die Strecke eine Zeit von 38 min ohne kindliches Verhalten benötigt. Ein- und Ausgang befänden sich direkt an einer verkehrsträchtigen Straße. Die als Kinderzimmer in Betracht kommenden Zimmer seien lediglich 9,5 m² und 8 m² groß. Die Wohnung habe erhebliche Mängel gehabt. Zwei Türen seien eingetreten gewesen. Die Wohnung sei nach eingehender und nachfolgender Beratung mit den behandelnden Ärzten als nicht akzeptabel zu bezeichnen. Schlimmer sei die Reaktion des Antragstellers zu 3), der Angst habe, diese Wohnung betreten zu müssen. Zu der Wohnung könne die Hausdame des Hotels W-straße 00, Frau L1, gern über negative bis gewalttätige Vorkommnisse berichten.

Die Antragsgegnerin hat ihrerseits, wie die Antragsteller, Fotos von der Wohnung und deren Umfeld zu den Akten gereicht.

Die Antragsteller haben zu dem eingeholten Sachverständigengutachten zunächst darauf hingewiesen, dass das Gutachten die Testsituation sowie die dort geführten Gespräche falsch wiedergebe. Es stehe in erheblichem Widerspruch zu den Ausführungen der behandelnden Ärzte, gehe von falschen Informationen aus und komme zu falschen Ergebnissen. Zudem haben die Antragsteller eine Stellungnahme der Ärztin Dr. C vom 02.12.2009 sowie ein Schulbericht vom 28.11.2008 der Grundschule Brockhagen zu den Akten gereicht worden. Die Antragsteller vertreten die Auffassung, es müsse ein Obergutachten eingeholt werden.

Frau Dr. C hat ausgeführt, der zur Testung und Anamnese zur Verfügung stehende Zeitraum im Rahmen der Begutachtung erscheine zur Beurteilung der Erkrankung mehr als knapp. Die untersuchende Assistenzärztin sei offenbar für die Wahrnehmung des Antragstellers zu 3) tendenziell abweisend und bevormundend aufgetreten. Dies sei für ADHS-Kinder ungünstig, da diese sehr sensibel auf den emotionalen Kontext reagierten. Aus analogen Gründen sei jede Nähe von Dissozialität (ungünstige Schüler kollektive in Förderschulen, ungünstige Nachbarschaft im Brennpunkt-Wohngebieten) für ADHS-Kinder heikel und nach Möglichkeit zu vermeiden. Eine Gartennutzung sei sicher nicht "zwingend", wohl aber sehr hilfreich. Das Gleiche gelte für die Wohnungsgröße. Ein Vergleich mit anderen Kindern sei unangemessen. Die Beurteilung der Aufmerksamkeit des Antragstellers zu 3) vernachlässige, dass dieser Medikamente eingenommen und zudem unter dem Eindruck einer motivational wirksamen Sondersituation gestanden habe. Emotional sei der Antragsteller zu 3) circa fünf Jahre jünger als es seinem nominellen Alter entspreche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 02.12.2009 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten, der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, der von der H GmbH H beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der Verwaltungsakten des Kreises H (Jugendamt) verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

1. Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu verpflichten, eine Zusicherung bezüglich der Aufwendungen für die Wohnung Am C 00 in Bonn oder eine der nachfolgend benannten Wohnungen zu erteilen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05- NVwZ 2005, S. 927).

Die Antragsteller haben bereits einen Anordnungsanspruch nicht im Sinne der §§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht.

Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht schon deshalb ausscheidet, weil im vorliegenden Verfahren nicht (mehr) die Zusicherung zu einem bestimmten, nach Lage der Wohnung sowie den aufzuwendenden Kosten konkretisierten Wohnungsangebot begehrt wird (vgl. etwa Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.09.2007 - L 9 AS 489/07 ER und LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 30.07.2008 - L 7 AS 2809/08 ER-B). Die Wohnung Am C 00 in Bonn, für die eine Zusicherung hinsichtlich der entstehenden Aufwendungen erstinstanzlich und zwischenzeitlich auch im Beschwerdeverfahren begehrt worden ist, steht nicht mehr zur Verfügung. Dies gilt im Übrigen wohl auch für die weiteren im vorliegenden Verfahren benannten Wohnungen, wie sich nicht zuletzt aus dem im anhängigen Parallelverfahren (L 20 B 174/09 AS ER) verfolgten Antrag auf Erteilung einer Zusicherung hinsichtlich der Aufwendungen für eine Wohnung in der C-straße in Bonn ergibt. Soweit Wohnungen im Übrigen aber erstmals im Beschwerdeverfahren benannt worden sind, war das Sozialgericht mit dem Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zusicherung hinsichtlich der diesbezüglich entstehenden Aufwendungen zu verpflichten, nicht befasst. Insoweit dürfte eine Entscheidung des Beschwerdegerichts ausgeschlossen sein (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.05.2009 - L 19 B 98/009 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2009 - L 5 AS 1273/09). Ob insoweit ein Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsantrag, mithin eine Fortsetzung des Verfahrens zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung des früheren, nunmehr überholten Antrages im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in Betracht kommt, erscheint zumindest zweifelhaft (vgl. zum Fortsetzungsfeststellungsantrag LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. sowie Beschluss vom 16.01.2009 - L 5 B 2097/08 AS ER m.w.N.; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 9. Auflage, § 86b Rn. 9b und § 131 Rn. 7c m.w.N.). Einen entsprechenden Antrag haben die Antragsteller im vorliegenden Verfahren auch nicht gestellt.

Im Übrigen aber gilt: Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige gemäß § 22 Abs. 2 SGB II die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich (vgl. zur strittigen Frage, ob die Erforderlichkeit auch bei einem Wohnortwechsel zu prüfen ist: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2009 - L 29 AS 1196/09) ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige kommunale Träger ist zu beteiligen.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Antragsteller mit der Antragsgegnerin nicht den bisher örtlich zuständigen kommunalen Träger um Erteilung einer Zusicherung gebeten haben. Richtiger Antragsgegner wäre daher grundsätzlich die H H GmbH gewesen. Ob aufgrund des Tätigwerdens der Antragsgegnerin vorliegend etwas Anderes folgt, kann letztlich dahinstehen.

Denn sämtliche von den Antragstellern konkret benannten Wohnungen hätten Aufwendungen verursacht, die weit über den nach den Richtlinien der Antragsgegnerin für einen Dreipersonenhaushalt angemessenen Aufwendungen gelegen hätten. Als angemessen für einen Dreipersonenhaushalt im Bonner Stadtgebiet gilt derzeit eine Wohnung mit einer Grundmiete von bis zu 471 EUR. Der vorliegend zu entscheidende Sachverhalt gibt keinen Anlass, die Anwendbarkeit der von der Antragsgegnerin zu Grunde gelegten Kriterien im Verfahren des vorläufigen Schutzes grundsätzlich zu hinterfragen, zumal aus der Stellungnahme der Stadt Bonn zu vermitteltem Wohnraum für Dreipersonenhaushalte durchaus auf das Vorhandensein von Wohnungen mit nach den Kriterien der Antragsgegnerin angemessenen Aufwendungen geschlossen werden kann.

Zweifelsfrei kann aber wegen besonderer gesundheitlicher Einschränkungen im Einzelfall ein Abweichen von den örtlich geltenden Angemessenheitskriterien geboten sein. Dies hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung einer Zusicherung hinsichtlich der Aufwendungen für die Wohnung in der B-straße seinerzeit auch berücksichtigt.

Nach dem Ergebnis der unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, a.a.O.) im vorliegenden Einzelfall für erforderlich gehaltenen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats hingegen aber fest, dass die beim Antragsteller zu 3) zweifelhaft bestehende AD(H)S-Erkrankung sowie ggf. bestehende weitere Erkrankungen besondere Anforderungen an anzumietenden Wohnraum, ein wesentliches Abweichen von den örtlichen Angemessenheitskriterien nicht rechtfertigen. Vielmehr hat der gerichtliche Sachverständige insbesondere überzeugend dargelegt, dass besondere Anforderungen an die Wohnungsgröße nicht zu stellen seien. Dies ist u.a. schlüssig damit begründet worden, dass ein übersteigerter Bewegungsdrang nicht in der Wohnung befriedigt werden müsse. Auch die Ausführungen zu den zumutbaren (Schulweg-) Strecken sind nachvollziehbar.

Die von den Antragstellern und der behandelnden Ärztin Dr. C an dem Sachverständigengutachten geäußerte Kritik hält der Senat nicht für geeignet, die Schlussfolgerungen des Sachverständigen nachhaltig in Zweifel zu ziehen. Insbesondere an der Eignung des gerichtlichen Sachverständigen sowie der hinzugezogenen Hilfskräfte bestehen zu Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Kritik keine Zweifel. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es sich bei dem gerichtlichen Sachverständigen um den Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik L handelt, der sich bereits in dieser Stellung mit der Erkrankung AD(H)S ersichtlich zu befassen hat, zudem aber einschlägig publiziert hat und etwa an der Entwicklung spezieller Diagnostik beteiligt ist.

Die Ausführungen der behandelnden Ärzte, insbesondere auch in der im Nachgang zum gerichtlichen Sachverständigengutachten gefertigten Stellungnahme von Frau Dr. C vom 02.12.2009, erscheinen nicht geeignet, die Ausführungen des Sachverständigen etwa zum Erfordernis einer besonderen Wohnungsgröße oder einer Gartennutzung zu widerlegen. Frau Dr. C hat diesbezüglich selbst festgestellt, dass beides nicht "zwingend, wohl aber sehr hilfreich sei". Eine medizinische Notwendigkeit kann daraus zur Überzeugung des Senats nicht abgeleitet werden. Im Übrigen ist für die vorliegend zu treffende Entscheidung nicht maßgeblich, ob der Antragsteller zu 3) tatsächlich allein den Schulweg in absehbarer Zeit wird bewältigen können. Angesichts des Umstandes, dass durch die Antragsteller zu 2) und 1) unter Berücksichtigung der Ausführungen der behandelnden Ärzte ohnehin beabsichtigt ist, den Antragsteller zu 3) mittelfristig zu begleiten, sind aktuell ohnehin besondere Einschränkungen hinsichtlich des Schulweges von untergeordneter Bedeutung.

Letztlich bedarf es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einer abschließenden Entscheidung ohnehin nicht. Denn selbst wenn man weitere Ermittlungen für erforderlich hielte, ginge die dann erforderliche Folgenabwägung zu Lasten der Antragsteller aus.

Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes hält der Senat es nämlich für zumutbar, dass die Antragsteller auch Wohnraum in Betracht ziehen, der den Vorgaben der behandelnden Ärzte ggf. nicht gerecht wird, wohl aber den Angemessenheitskriterien der Antragsgegnerin. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass die I-Privatschule - wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat - auch mit dem ÖPNV hervorragend erreichbar ist. So befindet sich etwa die P-Schule in etwa 500 m (6 min Fußweg) Entfernung, die durch diverse Buslinien angefahren wird (vgl. etwa Fahrplanauskunft www.vrsinfo.de). Die Wohnungssuche der Antragsteller wird sich daher nicht lediglich auf die besonders gefragten und hochpreisigen Stadtteile Bad Godesberg und Plittersdorf beschränken müssen.

Darüber hinaus sind die Antragsteller darauf hinzuweisen, dass angemessene Wohnungen zwischenzeitlich offenbar ohne Weiteres unter Mithilfe der Stadt Bonn auch in Bad Godesberg zu finden gewesen wären, hätten sich die Antragsteller bereits Ende 2008, als sie den Umzug nach Bonn planten, wohnungssuchend gemeldet. Dies werden sie umgehend nachholen können.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die den Antragsteller angebotene Wohnung in der H-straße 00 - zumindest vorübergehend - zumutbar gewesen sein dürfte. Dass die Antragsteller offenbar nicht bereit waren, andere als die von ihnen im unmittelbaren Schulumfeld gefundenen, die Angemessenheitsgrenzen deutlich überschreitenden Wohnungen zu akzeptieren, ergibt sich nicht zuletzt aus ihrem prozessualen Verhalten. So ist die für den 10.11.2009 angekündigte Stellungnahme nach durchgeführter Besichtigung der Wohnung in der H-straße erst am 24.11.2009 abgegeben worden. Die zu der Wohnung gemachten Angaben sind, soweit für den Senat im vorliegenden Verfahren kurzfristig überhaupt überprüfbar, zumindest zum Teil erkennbar interessengeleitet. Wenn der Antragsteller zu 1) etwa vorträgt, die Fußwegentfernung zur Schule betrage 38 min, mit dem Fahrrad müsse ein Erwachsener bei zügiger Fahrweise 21 min veranschlagen, ist dies schlichtweg nicht nachvollziehbar. Die einfache Wegstrecke beläuft sich auf etwa 1.200 m, für die 15 min Fußweg, ggf. auch 20 min, anzusetzen sind. Im Übrigen verschweigen die Antragsteller, dass der Schulweg unter Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln in noch kürzerer Zeit zurückzulegen wäre. Ergänzend verweist der Senat auf seine Ausführungen der Zumutbarkeit der Wohnung in dem Beschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren L 20 B 174/09 AS ER.

Vertiefte Ausführungen etwa zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes hält der Senat angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht für erforderlich. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Angaben der Antragsteller insbesondere zu Dauer und Kosten ihres Aufenthalts im Hotel Viktoria nicht frei von Widersprüchen sind.

II. Angesichts der vom Senat für erforderlich gehaltenen Ermittlungen konnte zum Zeitpunkt der Antragstellung der Beschwerde hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 114 Satz 1 ZPO nicht abgesprochen werden, so dass für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved